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aus Maintal im Jahr 2010 |
Vorwort des Redakteurs
Werte Leserin, werter Leser, bei dieser historischen Dokumentation handelt es sich um die redaktionelle Überarbeitung der Original-Kriegsaufzeichnungen von Karl-Heinz Schmeelke aus Friedrichshafen, der als Angehöriger der 2. Fallschirm-Panzergrenadier- Division "Hermann Göring" den mörderischen Endkampf der 4. Armee im Kessel von Heiligenbeil überlebte. Mein besonderes Interesse basiert auf meiner eigenen Dokumen- tation, die ich von zirka 200 Feldpostbriefen eines nahen Verwandten erstellte, der vermutlich bei Groß Hoppenbruch im Kreis Heiligenbeil ums Leben kam. An dem Tag, an dem sich seine Spur verlor, waren Karl-Heinz Schmeelke und Hermann Lohmann im näheren Umkreis. Mit Hilfe ihrer Aufzeichnungen und ihres authenti- schen Bild- und Filmmaterials konnte ich die Wissenslücke um das Schicksal von Walter Michel schließen. Hierfür bin ich den beiden Herren sehr dankbar.
Bei der Übernahme wurden einige Textpassagen sprachlich geglättet, ohne jedoch den ursprüng- lichen Charakter des Schreibstils zu verändern. Beim Lesen werden Sie bemerken, dass viele Kampfhandlungen und Lageberichte äußerst ausführlich geschildert wurden und dabei Wertungen einflossen, die wahrscheinlich in bestimmten Offizierskreisen zu Widerspruch führen. Auch wenn Karl-Heinz Schmeelke sehr genau zwischen verschiedenen Offizierstypen differenziert, überwiegen offensichtlich seine negativen Erfahrungen mit Offizieren, die sich selbst sehr gut zu schützen wussten und selten in der Nähe der Truppe zu finden waren, wenn es gefährlich wurde. Auch die enorm unterschiedliche Lebensform und die vergleichsweise üppige Versorgung der Offiziere, die im krassen Gegensatz zum Dahinvegetieren und Darben der Frontsolda- ten in der Hauptkampflinie stand, war ihm permanent ein Dorn im Auge. Gerade die emotionalen Highlights machen aber die Berichte so authentisch und so glaubhaft.
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So wurde sein erarbeitetes Druckwerk bekämpft und verun- glimpft und verschwand danach resignierend wieder in der Versenkung. Der Deutschlandfunk produzierte mit Karl- Heinz Schmeelke eine Hörfunksendung mit dem Titel "Der weite Weg zurück nach Balga", die auch als Hör-CD im Fachhandel erhältlich ist.
In den letzten Jahren kehrten die Erinnerung an Ostpreußen in die Medien zurück. So berichten Dokumentationen vom Los der Flüchtlinge oder vom Endkampf des Zweiten Welt- kriegs, der über Ostpreußen hinweg eingeleitet wurde. Die Orte der grauenhaften Begebenheiten sind heute allerdings teilweise verschwunden. An den historischen Orten der letzten Kesselschlacht - im damaligen Kessel von Heiligenbeil - hat sich die Natur viele Ortschaften wieder zurück geholt. Häuser, die nur teilweise zerstört oder heil geblieben waren, wurden von Umsiedlern aus den Weiten Russlands bezogen und sie befinden sich heute noch nahezu im gleichen Zustand, wie man sie vor 65 Jahren verließ.
Als Leser müssen Sie sich auf Schilderungen grausamster Begebenheiten und Zustände einstellen, die für die damalige Flucht der Bevölkerung und die Lage der Soldaten zum Alltag wurden. Sie werden in einem breiten Streifen zwischen der damaligen östlichen Grenze bis zum Haff (Schwerpunkt Kreis Gumbinnen) viele Erinnerungen an Ostpreußen wiederfinden, wenngleich sie davon handeln, was passierte, als die Menschen ihre Heimat bereits verlassen hatten. Manche werden sich oder ihre Eltern in den Schilderungen der Trecks wiederfinden, wenn sie den Weg nach Westen schafften.
Die opferreichen Kampfhandlungen retteten Tausenden von Flüchtlingen und Verwundeten das Leben. Am Ende blieb ihm nur das Glück, das völkermordähnliche Inferno mit einigen Kameraden überlebt zu haben. Als Karl-Heinz Schmeelke seine Dokumentation fertiggestellt hatte, musste er feststellen, dass viele Kameradschaftsmitglieder und Mitglieder der Stäbe - vorwiegend ehemalige Offiziere - heute noch nicht zu vielen Dingen stehen, die geschahen. Interessant ist auch die Sicht eines Offiziers der gleichen Einheit. Als im Raum Balga und an vielen anderen Orten, wie zum Beispiel dem Hürtgenwald in der nördlichen Eifel, selbst 1958 noch |
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täglich die unbeerdigten Überreste von Soldaten des Welt- krieges geborgen wurden, gründete man bereits wieder mit 20.000 ehemaligen Offizieren der Wehrmacht, der Luftwaffe und der Marine die heutige Bundeswehr. Dabei war ihr Auftrag erneut wieder gegen Osten gerichtet, weil man den Deutschen genügend militärische Erfahrung mit den Russen unterstellte. Nach einem Jahrzehnt waren alle schreck- lichen Lehren aus den Weltkriegen zweitrangig geworden. Die Gewissensprüfung für Wehrpflichtige war ein Spießrutenlauf durch die Instanzen. Inzwischen kämpfen wir am Hindukusch und am Horn von Afrika. Wir nennen es auch zaghaft wieder "Krieg". Wir verscharren unsere Toten allerdings nicht im Kampfgebiet, sondern schicken sie in Leichensäcken nach Hause. Am Wesen des Krieges ändert das aber nichts. Mit der Masse der Toten bekommt der Krieg scheinbar erst eine ernst zu nehmende Dimension.
Kern der Dokumentation ist die späte Bewusstmachung. Es soll damit die strikte Ablehnung von Krieg und skrupelloser Bereicherung der Kriegsgewinnler auf Kosten Millionen gepeinigter und geopferter Menschen einher gehen. Jeder Schuss, jeder Knall, jede Detonation, jedes Gewehr, jede Landmine, jedes Geschütz, Schiff oder Flugzeug, jeder Panzer, jeder militärische LKW, die Versorgung von Millionen von Soldaten und letztendlich der Wiederaufbau alles Zerstörten spülte bis zum heutigen Tag Milliarden in die Kassen der Kriegsgewinnler. An moralischen Aspekten sind sie deshalb nicht interessiert.
Ein gutes Beispiel ist ein deutscher Konzern, der nach dem Krieg einem britischen Hersteller von Bomben, die während des Zweiten Weltkriegs auf Deutschland fielen, Lizenzkosten für Hunderttausende von Bombenzündern in Rechnung stellte, weil diese Firma vor 1933 ein Patent dafür erworben hatte. Moral - Fehlanzeige!
Mit Karl-Heinz Schmeelke verbindet mich die feste Überzeugung, dass man den Anfängen trotzen sollte und Krieg, Terror und Vertreibung für immer geächtet werden muss!
Klaus Klee Im Juli 2010 |
An alle Militaria-Sucher im Raum Königsberg:
Gefundene Erkennungsmarken bitte melden! Die Telefonnummer des Leiters der Gefallenensucher vom Volksbund lautet +7 906 2302651 So können noch Schicksale geklärt werden! |
Hinweis
Die Aufzeichnungen und Karten auf dieser Website werden inzwischen von "Schatzsuchern" missbraucht, die nach Kriegsgerät graben. Hierbei werden auch menschliche Überreste gefunden. Es wäre gut, wenn der neben stehende Aufruf befolgt würde.
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Politisierung der Geschichte
Medien und gesellschaftlichen Gruppierungen unseres Landes es wollen. In der Praxis bewegt sich ein Zeit- zeuge, der seinem Gewissen folgt, auf des Messers Schneide, selbst wenn er nichts anderes berichtet als das, was er - auf Fakten aufbauend - als Wahrheit erkennt. Weil die Abläufe und Begründungen jedoch unterschiedlich interpretiert werden können, wird die Wahrheit zu einer Frage der Macht.
Unabhängig davon haben die Medien zwei Möglich- keiten, Zeitzeugenberichte, die nicht auf ihrer Linie liegen, zu bekämpfen. Zum einen können sie Publikationen ignorieren, die ihnen nicht passen. Die zweite Möglichkeit, eine unliebsame Publikation niederzumachen ist, sie politisch zu bekämpfen. Am einfachsten ist es, sie als "umstritten" "rechtslastig" "rechtsextrem" oder "nazistisch" zu bezeichnen.
Das Signal zum Angriff auf solche Störenfriede wird im allgemeinen von einem Personenkreis gegeben, z. B. von Leuten die gar nicht dabei waren oder in der Etappe ein gutes Leben führten, sich Weihnachten 1944 von der Front in Ostpreußen nach Berlin versetzen ließen oder sich im März 1945 über Pillau nach Stettin absetzten, um ein neues Quartier (Unterkunft) für sich zu suchen oder weil sie aus verschiedenen Gründen einfach nur nach Hause wollten.
Kein einfacher Soldat der 2. FschPzGrenDiv. HG ließ seine Kameraden im Kessel von Heiligenbeil im Stich. |
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Wenn Deserteure zum Russen überliefen, waren vielfach die eigenen Kameraden die ersten Opfer ihrer Tat, weil sie deren Stellungen, Bunker und Schützengräben verrieten. Ein bestimmter Offizierstyp der ehemaligen Wehrmacht unterscheidet sich nur wenig von bezahlten Demoskopen, die mit undurchsichtigen Statistiken genau die Ergebnisse erbringen, die ihre Auftraggeber haben wollen. Als der Krieg zu Ende ging, bekamen diese käuflichen Leute sehr oft eine gut dotierte Planstelle in einem privaten oder halbstaatlichen Institut. Wer den Lügenwall durchlöchert, um zur Wahrheit zu kommen, kann in diesen Kreisen nicht mit Wohlwollen rechnen. Als ich 1990 als Zeitzeuge meine Front- berichte im kleinen Kreis veröffentlichte, setzte sofort die erwartete Agitation gegen mich ein.
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Den Anfang machten einige der ICH-bezogene ehemalige Offiziere und ein Auftraggeber, der gar nicht dabei war! Ihm folgten mit wachsendem Getöse die anderen bezahlten Meinungsmacher, meistens mit den gleichen falschen und diskriminierenden Formulierungen. Danach wagten es kompetente Gegen- stimmen nicht mehr, in der Sache das Wort zu ergreifen. Die Argumente, so dumm sie auch sein mögen, werden heutzutage mit geringen Variationen immer noch und immer wieder neu aufgetischt. Einige Trendsetzer bestimmen den Ton und geben den Einsatz.
Karl Heinz Schmeelke Friedrichshafen 2006
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von Karl-Heinz Schmeelke
Die Provinz Ostpreußen hat als Stammland des preußischen Staates unserem Herzen immer besonders nahegestanden. Bei ostpreußischen Regimentern den soldatischen Dienst verrichten zu dürfen, empfand ein jeder, ob Offizier oder Soldat, als Auszeichnung. Wer, von Westen kommend, die Nogat bei Marienburg überschritt, sah am jenseitigen Ufer trotzig die alte Burg des deutschen Ritterordens (gegründet 1190) emporragen, ein Sinnbild der Größe und Macht, aber zugleich auch ein Anzeichen, das der Reisende jetzt hart umkämpften geschichtlichen Boden betrat. Seine Bewohner haben stets auf Vorposten gestanden, immer beneidet und umlauert von hab- und beutegierigen Nachbarn, die nur auf den rechten Augenblick warteten, um in das Land einzufallen. Schwer hatte das Land unter den Tataren (1656) zu leiden. Und blättern wir weiter im Buch der Geschichte, dann ist es immer wieder die Gestalt Friedrich Wilhelms, des Großen Kurfürsten (1640 bis 1688), die uns in ihren Bann zieht. Zunächst sein Kampf um die innere Befriedung das Landes, dessen halsstarriger Adel sich, auf seine Rechte pochend, dem jungen Herrscher nicht fügen wollte. Dann die Nöte des Schwedenkrieges (1675).
Die Seefeste Pillau wird der erste Kriegshafen des neugefestigten Staates. Des Kurfürsten Schiffe tragen den roten brandenburgischen Adler ehrenvoll über die Weltmeere. Unter Krieg und Kriegsnöten hat das Land im Laufe seiner weiteren Geschichte genug gelitten. Man litt unter der ersten Russenherrschaft im Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763), sah 1807 die Franzosen als ungebetene Gäste und ihre Feldzüge wenige Jahre später im Jahr 1812 nach Moskau, die in den eisigen Fluten der Beresina am 28. November 1812 ihr Ende fanden. Ein Name kommt auf, der Mann von Tauroggen im Jahr 1812: "Jork". Hundert Jahre Frieden von 1815 bis 1914 waren dem Land beschieden, dann wurde am 2. August 1914 erneut die Kriegsfackel in seine Dörfer und Städte geschleudert, dann ein zweiter Tatareneinfall und am 16. Oktober 1944 kam dann der dritte Tatareneinfall. Eine schwere Zeit brach über Ostpreußen herein. So gut wie ungeschützt erlag das Land dem Ansturm der asiatischen Horden, die das Land 1945 über- schwemmten. Dörfer und Städte gingen in Flammen auf. Viele unschuldige Einwohner mussten ihr Leben lassen oder wurden bis nach Sibirien in Gefangenschaft verschleppt. Von diesem Leid soll nun auf den folgenden Seiten die Rede sein.
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Gumbinnen, Dezember 1944 und die Weihnachtsgeschichte
Im Osten nichts Neues: Die Truppen des FschPzCorps HG hatten sich in Sichtweite ihres Gegners in Schützengräben - bekränzt von Stacheldrahtverhauen - tief in den Lehmboden eingebuddelt. Die anderen halten es ebenso. Wie zwei blutrünstige Ungeheuer liegen die feindlichen Soldaten einander gegenüber. Die Frontlinie des Stellungskrieges reicht von der Ostsee bis ans Schwarze Meer. Die anfängliche Kriegsbegeisterung ist längst gestorben. Hunderttausende junger Männer sind bereits gefallen. Der vom wochenlangen Regen aufgeweichte Boden ist tief gefroren. Schnee bedeckt im Niemandsland die erstarrten Leichen.
Doch an Weihnachten 1944 geschieht Unerhörtes: Frieden bricht aus - mitten im Krieg. Als es dunkel wird, leuchten Tannenbäume über dem Stacheldraht. Die Feinde von gestern singen gemeinsam die Botschaft von Weihnachten, ein jeder in seiner Sprache. Lieder vom Frieden auf Erden. Anfangs ist es nur einer, der "Stille Nacht, Heilige Nacht..." vor sich hin singt. Leise klingt die Weise von Christi Geburt. Doch dann brandet Gesang wie eine Welle übers Feld und von der gesamten langen dunklen Linie der Schützengräben klang es empor: "...schlafe in himmlischer Ru-uh´, schlafe in himmlicher Ruh´!" Diesseits des Feldes, hundert Meter entfernt, in den Stellungen der Russen, bleibt es ruhig. Als der letzte Ton verklungen war, warten die drüben noch eine Minute, dann begannen sie zu klatschen.
Wir stellen über den Rand der Gräben Hindenburg-Kerzen auf und zünden sie an. Nach Einbruch der Dunkelheit an diesem 24. Dezember 1944 - dunkel war es bereits gegen sechzehn Uhr - verzog sich der Wind. Klarer Sternenhimmel und der Vollmond verliehen der weiten, schönen ostpreußischen Landschaft durch sein mildes Licht das Gepräge wohltuenden Friedens. Beides hilft jetzt, der Mond und die Kerzen. Jede verdächtige Bewegung im Niemandsland wäre sichtbar. Aber in Abwesenheit eines höheren Offiziers beschließen Deutsche und Russen spontan, an Weihnachten 1944 nicht aufeinander zu schießen. Einen solchen Frieden von unten gab es noch nie in der Geschichte eines Krieges. Es hat niemals wieder einen gegeben. Diese - aus heutiger Perspektive betrachtet - große Weihnachtsgeschichte besteht aus vielen kleinen Geschichten. Man muss sie alle erzählen, nur dann wirkt das Wunder.
Zunächst verwirren die Lichter die Gegner. Sie trauen dem Frieden nicht. "Mal wieder so ein gemeiner Trick der Hitlerristen? Wieder so eine hinterlistige Täuschung!" Alle möglichen Geschichten wurden über die Begegnung mit russischen Truppen zwischen den Schützengräben erzählt.
Zum Glück haben wir Grenadiere einfach abgewartet, bis die Russen aus ihren Gräben herauskamen, doch nach zwei Tagen ist auf Befehl von oben alles vorbei. Zunächst schießen wir nach voriger Absprache noch gegenseitig über die Köpfe hinweg, dann am 27. Dezember 1944 beginnt erneut der blutige, der sinnlose Alltag des verordneten Mordens. Es wird bis 1945 dauern und noch Millionen Menschen das Leben kosten. Zwar verging auch danach kein Tag ohne Opfer und ohne das Heulen der Granaten und Schrapnelle, doch größere Angriffsversuche der Russen blieben aus. In den Gräben zu verharren bot wenigstens einen gewissen Schutz vor einzelnen Kugeln. Gegen die feindliche Artillerie half das aber wenig, da flogen wir mitsamt unserer Unterstände in die Luft. Der alltägliche Anblick, dem die Überlebenden nicht entkommen konnten, verwesende Leichen von Menschen in den Drahtverhauen und im Niemandsland oder durch den Luftdruck der einschlagenden Geschosse in kahle Bäume geschleudert - in deren Ästen sie tagelang hingen, tötete die Lust auf weitere Attacken. Abgestumpft waren wir, auf beiden Seiten der Front. |
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Eine Gefechtspause an der Front war an und für sich noch nicht einmal etwas Ungewöhnliches. Atempause im Töten gab es immer wieder. Der Stellungskrieg hatte tatsächlich eigene Gesetze. Wir erlebten im Graben ein unerhörte Verblüffung! Ein Feldwebel von uns warf sein Kommissbrot hinüber, etwa 30 Meter, der Russe seine Zigaretten zurück. Man sieht bald, dass der Mensch weiterlebt, auch wenn er nichts mehr kennt in dieser Zeit als Töten und Morden.
Der Leser muss sich das Leben in der HKL (der Hauptkampflinie) in etwa so vorstellen: Ein gepflügtes Feld. So gelegen, dass sich alles Grundwasser der umliegenden Felder darin sammelt. Schneide eine Zickzackrille (Schützengraben) etwa einen Meter tief und neunzig breit, quer übers Feld, lasse so viel Wasser reinlaufen, wie es nur geht, damit richtig schöner Schlamm entsteht, dann grabe auf einer Seite des Grabens ein Loch aus, bemühe dich, darin etwa drei Monate lang zu überleben während ein Russe die Anweisung hat, sobald du nur den Kopf über die Oberfläche des Grabens hebst, auf dich zu feuern.
Das damalige Schlachtfeld zwischen Hochfließ und Grünweiden war ein Weizenfeld, dann Hauptkampflinie und ist heute wieder ein Weizenfeld.
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An der Front vor Hochfließ
Ich werde diese Szene an Weihnachten 1944 in allen Details schildern, denn sechzig Jahre später haben wir Soldaten sie noch nicht vergessen. Zwar hatten wir Frontkämpfer den Krieg satt, wünschten uns Frieden, doch wir glaubten nicht daran, hatten zu viele Freunde schon sterben sehen. Doch wieder passierte eine jener unglaublichen kleinen Geschichten.
Wir waren wie erschlagen, als ob der Krieg plötzlich aufgehört hätte. Der russische Soldat empfindet zwar ähnlich, glaubt allerdings, die Deutschen da drüben seien verrückt geworden. Ein Feldwebel und ein Gefreiter aus unserer Kompanie kletterten über die Brüstung, sich selbst beleuchtend. Unter normalen Verhältnissen ein freiwilliger Abschied vom Leben, eine Einladung für russische Scharfschützen. Sie gehen in Richtung der russischen Linien und treffen inmitten des Niemandslandes auf einen Russen. Heute Nacht macht das nichts, der Mond ist hell genug und es reicht, den anderen als Schatten zu erkennen. Hat er Angst, der Russe, als er sich auf Niemandsland wagt, dass auf ihn geschossen wird und dass die Kameraden Recht hatten, die ihn vor den Deutschen warnten? Mag sein!? Man wird es nie erfahren. Immerhin ist sicher, dass der Russe und auch die beiden unserer Kompanie den Ausflug ins Niemandsland überlebt haben und sicher zurückgekehrt sind.
Ich nahm am ersten Weihnachtstag meine Kamera mit ins Niemandsland und machte zum Beispiel jene Fotos, die in dieses Buch aufgenommen wurden. Ein Foto, das auf einen Blick den wunderbaren Frieden sichtbar macht. Ein Russe ruft: "Ich bin ein Leutnant der Roten Armee, mein Leben liegt in Ihrer Hand. Ich bin schon außerhalb der Gräben und gehe auf Sie zu."
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Er spricht ein gutes Deutsch, jeder kann es verstehen. "Würde bitte einer Ihrer Offiziere kommen und mich auf halben Wege treffen?" Keine Antwort von deutscher Seite. Ein russischer Leutnant, der sich spontan hatte aufmachen wollen, wird von seinem Vorgesetzten barsch zurückbeordert. Der aus dem Dunkel gibt nicht auf. Ob nicht doch jemand kommen wolle, er habe etwas Wichtiges zu besprechen. "Acht Ihrer Landsleute liegen tot vor unseren Gräben im Niemandsland. Ich will für morgen ihre Beerdigung arrangieren - ich bin allein und unbewaffnet". Jetzt ist der Mann zu erkennen, der zur Stimme gehört. Hundert Gewehre sind auf ihn gerichtet. Dann klettert der Russe, der schon einmal, gerade eben, die Gräben hatte verlassen wollen, über den Stacheldraht, kein Befehl kann ihn noch stoppen, und er geht auf Feldwebel H. Völke zu. Einige Offiziere, Deutsche vor allem, vom 4. FschPzGrenRgt. die zufällig in der Hauptkampflinie als Besucher waren, versuchten, uns Männer mit Waffenreinigen zu beschäftigen oder damit, die Stacheldrahtverhaue zu verstärken, um uns so von weiteren Fraternisierungen mit den Russen abzuhalten. Obergefreiter Erwin Roock (Lübeck) sagte, zögernd, murrend, die Russen drüben seien auch Menschen, das haben wir selbst gesehen, persönlich erlebt. Die hätten auch Heimweh wie wir, Angst wie wir, den Krieg satt wie wir. Auf die können wir heute nicht schießen, als ob gestern im Niemandsland nichts gewesen wäre. Auf die würden wir am liebsten gar nicht mehr schießen, falls es nach uns ginge. Aber es ging nicht nach uns!
Die Offiziere vom Stab wissen keine Antwort auf diese Gedanken, denn eine solch spontane Antwort von unten gab es nie zuvor. Nach der ersten Verblüffung reagierten sie aber. Sie drohten an, selbst zu schießen - und zwar auf ihre eigenen Leute, falls wir nicht zu unseren Waffen griffen und nicht in die gewohnten Feuerstellungen gehen würden. Murrend gaben wir auf, im Ungehorsam waren wir nicht geübt.
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Gräben, Schlamm und Leichen
Das Niemandsland zwischen Hochfließ und Domäne Grünweiden Granattrichter, Schlamm, Baumstümpfe. Ein wüstes Land, von Menschen zur Hölle gemacht. Denn hier auf den Acker lagen deutlich sichtbar überall Leichen im Niemandsland. Hier starben die Illusionen im Feuer und im Schlamm versanken die Parolen. Hier endeten so manche Träume vom Heldentum im Stacheldraht.
Das Foto der Soldaten im Schützengraben. Es stellte sich heraus: "Sie schlafen nicht, sondern sind tot!" Noch nie ist uns Grenadieren der "Wahnsinn" eines Krieges so bewusst geworden wie am Heiligenabend 1944 im Raum Gumbinnen/Ostpreußen. Viele deutsche Soldaten in der Hauptkampflinie hatten die Schnauze voll vom Krieg. Die Gefallenen lagen oft tagelang unbestattet zwischen den Schützengräben und vermoderten im Schlamm vor Hochfließ.
Den Offizieren war es egal. Sie mussten diesen Anblick ja nicht ertragen, bei ihnen roch es nach Gänsebraten und Rheinwein. Sie trugen zwar die Verantwortung aber an der trugen viele von ihnen nicht schwer. Also lehnten sie alle Bitten ihrer Leute um ein paar Stunden Waffenruhe an der Front, um wenigstens die Toten zu begraben, ohne weitere Begründung ab. Sie ignorierten unser Anliegen, uns so vom Anblick der Toten zu befreien. Sie lehnten es tatsächlich ab, endlich die Gefallenen oder deren Überreste unter die Erde zu bringen.
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"Nur eine Stunde Frieden..."
...danach kann jeder wieder in seine Stellung gehen!" Unser Kompaniechef H. Lütz überlegt nicht lange, stimmte zu und verlor deshalb später zur Strafe im Raum Zinten seinen Rang als Offizier, wurde seines Kommandos entbunden und vom Kompanieführer zum einfachen Soldaten degradiert!
Dass im deutschen Hauptquartier des 4. FschPzGrenRgt. HG wegen dieses himmlischen Friedens auf Erden die Hölle los war, stimmte uns heiter. Die Herren vom Stab hatten nicht die leiseste Vorahnung, dass so etwas jemals passieren könnte. Auch am Tag und in der nächsten Nacht fiel kein Schuss. Falls wir schießen mussten, sprachen wir ab, es sollte zunächst in die Luft geschossen werden.
Zwar ist es wahr, dass es nicht an der gesamten Front Treffen gegeben hat, sondern nur im Raum Hochfließ-Grünweiden. Ich schrieb dennoch am 25. Dezember 1944 in mein Tagebuch: "Es ereignen sich Dinge im Krieg, die glaubt man einfach nicht und auch ich könnte es nicht glauben, wenn ich es nicht selbst gesehen hätte. Punkt acht Uhr früh haben die Russen ein weißes Tuch hochgehalten und auf russisch gegrölt? Danach verließen die Russen ihre Gräben, unbewaffnet, zwei Offiziere an der Spitze."
Unser Feldwebel H. Völke ermahnte uns, mit keinem über diese Geschichte zu reden, selbst in der Kompanie dürften wir nicht mal mit anderen Soldaten darüber sprechen. (Feldwebel H. Völke fiel, einundzwanzig Jahre alt, am 12. Januar 1945 durch Bauchschuss vor Grünweiden) Wir hatten strikten Befehl, darüber zu schweigen - woran sich aber nicht alle hielten. Drei Tage nach dem Fest wurden alle meine Filme konfisziert, die ich mit den russischen Soldaten geknipst hatte, um ein Bekanntwerden der unerwünschten Verbrüderung zu verhindern.
Stillschweigen vor allem, weil die gemeinen Soldaten in der Hauptkampflinie mit ihren Gegnern mehr Gemeinsamkeiten hatten als mit ihren Befehlshabern der Etappe vom 4. FschPzGrenRgt. HG. Die dort in der Etappe gehörten einer bestimmten Klasse an. Wir Soldaten zu einer anderen und entsprechend wurden wir behandelt. Hier entstand der Satz oder die Parole "Jeder Vorgesetzte ist dein Feind!"
Dieselben Männer, die vor ein paar Stunden noch alles unternommen hatten, um sich gegenseitig zu töten, standen nun zusammen, lachten, schwatzten, rauchten. Danach brachten wir alle Toten, denen zuvor die Soldbücher und die Brieftaschen mit Fotos und Adressen ihrer Familien abgenommen wurden, unter die Erde. Die Habseligkeiten der Gefallenen wurden dem Divisionspfarrer und Gräberoffizier der FschPzGrenDiv. HG übergeben, die dann - per Eintrag ins Regimentsregister - dafür sorgten, dass das mit dem Tod seine Ordnung hatte.
Die Waffenruhe kam auch uns sehr gelegen, weil endlich die vielen Leichen verschwanden, die keinen guten Einfluss auf die Kampfmoral hatten, aber auch deshalb, um mit Holz und Weidengeflecht, das in den Versorgungsstellen bereit lag, die vorderen Gräben auszubessern, ohne von Scharfschützen behindert zu werden. Normaler Wahnsinn brauchte Methoden. Die waren im Prinzip bei allen gleich: Grabentiefe zwischen zwei und zweieinhalb Metern. Höchstens anderthalb Meter in der Breite. Im schon erwähnten "Leitfaden des deutschen Infanteristen", diesem ganz besonderen Lesebuch, war jeder Handgriff vorgeschrieben. In die Grabenwände hauten wir in gewissen Abständen dunkle Höhlen ein - Schlaflöcher genannt - in denen zwei bis drei Mann für ein paar Stunden im Sitzen schlafen konnten. Ende November lagen wir im Schlamm, weil der Lehmboden kein Wasser mehr aufnahm.
Die spontan verabredete Waffenruhe war den jeweiligen Befehlshabern vorsichtshalber gar nicht erst gemeldet worden, um sich keinen ihrer üblichen Befehle einzuhandeln. Wir bauten auf unser Glück und täuschten bei Bedarf vor, der Krieg fände statt. Als der deutsche Kommandierende General des FschPzKorps, Generalmajor Schmalz mit Generalmajor Walther und Major Stauch zur Inspektion am 27.12.1944 in die vordersten Linien kamen, schien deshalb alles wie im ganz normalen Krieg zu sein. Nein, das war kein Wunder, das war erklärbar. Das Feldtelefon von Hochfließ (Gutshaus Kuntze) zur Hauptkampflinie hatte funktioniert, die Vorwarnung geklappt. Es war genug Zeit geblieben, alles auf Vordermann zu bringen. Die Wachen standen in Hab-Acht-Stellung auf Posten und blickten grimmig entschlossen auf eine vergammelte Steckrübe auf einem Stock, die zuvor für das Wettschießen der Russen über die Grabenbrüstung gehalten wurde.
Doch einen Fehler hatten wir Lebensklugen gemacht: Ein Russe war drüben gerade mit dem Spaten auf dem Grabenrand und arbeitete. Wir waren von ihm nicht informiert worden. Nun musste er wohl dran glauben, denn der soeben eingetroffene General befahl einem Landser, den offenbar irrsinnig gewordenen Russen abzuschießen. Genau so lautete die Anweisung. Der mutige Obergefreite Erwin Roock schoss vorbei. "In den Dreck" habe er geschossen, rügte der Kommandeur, doch als nun der Russe auch noch mit dem Spaten winkte, bevor er sich von der Brüstung in seinen Graben begab, glaubte der General nicht mehr an einen Zufall. Es blieb dem Kompanieführer nichts anderes übrig, als seinen Vorgesetzten aufzuklären. Man habe sich, meldete er, mit dem Feinde aber nur darauf geeinigt, die Gräben auszubessern und in dieser Zeit nicht aufeinander zu schießen. Dann würde man morgen umso besser wieder Krieg führen können. Diese Notlüge war ziemlich gut und klang überzeugend.
An Weihnachten 1944 lag ich in den Frontgräben und nahm am damals allseits bekannten Waffenstillstand teil. Wir verließen unsere Stellungen und drückten unseren russischen Feinden die Hand. Viele Leute denken ja, wir hätten etwas Unwürdiges getan, uns erniedrigt. Ich will das jetzt hier gar nicht diskutieren. Tatsache ist, dass wir es taten und ich kam damals zu der Einsicht, die sich seitdem eher verfestigt hat, dass kein weiterer Schuss gefallen wäre, falls wir uns selbst überlassen worden wären. Es lag nur daran, dass wir von Anderen kontrolliert wurden und dass wir gezwungen waren, wieder aufeinander zu schießen. So wie ich haben sich auch andere, die das erlebten, in diesen Tagen entschieden, alles Mögliche zu tun, um das Töten zu ändern.
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Generalmajor Schmalz Kommandierender General des Fallschirmpanzerkorps HG
Generalmajor Walter Kommandeur der Fallschirm-Panzergrenadier-Division 2 HG
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Zensoren waren Polit-Offiziere der 2. FschPzGrenDiv. HG, die das Recht hatten, Briefe zu öffnen. Damit sollte verhindert werden, dass Einzelheiten über die Lage an der Front in falsche Hände gerieten. Aus den Briefen erfuhren die Offiziere von der wahren Stimmung da unten. Andere schrieben sich ihre Zweifel, ihre Verzweiflung in Briefen an ihre Eltern oder Frauen von der Seele. Viele dieser Briefe sind erhalten - im "Militärgeschichtlichen Forschungsamt" in Moskau. Aber sie sind nur deshalb öffentlich zugänglich, weil ihre Verfasser den Krieg nicht überlebten. Eine Gefechtspause an der Front war noch nicht einmal etwas Ungewöhnliches. Atempausen im Töten gab es immer wieder. Oft auf Zuruf übers Niemandsland hinweg, um die eigenen Verwundeten vor den Stacheldrahtverhauen zu bergen, bevor sie, wie oft geschehen, verreckten und dabei stundenlang schrieen. Diese Abmachungen kannten an den Weihnachtstagen 1944 alle. Auch die Kommandeure!
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Wir Soldaten konnten unsere Wäsche nicht wechseln, die Socken nicht, die Stiefel nicht ausziehen und der Eigengeruch mischte sich mit dem Schweiß der Angst. Wir standen Wache in der Uniform, wir schliefen mal ein paar Stunden in der Uniform, die Kameraden starben in der Uniform. Dann erst ließen die Läuse von ihnen ab. Und falls ein Soldat auf Wache schlafend erwischt wurde, drohte ihm ein anderer Tod - ein sauberer. Die Urteile der Militärgerichte in solchen Fällen, wie in Groß- Hoppenbruch bei Heiligenbeil 1945, lauteten stets: Tod durch Erschießen - ebenfalls in Uniform.
Es gibt, wie immer nacherzählte Geschichten, die Äußerungen von Veteranen, die weit hinter der Haupt- kampflinie entstanden. Manche Heldensagen begannen in den Latrinen - daher der Begriff "Latrinengerüchte", die es bis in die Geschichtsbücher schafften. Die Wahrheit lag da eher in der Mitte: "Leichen" - Geschichten von ganz normalen Männern, die bis zu hundert Tage in der vordersten Linie ausharren mussten, gibt es dagegen nicht. Aus eigener Erfahrung gibt oder gab es nur anständige oder gnadenlos grausame Menschen bei allen Völkern und in allen Armeen. Niemand, der seine Schrecken in der Hauptkampflinie überlebt hat, ist ohne Schaden davongekommen. Die Erinnerung an das unsagbare Grauen von 1945 in Ostpreußen, das Menschen an anderen Menschen schuldig gemacht hat, weil man sie zwang, an einem unmenschlichen Geschehen teilzuhaben, daran haben die Menschen Schaden genommen.
Und wieder passierte eine jener unglaublichen kleinen Geschichten. Ich ging als Essenhohler in der Nacht von der HKL zur Feldküche ins Schulgebäude von Hochfließ, hier waren drei russische Mädchen. So gab es ständig heißen Kaffee, oder das, was man so nannte.
Auf dem Rückweg zur Hauptkampflinie fand ich bei der Villa Kuntze ein weggeworfenes Fahrrad und konnte so schneller zur HKL kommen, bis ich mich plötzlich zwei Feldgendarmen mit Maschinenpistolen im Anschlag gegenübersah. |
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Der eine Offizier schnauzte mich an: "Werfen Sie das Fahrrad und die Tasche weg. Schnappen Sie sich ein Gewehr und machen Sie, dass Sie nach vorne kommen! Richtung Front"! Ich war versucht zu sagen: "Wo bitte ist denn die Front", verkniff mir aber die Bemerkung und sagte: "Ich bin Essenhohler! Dafür brauche ich das Fahrrad!" Die Antwort des ranghöheren "Kettenhundes" kam knapp und präzise: "Machen Sie schon oder es knallt!" Mich überkamen Mordgelüste. Ich sah aber keine Chance, etwas anderes zu tun als das, was mir befohlen wurde. So wurde ich wieder Essenhohler und Infanterist. Es war das Szenario eines schaurigen Zusammentreffens jenseits der Vorstellungskraft derer, die es nicht erlebt haben! Ich war noch einmal davongekommen. Eines Nachts hatte ich einen Traum: Ich lief über ein sumpfiges Gelände an einem Wassergraben entlang. |
Von links schossen russische Panzer T-34 auf mich. Von rechts kamen russische Soldaten auf mich zu. Ich erwachte schweißgebadet, die Traumbilder noch intensiv vor meinen Augen. Wochen später sollte sich das Geschehen bei meiner Gefangennahme zwischen Groß Hoppenbruch und Balga fast genau so abspielen.
Ein anderes, weit schlimmeres Erlebnis hatte ich wenige Tage darauf. Wir mussten in der Nacht den Kontakt zu unserer Nachbarkompanie zur Rechten bei Schweizertal Husarenberg - der Zehnten - herstellen. Vorsichtig gingen wir zu Vieren mit schussbereiten Waffen bei dunstigem Wetter nach Süden. Als wir in einer Senke auf sechs nahe beieinander liegende Tote im Schnee trafen. Alle waren bestialisch zugerichtet !!!
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Helden wurden in all den vielen Kriegen geehrt. Wer sich mutig der Kugel des Feindes entgegenwarf, wurde von der Obrigkeit gefeiert. Die "Helden" aber - sie gaben keine Einzelheiten vom alltäglichen Gemetzel an der Front preis. Sie vermieden Beschreibungen des ihnen so alltäglich gewordenen Horrors. Darüber sprachen die Frontkämpfer nicht mal bei ihren Veteranentreffen, geschweige denn in ihrem nach der Heimkehr fremd gewordenen Alltag. So etwas Schreckliches wie der Stellungskrieg sprengt jede Vorstellungskraft.
Das hatten selbst diejenigen kaum begreifen können, die ihn erlebten. In den zensierten Briefen hätte man allenfalls ein paar Andeutungen über die Wirklichkeit entnehmen können. Vom Weihnachtsfrieden 1944 hätten alle erzählen können, denn diese Geschichte war eine menschliche Geschichte, die aber war nur durch das Grauen davor erklärbar. Also blieb auch sie tabu... - eine Anekdote, wie erfunden als Beleg für eine spezifisch deutsche Variante des schwarzen Humors. Ob sie stimmt, ist schon egal, sie passt einfach. Die folgende dagegen ist nicht ganz so witzig, aber sie stimmt ebenfalls. Noch nie ist uns der "Wahnsinn eines Krieges" so bewusst geworden wie in dieser Heiligen Nacht 1944. Ich berichte sechzig Jahre später darüber.
Obergefreiter Meusel aus Parchim schleppt am Heiligen Abend aus einem Depot in Ohldorf den für ihn und seine Kameraden bestimmten Christbaum, zirka achtzig Zentimeter hoch, fertig geschmückt und mit Kerzen bestückt, in den vordersten Schützengraben, vorbei an Hochfließ, wo sich die achte Kompanie eingegraben hatte. In der Frontlinie rechts davon liegt der Ort Schweizertal oder was davon außer Ruinen noch übrig ist. Der Tannenbaum musste nur noch im passenden Moment angezündet werden. Im offiziellen Regimentstagebuch (4. Regiment) wird lapidar vermeldet, bei den meisten Kompanien hätten "mit stimmungsvollen Tannenbäumen in der HKL Weihnachtsfeiern stattgefunden". Solche Einträge sind typisch dafür, wie die Geschichte vom Weihnachtsfrieden in deutschen Aufzeichnungen behandelt wurde: mit Totschweigen, oder wenigstens mit Kleinreden. Keine Rede davon, wo und mit wem wir außerdem feierten. |
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In der langen Heiligen Nacht fiel nämlich an diesem Frontabschnitt kein Schuss. Am Heiligen Abend saßen wir bereits zur Mittagszeit in unseren Gräben und lasen die Briefe von zu Hause. Die Post funktionierte immer gut. Wichtiger als Briefe waren Pakete aus der Heimat. Ganz private, die den Soldaten von ihren Familien an die Front geschickt wurden. Gerade am ersten Kriegsweihnachtstag war das ein Zeichen der Verbundenheit mit der kämpfenden Truppe. Weihnachten in Ostpreußen in engster Fühlung mit dem Russen. Solche Weihnachten wird uns allen unvergesslich bleiben.
Ausdrücklich zitiert der Regimentstagesbefehl zwei Tage zuvor, "...die Kompanien in der Hauptkampflinie sind eindringlich darauf hinzuweisen, dass sich nach Agentennachrichten unsere Feinde viel Erfolg versprechen, wenn sie uns in der Weihnachtszeit angreifen. Die Russen glauben, dass wir diese Zeit auch im Kriege besonders feiern und unsere Mannschaft dadurch nicht wachsam bleibt. Nach glücklicher Erfüllung unserer Aufgabe wollen wir dann ein fröhliches Weihnachtsfest feiern, in der Etappe!" (Tagesbefehl vom 23. Dezember 1944)
Solche Leckt-uns-doch-am-Arsch-Befehle wurden nicht in die Tat umgesetzt. Es gab übrigens Offiziere, die sehr wohl merkten, was ihnen da vorgespielt wurde, aber sie spielten mit. Die Taktik half wenigstens allen, Weihnachten zu überleben. Man soll keine schlafende Hunde in den Generalstäben wecken. Solange sie Schüsse hören, schöpfen sie keinen Verdacht.
Die Erklärung lag nahe: Es war nicht unser Krieg und das haben wir gemerkt. Er ist uns eingeredet und eingebläut worden. Unsere Begeisterung war längst gestorben. Unsere Illusionen waren im Schlamm erstickt. Wir lebten und wir starben in Ruf- und Sichtweite, diese Nähe verbindet. Die einfachen Soldaten schienen an Weihnachten 1944 überraschend begriffen zu haben, dass diejenigen, die ihnen zu schießen befehlen, selten unter den Toten und Verkrüppelten sind. Denn die Beobachter standen auf einem sicheren Posten und erlebten von dort aus einen Gegenstoß live - wie bei einem Manöver. Der Angriff auf Weidengrund, der ihnen vorgeführt wurde, kostete zwölf deutschen Soldaten das Leben, die in den sicheren Tod marschiert waren. (28. Dezember 1944 - 20.00 Uhr)
Die Männer in der Hauptkampflinie der Front wussten noch nicht, was inzwischen da hinten in der Etappe unternommen wurde, um die da vorne wieder auf Vordermann zu bringen. Die Leitungen der Feldtelefone waren oft gestört. Meldegänger haben heute Besseres vor. Deshalb ging es im Laufe des Vormittags nach Absprachen untereinander so weiter, wie es gestern Nachmittag aufgehört hatte, mit zwölf Beerdigungen (29. Dezember 1944).
Wir hatten es bei Tageslicht nicht überall geschafft, alle Gefallenen unter die Erde zu bringen. Da, wo es nicht gelungen war, hatten wir uns diese Pflicht für den nächsten Tag auferlegt und es dauerte fast vier Stunden, bis wir damit fertig waren, denn der Boden war hart.
Gegen Abend des 29. Dezember 1944 fing es an, etwas zu schneien. Der Schnee verwandelte sich aber bald in Regen mit Eiskristallen. Um 18.00 Uhr gingen wir wieder nach vorne in den Schützengraben. Es wurde immer noch nicht geschossen. Wir bauten noch tüchtig an den Unterständen, Drahtverhauen und Schützengräben.
Am 29. Dezember 1944 um 20.00 Uhr wurden wir von einer anderen Kompanie für 24 Stunden abgelöst, sie hatten zwar von den Verbrüderungen erfahren, aber das waren für sie nur Anekdoten. Sie hatten das Wunder nicht am eigenen Leib erlebt. So blieb es ohne Wirkung auf ihr Verhalten. Die neuen Grenadiere müssen gezwungenermaßen in ihren Stellungen bleiben, weil die russische Artillerie wieder begonnen hatte, das Gelände von Grünweiden bis Hochfließ zu bestreichen, die wussten nichts vom weihnachtlichen Frieden hier in der Hauptkampflinie. Aus den jeweiligen Nestern im Gutshof der Domäne Grünweiden fiel kein tödlicher Schuss. Vor deren Kugeln brauchte heute keiner Angst zu haben, nur vor Granaten und Mörsern.
Vorne in der HKL, der Hauptkampflinie, krochen unsere braven Sanitäter oft mitten im Feuer der feindlichen Maschinengewehre und Geschütze hinaus, um ihre verwundeten Kameraden zu bergen. Oftmals mussten sie auch Verwundete aus den Minefeldern, in die sie geraten waren, herausholen. Das war dann immer ein regelrechtes Himmelfahrtskommando. Für Dr. Erwin König, Stabsarzt (Hauptmann), verheiratet, ein Kind, waren es die letzten Aktionen. Er fiel, und man kann sogar vermuten, dass er starb, während er seine Berichte und Erlebnisse im Unterstand der Hauptkampflinie aufschrieb, denn seine Eintragungen hörten mitten im Satz auf. Er bekam kein eigenes Grab, niemand weiß, wo er verscharrt wurde.
Ich habe noch im Graben fotografiert, ich dokumentierte die Ereignisse, doch die dabei entstandenen Aufnahmen wurden beschlagnahmt. Erst wenn ein Zensor vom Kriegspresseamt per Stempel auf der Rückseite sein Plazet gegeben hatte, war ein Foto freigegeben. Deshalb wurden nur lebende deutsche Helden an der Front gezeigt. Der tatsächliche Tod im Dreck, die zerfetzten Glieder, die Leichen im Niemandsland blieben unter Verschluss. Solche Fotos hätten die Kriegsbegeisterung dämpfen können. Wer sich nicht daran hielt wurde bestraft. Von A wie Anschiss bis Z wie Zuchthaus.
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Die Sylvesternacht 1944/45 verbrachten wir Offiziere des Stabes Ib/2HG in froher und ausgelassener Stimmung. Die "Soiree" fand nach dem Motto: "Das Leben hat uns Offiziere noch immer" im großen Salon des Herrenhauses des Gutes Rotgänger in Nemmersdorf statt. An diesen Abend feierte das Offizierskorps des Ib-Stabes 2 HG gleichzeitig die Hochzeit von Leutnant Kamenicky. (Ferntrauung) Die Instandsetzungskompanie hatte ihm aus einer 8,8-cm-Panzerkartusche eine Messingschale getrieben, mit der Widmung: "Ib/Staffel FschPzGrenDiv. 2. HG" . Nach einem Steh-Aperitif servierten uns Ordonanzen das Festessen: Es gab Kraftbrühe, Rindfleisch mit Kartoffeln und als Nachspeise Götterspeise. Dann kredenzte der Feldintendant Oberfeldwebel Sieme mit Stolz seinen ersten selbsterzeugten "Schnaps", den er in der Schnapsbrennerei des Gutes Rotgänger aus den angefaulten Kartoffeln gewonnen hatte. Das war ein ganz fürchterlicher, hochprozentiger Alkoholfusel. Zwei Gläser davon setzten alle Offiziere für den ganzen Neujahrstag außer Gefecht.
(Bericht von Ib des 4. FschPzGrenRgt. HG Marwan-Schlosser)
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Sylvesterabend in der Hauptkampflinie
In der Sylvesternacht starrten wir zum Russen rüber, hier und da erleuchtet für einige Sekunden von einer russischen Leuchtkugel. Der Russe schießt vereinzelte MG-Garben mit Leuchtspur herüber in Richtung Hochfließ. Ansonsten trommelt der Regen auf die Zeltplane.
Etwa zwei mal zwei Meter ist die Erdhöhle in der wir abwechselnd auf dem blanken Erdboden schlafen - nass, verfroren, mit Lehm und Schmutz beklebt. Gewaschen und rasiert hat sich noch keiner, so lange wir hier im Graben sind. Aber wir schlafen, weil unser Körper unerbittlich sein Recht fordert. Eine Verschalung der Wände oder eine Absteifung der Decke gibt es hier nicht. Woher sollte man sie nehmen? Bäume sind nicht da, und die paar Bretter, die man gefunden hatte, sind längst verheizt. Sogar die Handgranatenstiele mussten schon als Brennholz dienen, um wenigstens mal einen Schluck Tee warm machen zu können.
Woran ließe sich in der Sylvesternacht denken? An zu Hause? An Frieden oder, dass es in einigen Stunden wieder Tag wird und es am Abend wieder eine eiskalte, dicke Erbensuppe gibt mit einer schönen Schneeschicht obendrauf, die der Schneeregen besonders appetitlich gemacht hatte, oder dass dieser Krieg zu Ende gehen möge, irgendwann? Wie und wann und mit welchen Folgen es geschehen wird und dass man nicht weiß, ob man dann selbst noch am Leben ist, zum Krüppel geschossen oder halbwegs unversehrt? Man kann es sich in dieser Sylvesternacht 1944-45 nicht vorstellen.
Erinnerungen von Karl-Heinz Schmeelke
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Auf dem Weg nach Hochfließ
In diesen Januartagen verlor man den Sinn für die Zeit. Minuten vergingen wie Stunden. Man wusste nicht mehr, der wievielte Tag es im Monat war, man empfand nur noch den Unterschied zwischen Tag und Nacht. Man kann nicht dauernd in der Wachsamkeit des Alarmzustandes verharren, auch nicht, wenn es dabei um das eigene Leben geht.
Gegen die eisige Kälte konnte man kaum etwas unternehmen. Lediglich als Meldegänger oder Essenhohler hatte man die Chance, sich im vom Russen nicht einsehbaren Dorf Hochfließ hinter der Front, in dem unser Koch mit zwei 19- bzw. 20-jährigen russischen Mädchen die Feldküche betrieb, ein paar Stunden aufzuwärmen. Den etwa zwei Kilometer weiten Weg dorthin konnte man nur nach Einbruch der Dunkelheit oder bei Schneetreiben gehen. Man musste mit Scharfschützen jenseits des Flusses Rominte rechnen, außerdem schoss die sowjetische Artillerie sehr genau und nahm tagsüber jeden einzelnen Mann aufs Korn, der auf der schneehellen Fläche gut auszumachen war. Besonders gefürchtet war die von uns getaufte "Rasch-Bumm", eine 7,6-cm-Panzer-Abwehr-Kanone mit hoher Durchschlagskraft. Ihre Granaten explodierten, bevor man den Abschuss hörte, man hatte also keine Chance, rechtzeitig Deckung zu suchen.
Mich beschäftigte zunächst die Frage, warum mich der Russe dermaßen mit seinen Granaten eindeckte? Die Antwort musste irgendwie in Zusammenhang mit der Tatsache stehen, dass im Bereich des Dorfes Hochfließ kein deutscher Soldat zu sehen war; womöglich war ein russischer Artillerie-Beobachter in der Gegend? Das hätte so sein können. Kein Laut war weit und breit zu hören, alles bot ein Bild tiefen Friedens. Einige Häuser waren zerstört, einige davon durch Brände - wie die Villa Kuntze - und man sah andere, von Artilleriegranaten zerschossen. Ich war etwas erstaunt, dass in dem Dorf niemand zu sehen war. Man konnte erkennen, dass die Häuser fluchtartig verlassen worden waren, überall lag noch Hausrat herum, Stühle, Tische, zerbrochenes Geschirr. Offenbar hatten weder Freund noch Feind das geringste Interesse an dem Dorf.
Das Essenholen gehörte zu meinen ständigen Pflichten und diese Aufgabe übernahm ich gerne. Da die knappe Verpflegung nach wie vor nur aus Kohl, pappigem Brot und einer undefinierbaren Wurst bestand, war ich um eine Aufbesserung bemüht, wo sich dazu eine Chance bot. Diese Situation hatte einen erfreulichen Vorteil. Unser Koch, ein Unteroffizier, der sich sonst gerne in sicherer Entfernung von der eigentlichen Front aufhielt, musste sich mit der Feldküche im Schulgebäude im Zentrum von Hochfließ aufhalten, so gab es ständig heißen Kaffee - oder das, was man so nannte. Im Klassenzimmer stand ein rot glühender Kanonenofen der für eine regelrechte Saunahitze sorgte. Er selbst machte kaum einen Handschlag, dazu hatte er zwei russische Frauen.
Auch in Ostpreußen befanden sich wiederholt Spione, insbesondere russische Frauen, die in den Häusern der Stäbe und rückwärtigen Einheiten tätig waren und selbst höhere Offiziere mit deren Vornamen ansprachen. Sie waren Quellen des Verrates.
Unsere Feldküche im Schulgebäude von Hochfließ hatte also zwei russische Mädchen. Eine davon, hieß Luba Bobir und stammte aus der Ukraine. Die Köchin, hieß Katjuschka (Katarina) Wilschenska und kam aus Mapisewka bei Kiew. Ich beneidete sie, denn sie hatten es weitaus besser als wir in der Hauptkampflinie. Katjuschka kannte mich als obligatorischen Essenholer unserer Gruppe ganz gut. Sie reichte mir immer einen vollen Feldbecher mit "Tschai". Das Getränk war undefinierbar wie immer, aber es war heiß. Die beiden grinsten mich treuherzig an, und Luba sagte, "Nix russki Soldatt, germanski Solldat, otschin karaschow". Irgendwie kam ich mit Katjuschka ins Gespräch. Sie war Lehrerin in Kiew und sprach ein gutes Deutsch. Wir unterhielten uns fast die ganze Nacht über dies und jenes, dabei hörte ich zum ersten Mal einen Satz, mit dem die Russen ihr Urteil über die deutschen Eindringlinge kurz und bündig zusammenzufassen pflegten: "Germanski nix kultura". Katjuschka sprach sehr freimütig über die deutsche Besetzung, und vom "Großen Vaterländischen Krieg", hier in Hochfließ. |
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Sie war eine Patriotin und hatte als solche nach ihrem Empfinden jedes moralische Recht auf ihrer Seite. Meine Beteuerung, wir Deutschen wollten Russland vom Kommunismus befreien, löste bei ihr schlimmstenfalls milden Spott aus. Sie war in ihrer Haltung selbstsicherer als ich und das machte nachdenklich! Schließlich kramte ich aus meiner Brusttasche Papier und Bleistift hervor und begann zu schreiben, eng und mit kleiner Schrift. Langsam und sorgfältig, Papier war eine Kostbarkeit. Ich schrieb alles auf, was die drei damals 19-jährigen Ukrainerinnen, Katarina Wilschensko - Luba Bobir - Nadin Palaperschka - alle drei aus Kiew, in dieser Nacht in der Schule erzählten.
Nadin Palaperschka, geb. 13. II. 1927. Gebutsort: Salitja, Kreis: Kiew. Ukraine erzählte: "Meine ältere Schwester, sie hatte zwei kleine Kinder, wurde von der deutschen Polizeitruppe in Kiew gefangen und auf ein Lastauto geworfen. Die zwei kleinen Kinder blieben zurück. Ich, Nadin, ging dann für meine Schwester nach Deutschland und so konnte meine Schwester in Kiew bleiben. Wir wurden dann in geschlossenen Viehwaggons - ohne Wasser und ohne Verpflegung - über den Bahnhof Kiew/Nord in Richtung Deutschland, genauer - nach Königsberg in Ostpreußen gefahren. Die Fahrt dauerte ca. drei Wochen(?). In Erinnerung blieb uns das Schicksal einer Russin, die im Waggon ununterbrochen schrie und sich vor Verzweiflung die Haare ausriss. Sie wurde ebenfalls in Kiew beim Kauf von Kinderschuhen auf ein Lastauto gezerrt und zum Bahnhof abtransportiert. Ihre vier Kinder blieben zurück. Die Frau überstand die Strapazen nicht, verstarb im Viehwaggon und wurde auf freier Strecke einfach rausgeworfen!
Da war viel Angst und Verzweiflung, aber wir haben das auch überstanden und sind seelisch nicht verbittert. Wir Ukrainerinnen haben immer Hoffnung gehabt, weil man ohne Hoffnung nicht leben kann, sogar dann, wenn es keine Hoffnung mehr gibt. Hier in Königsberg kamen wir in ein Lager an der Cranzer-Allee. Die Wachmänner im Lager sagten zu uns, wir sollen nicht mehr fragen, nach Hause käme eh keiner mehr! Wir sind in einem fremden Land, aber immer mit etwas Hoffnung."
Katarina Wilschenska, geb: -? ? -1926 Heimatort: Mapisewka, Kreis: Kiew erzählte weiter: "Wir Ukrainerinnen mussten uns unterordnen und anpassen. Wir hatten in Ostpreußen als Untermenschen keine Endscheidungsfreiheit über unsere Lebensbedingungen. Bei der Arbeit wurde voller Einsatz verlangt und erwartet, aber auch anerkannt und honoriert. Jeden Tag ging es in Kolonnen und unter Bewachung durch die Stadt Königsberg zum jeweiligen Arbeitseinsatz. Nach zwölf Stunden mussten wir wieder zurück ins Lager. Wir Frauen waren in Gefangenschaft und wir fühlten uns auch als sowjetische Gefangene. Wir waren irgendwo angekommen, kannten aber weder den Ort, noch die Sprache!
Wir mussten für alles bezahlen, für das Lager, den Stacheldraht und für die Wachmänner. Sie waren allesamt menschliche Schweine. Im Lager mussten wir Frauen uns zur Kontrolle ganz ausziehen. Das war vor dem Wachpersonal unangenehm. Die oft zerrissene Kleidung bestätigte den Deutschen, die von unserem Schicksal nichts wussten, die NS-Theorie von Russen und Ukrainerinnen als "Untermenschen". In Ostpreußen wurde der Ausländereinsatz während der Kriegszeit fast gänzlich ausgeklammert. Der Arbeitseinsatz begann mit der Ankunft am Einsatzort. Zu den traumatischen Erlebnissen der Deportation gehörte das Durchgangslager mit den vielfältigen Aufgaben bei der Verteilung der Arbeitskräfte, das Krankensammellager und das Entbindungs- und Sterbelager bei Brandenburg am Haff. Angaben über die in Raum Königsberg geborenen ausländischen Kinder oder Todesursachen verstorbener Ausländer gab es nicht."
Katerina erzählte weiter: (6. Januar 1945) Zitat: § 1 - Ostarbeiter sind Arbeitskräfte nichtdeutscher Volkszugehörigkeit, die im Reichskommissariat Ukraine erfasst und nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht in das Deutsche Reich gebracht und hier eingesetzt werden. Aus rassistischen Gründen gibt es keine Freizügigkeit und keine medizinische Versorgung. - § 1 der Ostarbeiterinnen.
Luba Bobir geb: 15.02.1923 in Werenja Heimatort: Werenja, Kreis: Obuchow. Luba Bobir - 21 Jahre. Sie gibt uns vieren einen Trinkbecher Tee - herrlich heißen Tee, der den Mut und die Zuversicht aufmöbelt und die Gemüter belebt. Und es gibt noch eine Überraschung, von der man schlecht sagen kann, ob sie mehr wert war als heißer Tee. Luba trägt auf einmal das Haar lang und offen sichtbar. Noch geht sie ohne den dicken Rock herum und lässt das schöne Haar über die Schulter wallen. Ich vergesse das Kauen und starre die Verwandlung an als Luba mit der leer gewordenen Teekanne vorbeigeht. Luba erzählt: "Ich bin eine Ukrainerin und eine Patriotin und habe jedes Recht auf meiner Seite. Wir werden unsere Dokumente, Arbeitsbuch und unsere Fotos - es handelt sich ausschließlich um unser Eigentum - zur Aufbewahrung mitgeben, bis zum Treffen am Kriegsende in Gumbinnen. Die Geschichten, die wir drei erzählt haben, ist hart, aber wahr. Man darf nicht nur das Schreckliche sehen, denn es gibt immer eine Hoffnung."
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Die Nacht der Sinnlichkeit
Nach diesen Bericht von Nadine, Katarina und Luba war meine Stimmung auf dem Nullpunkt. Ich konnte es nicht glauben! Dann die Inszenierung der Weihnachts- geschichte, der Zorn der Offiziere usw.. Ich hätte in der Verfassung, in der ich mich am 6. Januar 1945 befand, ohne Überlegung einen Arm oder ein Bein geopfert, um der Misere hier in Ostpreußen zu entkommen. Allmählich wurde es endgültig ruhig, die Anspannung ließ nach, ich saß mit beiden russischen Mädchen recht bequem im Schulhaus Hochfließ und fand eine Stelle, um meinen Kopf bei Katarina anzulehnen. Katarina nahm ihr Kopftuch ab, einen flüchtigen Augenblick lang kam es mir so vor, als wären wir drei allein auf der Welt. Die beiden Frauen wetteiferten jedoch nicht miteinander, so wie dies zu erwarten gewesen wäre. Nun war der Bann gebrochen. Luba begann ihr Jackett aufzuknöpfen, denn es war sehr warm hier drinnen. Der rot glühende Kanonenofen sorgte für eine regelrechte Saunahitze. Katarina zog auch die Jacke aus und hängte sie über die Lehne der Schulbank. Hätte sie das bloß nicht getan. Ich starrte ihre Brüste an, die sich unter der dünnen Bluse abzeichneten. Unruhig rutschten sie beide auf ihrem Stuhl herum, eine Bewegung, die die Röte in ihren Wangen verstärkte. Ihr Lächeln wirkte etwas unsicher aber ihre Stimme klang ruhig und beherrscht. Wenig später verließen beide das Schulzimmer, unter dem eng anliegenden langen Rock schwangen ihre Hüften verlockend und es war unmöglich, den üppigen Busen zu ignorieren, um den sich die taillierte Bluse schmiegte.
Was, zum Teufel, sollte ich tun? Die Zähne zusammen- beißend zwang ich mich, meinen Blick von diesen vollen Brüsten anzuwenden, die sich bei jedem Schritt deutlich abzeichneten. Verwirrt blicke ich auf. Mit einer Kornflasche in der Hand standen Katarina und Luba jetzt vor mir und ihr freundliches Lächeln rührte mich beinahe zu Tränen. Dann stellte sie vier Gläser auf einem kleinen Tisch. Warum vier Gläser? Sie brauchte ziemlich lang, um die Flasche zu öffnen. Erst als sich die Gläser füllten, begannen sie wieder auf russisch zu sprechen, und ich fühlte mich hoffnungslos nüchtern, während beide ziemlich beschwipst aussahen.
Plötzlich hatte ich das Gefühl, ich müsse die verlorene Zeit als Soldat in der Hauptkampflinie nachholen, und leistete mir hier einen Luxus, den es sonst hinter der Front nicht gab. Und weil beide so leise sprachen, wusste ich nicht, ob sie das ernst meinten oder nur scherzten. Gleich wird's warm, versprach Luba und legte fünf Holzscheite in die schwellende Asche. "Wir haben genug Brennholz, um einen Ochsen zu braten", meinte Katarina. Ich genieße die Situation in vollen Zügen - um die Konsequenzen habe ich mich nie gekümmert. "Solange die Tür verriegelt ist, gibt's keine Probleme", meinte Katarina belustigt.
In einer hochherzigen Geste breitete Katarina die Arme aus, legte ihre Wangen an meine Brust und begann zu weinen. "Bitte, keine Tränen", flüsterte ich und streichelte ihren Rücken. Dann berühren meine Lippen ihre Stirn. Danach zog sie meinen Kopf zu sich hinab und bedeckte mein Gesicht mit Küssen zum Zeichen meiner Dankbarkeit, wie sie meinte. "Und jetzt brauchen wir ein Handtuch", sprach Katarina, entschuldige sich für eine Minute. Der Service war beträchtlich, er wurde von beiden jungen Frauen ausgeübt und umfasste nicht nur eine zweifache gründliche Rasur, sondern danach eine wohltuende heiße Gesichtskompresse. Eine ähnliche perfekte Behandlung von zarter Hand habe ich anderswo nie wieder von einer Frau erfahren.
Nur zur Sicherheit warf ich einen Blick zur Tür, und vergewisserte mich, dass Katarina den Türriegel vorgeschoben hatte, denn Hochfließ lag ca. 600 Meter hinter der Hauptkampflinie. Dann sprach Katarina, sie wolle mich rasieren! Auf einmal merkte ich, wie sehr sie sich nach Zärtlichkeit sehnte. Fürsorglich tätschelte Katarina mein Knie. Zum Glück ließ sich der Koch, ein Unteroffizier, nicht blicken, sonst wären wir drei in flagranti ertappt worden. (Verbot für Wehrmachtsangehörigen für private und sexuelle Kontakte mit russischen Mädchen, sie waren nicht generell verboten, sondern unerwünscht. Fast jeder Offizier hinter der Front in der Etappe, weit vom Schuss, hatte allerdings eine Frau aus dem Memelland).
Offenbar sind Katarina und Luba sehr eng befreundet. Kennen sich schon lange, seit der Kindheit in Kiew. "Genießen wir wenigstens die Nacht", bat Luba leise. So könnte Eva im Paradies gesprochen haben, dachte ich, und sagte "die Reinheit einer Frau schüchtert mich ein." - "Dann werden wir uns bemühen, nicht ganz so rein zu erscheinen." - "Also gut", stimmte ich zu, was konnte uns schon passieren. Der Krieg findet hier nicht statt und deshalb wollen wir uns nicht länger zieren! Zudem vertraten sie den Standpunkt, jeder Mensch müsse sein Leben selbst gestalten.
Die gemeinsame Zeit in Hochfließ war in der Nacht des 6. Januar 1945 begrenzt und ich wollte sie nicht mit sinnlosen Diskussionen vergeuden. Sehsüchtig betrachtete ich die halbnackten wohlgeformten Körper beider Mädchen, nur mühsam widerstand ich der Versuchung. "Willst du nicht zu mir kommen?", fragte Katarina. Ihr Lächeln war unwiderstehlich. "Lieber nicht" erwiderte ich, und es kostete meine ganze Willenskraft, standhaft zu bleiben. "Sind wir nicht ein fabelhaftes Paar?", hauchte sie und zog mich zu sich heran. Ihr glühender Blick schien meine Augen zu durchbohren, und ich genieße die Situation in vollen Zügen. Als ich sie losließ, seufzte sie enttäuscht. Aber ich hauchte einen Kuss auf ihren Mund und drückte sie in die Kissen zurück.
Geschickt knöpfte ich die Bluse auf und streifte sie über ihre Arme nach unten. Dann umfasste ich ihre Hände und hielt sie fest, bis die Bluse an ihren Fingern hinabglitt. Katarina sagte, "Erst bin ich dran". Luba musterte ihre Freundin Katarina durch ihre gesenkte Wimpern. Irgendwie wusste ich, dass die zwei rücksichtsvoll und freundlich waren. Dramatisch breitete Luba die Arme aus. "Waren wir nicht stets gute Freundinnen?" - "Eigentlich finde ich die Szenerie in unserer unmittelbaren Umgebung sehr angenehm", gestand Luba und schaute zum Bett hinüber. "In diesem warmen, gemütlichen Bett könnten wir drei einige Stunden ...? - Am liebsten würde ich für immer mit Katarina und Luba in diesem Bett liegen", dachte ich. Beide Herzen schlugen schneller und sie lächelten verträumt, ihren Gefühlen hilflos ausgeliefert, in meinen Armen. Mein Blick glitt zu ihren Gesichtern. "Hallo" - "Oh, jetzt bin ich auf die Erde zurückgekehrt", flüsterte Katarina zufrieden. Solche Momente gibt's nun mal. "Endlich weiß ich, warum Nadin tut was sie tut". Lubas Flüstern klang heiser vor Sehnsucht, ihre Finger gruben sich in meinen Rücken. |
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Kurz danach betrat Nadin Palaperschka die Dorfschule. Erleichtert öffnete sie die Zimmertür und blieb wie erstarrt auf der Schwelle stehen. Ihre beste Freundin Luba Bobir umklammerte einen dunkelhaarigen Mann, die Beine um seine Hüfte geschlungen, den Rock bis zu den Schenkeln hochgeschoben, während er sie gegen den Schrank stemmte. Von der Taille aufwärts war er nackt. Seine Uniform lag zu seinen Füßen. Nachdenklich betrachtete Nadin die am Boden liegende Unterwäsche oder sie suchte irgendetwas Verführerisches. Sie überlegte flüchtig, wer die letzten Stunden wohl mit wem verbracht haben mochte.
Als Nadin sich in der Tür rührte, schrie ihre Freundin Luba leise auf. Mitten in der Bewegung hielt ich inne und blickte zur Tür. Verlegenheit trieb ihr das Blut in die Wangen, Nadin spähte den Flur entlang, in beide Richtungen. Zum Glück ließ sich niemand blicken, bis endlich die erlösende Stille einkehrte, aber nur kurzfristig. Schon nach wenigen Minuten huschte Luba ins Zimmer von Nadin, lehnte sich an die Tür und schenkte Ihrer Freundin ein glückliches Lächeln. "Ich wollte dir nur sagen, dass ich soeben ins Paradies entführt wurde und du brauchst dich nicht zu entschuldigen, weil du hereingeplatzt bist. Du hast uns den Spaß nicht verdorben." Außerdem erforderte eine verbotene Affäre einen besonderen Duft, und so besprühte sie gewisse Körperstellen mit Parfüm.
Wenig später verließ Nadin unser Zimmer in der Schule und ging zurück zum Gutshof Kuntze. Hier lag der III. Zug der San.-Kompanie vom 4. Regiment HG, etwa 600 Meter hinter der Front. Die deutschen Sanitäter, die russischen Mädchen und die Hiwis hatten ein denkbar gutes Verhältnis zueinander. Die russischen Hilfswilligen trugen vorwiegend noch ihre sowjetische Uniformen und das 600 Meter hinter der Hauptkampflinie. Hier traf man keinen Offizier aus der Etappe, denn schlafende Hunde in den Gefechtsstäben sollte man nicht wecken. Die Russen waren geschickt, ehrlich, zufrieden und oft von einer rührenden Dankbarkeit für jede Anerkennung. Sie alle hielten uns die Treue bis zuletzt im Raum Zinten - Heiligenbeil. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Soweit sie nach Kriegsende in sowjetische Hände fielen, waren ihnen Liquidierung, zumindest aber Straflager und Zwangsarbeit in Sibirien sicher.
Irgendjemand, mein Kompanie-Führer Leutnant H. Lütz aus dem Sauerland, wenn nicht sogar der Spieß, Hauptfeldwebel Schütz (er war der Kompanie- schreck von Gumbinnen bis zur Hauptkampflinie bei Hochfließ) wollten mir offenbar etwas Gutes tun. Ich wurde am Dienstag den 2. Januar 1945 als Essenhohler abkommandiert. Meine Aufgabe erledigte ich, wenn es dunkel wurde. Und so konnte ich die Nächte in der Schule Hochfließ am Weg nach nach Alt Grünwalde / Weidengrund verbringen. Das brachte mir einen unverhofften Vorteil. Zwischen Weihnachten und dem 11. Januar 1945 fiel kein Schuss, das Weihnachtswunder! (Waffenruhe) Wenn einst die Geschichte des Krieges aufgeschrieben werden sollte, würde diese unglaubliche Episode ganz bestimmt zu den Geschichten zählen. Sie wird sicherlich als eine der größten Überraschungen des Krieges in Erinnerung bleiben.
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Nadin Palaperschka im Jahr 2002
Es gelang mir, Nadin Palaperschka im Jahre 2002 in Gumbinnen in Ostpreußen ausfindig zu machen. Nadin erzählte: "Alle meine Familienmitglieder wurden nach dem Kriege in Kiew als Kollaborateure abgestempelt und im November 1945 nach Sibirien verschleppt. Auch Katarina und Luba. Dort mussten wir alle fünf Jahre Zwangsarbeit leisten bei Temperaturen bis zu 40 Grad minus. Ende 1950 konnte die ganze Familie nach Kiew zurückkehren. Ich ging mit meinen Mann 1960 nach Gusev/Gumbinnen zurück, in das Land meiner Jugend. Katarina Wilschenska, 30 Jahre und Luba Bobir, 38 Jahre, haben die Zwangsarbeiterlager in Sibirien nicht überlebt."
Sie erzählte weiter: "Wir drei sind noch bis Zinten bei der 14.Pi/Kompanie geblieben, wo sollten wir auch hin? Dann wurden wir von den Rotarmisten nach Bladiau in ein Lager gesteckt. Hier blieben wir vierzehn Tage. Im Lager wurden wir das zweite Mal befreit. Mitte Mai 1945 brachte man uns nach Königsberg ins Gefängnis. Hier wurden wir drei Monate von der NKWD überprüft. Danach haben uns die Russen mit großen Lastwagen nach Kiew gefahren. Hier fing unser schreckliches, hungriges, kaltes Leben in der UDSSR an! Im Gefängnis in Kiew überprüfte man uns einzeln, damit wir uns nicht gegenseitig warnen konnten, danach wurden alle Frauen kahlgeschoren und in schmutzigen Arbeitskitteln für fünf Jahre nach Sibirien gebracht. Gumbinnen wurde am 20. Oktober evakuiert. Die Wachmänner verschwanden und im November 1944 gingen wir drei ukrainischen Küchenmädchen freiwillig zu der Kompanie nach Hochfließ. Denn der Mittelpunkt eines jeden Menschen ist die Küche! Es war eine wundervolle Zeit in der Schule Hochfließ." In ihren Augen strahlte unverhohlene Freude, ich wusste, was Nadin meinte. Bis zum 18. Januar 1945 sind sie in Hochfließ geblieben.
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Als ich in Hochfließ aufwachte, war die Zeit merklich fortgeschritten. In Ostpreußen wurde es früh dunkel, nicht nur wegen der Jahreszeit, sondern auch wegen der Zeitverschiebung. Ich hatte keine Zeit zu verlieren, nahm die Kochgeschirre und den Verpflegungssack und machte mich auf den Weg zur Kampflinie. Er führte mich nach Osten in Richtung Grünweiden. An der westlichen Flanke des kleinen Waldes kam ich auf dem verharschten Schnee gut voran. Am östlichen Himmel breitete sich eine erste Morgenröte aus. Kein Laut war weit und breit zu hören, die ganze Front bot ein Bild tiefen Friedens. Als ich zum Erdbunker zurückkam, waren Erbsensuppe, Brot und Wurst bei 18 Grad minus steinhart gefroren. Alles wurde umständlich auf dem Marmeladeneimer-Ofen aufgetaut. Warmes, geröstetes Brot, mit Margarine bestrichen, galt als Delikatesse. Beim Verzehren der kargen Rationen taute auch das Gesprächs-Klima auf. Die Abgeschiedenheit und die Entbehrungen hatten zur Folge, dass es sich dabei fast immer um zwei Themen drehte. Thema eins waren die Frauen, Thema zwei war das Essen in jeglicher Form. Über die beiden Küchenmädchen Luba und Katjuschka, habe ich kein Wort verloren. Es wurde merkwürdigerweise auch nicht danach gefragt. Aber ich begriff doch, was uns allen durch den Krieg entging und was wir vermutlich nie erleben würden.
Der Krieg war zu meinem Schicksal geworden. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken über die Worte der russischen Küchenfrauen und kam dabei zu betrüblichen Ergebnissen. Die Realität, mit der ich mich nun abfinden musste, konnte deprimierender nicht sein. Mich beschäftigte zunächst die Frage: Warum, wurden die russischen Mädchen ganz offiziell als Gefangene bezeichnet! Jedenfalls konnte ich sie verstehen, die Mädchen von der anderen Seite. Wie sie dachten und was sie empfanden, das hatte mir Katjuschka deutlich gemacht! Der Kompaniechef kam in unsere Höhle und begrüßte uns mit Handschlag und markigen Worten: "Wie war's denn in Hochfließ?" Klasse Masche sagte ich, "Ich habe bis zur Dämmerung in der Schule Hochfließ gesessen und sogar ein Nickerchen machen können." - "Na, prima" meinte der Kompaniechef', "dann kannst du ja gleich die erste Wache übernehmen!"
Die Zeit für Unterhaltungen war recht kurz bemessen, denn neben Wachestehen, Essenholen und Grabenbau musste man zusehen, dass man zum Schlafen kam. Und schließlich auch noch Krieg führen - Krieg gegen die Russen und gegen die Läuse, die zumindest ich als die Aggressiveren in Erinnerung habe. Sie saßen in allen Falten und Säumen der verschmutzten Wäsche und der Oberbekleidung. Ich habe ohne merklichen Erfolg Tausende von ihnen zwischen den Daumennägeln geknackt. Bei minus 20 Grad habe ich mein Unterhemd über Nacht auf dem Bunkerdach ausgelegt und die Erfahrung gemacht, dass den Läusen auch grimmige Kälte kaum etwas anhaben konnte.
Unsere Erdbunker bestanden aus einem etwa vier qm großen Raum. Je nach Platzbedarf der Ausrüstung konnten vier bis sechs Mann liegen und gerade noch sitzen, aber nicht aufrecht stehen. Dabei hatte unsere Kampfgruppe noch Glück. In einem Nachbarbunker hauste ein Offizier, Leutnant Malick aus Köln, der sich von seinen Untergebenen ein Sofa aus Gumbinnen heranschaffen ließ. Im engen Bunker konnten die Leute anschließend nur noch hockend schlafen. Er wurde auch "schöner Mann" genannt, es fehlten nur noch die weibliche Ordonnanzen.
Mein Grundsatz: Alles, was ich selbst erlebt habe und nichts, was ich nicht selbst erlebt habe, habe ich als Episoden im Text hervorgehoben und alle Beschreibungen und Einzelheiten entsprechen den Tatsachen. Personennamen habe ich geändert, wo mir dies erforderlich erschien, um falsche Zuordnungen oder spätere Betroffenheiten zu vermeiden. Dabei können sich die Schilderungen bei der Fülle von Geschehnisse in Ostpreußen nur auf eine kleine Auswahl beschränken.
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(Eintrag in meinem Tagebuch von 8. Januar 1945) Unser Bunker besaß als besonderem Komfort einen winzigen, aus einem Marmeladeneimer gebastelten Ofen. Er konnte wegen des Rauches jedoch nur kurzfristig befeuert werden.
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Das chinesische Palasthündchen "Hermann"
Man möge sich mal vorstellen, schrieb unser Sanitäter nach Hause, wir wären endlich im Frieden und die Sieger hätten mein Buch in den Dreck getreten! Ein großer Teil der gefallenen Kameraden, die in diesem Buch vermerkt waren, gelten ja heute noch als vermisst! Der Offizier, von dem nun die Rede ist und der befreit wurde, besaß damals weit hinter der Hauptkampflinie in Wolfseck bei Gumbinnen beim 4. FschPzGrenRgt. ein chinesisches Palasthündchen, der auf den sinnigen Namen "Hermann" hörte, Wir machten uns Gedanken, ob Hermann Göring vielleicht der Taufpate war?!
Am 6. Januar 1945 feierten die Russen ihr Weihnachtsfest - geschossen wurde nicht - es war Kampfpause und der Krieg fand nicht statt. Da unternahm dieser Offizier in einer eleganten Uniform aus besten Tuch (darüber stets Pelzmäntel) mit seinem engsten Mitarbeitern eine "Inspektion" in der vordersten Linie. Die Russen feierten, die Luft war rein. Wenn die Herren mal kamen, hielten sie sich immer ein nasses Taschentuch vor Nase und Mund. Sie konnten den Leichengeruch nicht ertragen!
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Sobald dieser Mini-Hermann plötzlich irgendwo auftauchte, lief der Köter meistens so ca. 40 m voraus. Da wussten wir: der Heini vom Stab kommt! Dann beobachteten wir alle genauestens das Vorfeld und das Niemandsland. Unliebsame Überraschungen gab es daher nur selten. Wir waren nun in unsere Beobachtungen so vertieft, dass wir die Herren, die sich näherten, nicht bemerkten und auch von Ihnen keine Notiz nahmen. Keiner dachte daran, zu melden oder gar eine Ehrenbezeigung zu leisten. Da sagte der Offizier zu uns "Kennen Sie mich nicht?" Einer sagte nur so nebenbei "N e i n !?" und wir beobachteten weiter angestrengt das Vorfeld. Da griff er an sein Ritterkreuz, das er am Hals hängen hatte, und fragte "Kennen Sie mich immer noch nicht!" Da erst drehten wir uns langsam um, besahen uns den Pifke von oben bis unten und unser Sanitäter meinte ,,Ja klar, Sie sind doch unser Divisions-Pfarrer, Sie haben doch ein Kreuz am Hals!" Anschließend begannen wir sofort wieder, das Vorfeld genau zu beobachten. Er klopfte unserem Sani kameradschaftlich auf die Schulter und meinte: "Na dann beobachten Sie mal ruhig weiter!" Unter Lachen setzte er mit seiner Begleitung die Grabeninspektion fort.
Der Tod im Niemandsland - von ihm leben übrigens die Ratten prächtig. Sie sind schlau und trotzen den Soldaten, die ihnen im Unterstand ans Fell wollen. Sie vermehren sich laufend und sie kennen keine Fronten. Sogar ihre natürlichen Feinde sind chancenlos. Eine Katze war im unterirdischen Jagdrevier nach wenigen Stunden verschwunden - mit Haut und Haaren von den Ratten einfach aufgefressen worden.
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Ich kann aus Erfahrung sagen, dass unsere warme Bekleidung nicht an die russische Wattebekleidung heranreichte, wenn auch die Wattebekleidung den Nachteil hatte, dass sie nicht gegen Nässe schützte. Ich konnte erst später erproben, dass man bei großer Kälte erst dann einigermaßen geschützt war, wenn man über die Wattebekleidung die weite Tarnjacke überzog. Die Pelzmütze reichte zum Schutz des Kopfes oder der Ohren aus, wenn die Kapuze darüber gezogen wurde, und so war auch der Nacken warm. Allerdings wurde dadurch die Hörfähigkeit sehr stark beeinträchtigt.
Der Russe benutzte keine Ohrenschützer. Man kann durch Achtsamkeit und vorsichtiges Reiben der Nase und des Gesichtes Erfrierungen vermeiden. Beim Russen hatten sich die Filzstiefel (Walinkis), welche bei feuchtem Schnee mit Gummistiefeln getragen wurden, außerordentlich bewährt. Walinkis waren wärmer als unsere mit Leder besetzten Filzstiefel. Auch trockneten sie schneller aus und waren beim Gehen nicht so glatt. Filzstiefel mussten allerdings im Unterstand ausgezogen und einmal am Tage bzw. nachts zum Trocknen aufgehängt werden. Inwieweit das in Unterständen möglich war, bleibt dahingestellt.
Einen Vorteil brachte meine Anwesenheit für die ganze Bunker-Mannschaft. Ich hatte neben meinem für sie weniger interessanten Fotoapparat eine Armbanduhr mitgebracht, mit der man die Zeiten für das Wachestehen einteilen konnte. Sie lag als einzig verfügbares kostbares Requisit nachts neben dem MG-42 und hat nie ihren Dienst versagt. Es hat sie - was man nur viel später hätte feststellen können - nie jemand verstellt, um seine Leidenszeit zu verkürzen. Wir mussten die schlimmsten nächtlichen Wachen über zwei mal zwei Stunden übernehmen, unter Beschuss die Verpflegung und das Feuerholz holen und auch am Tage unter Feindeinsicht als Meldegänger zu den Nachbarbunkern hasten. Die Reste des Bunkers, in dem der Funktrupp lag, wurden durch zwei Treffer der feindlichen Pak nochmals verkleinert.
In der Hauptkampflinie war es verboten, ständig Sprechverkehr zu betreiben, weil nach Ausfall aller Verbindungen auch die Artillerie mit Hilfe des Infanteriefunks schoss. In der Nacht kam ein dritter Funker vom Nachersatz. Er ist im niedrigen Bunkern und unter Trümmerhaufen liegend noch nicht auf den Funkbetrieb eingestellt. Schwierigkeiten bereitete bei tiefem Schnee das Vorbringen der schweren Infanteriewaffen und der Funkgeräte, die auf dem Rücken getragen werden mussten. Der gerade Weg von Hochfließ zur HKL war nicht mehr erkennbar, im Schneetreiben und auf verwehten Trampelpfaden war ein Verirren ständig möglich. Erst Tage zuvor kam beim letzten Nachersatz vom Ers.Rgt.HG aus Rippin ein Unteroffizier, ein großer starker Berufssoldat, der erst nach sieben Dienstjahren Stabsgefreiter ("mit Sternchen") und jetzt Unteroffizier geworden war. Er war bisher lediglich Ausbilder in der Kaserne und ohne jede Fronterfahrung. Er ließ die Funktornister und auch das Schanzzeug von den beiden jungen Funkern, die trotz der Kälte schwitzten, vornweg tragen und lief nicht einmal Spur. Keiner kannte den Weg zur Front. Zum Glück kommen zwei Melder entgegen. Der Trupp hatte nach der Begegnung jetzt den "Vorteil einer Spur" und sie wussten nun, dass sie noch auf dem richtigen Wege waren.
Da eine Funkstelle nach den vielen Verlusten und bei nicht ausreichendem Nachersatz lediglich mit zwei Mann besetzt werden konnte, musste einer der Funker bei beginnender Dunkelheit allein nach Hochfließ zurück. Vor Erschöpfung lag er zweimal im wieder aufkommenden Schneesturm und erreichte erst nach Mitternacht den Schneewall am Ortsrand Hochfließ. Der feine trockene Schnee verführte zum Einschlafen, wenn man am Boden und auf dem Schnee lag. Da das Schneetreiben im weiteren Verlauf jede Sicht verhinderte, waren Feindbeobachtungen nicht möglich. Zwölf Posten wurden aufgestellt. so standen wir Mannschaftsdienstgrade auch an den nächsten Tagen mit nur kurzen Unterbrechungen fast ständig im eisigen Schneesturm Wache, hatten aber kein warmes Essen. Die teilweise ein bis zwei Meter hohen Schneeverwehungen legten auf allen Wegen sämtlichen Verkehr still.
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Eines Tages bekamen wir mit der Marketenderware auch einen grünen, ganz grauslich schmeckenden Schnaps. Wir waren bestimmt keine Antialkoholiker oder Alkoholverächter, aber dieses fürchterliche Gesöff, das irgendwo in Gumbinnen im Gutshof Husarenberg (Perkallen) von der 11. Art.Abt. HG (A. Remmers) gebraut worden war, das konnten wir beim bestem Willen nicht runterbringen. Wir schenkten es also unserem russischen Pan. Der Pan war darüber überglücklich und begann sofort, den starken Schnaps in sich hineinzugießen. Es dauerte dann auch nicht lange und er war blau wie eine Standhaubitze.
In der letzten Nacht kam ein armes altes, auf einen Stock mühsam gestütztes und wegen der Kälte völlig verhülltes Weiblein aus Richtung Pfälzerwalde - Schweizertal zu uns in die Hauptkampflinie und bat um etwas Essen. Sie sagte, sie habe seit drei Tagen nichts mehr zu essen bekommen. Dem Uffz. E. Roock kam das Weiblein aber doch etwas verdächtig vor. Er riss ihr die Kopfumhüllung herunter und plötzlich stand eine junge, gesunde Frau von ungefähr 25 Jahren vor uns. Sie war eine Agentin und sollte unsere Stellungen ausspionieren. Jetzt wollte anscheinend unser Hiwi Pan, der sonst so friedlich war, zeigen, wer der Herr im Graben sei. Er bewaffnete sich mit einem Stock und wollte die Frau verprügeln. Warum? Das wusste er wahrscheinlich selbst nicht. Dass er sie nicht erwischen und prügeln konnte, war uns völlig klar. Er konnte sich ja selbst nur mit Mühe auf den Beinen halten. Daher schritten wir auch nicht ein. Als uns der ganze Spaß zu lang dauerte, fingen wir den Pan ein und nahmen ihm den Stock weg. Der Pan war dann auch sofort süß und friedlich eingeschlummert. Als er wieder nüchtern war, kannte seine Dankbarkeit für den Rausch uns gegenüber keine Grenzen.
Nach Aussagen der Agentin war die Spitze einer russischen Fernostarmee mit 300.000 Mann von Sibirien her im im Anmarsch. Noch wussten wir nicht, ob sie zwischen Großwaltersdorf und Gumbinnen zum Einsatz kommen wird. Ihre Einheiten lägen im Raum Groß Trakehnen, Mattischkehmen, Pfälzerwalde (Budszedszen), Großwaltersdorf, Sprindort, Weidengrund, Bhf. Trakehnen bis nach Ebenrode und sollen aus tadellos ausgebildeten, gut ausgerüsteten und ausgeruhten sibirischen Schützen, also aus Mongolen bestehen, berichtete die 25 jährige russische Agentin. Sie wurde der Feldgendarmerie übergeben.
Gestern tobte ein richtiger ostpreußische Schneesturm über die unendliche Ebene. In unserem Bunker wurde es überhaupt nicht warm, es war wieder ein strahlender kalter Januar-Wintertag. Die Russen nutzten ihre einmalige Chance und bauten die Dörfer Großwaltersdorf, Grünweiden und Weidengrund zu einer schweren Festung aus. In der Folge wurde von unserer HG-Division und auch von der 561. V GD mehrmals versucht, die Dörfer im Sturm zu nehmen, aber es war stets vergebens. Wir wurden immer wieder mit oft schwersten Verlusten abgewiesen.
Wie bei Landsern so üblich, waren wir in der Nacht ausgeschwärmt, um aus den verlassenen Häusern von Ohldorf und Hochfließ zu organisieren, was für uns brauchbar sein konnte. Neben anderem schleppten wir auch ein altes Grammophon mit mehreren Platten herbei und begannen, eine Platte nach der anderen abzuspielen. Von der letzten Platte ertönte plötzlich laut herausgeschmettert und von einem russischen Männerchor meisterhaft gesungen, die "Internationale".
Ich stellte den Apparat sofort auf geringste Lautstärke und die anderen Kameraden, tadellose Grenadiere, die auch mit allen Wassern gewaschen waren, sahen mich mit großen, fragenden und belustigten Augen an und warteten gespannt der Dinge, die jetzt kommen mussten. Aber man sprach nicht darüber und ließ die Sache ruhen. Nur unser Sanitäts-Uffz., der aus einer frommen und ländlichen Gegend der Alpen stammte und schon vor 1940 aktiver Soldat beim Rgt. HG geworden war, meinte völlig ahnungslos, ich solle das Grammophon wieder lauter stellen, das sei doch wirklich ein schönes Lied. Auf meine Frage, ob er dieses Lied denn nicht kenne, meinte er versonnen, es sei doch ein schönes altes Kirchenlied und er kenne fast alle Kirchenlieder, doch dieses schöne Lied sei ihm bisher noch nie untergekommen. Auch seien ihm russische Kirchenlieder noch völlig unbekannt. Jetzt war es aber mit der Fassung meiner Kameraden, die vorher schon hinter dem Rücken ihres Uffz. ständig Gesichter geschnitten und gefeixt hatten, endgültig vorbei. Sie konnten sich nicht mehr halten vor lachen und auch mir ging es nicht viel anders. Als aber der San.-Uffz. - die Stütze unseres Verbandplatzes - drohte, ernstlich böse zu werden, war es doch an der Zeit, ihn endlich über den Text des schönen Kirchenliedes aufzuklären. Er nahm es uns nicht krumm, musste dann selbst lachen und meinte, in seinem Dorf sei die Internationale nie gespielt oder gesungen worden und später beim Militär bei der FschPzGrenDiv. HG auch nicht. Gleichzeitig wurde aber beschlossen, die Internationale lieber von unseren abendlichen Musikveranstaltungen abzusetzen. Wir fürchteten mit Recht, dass unser Divisionsgericht der 2. FschPzGrenDiv. wenig Verständnis gehabt hätte, wenn in unserer Hauptkampflinie knapp vor den russischen Linien die Internationale gespielt worden wäre. Für solche Vorfälle war die Feldgendarmerie mit besonderer Vollmacht ausgestattet, deren Befugnisse waren beachtlich.
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Die Russen hatten in unserem Vorgelände zwischen Weidengrund, Dom. Grünweiden und Pfälzerwalde wieder zahlreiche neue Geschütze in Stellung gebracht. Der Beschuss hat in den letzten Tagen auch dementsprechend zugenommen. Granaten schlugen in unsere Stellungen, eine Granate 3 m vor einem San.- Erdbunker, in dem mehrere Männer von uns schliefen. Die Splitter hatten die dicken Holzbohlen glatt durchschlagen und die Schläfer grauenhaft zugerichtet. Zu allem Überfluss schoss der Russe jetzt auch fleißig mit Brandgranaten und es gab schon wieder vier Tote. Der Russe wird von Tag zu Tag dreister und frecher. Gestern überfiel bei Morgengrauen eine feindliche Gruppe in deutschen Tarnblusen unsere vorgeschobenen Posten und nützte die Überraschung infolge der deutschen Uniformen aus, unsere Posten nieder zu machen. Wir waren jeden Morgen froh, dass wir noch heil und nicht von Splittern durchsiebt erwachten, oder dass noch keine Russen vor unseren Gräben standen, die nachts durchgebrochen oder durchgesickert waren und uns jetzt bei Morgengrauen fertig machten. Es lag überhaupt so etwas in der Luft, als wenn sich vor uns ein ordentliches Gewitter zusammenbrauen würde. (Mein Tagebuch vom 12. Januar 1945)
Ich schrieb in mein Tagebuch: "Heute Nacht war wieder allerhand los. Gegen 4.00 Uhr nimmt ein fdl. Panzer die Gegend um Hochfließ und unseren Abteilungsstab in der Villa Kuntze unter schweres Feuer. Viele Granaten treffen das Gebäude. Die Männer, die im 1. Stock schlafen, stürzen dadurch in die Tiefe, dann geht alles in Flammen auf. Das Feuer war deshalb so rasch ausgebrochen, weil in den meisten Räumen die Öfen gebrannt hatten und die Glut und das Feuer beim Zusammenstürzen der Holzdecken verstreut worden war. Viele Offz. vom Stab stürzten mit in die Tiefe und verbrannten, ein Offizier konnte mit Verletzungen gerettet werden."
Es war tiefer Winter, Ostpreußen erstarrte in Schnee und Eis. Die Temperaturen sanken bis auf 22 Grad unter Null, stellenweise noch tiefer. Das Frische und das Kurische Haff überzogen sich mit einer festen Eisdecke. Dem Russen schienen die Unbilden der Jahreszeit nichts auszumachen. Gut ausgerüstet und Kälte gewohnt, ergriff er wieder die Initiative. Die Ostfront erwachte zu neuem Leben. Hier und dort kam es zu örtlichen Gefechten, die sich ausweiteten, Ansatzpunkte bildeten und die Absicht der Roten Armee erkennen ließen: den endgültigen Durchbruch ins Reich. Von der übrigen Ostfront wurden auch noch am 12.1.1945 keine nennenswerten Kämpfe gemeldet.
Nach dem alten Julianischen Kalender, der unsere Zeitrechnung hinterläuft, wird der 13. Januar zum altrussischen Neujahrstag. Und da die Sowjets in ihrem "Großen Vaterländischen Krieg" psychologisch sehr geschickt auf viele ehemalige Werte und Maßstäbe zurückgriffen, könnte es durchaus sein, dass der altrussische Neujahrstag eine besondere und anspornende Bedeutung bekam. Bald würde alles jäh erwachen, Städte, Dörfer, Häfen, Menschen und Schiffe. Und wie eine Völkerwanderung würden zwischen zwei und drei Millionen Deutsche ihre Heimat verlassen und nach Westen flüchten in einem Unternehmen, das die Historiker die größte Rettungstat der Seekriegsgeschichte nennen.
Einen Tag danach begann der Russe im Raum Ebenrode - Schlossberg - Gumbinnen und beiderseits der Rominter-Heide den Großangriff. Die ostpreußische Bevölkerung, fast schlagartig vom Unheil überfallen, suchte einen Ausweg und flüchtete zur Küste, zu den Häfen. Die Hafenstadt Pillau hatte normalerweise 5.000 Einwohner. Als die Pillauer morgens auf die Straße traten, sahen sie sich 45.000 Flüchtlingen gegenüber. Es gab bei diesem Angriff der Russen eine große Menge Leidtragender, die nichts mehr darüber sagen können, weil sie nicht überlebt haben. Die Wirklichkeit schreibt die besten Romane und bringt Szenen hervor, die man auf ostpreußischen Boden nie für möglich gehalten hätte.
Der russische Druck drängte die 4. deutsche Armee aus ihren Stellungen im ostpreußischen Seengebiet. Einen Tag später standen seine Panzerkräfte zwischen Insterburg und dem Kurischen Haff und erreichten den Pregel östlich von Königsberg. Als die Russen bei Elbing das Frische Haff erreichten, war Ostpreußen zu einem Kessel geworden. Die Menschen verließen ihre Heimat mit der geringsten Habe. Sie liefen und retteten das nackte Leben. Sie hielten das alles für einen höllischen Traum, aus dem sie bald zu erwachen hofften. Und inmitten des Grauens und Elends wurden Neugeborene in diese schrecklich Welt befördert.
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Der Kommandierende General des FschPzKorps HG: Generalmajor Schmalz erklärte am 11. Januar 1945 durch Rundschreiben: "Die zu erwartende sowjetischen Offensive durch Ostpreußen ist nach Angaben eines gefangenen russischen Offiziers der 13. Januar 1945."
Das Leben verlief auch in diesen Tagen hinter der deutschen Front fast wie in Friedenszeiten. In den Städten wie Insterburg und Wehlau fanden Viehmärkte statt, die Kinos waren ausverkauft, die Straßen waren mit Fuhrwerken und Fußgängern belebt. Hinter dem "Ostwall" fühlte man sich sicher. Seit dem vergangenen Herbst hatten Zehntausende zwischen Gumbinnen und Königsberg Panzergräben ausgehoben, Kilometer um Kilometer zogen sich diese fünf Meter tiefen und sieben Meter breiten Gräben von Gumbinnen und weiter durch Ostpreußen bis zum Frischen Haff bei Heiligenbeil hin.
Im Morgengrauen des 13. Januar 1945 erfolgte mit etwa 200 bis 300 Mann der erste Infanterieangriff der Russen auf unsere Stellungen. Dieser Angriff wurde zwischen Schweizertal und Alt Grünwalde unter Einsatz aller Infanteriewaffen gegen 05.30 Uhr abgeschlagen. Nach auffälliger Ruhe zwischen 06.00 und 07.30 Uhr setzte am 13. Januar 1945 schlagartig Trommelfeuer auf die HKL und das Hintergelände ein, das über zwei Stunden dauert. Unter dem Schutz des Feuers schob sich ab 10.00 Uhr feindliche Infanterie mit sieben Panzern aus Grünweiden gegen die Hauptkampflinie vor. Zäh hielten wir unsere Stellung, obwohl die Angriffe mit Panzern den ganzen Tag andauerten. Schon um 11.00 Uhr wurden vier von sieben Panzern in Brand geschossen. Die fast ununterbrochen stattfindenden schweren Angriffe richteten sich vorwiegend auf die Straße von Grünweiden nach Hochfließ. Sie wurden meist durch Trommelfeuer der fdl. Artillerie und Granatwerfer vorbereitet und dann von starken Panzer- und Tieffliegerkräften begleitet.
Um 14.00 Uhr trat der Russe vom Dorf Weidengrund aus mit acht schweren Panzern und aufgesessener Infanterie bei Alt Grünwalde gegen die Naht zur 61. InDiv. zum Angriff an. Nachdem die ersten sowjetischen Teile in den Kampf geworfen waren, folgte das weitere Heranführen von fünf schweren Panzern sowie etwa 200 Mann aus Grünweiden. Es war zu erkennen, dass der Russe mit Schwerpunkt Schweizertal Pfälzerort angreifen würde. Durch die fortgesetzten Angriffe der Russen mit Panzern und Infanterie war es jedoch nicht möglich, zum Gegenstoß anzutreten. Zäh hielt indessen die 14./Pi- Kompanie die Stellung an der Straße Grünweiden - Hochfließ.
Schon um 15.00 Uhr wurden drei von fünf Panzern vor der HKL (pkt.62,0) in Brand geschossen. Unsere Kompanie hielt die feindliche Infanterie nieder und zwang sie zu Boden. Daraufhin machten die meisten Panzer halt und rollten zur Domäne Grünweiden zurück. Einzelne verwegene sowjetische Panzerfahrer durchbrachen aber an der Straße die Linie unserer Kompanie. Wegen etwaiger Minen im sumpfigen Gelände fuhren sie hintereinander in der Spur vorheriger Panzer, parallel der Straße von Grünweiden nach Hochfließ und am Gutshof Seikat vorbei. Die Panzer wurden alle noch vor dem Gutshof Kuntze von der 8,8-cm-Flak abgeschossen. An diesem Tag wurden bis zur einbrechenden Dunkelheit im Abschnitt der 2. FschPzGrenDiv. HG insgesamt 44 Panzer des Feindes vernichtet.
Beim Sturmbataillon Lehmann / Ostermeier wandte der Russe eine neue Taktik an. Durch die starke Rauchentwicklung beim Einschlagen der Geschosse der Salvengeschütze war uns die Sicht genommen und der Russe arbeitete sich während dieser Zeit mit einem Panzer und begleitender Infanterie an unsere Stellung im Gutshof Seikat heran. Der begleitende Panzer überrollte die vorderste Stellung und fuhr sich fest. Die restlichen Panzer vom Typ T-34 überwachten westlich von Grünweiden aus etwa 600 Meter Entfernung das Vorgehen der Infanterie und hielten durch ihr Feuer unsere vorderste Linie nieder. Die fünf sowjetischen "Überwachungspanzer" konnten wegen der größeren Entfernung von den vorn eingesetzten deutschen 7,5-cm-Panzerabwehrwaffen nicht bekämpft werden. Erkannte deutsche MG-Nester am Gutshof wurden vernichtet. Nach dem Scheitern aller Angriffe setzte ab 18.00 Uhr erneut das Feuer der schweren Waffen des Gegners ein.
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Erst im Laufe der Nacht vom 14. auf den 15. Januar schob sich der Gegner, der an den beiden Vortagen noch die alten geräumten deutschen Stellungen mit der Artillerie beschoss, an die neue Stellung vor Hochfließ heran. Drei Mal in der Nacht, jedes Mal ohne Artillerievorbereitung, robbten und rannten die sowjetischen Massen bei 18 Grad Kälte über die verharschten Felder ohne jeden Baum und Strauch als Deckung im matten Schein des Mondlichtes gegen unsere Stellung an. Alles, auch der letzte Mann, musste mit dem Gewehr an den Schneewall. Panzergeräusche vor der Front sowie die von allen Stellen gemeldeten starken feindlichen Bereitstellungen während der Nacht ließen auf einen größeren Angriff in den frühen Morgenstunden schließen. Gespenstisch klang zunächst nur das Knirschen des Schnees beim Vorrobben der Rotarmisten in voller Winterbekleidung. Dann waren wieder mal hier, mal da, dann überall die vorkriechenden Gestalten. Gegen 05.00 Uhr erfolgte mit etwa 300 bis 400 Mann der erste Infanterieangriff der Russen auf unsere Stellungen vor Hochfließ. Unter Einsatz aller Infanteriewaffen, dabei besonders der schweren Maschinengewehre wurde der Nachtangriff im zusammengefassten Feuer mit der 13. Flakbatterie abgeschlagen. Danach hatten sich die Feindkräfte überraschend umgestellt. Der Südrand von Alt Grünwalde war plötzlich feindfrei.
Die Kampftruppen und die 13. Flakbatterie hatten schwere Verluste. Die Gefechtsstärke unserer Kompanie betrug nur noch 13 Mann, Feldwebel Danhauser von der Panzerflak war erblindet, ein Hauptfeldwebel fuhr mit dem Schlitten von der Hauptkampflinie aus in der Dämmerung in Richtung Schweizertal und verfehlte den vom Schnee verwehten richtigen Weg zum Verbandsplatz. So folgte er dem linken noch offenen, durch Rotarmisten frisch vom Neuschnee geräumten Weg. Plötzlich befand er sich inmitten von sowjetischen Soldaten und es kam zu einer Schießerei, in der er geistesgegenwärtig wendete und entkam.
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Die deutschen Sanitätssoldaten
In der Kompanie gab es einen Sanitätsunteroffizier und einen Sanitäter. Sie waren im Kampf immer in der Kampflinie. Diese Sanitätssoldaten und - wenn nötig - Hilfskranken- träger dienten der Bergung der Verwundeten auf dem Gefechtsfeld. Sie richteten im Gelände Verwundetennester ein, leisteten Erste Hilfe und sorgten mit Tragen und Behelfs- mitteln für die Weiterleitung und den Transport zum Truppenverbandsplatz des Bataillons. Eine Operationsmöglichkeit gab es auf dem Truppenverbandsplatz nicht. Im Kampf trug der Btl.-Arzt alle notwendigen Medikamente in einer großen Sanitätstasche mit sich. Letztlich gehörten zu den San.-Diensten der 2. FschPzGrenDiv. noch zwei Krankenkraft- wagenkolonnen, gegliedert in je drei Züge, je Zug 40 Mann und 12 Sanitätskraftwagen, allgemein nur "Sankas" genannt.
Hier im Kampfbataillon begegnete ich unserem Stabsarzt Dr. von der Fecht aus Bremerhaven, dessen Leibesfülle, Gestalt und tiefe Stimme schon genügten, um eine unumstößliche Autorität zu verkörpern. Er duldete keine Zimperlichkeit und niemand wagte es, ihm zu wiedersprechen. Er kämpfte mit nimmermüden Ärzten, Sanitätern und Kranken- schwestern gegen das erbarmungslose Elend auf den Truppenverbandsplätzen an. Kein Verwundeter wurde vergessen, alle wurden bei minus 16 Grad geborgen, versorgt und dann mit Sankas von Hochfließ nach rückwärts bis zur Artillerie-Kaserne am Stadtrand von Gumbinnen gebracht. Trotz Kennzeichnung mit dem Roten Kreuz wurden die Fahrzeuge beschossen und von Feindflugzeugen gejagt. Nur selten konnten die unermüd- lichen Sanitäter den Verwundeten mit Tabletten oder Spritzen etwas Schmerzlinderung verschaffen. In der Kaserne leisteten die fünf Ärzte eine erste fachliche Versorgung und sorgten für ein sachgerechtes Verbinden (Papierbinden), Schienen und Lagern, Abbinden und Stillen bei größeren Blutungen, Vorbereitung für den Weitertransport. Auch die Ausgabe von anhäng- baren Verwundetenzetteln mit Angabe über die Verwundung und der ersten Maßnahmen gehörten dazu. Eine Operationsmöglichkeit gab es auch auf dem Truppenverbandsplatz in der Artillerie-Kaserne nicht. Dann ging es mit Sanitätskraftwagen, zum Flugplatz Insterburg oder Gerdauen zu den wartenden Ju-52. Hier wurden die Verwundeten übernommen und wegen der grimmige Kälte in Decken eingehüllt. Alle lagen auf dem Boden der Flugzeuge.
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Die Bilanz zweier Kampftage
In der Nacht zum 17.1.45 lagen die Überlebenden der Kompanien sowie der Flakkampftrupp schussbereit in ihren Schützengräben. Der Kommandeur wurde verwundet und lag niedergeschlagen im Schützengraben. An Nachschub war nicht mehr zu denken, die Verwundeten und die Toten konnten nicht abtransportiert werden. Ab 22.00 Uhr sammelten wir unsere toten Kameraden ein und brachten alle nach hinten zum HVP im Gutshof Kuntze in Hochfließ. Die Gesamtverluste lagen am 16. und 17. 01. 05 bei etwa 50% Mannschaften. Am Abend des 16. Januar hatte sich die Lage wieder halbwegs stabilisiert. Zwischen Altkrug, Hochfließ und Schweizertal konnte die noch bestehende Hauptkampflinie nur noch stützpunktartig besetzt werden. Die feindlichen Panzerverluste waren außerordentlich hoch. 24 Feindpanzer T-34 wurden bei den Kämpfen vernichtet, davon allein bei Hochfließ (zwischen Punkt 62,8- 61,0) vom Flakkampftrupp-8,8-cm im Panzernahkampf 11 Panzer T-34. Nachdem das 8,8-cm-Geschütz einen Volltreffer bekommen hatte, wurden mit Panzerfaust und Panzerschreck noch vier weitere T-34 vernichtet. Die sowj. Panzerkolosse anzugehen und zu vernichten, die nur in Rudeln auftraten, kostete Nerven und Überwindung. Aber was blieb uns anderes übrig, als uns entschlossen gegen den Panzerfeind zur Wehr zu setzen.
Der sowjetische Angriff zwischen Hochfließ und Weidengrund wurde zum Teil in drei Wellen in Stärke bis zu 400 sowj. Soldaten vorgetragen, dann begann der Nahkampf - oft Mann gegen Mann. Wo der Russe eingebrochen war, gingen wir Grenadiere zum Gegenstoß über. Alle Teile des 4. Regiments mit den zugeteilten schweren Waffen, insbesondere die 8,8-cm-Flakbatterie hatten an diesem Abwehrerfolg großen Anteil.
Gegen 15.00 Uhr griff der Russe in drei Wellen hintereinander an der ganzen Front noch einmal an und erzielte Einbrüche bis kurz vor Hochfließ, die nicht mehr bereinigt werden konnten.
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Eigene Verluste:
Gefallen durch Körperminen im Nahkampf mit sowjetischen Panzern:
Grenadier Herbert Roth Fahnenjunker K-H Meyer Feldwebel Völke Uffz. Franke Gefr. Buschulte Grenadier Pion Hauptmann Norbert Zimmer Obfw. Ludwig Wam - Flakkampftrupp Obgefr. Helmut Krämer K1 FlakGefr. Heinz Schulte Flakkampftrupp Kanonier Erich Heil Flakkampftrupp Uffz. Ernst Döring Flakkampftrupp Kanonier Felix Schreiber Geschützführer Fw. Dentit
Sie konnten nicht geborgen werden.
Außer diesen Kameraden, die nicht geborgen werden konnten, gab es noch 32 Gefallene und über 50 Verwundete und Vermisste. Ein hoher Verlust eines einzigen Kampfverbandes!
In der Nacht ereignete sich beim 1. Zug ein schwerer Zwischenfall. Einige Russen, die nach einem Angriff in der Stellung des 1. Zuges (Punkt 61,0) lagen, hatten sich tot gestellt. Plötzlich eröffneten die Russen aus ihren versteckten Waffen das Feuer und töteten alle.
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Die von vorne ankommenden Verwundeten hatten meist zugleich schwere Erfrierungen. In Hochfließ hatte die 1. Sanitäts-Kompanie HG ab dem 21. November 1944 im Haus der Familie R. Loos und W. Grün im Gefechts- streifen der 2. FschPzGrenDiv. HG den Hauptverbandsplatz eingerichtet, während die 2. Sanitäts-Kompanie zunächst noch den HVP in Luisenberg aufrecht erhalten musste, bis die dort noch liegenden Verwundeten abtransportiert waren. Das erfolgte erst am 18. Januar. Zwei Omnibusse aus Insterburg und mehrere Schlitten voller Verwundeter kamen dann von Luisenberg nach Wehlau, wo Stabsarzt Dr. Benzieg dem von dort abrückenden Feldlazarett 32 fünf Schlitten mit Verwundeten aus der "Angerap-Linie" mitgab. In Luisenberg hatte die 2. San.-Komp. vom 1. bis 18. Januar rund 400 Durchgänge. Operiert wurde unter denkbar engen Verhältnissen im Licht von Karbidlampen. Als der Feldapotheker am 16. Januar im starken Schneesturm an der Ausgabestelle des Divisions-Sanitätsparks in Insterburg Sanitätsmaterial abholen wollte, war dieser wegen der Feindlage schon abgebaut. Am Morgen des 18. Januar wurden von der 1. San.-Komp. in Hochfließ auf 25 kleinen Wagen und Schlitten 65 Verwundete verladen und über 40 km zur nächsten Sanitätszwischen-Station geschickt. Von dem zur Verstärkung der fechtenden Truppe abgestellten "Kommando der Sanitäts- Kompanie" waren bei der 10. und 14. Pi.-Kompanie in der Hauptkampflinie vor Hochfließ neun Gefallene und zwölf Schwerverwundete abzuholen. Der Boden war jetzt tief gefroren, so dass es unmöglich war, Gräber in gewohnter Weise auszuheben. In der Ev.-ref. Neustädter Kirche in Gumbinnen/Königs-Straße, durch die der eisige Wind pfiff, hatte die 1. Sanitäts-Kompanie die am HVP Hochfließ gestorbenen und gefallenen Kameraden in Reihen gelegt. Es war eine Versammlung, deren Anblick einem ans Herz ging. Aber die stetigen, täglich scheinbar nur geringen Verluste auf deutscher Seite schwächten zunehmend die Kampfkraft, vor allem die der Infanteriekompanie.
Zwischen dem 12. und 18. Januar 1945 fielen 2 Offiziere sowie 41 Mann- schaften. Verwundet wurden 4 Offiziere sowie 54 Unteroffiziere und Mann- schaften. Am Vortag wurden im Raum Hochfließ-Schweizertal 2 Offiziere verwundet und 17 Mannschaften fielen. Die Kampfeinheiten und auch die Artillerie nahmen in vielen Fällen ihre Gefallenen bei Stellungswechseln mit zurück, um sie an geeigneter Stelle bzw. in der nächsten Stellung beizusetzen. Am Abend des 17. Januar lagen vor dem Ort Hochfließ sieben noch nicht geborgene tote deutsche Soldaten, steifgefroren und wohl bald vom Schnee völlig zugeweht. |
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Die Arroganz einzelner Dienstgrade in rückwärtigen Sanitätseinheiten ist im HVP-Wolfseck ohnegleichen. Einem Funktrupp vom 4. Regiment, der zwecks Einrichtung eines Meldekopfes nach dem Marsch in einem Schneesturm über waldlosen Hochflächen zwischen Hochfließ und Gertenau am Abend in Wolfseck ankam und bei der dort liegenden Sanitätskompanie ein Nachtquartier suchte, wurde lediglich die Ecke im Kuhstall zugewiesen ("wegen der nassen Klamotten") und dies auch nur widerwillig vom "Putzer" eingeräumt. "Dieser Stall ist für Euch, alles andere ist vom Hauptmann der Sanitätskompanie beschlagnahmt!" Die Mannschaftsdienstgrade auf diesem HVP in Wolfseck standen fast alle drei Stunden Doppelposten, während ihre Vorgesetzten, die teils gar keine Funktion ausübten, nur darauf sannen, wie gewohnt bedient zu werden und immer nach rückwärts abmarschbereit zu sein. Die Schreibstuben der Kompanien waren mit der Erledigung von Todesmeldungen und der Beantwortung von Rückfragen der Fürsorgeoffiziere in der Division sowie von Angehörigen der Gefallenen beschäftigt. Daten und Örtlichkeiten aus den Januarkämpfen mussten in vielen Fällen nun erst von Frontsoldaten in der Hauptkampflinie, die trotz der Kämpfe Tagebuch bzw. Notizkalender führten, erfragt werden. Mit einbrechender Dunkelheit bekamen wir prompt Beschuss von einem eigenen MG-Nest.
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Ein neuer Tag brach an: Es war der 18. Januar. Noch ging in unserem Abschnitt zwischen Jägersfreude, Hochfließ und Brückental kaum Boden verloren, aber was schon in den nächsten Stunden geschehen würde, das wussten nur die Götter. Die eigenen Stellungsbauarbeiten, das Aussetzen von spanischen Reitern und Verlegen von Minen wurde vom Russen auch während der Nächte durch Feuerüberfälle gestört. Der Divisions-Kommandeur Gen.Maj. Walter und Obst. Söth waren jeden Abend und jeden Morgen bei einer der Kompanien in der vordersten Linie, um die Kampftruppen und Stellungen zu überprüfen.
Wegen des hellen Mondscheins mussten die Stellungsarbeiten und das Minenverlegen zur Panzernahbekämpfung um 23.00 Uhr wieder unter- brochen werden, da der Russe auf jede Bewegung mit gezieltem Feuer reagierte. Dass die Zeit drängte und ein neuer Angriff drohte, zeigte die Beobachtung, dass der Gegner einen Teil der schweren Waffen vor dem rechten Regimentsabschnitt abzog und vor dem linken beiderseits Alt Grünwalde Weidengrund, dem II. Bataillon/4.Rgt. HG, konzentrierte. Die eigene Artillerie und die schweren Granatwerfer bekämpften daher schwerpunktmäßig alle Feindbewegungen vor Weidengrund. Bis zum 18. Januar hatten wir rund 280 Ausfälle. Wir benötigten daher dringend Ersatz an Offizieren und Mannschaften.
Wegen Mangels an Munition (insbesondere Spezialmunition) konnten erkannte Feindziele oft nicht ausreichend wirksam bekämpft werden. Dringend erforderlich war daher eine erhöhte Zuweisung von Munition, besonders für Steilfeuerwaffen, da nur diese bei der gegebenen Lage und dem Gelände beim (Pkt.54,2) den Feind niederhalten konnten. Nach den hohen Ausfällen an Waffen bei den vergangenen schweren Kämpfen war der Nachschub von leichten Maschinengewehren sowie schweren Granatwerfern dringend nötig. Insbesondere Zielfernrohre und Schießbecher für Gewehrgranaten fehlten dem 3. und 4. Rgt. völlig. Der Kompaniechef gab noch einige Punkte an, die als lohnende Ziele bekämpft werden sollten. Generalmajor Walther ließ alle Wünsche notieren und versprach, entsprechend der gegebenen Möglichkeiten für Abhilfe zu sorgen. (Aus meinem Tagebuch, 18. 1.1945)
Ich saß allein im Gefechtsstand. Das Schweigen des Telefons und das sich steigernde Artilleriefeuer kündeten erneut das kommende Unheil an. Unterdessen wurden wir benachrichtigt, den Kompaniegefechtsstand in das Bauernhaus von Otto Seikart zu verlegen, auf dessen dazu- gehörendem Hof bereits die erbeuteten russischen Waffen lagerten. Von hier hatte man wieder eine telefonische Verbindung zum Bataillon hergestellt. Der Raum war zwar klein, lag aber auf der dem Russen abgewandten Seite. Dann erschien auch Leutnant Malick ohne Sofa und inspiziert mit verzweifeltem Gesicht das neue Domizil. Der tags zuvor noch protzende Held holte sich ein Brecheisen und machte sich gerade daran, mit Gewalt die nächstgelegenen Räume aufzubrechen. "Was machen Sie denn da?" rief ich, Da warf er sich in Positur, seine Hamster- backen liefen puterrot an, er holte tief Luft, wobei er die Proportionen eines Ochsenfroschs annahm und fauchte: "Sie Pflaumenaugust! Ihnen passiert gleich was". Wenn ich sein Lametta richtig zu deuten wusste, war er dienstgradmäßig Leutnant oder Oberleutnant? Er fauchte weiter und begann, um seinen Bauch herum umständlich nach seiner Pistolentasche zu tasten. Ich hatte meine 08 ungefähr ebenso schnell in der Hand. Dann erst wurde uns das Urkomische der Situation und dieser Figur da vor uns bewusst und dessen, was er von sich gegeben hatte. Mein Auftritt zeigte volle Wirkung. Der Fettwanst sackte zusammen, seine Gesichtsfarbe wechselte zum bleichen Ton von Schmelzkäse der normalen Heeres- verpflegung!
Uffz. Erwin Roock und ich begannen lauthals zu lachen und hatten alle Mühe, unsere Heiterkeit wieder in den Griff zu bekommen. Dann verließ er ohne ein Wort zu sagen wieder den Raum. Das war sie, die Kaste der arroganten "Herrenmenschen" - Angehörige von Stäben aller Art, Sonderführer und Kommissare!
Niemals hatte man uns bei der FschPzGren.-Division HG Respekt vor dieser Art von Offizieren beigebracht und wenn, wäre er durch den Anblick der im Oktober 1944 vor Gumbinnen wild flüchtenden Haufen an Offizieren, die uns noch frisch in Erinnerung waren, auf den Punkt gesunken, wo sie auch schon vorher waren, auf Stufe Null! Ihr Krieg spielte sich nicht da ab, wo gelitten, gehungert, gefroren und gestorben wurde, denn kämpfen war nicht ihre Sache, sondern in der behaglichen Etappe, da, wo es warm war. Im neuen Gefechtsstand läutete andauernd das Feldtelefon, als ob Befehle oder Anordnungen das kommende Desaster noch hätten abwenden können.
Es war 02.00 Uhr nachts. Wir kamen wegen dringender Arbeiten nicht zur Besinnung und wir dachten ergriffen an die Kameraden des II. Bataillons, die in der ersten Hauptkampflinie im Raum Alt-Grünwalde lagen. Was sich dort beim Nachtangriff der Russen wohl abgespielt haben mag? Nicht eine Menschenseele kam damals zurück, um als Augenzeuge zu berichten. Da die Schießerei vom selben Standort wie vor dem Angriff auszugehen schien und die Leuchtkugeln in einiger Entfernung aufstiegen, wollten wir zwei, Uffz. E. Roock und ich, soweit wie möglich das Vorfeld absuchen.
Es war ein stetiger Kampf mit tiefem Schnee. Der eisige Ostwind verursachte Erfrierungen. Unsere Gesichter waren mit einem Kranz aus Reif und Eis umgeben. Wir beobachteten uns gegenseitig. Wurde die Nasenspitze weiß, musste schnell mit Schnee gerieben werden. Schneehemden waren unerlässlich, ebenso, dass wir vor dem Fortgang unsere nächsten Posten über den Erkundungsgang informierten. Vorsichtig auf der Straße gehend gelangten wir zwei nach ungefähr dreihundert Meter an eine Panzersperre, die 1944 vom Volkssturm gebaut wurde. Es wurde gefährlich, aufrecht weiterzugehen, denn der Russe konnte mit gleichen Absichten ebenfalls unterwegs sein.
Unser Erkundungsgang endete kurz vor Alt - Grünwalde an dem rechts bis zum Gutshof reichenden Wäldchen. Von hier aus dürften es noch weitere hundert Meter bis zur Abbiegung zum ehemaligen Kompanie- gefechtsstand auf dem Gutshof Schawaller sein. Aber dann verließ uns der Mut zum weiterkriechen. Wir wussten nicht, was sich in dem sehr nahen Wäldchen befand und welche Gefahren von dort ausgehen könnten. Erst jetzt ergab die Gefechtsaufklärung, dass sich zwischen dem Wäldchen und den Häusern stärkere Feindkräfte festgesetzt hatten. Zum Glück verhielt sich der Russe uns gegenüber ruhig.
Kurz vor 04.30 Uhr kehrten wir unverrichteter Dinge in den Gefechtsstand zurück und machten Meldung. Was sich dort abgespielt hatte, konnten wir nicht feststellen. Der Kompaniechef verschwand wortlos im Graben als wolle er bei den wenigen noch verbliebenen Kameraden Trost suchen oder den kommenden Untergang mit ihnen gemeinsam über sich ergehen lassen. Ich ging wieder zurück zum Feldtelefon und hoffte auf eine erlösende Nachricht von höherer Stelle.
Ab 06.00 Uhr blieb das Telefon stumm, scheinbar war die Leitung erneut unterbrochen. Da alle Fernsprech-Leitungen ausgefallen waren, konnten alle Meldungen nur über Funk abgegeben werden - in der Notlage wieder nur Sprechfunk! Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis die Morgen- dämmerung allmählich durch den Frühdunst drang. Nach und nach wurde das vor uns liegende Gelände, wenn auch nur begrenzt, sichtbar. Vom überhöhten Gefechtsstand im Hof Seikart 800 m östlich Hochfließ, hatte man einen guten Einblick auf den Gefechtsabschnitt und das ein bis zwei km davor liegende Schlachtfeld, wo Dutzende abgeschossener russischer Panzer lagen, von denen viele noch brannten. Einzelheiten der vordersten Linie zwischen Weidengrund und Grünweiden konnte man in der beginnenden Dämmerung nicht sehen.
Um das Vorfeld übersehen zu können, ging ich in den angrenzenden Stall und beobachtete hinter einem Durchschuss der russischen Artillerie in der Außenwand der Scheune, ob und was der Russe im Schild führt, um unsere nur spärlich besetzte Stellung zu überlaufen. Von den zur Verfügung der Division gehaltenen fünf Sturmgeschützen war laut Funk eines zum Auftanken zurückgefahren und lag wegen Betriebsstoffmangel fest. Schon vor Beginn des Trommelfeuers meldet die 10./2 um 07.45 Uhr durch Funk starke Feindansammlungen im Raum Grünweiden sowie eine Ansammlung von bis zu 20 Panzern mit Infanterie hart südwestlich des Ortes Weidengrund.
Um 08.15 Uhr arbeitete sich die sowjetische Infanterie am trigonomet- rischen Punkt 56,1 aus des Mulde westlich Weidengrund heraus. Sechs Panzer standen bereits vor unserer Front. Erst dann setzte um 08.30 Uhr schlagartig das Trommelfeuer ein. Der Russe schoss dabei auch mit einem Wurfgerät, dessen Granattrichter etwa 3 m Durchmesser betrugen. Indessen gingen etwa zwei sowjetische Kompanien mit fünf Begleitpanzern durch die Mulde westlich Weiden- grund vor, um unsere Stellungen zu umfassen. Der von Panzern unter- stützte Infanterieangriff schlug durch, nachdem die Feindpanzer beim Fehlen schwerer Panzerabwehrwaffen ungehindert die einzelnen deutschen MG-Nester unter Feuer nehmen und ausschalten konnten. Vier der Panzer T-34 wurden durch Haftladungen vernichtet.
Die eingesetzten Panzerabwehrgeschütze kamen im Nordteil Hochfließ gar nicht zum Schuss. Auf beiden Seiten war alles zerschossen und zerbombt, auf deutscher Seite war die Front von Panzerlöchern durch- setzt, sonst wäre ein Überleben nicht möglich gewesen. Sobald der Russe den Funktrupp angriff, musste das Dora-Gerät in ein Erdloch gezerrt werden. Die Funkstelle war bei dieser Gefechtslage das Führungs- instrument und der Rettungsanker bei Hilfe in der Not. Auch beim III. Bataillon im Raum Schweizertal hatte das Trommelfeuer begonnen. Die Funkstelle im Dorf, welche die Verbindung zu unserer Gruppe hielt, wurde durch Splitter zerfetzt. In seinem Umfeld wurden acht Mann verwundet aber es gelang der Infanterie frühzeitig, die feindliche Infanterie an den Schnee- boden zu zwingen.
Das Zurückgehen des ll./Inf.-Batl. ausnutzend, stieß der Russe ab 11.00 Uhr in etwa Bataillonsstärke und von Panzern unterstützt in die Lücke zwischen dem 1. und III. Bataillon bei Schweizertal und drang nach Nordwesten vor. Von den zur Verfügung der Division erhaltenen vier Panzerkampfwagen "Panther" musste einer zum Auftanken zurück- gefahren und lag wegen Betriebsstoffmangel in Hochfließ fest, ein zweiter "Panther" musste abwarten, bis ein Bergepanzer aus Gumbinnen kam, da er sich an der Brücke in Ohldorf im Grund der Rominte festgefahren hatte.
Östlich der Naht zum rechten Abschnitt des ll./Inf.-Batl. welches nach den schweren Kämpfen an den Vortagen auf rund 20 Mann Gefechtsstärke zusammengeschmolzen war und dessen sämtliche Reserven an Infanterie-Munition und Wurfgranaten im Trommelfeuer in die Luft geflogen war, gelang dem Russen der Durchbruch. Das erneut stark geschwächte Bataillon ging auf Husarenberg zurück. Tagebuch vom 19. Januar 1945.
Durch den Ausfall an Offizieren und Unterführern war es nur durch Einsatz des Regimentskommandeurs und der Offiziere seines Stabes in vorderster Linie möglich, die zurückgehenden Teile auf den Höhen beim Gutshof Reisch (Husarenberg) aufzuhalten. Die erst vor wenigen Tagen eingetroffenen Ersatzmannschaften der Luftwaffen-Feld-Division (lnfDiv. mit Lw-Personal) waren völlig kopflos geworden. Das in seiner Stellung verbliebene 1./Inf.-Batl. wurde durch das Zurückgehen der Lw-Felddiv. bedroht. Die 14. Pi/Kompanie lag im Bauernhof Seikart abgetrennt, ebenfalls ohne Anschluss in der alten Stellung östlich Hochfließ. (Pkt.66,3) Trotz aller Verwirrung hatten währenddessen die Gruppen vom 1./Batl. bis 15.00 Uhr mit Resten der 14./Pi-Kompanie wenigstens den Höhenrand östlich Hochfließ besetzt und gehalten und damit endlich die Spitze des Hauptangriffes zum Stehen gebracht. Das III./Batl., das ebenso wie das I./Batl. die Stellungen nach Südosten bei Pfälzerort behauptete, wurde von stärkstem Feuer der sowj. Artillerie, Schlachtfliegern und mindestens von fünf Salvengeschützen aus dem Raum Grünweiden beschossen. Das forderte schwere eigene Verluste.
Gegen Abend verlief die Hauptkampflinie etwa 1,2 km südöstlich Hochfließ, danach 200 m östlich (Pkt.66,5), weiter zum Fluß Rominte, entlang des Weges von Schweizertal nach Husarenberg und schließlich bis Brückental. Dass der Gegner am Abend gegen 20.00 Uhr noch einmal mit etwa 100 Mann gegen Hochfließ vorging und abgewiesen wurde, war als Erkundungsvorstoß zu werten und ein Hinweis dafür, dass der Russe weiterhin auf breiter Front angreifen würde.
Aber auch dieser Angriff, lang wie eine Ewigkeit, hörte schlagartig auf. Vorerst würde sich hier nichts abspielen - so glaubten wir jedenfalls. Unverzüglich wurde die Bergung der Verwundeten fortgesetzt. Sie konnten zwar noch nicht abtransportiert werden, vorerst aber teilweise eine halbwegs geschützte Lagerstatt im Kompaniegefechtsstand finden. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde es bei uns lebhaft. Weniger durch den Beschuss des Feindes gestört, begannen die Tätigkeiten auf humani- tärem Gebiet. Zuerst mussten sämtliche Verwundeten an die Straße von Grünweiden nach Hochfließ gebracht werden.
Um 21.00 Uhr waren alle Wagen eingetroffen, um sie abzuholen. Aber es waren so viele Fuhren, dass sich die Aktion bis spät in die Nacht hinzog. Danach wurden auch alle Toten in den rückwärtigen Raum nach Gum- binnen gebracht. Inmitten dieser hektischen Tätigkeiten erschien der Koch und seine zwei russischen Küchenhilfen aus Hochfließ und erkundigte sich, wo er mit der Verpflegungsausgabe beginnen könne. In Absprache mit dem einzigen noch verbliebenen Leutnant sollte der Verpflegungswagen 100 m vor der Hauptkampflinie stehen bleiben, da es zu gefährlich sei, auf offener Straße heranzufahren, was zudem noch den Abtransport der Verwundeten und Toten behindert hätte. Mittlerweile trafen ein paar ältere Soldaten vom Gumbinner Volkssturm ein, die nun alle unverletzten sowj. Kriegsgefangenen abführten. Die verwundeten Russen blieben in der Hauptkampflinie, sie mussten sich selbst unter- einander helfen. Mit wessen Erlaubnis die Russen in einem unserer Unterstände teilweise Zuflucht suchen durften, blieb unbekannt. Gebraucht wurde der Bunker ohnehin nicht mehr, da die Stellung so ausgedünnt war, dass während der restlichen Nacht nur noch wenigen Kameraden - in weitem Abstand zueinander - ausnahmslos auf Wache bleiben mussten.
Dann wurde es Zeit, das Essen zu fassen. Der Verpflegungswagen war kurz vor der HKL auf das erste, linksliegende Grundstück des Bauern Kurbjuhn gefahren. Als wir den Hof betraten, bot sich uns ein undefinier- barer Anblick. Der Koch und die zwei russischen Mädchen Luba und Katjuschka standen wie erstarrt im Hausflur. Kurz vor unserem Eintreffen waren Granaten vor der gegenüberliegenden Scheune und im Wohnhaus eingeschlagen. Die Pferde mit dem Küchenwagen hatten sich selbständig gemacht und waren zwischen Wohnhaus und Stall zum Stehen gekommen. Dabei hatten sie sich in der Enge so verklemmt, dass es schwer war, sie rückwärts heraus zu bekommen. Im Küchenwagen war das Brot oder die Butter steinhart. Brotbrocken wurden mit einem Beil abgehauen. Gelang ein Feuer, das leicht Artilleriebeschuss bewirkte, verbrannte die ihm zugewandte Seite früher, als die andere auftaute. Trotzdem waren die Stimmung und die Disziplin hier bei der kämpfenden Truppe besser als hinten, bzw. in der Etappe, wo es von Versprengten wimmelte, die nur jammerten und klagten.
Unerwartet griffen russische Infanteristen unsere Stellungen und die Küche mit ihrem durchdringenden "Urräääh" an. Es muss so gegen 02.00 Uhr in der Nacht gewesen sein. Als ich vom Hof aus hinunter in unsere Stellungen sah, sprangen bereits russische Infanteristen über unseren Graben hinweg und gingen fast auf gleicher Höhe vor dem Minenfeld hinter dem Wohnhaus und Stallungen in Schießbereitschaft. Fast unglaublich sind die Ereignisse in den nächsten Minuten. Alles, was noch schießen konnte, blieb wachsam zwischen Hof und Stallungen stehen. Mit Sicherheit war anzunehmen, dass viele Russen in die Trichter im Hof sprangen, jedoch war nicht abzusehen, ob es eventuell von dort aus einen Angriff zur Erstürmung unserer Stellung gab. Mit dieser Unsicherheit wollten wir uns nicht länger belasten und es kam der Befehl zum Gegenangriff.
Nach dem Verlassen des Hofes gelangten wir bereits nach wenigen Schritten an die Bombentrichter, in welchen die Angreifer Zuflucht gesucht hatten. Hier sah es noch schlimmer aus als bei uns. Tote und Verwundete in großer Anzahl. Die noch kampffähigen Rotarmisten hatten bereits ihre Waffen weggeworfen und ergaben sich. Leider mussten ihre Verwundeten in den Bombentrichtern ausharren. Um jede sich anbahnende Gefahr gänzlich auszuschließen, wurden die Waffen der Russen sichergestellt und auf den nächstliegenden Hof Kurbjuhn jenseits der Straße gebracht. Auf der Feindseite wurde nach Gefangenenaussagen auch die "Kaleniner Kadettenschule" eingesetzt. Entgegen der Absicht, die unversehrten Russen abzuführen, mussten diese in den Trichtern bleiben. Den Russen wurde daraufhin erklärt, nicht über die Ränder der Bombentrichter zu sehen, da wir sonst schießen würden. Sie mussten wohl oder übel zur Kenntnis nehmen, dass sie jetzt vom eigenen lebhaften Störfeuer bedroht waren. Wir Übriggebliebenen waren zufriedengestellt, da wir unsere Stellung gehalten hatten. So konnten wahrscheinlich zum letzten Mal alle Verwundeten mit einer ordnungsgemäßen Bergung rechnen. Auf der Ostseite des Dorfes Hochfließ war wegen des welligeren Geländes ein Überlaufen der Straße und damit auch das Bergen der verwundeten Rotarmisten sowie der deutschen Verwundeten möglich, da es hier keine Feindeinsicht gab.
Entlang der selben Straße, auf der wir unsere Verwundeten zurückbrach- ten, kam ein unbekannter deutscher Soldat im Kugelhagel der Russen von vorne angerannt. Schnell bog er zu uns auf den Hof, um etwas zu ver- schnaufen. Ich frage ihn noch, wo er herkomme, ob er sich irgendwie aus der Hauptkamplinie durchschlagen konnte aber die Zeit reichte nicht mehr aus, meine Fragen zu beantworten.
Wir hatten vor dem "Iwan" grundsätzlich Respekt und empfanden ein vages Mitgefühl, weil er uns als Soldat Achtung abnötigte und weil wir wussten, dass es ihm nicht besser ging als uns. Die, welche in kleinen Gruppen in Gefangenschaft gerieten, wurden manchmal einfach in die deutschen Verbände übernommen. Die 14. Kompanie, der ich angehörte, bestand während des Kampfes zeitweise bis zu einem Viertel aus Russen, die vorübergehend als Munitionsträger eingegliedert wurden. Damit wurde bei hohen eigenen Verlusten ein Ausgleich geschaffen. An Munitionsträgern herrschte deshalb immer Mangel und das führte zu dem grotesken Faktum, dass zeitweise bei harten Einsätzen gefangene Rotarmisten, denen diese Lösung lieber war als das Gefangenenlager, bei uns Dienst taten, kämpften und auch starben! Mir ist nicht bekannt, dass einer von ihnen nicht seine Pflicht getan hätte oder desertiert wäre.
Das 4. FschPzGrenRgt. HG war eine Eliteeinheit, die an Brennpunkten des Kampfgeschehens zur Erreichung strategischer oder taktischer Ziele eingesetzt wurde. Trat sie in Aktion, so geschah dies mit einem furiosen Elan, dem sich niemand entziehen konnte und ohne jede Rücksicht auf das Leben ihrer Männer. Den Russen war dies bekannt. Manchmal genügte es, dass sie erfuhren, wer ihnen gegenüberlag, um sie zu veranlassen, auf einen Angriff zu verzichten. Wir hatten uns bei Dunkelheit etwa 200 Meter zurückgezogen, weil wir vom Iwan massiv mit Artillerie und Stalinorgeln eingedeckt wurden.
Die gespenstischen Feuersäulen der Stalinorgeln in der Nacht, dazu detonierende Granaten, Granatwerfereinschläge, pfeifende Infanterie- geschosse von Freund und Feind, das Rattern der Maschinengewehre und die bellenden Abschüsse der Sturmpanzer ergaben ein Szenario und einen Kampflärm, in dem das Schreien und Wimmern der Verwundeten beider Seiten unterging. Das Geschehen war die "Hölle". Auf beiden Seiten fielen Soldaten auch durch eigene Waffen. |
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In der Dunkelheit war auch nach Abebben des Kampfes noch nicht zu erkennen, wie zerfetzt das Gelände rings um Hochfließ war. Beide Seiten bargen Verwundete, die Schleifspuren waren erst bei Tagesanbruch zu sehen. Alle Drahtverbindungen waren unterbrochen und an Tastfunk und Verschlüsseln der Funksprüche war bei dieser Gefechtslage nicht zu denken. Es wurde zum Sprechfunk übergegangen. Mehrmals sprach von hinten (Ohldorf) selbst der Divisionskommandeur Generalmajor Walther offen Klartext.
Nach dem Morgengrauen griff der Russe mit rund 300 Mann an, die beiden Kampfgruppen mussten sich absetzen. Da es auch für diese Übermacht kein Halten gab, dürfte es kaum zwanzig Minuten gedauert haben, bis alles zu Ende war. In diesen bangen Minuten musste ich überstürzt reagieren, denn die unmittelbare Gefahr für das eigene Leben steigerte sich von Sekunde zu Sekunde. Ohne viel zu überlegen, sahen wir keine andere Möglichkeit, als sofort im Kugelregen auf der offenen Landstraße nach Hochfließ davon zu laufen. Die Hoffnung, noch einmal mit dem Leben davonzukommen, war sehr gering, zumal beide Straßengräben mit Schnee verweht waren und daher jede Deckungsmöglichkeit fehlte. Nur nicht stehen bleiben oder hinfallen, immer weiter, ohne einen Gedanken zu fassen, wenn auch die überlastete Lunge wie Feuer brennt!
Bei der Villa Kuntze auf der anderen Straßenseite, ebenfalls im Blickfeld der Russen, befanden sich einige Schützengräben unserer Sturmgeschütze, die bereits ihre Stellung geräumt hatten. In diesen Minuten wäre es ohnehin mit dem Abrücken zu spät gewesen, da augenblicklich das Gelände und Hochfließ unter dauerndem Beschuss aller Waffen lag. Noch aber gab ich die Hoffnung nicht auf, dass einige Kameraden bis zur Villa Kuntze herausgekommen waren.
Ich sprang über die Straße zur Ruine der Villa, um, wenn erforderlich, mit meinen bescheidenen Mitteln - eines Sturmgewehres-44 - Feuerschutz zu geben. Beim Erreichen der Ruine traf ich meinen Unteroffizier E. Roock, der gerade beschloss, zur Ruine der Villa Kuntze zu laufen. Dort hatte er seine Gruppe mitten im Mittagessen aufgeschreckt. Die militärische Lage war so, dass die Straße nach Husenberg und weiter zum Wasserturm im Dorf Gertenau von unserer Gruppe gehalten werden sollte. Der Russe war also bei Nacht ungesehen über Schneefelder durchmarschiert und sperrte jetzt mit seinem MG die Straße. Es war ein deutsches MG 42, das erkannte ich am Klang des Schusses und auch an der Schussfolge.
Unsere 14. Pi-Kompanie hielt im Kreis Gumbinnen seit 100 Tagen verbissen ihren Frontabschnitt zwischen Hochfließ und Grünweiden und trotze der starken Übermacht. Es war den Russen nirgends gelungen, bei uns durchzubrechen. Das dauerte bis zum 20. Januar 1945, bis der Iwan bei einer anderen Einheit zwischen Ohldorf, Gutshof Serpenten (von Below) und Hochfließ eine schwache Nahtstelle fand, durchbrach und den ganzen Frontabschnitt einzukesseln drohte. In der Nacht zum 20. Januar mussten wir unseren Abschnitt räumen und zurück nach Hochfließ. Uffz. Erwin Roock meinte, wir sollten die Offiziere vom RgtStab. ständig im Auge behalten. Es war nämlich nicht nur einmal vorgekommen, dass die hohen Herren abgehauen waren, ohne die Truppe, die vorne am Feind war, davon zu verständigen.
Unser Sa.- Uffz. war mit mehreren unserer Männer im Gutshof Kuntze. Hier waren noch die drei russischen Mädchen, die Köchin Katarina, Luba und Nadin. Sie reichten uns zum Abschied einen vollen Kochgeschirrdeckel mit "Tschai". Das Getränk war wie immer undefinierbar, aber es war heiß! Zwischen uns hatte sich eine herzliche Freundschaft entwickelt. Uffz. E. Roock meinte, wir sollten die drei mitnehmen und sie blieben fast bis Heiligenbeil bei unserer Feldküche. Die drei Mädchen steckten uns noch schnell, meist heimlich, ein halbes gebratenes Huhn und ein Stück Speck oder Selchfleisch zu. Kein Offizier durfte es wissen! Unsere Offiziere von damals sprachen im Jahr 2006 vom Kriegsende als vom "Tag der Befreiung". Wir von der kämpfenden Truppe haben unsere aufrechte Haltung nie verloren, unsere soldatische Ehre, die Achtung vor uns selbst, auch nicht in Gefangenschaft! Als unser Sani am 10. Mai 1945 bei den Amerikanern in Gefangenschaft kam, wurden auch ihm alle seine Habseligkeiten abgenommen! Bis zum Schluss, - von Gumbinnen bis nach Balga am Haff - hatte er in einem Buch gewissenhaft alle Gefallenen und Verwundeten unserer Kompanie mit Lazarettangabe und auch der Grablagen mit Ort und Namen des Kameraden vermerkt. Als er dieses Buch behalten wollte und dem Amerikaner mit deutschem Namen den Inhalt des Buches erklärte, meinte dieser zynisch: "Kamerad kaputt", nahm ihm das Buch ab, trat es in den Morast der Lagerstraße und stieß den Sanitäter zu den anderen Gefangenen! Das war für ihn der Tag tiefster seelischer und körperlicher Not!
Die russischen Angriffe auf Hochfließ dauerten an, waren aber bereits schwächer geworden. Dafür legte der Russe jetzt seine Feuerüberfälle mit ganz schwerem Kaliber vorzugsweise in unseren Gutshof Kuntze. Er blieb aber immer stehen und wartete so lange, bis Reserven herangeschafft und die Einbruchstellen abgeriegelt werden konnten. Nur könnten auch bei ihm einmal die Reserven zu Ende gehen, zu wünschen wäre es für uns gewesen, denn bei uns waren die Reserven schon längst verbraucht.
Irgendwann kam eine neu aufgestellte Luftwaffen-Feld-Division bei uns zum Einsatz. Sie bestand aus Bodenpersonal der Luftwaffe, aus Männern, die durch die großen Verluste unserer Luftwaffe überflüssig wurden. Es waren alles gute Leute, die aber vom Infanteriekampf hier in Hochfließ soviel verstanden, wie ein kastrierter Offizier vom Kindermachen. Sie hatten dementsprechend hohe Verlust. Es war ein Wahnsinn!
Hier ein typischer Vorfall, der sich Anfang Januar bei uns ereignet hatte. Während der Nacht zum 3. Januar 1945 war ihnen ein Infanteriegeschütz vom Russen gestohlen worden. Die Männer hatten es nicht bewacht, sondern sich wie gewohnt zum Schlafen zurückgezogen. Am Morgen war das Geschütz samt Munition weg. Darauf fragten sie einen von unseren alten Italienkämpfern (kein Offizier), was sie in Zukunft dagegen machen sollten. Dieser riet ihnen spaßeshalber, sie sollten beim Rad des Geschützes einen großen Pfahl einschlagen und daran einen Ziegenbock mit einer festen Kette zum Geschütz befestigen. Wenn die Russen den Ziegenbock riechen würden, käme keiner von ihnen. Die Luftwaffensoldaten taten das dann auch tatsächlich. Da sich das blitzartig bis Gumbinnen herumsprach, gab es ein Gelächter im ganzen Frontabschnitt.
Am 4. Januar fiel Leutnant B. bei einem Gegenstoß, bei dem er mit seinen letzten Männern den Russen das deutsche Infanteriegeschütz entreißen wollte. Da sein gestriger Kampfabschnitt vom Russen besetzt war, war es ihm unmöglich, es zu bergen. Er war einer der besten jungen Offiziere unseres 4. FschPzGrenRgt. HG - Träger des Deutschen Kreuzes in Gold, usw.
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Die Räumung von Hochfließ und der Auszug aus Gertenau
Die ganze Front war in Aufruhr. Leuchtkugeln erhellten jeweils für Sekunden den Himmel, grün, rot, grünweiß. Soweit der Sprechfunk in der damaligen Qualität funktionierte, diente er nur der Verbindung zum Bataillonsstab, der Gefechtstross hatte kein Gerät. Unter Zurücklassen der schweren Waffen zogen sich Reste der Kompanie zum Sammelpunkt in den Gutshof Hochfließ (Kuntze ) zurück. Vier Mann als Nachhut und eine weitere Umgliederung wurde befohlen und durchgeführt. Die Kampf- gruppen setzten sich um 00.15 Uhr von Hochfließ durch ein Minenfeld am Westufer der Rominte auf die neue Linie an der Reichsstraße 132 ab. Inzwischen führte der Russe auch gefährliche Angriffe gegen das südlich von Tellrode kämpfende FschJgRgt. 16. Ein verwundeter Unteroffizier, der von Girnen zurück kam, brachte die erste Meldung vom 16. FschJgRgt. mit. Danach hatte das Bataillon starke Angriffe abgewehrt, war aber durch das Zurückgehen des Nachbarn (60 InfDiv.) zum Absetzen gezwungen worden. Bisherige Verluste 110 Mann, darunter Leutnant D. gefallen, der Führer der 6. Kompanie.
Unsere neue Linie an der Reichsstraße 132 verlief vom trigonometrischen Punkt 60,0 Husarenberg - Schweizertal nach Westen am Weg nach Gertenau entlang(Pkt.66.1) zum Wasserturm. Der Gefechtsstand verblieb im Haus des Wasserwerkes Gertenau. Die Absicht war, diese Linie jeweils 24 Stunden zu halten.
Am Sonntag, dem 21. Januar 1945, zeigte das Thermometer am Morgen minus 21 Grad Celsius. Bei diesen Temperaturen wurden die Fernsprech- kabel brüchig und rissen bei Granat- oder Bombeneinschläge anders als im Sommer. Ganze Stücke mussten eingesetzt werden. Die längere Verweildauer beim Flicken der Kabel gab den sibirischen Scharfschützen vermehrt Gelegenheit, Abschüsse zu tätigen, zumal keine Winterbe- kleidung da war und die Tarnhemden, zwei Leinenstreifen, den Kopf nicht abdeckten. So gab es laufend tropfenweise Verluste.
Wir marschierten zunächst in der kleinen Gruppe weiter, die sich zusammengefunden hatte. Vor Angerapp stießen wir auf zwei junge Kameraden, die an einen Baum gelehnt unter vielen Toten saßen. Einer hatte einen Bauchschuss, war aber bei vollem Bewusstsein und völlig ruhig. Wir blieben eine Weile stehen und sprachen in seinem hoffnungs- losen Zustand mit ihm, wir gaben beiden auf ihren Wunsch zu trinken. Beide wussten, dass sie sterben würden und baten uns, ein Gebet zu sprechen. Das Ende kam recht schnell. (21./22. Januar 1945)
Im Gefechtsabschnitt Gertenau traf eine Alarmnachricht ein. Der Russe griff seit 08.45 Uhr aus dem Raum Großwaltersdorf - Prassfeld, also nach Westen in Richtung Schulzenwalde zur Einschließung der Kampftruppen an und hatte erneut die Stellungen des FschJgRgt.16 durchbrochen. Aus dem Einbruchsraum Hoheneck und Erlengrund kamen am östlichen Dorfrand Wagen der Artillerie mit Verwundeten an und die Artilleristen teilten mit, dass feindliche Panzer schon in den Geschützstellungen bei Marienhöhe stünden. Viele haben außer der Verwundung schwere Erfrierungen. Beim Festhalten am kalten Eisen ohne Handschuhe hatten sich alle aufsitzenden Verwundeten die am Eisen anklebende Haut abgezogen. Am Hauptverbandplatz war man entsetzt!
Am 21. Januar 1945 war der achte Tag der sowjetischen Offensive. Trotz der grimmigen Kälte griff der Gegner immer wieder unsere Stellungen an der Reichsstraße 132 an. Der Kampf nahm dramatische Formen an. Zwar vernichtete ein Stoßtrupp ostwärts der Straße 132 vier Panzer und fünf weitere aus Richtung Husarenberg durch Volltreffer, die russische Infanterie drängte aber stetig weiter vor. Alle verfügbaren Gerätschaften auf der Reichsstraße 132 wurden mit Teilen des Pi-Zuges zur Verteidigung am Wasserturm nach Gertenau eingesetzt.
Der Anschluss zum rechten Flügel ging verloren. Reserven der Division waren nicht vorhanden. Die Hauptkampflinie wurde bis zur Angerapp- Stellung zurückgenommen. Gegen Abend wühlte der Russe mit gewisser Planlosigkeit in der tiefen Einbruchstelle bei Wilken und Dauginten bis zum Waldrand der Kettenberge herum, überall mit Bataillonen, Kompanien oder kleineren Gruppen angreifend. Dabei traten wieder grölende, betrunkene Haufen auf, die nachts ohne Artillerie- und Panzer- Unterstützung angriffen und zusammengeschossen wurden. Auch die eigene Truppe war am Rande ihrer Leistungsfähigkeit. An manchen Stellen konnte die Front nur noch durch Einsatz von Trossen gehalten werden! Nach heftigem Artillerie- und Stalinorgelfeuer brach der Russe ins Dorf Bismarckshöh ein. Es gelang dem überlegenen Gegner in verlust- reichen Nah- und Waldkämpfen, in unsere Stellungen einzudringen.
Die Kampfgruppe selbst war bisher keinen Fußbreit gewichen, wurde aber immer wieder in der Flanke bedroht. Um 02.00 Uhr kam der Befehl, den Bismarck-Turm mit 60 Tellerminen zu sprengen, sonst würde der Turm während des Rückzugs zur Angerapp-Linie der Roten Armee als B-Stelle dienen. Bei Nacht bildeten die Leuchtkugeln einen fast geschlossenen Kreis. Nur nach Südwesten waren die Wege in Richtung Angerapp noch offen, jedoch erfolgten schon Überfälle auf Verwundeten-Konvois, die in Schlitten mit Panjepferden in Richtung Angermühle unterwegs waren. Eine ganze Baukompanie wurde vermisst. Es durften im rückwärtigen Gebiet nur noch Doppelposten aufgestellt werden. Die Feindeinbrüche bei Nacht erfolgten so überraschend, dass in vorderster Linie nicht geschlafen werden durfte. Der überlegende Feinddruck machte es erforderlich, dass sich die Kampftruppen auf eine neue Linie zurückzogen. Die Linie verlief am Fluß Angerapp entlang bei Angermühle - Schweden-Schanze.
Das 4. FschPzGrenRgt. HG berichtete über sowjetische Angriffe mit Panzern vor der gesamten Front, im Abschnitt des FschJgRgt. allein mit 18 Panzern T-34. Leutnant Knobl meldete dem Regiment, dass auch Oberarzt Becker und Leutnant Göde gefallen waren. Damit hatte das 16. FschJgRgt. ab Nov. 1944 nur noch vier Offiziere. Erneut ließ die Division alle Trosse "auskämmen", um die Stellungen wenigsten bis zum folgenden Tag halten zu können.
Die sowjetischen Angriffe rissen nicht ab, die Kämpfe spielten sich bereits 40 km westlich der ursprünglichen Hauptkampflinie ab. Trotz einer schier aussichtslosen Lage leisteten unsere Verbände gegen eine gewaltige Übermacht tapfer und bewundernswert einen als heldenmütig zu bezeichnenden Widerstand bei gleichzeitiger Wahrnehmung unserer selbstverständlichen Pflicht gegenüber den Flüchtlingen im Kampf ums Überleben. Trotz eines allgemeinen Verbotes gab unser Kompanieführer die Weisung, so weit wie irgend möglich Flüchtlinge aufzunehmen und mitzuführen, um nicht von Sowjetpanzern überrollt zu werden. Inzwischen befand sich unser Heimatkreis Gumbinnen völlig in sowjetischer Hand. Der Verlust unserer Heimat bedeutete zugleich verlorene Kindheit, für die noch älteren und uns Soldaten: verlorene Kindheit und Jugend. Deshalb bewegen uns auch nach Jahren des Geschehens solche Berichte und nehmen uns Älteren gefangen. Wir Soldaten stemmten uns gegen die unaufhaltsam westwärts rollende Kriegswalze mit allen noch verbliebenen Kräften als schon alles verloren aber noch nichts endgültig aufgegeben war.
Um auf jeden Fall den Abmarsch der Nachhut ungestört sicherzustellen, wurde eine Sturmgeschütz-Batterie zur Reichsstraße 126 geleitet, die nach Osten und Süden sicherte. Mit Beginn der Dämmerung zogen die Reste der Bataillone im Gänsemarsch an zahlreichen Soldatengräbern vorbei und entlang der vielen Fernsprechleitungen in Richtung Angerapp. Am Sammelpunkt in der Stadt fanden sich nur wenige Grenadiere ein. Unsere Situation und die gesamte Lage hatte noch niemand erfasst. Der Regimentsstab war nicht mehr zu erreichen, alle Stabsoffiziere waren abgerückt!
Rund um den Ort Angerapp wurden die Reste der Grenadiere zur Orts- sicherung verteilt. In der folgenden Zeit lagen die Stadt und die Bahnlinie am Ostbahnhof und Westbahnhof unter feindlichem Artilleriebeschuss. Vom Dorf Ströpken her waren Granateinschläge zu hören. Wir erhielten den Befehl, das erhöhte Ufer der Angerapp in Richtung Schimmelhof zu besetzen und mindestens diese Nacht die Brücke zu halten. Vom hohen Ufer hatten wir einen guten Einblick ins Hinterland, teils über den Ort und den Gutshof Schimmelhof hinweg. In der Morgendämmerung erkannten wir, dass Gestalten von Haus zu Haus in Richtung Brücke huschten. Wir waren uns einig, dass sowjetische Infanterie in den Ort eingesickert war. Es durfte erst geschossen werden, wenn ganz eindeutig ein russischer Angriff auf die Brücke zu erkennen war. Es war totenstill, nur von einzelnen Einschlägen schwerer Artillerie unterbrochen. In einige Keller wurden Schießscharten zur Sicherung der Stadt Angerapp eingeschnitten oder gebrochen.
Unser Rückzugsweg und Sammelpunkt war das Postamt am Marktplatz von Angerapp. Hier standen noch vier Flüchtlingstrecks mit Frauen und Kindern, die nicht mehr weiter konnten. In der Nacht stießen Teile der sowjetischen 352. Division südwärts an Angerapp vorbei nach Westen in Richtung Domäne Gutwallen und machten die Alarmierung des letzten beiden Gruppen des 16. FschJgRgt. notwendig. Die Aufklärung hatte schon um 03.00 Uhr gemeldet, dass sich der Russe im nahen Waldgelände, der Ziegelei Ströpken und Schimmelhof bereitstelle. Der Druck auf Angerapp unweit der Brücke verstärkte sich.
Um größeren Angriffen der Russen entgegen zu wirken, besuchte der Kommandeur des FschPzGrenRgt. den Gefechtsstand im Postamt Angerapp und unterstellte dem Regiment eine Gruppe des 16. FschJgRgt., damit die Gegend erneut mit stärkeren Kräften durchkämmt werden konnte. Der angesetzte Stoßtrupp traf bereits 500 m südlich des Vorwerkes Schimmelhof auf ein gesichertes Lager in Stärke von 100 Mann. Da der Russe die Aufforderung zum Niederlegen der Waffen mit Feuer beantwortete, wurde das Lager gestürmt. Ein Major und 28 Mann wurden gefangengenommen. Etwa 40 Rotarmisten gelang es, über die Straße 137 hinweg in Richtung Ströpken zur sowjetischen Hauptfront zu entkommen. Diese Feindteile, dabei Kavallerie, folgten einem Pfad zum Ostbahnhof und weiter in Richtung Weedern.
Von der östlichen Front her belegte der Russe indessen weiterhin die Stadt Angerapp mit Feuer schwerer Artillerie und schweren Infanterie- waffen, bei Schimmelhof auch durch Panzer im Direktbeschuss. Die Schwerpunkte der sowjetischen Angriffe lagen südlich der Angerapp- brücke, da an diesen Stellen offenes und festes Gelände die Annäherung feindlicher Panzer ermöglichte. Da von unserer Seite aus nichts geschah, glaubten die Russen, die Brücke erobert zu haben. Unsere Gruppen mussten sich absetzen. Zuerst kriechend, dann gebückt und schließlich freiweg zum Marktplatz zurückziehen. Doch es blieb ruhig, obwohl drei Panzer auf die Brücke fuhren.
Um 07.45 Uhr wurde die Brücke mit zwei Tonnen Sprengstoff und mit allem was sich darauf befand, gesprengt. Die Ziegelbrocken flogen weit umher und kamen bis zum Marktplatz auf die Stadt herunter. Zur gleichen Zeit wurden die Brücken über das Ragawiszetal und die Brücke Menturrer Straße gesprengt.
Um 08.00 Uhr wurde ein feindlicher Funkspruch mitgehört, wonach sich nunmehr starke Feindteile südlich des Flusses Angerapp zusammen- drängen. Alle Versuche, der stärkste um 08.20 Uhr, scheitern jedoch bei blutigen Verlusten des Feindes im Abwehrfeuer aller Waffen. Die Beobachtungen der Verschiebung von Feindkräften nach Westen waren zutreffend. Niemand wusste allerdings etwas Genaues. Man hörte nur, dass es "mulmig" sei und die Frontlage sich dauernd verändere.
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Es begann die Phase des Krieges, in der die deutschen Soldaten in Ostpreußen nicht mehr um den Sieg kämpften, sondern in dem immer deutlicher werdenden Bewusstsein, jedes Opfer bringen zu müssen, um den Bolschewismus von ihren Familien und von ihrer Heimat fern zu halten. Dies geschah in der tiefen Verbitterung darüber, dass alle Nationen der zivilisierten Welt der Sowjetunion mit allen Kräften halfen und dass eine pflichtvergessene Führung durch ihre dilettantische Politik und ihre miserable und brutale Kriegsführung diese Situation im Osten herbeigeführt hatte, aus der sich kein Ausweg mehr bot.
Die rote Armee war infolge ihres materiellen und personellen Nachschubs den deutschen Einheiten deutlich überlegen. Der deutschen Führung war nicht nur ihre strategische Konzeption abhanden gekommen, sie hatte auch ihre taktische Inspiration verloren. Es wurde nur noch improvisiert und das wurde im Kampfge- schehen deutlich.
In diesen chaotischen Tagen des harten Kampfes zur Verteidigung von Nordenburg bis Gerdauen fehlte es an allem. Verpflegung, Munition und Treibstoff kamen eher zufällig als organisiert heran. Vor allem benötigten wir dringend die Unterstützung des Artillerieregiments und der Versorgungseinheiten, besonders aber das Panzerregiments, das erst vor Wochen als erste Einheit des FschPzKorps HG mit Panther- und Tigerpanzern ausgerüstet worden war.
Diese 1./FschPzDiv. HG wurde am 17. Januar 1945 aus Ostpreußen abgezogen und in Richtung Schlesien gebracht. Wo sie sich befanden, wusste niemand, nicht einmal die Standorte der 1./FschPzDiv. HG und der Divisionsstab waren bekannt. Es galt allgemein der Spruch: "Wenn der Landser nicht mehr mosert, ist die Lage besonders beschissen". Der Aufbruch zum Rückzug aus der Nordenbug-Pentlack-Stellung ging in tiefstem Schweigen vonstatten, nur ein paar knappe Befehle waren zu hören. Ebenso stumm verhielten sich die Gruppen der Flüchtlinge. Fast alle schliefen auf ihren Wagen, nur der Fahrer hatte sich eine Decke über den Kopf gezogen.
In der Woche vom 22. zum 29. Januar 1945 entschied sich das Schicksal Ostpreußens. Während es der deutschen 4. Armee gelang, den russischen Vormarsch an ihrer Südflanke zu verlangsamen, brach der Russe in ihrem Rücken in Richtung Frisches Haff nach Norden durch. Am 26. Januar 1945 hatten sich die Russen in breiter Linie im Osten Elbings schon bis an das Frische Haff bei Tolkemit vorgeschoben, womit Ostpreußen nur noch über die Frische Nehrung mit dem Westen verbunden blieb.
Drei Tage lang war die sowjetische 48. Armee in schwerer Not gewesen und hatte unter den Angriffen der deutschen 4. Armee etwa 30 km zurückweichen müssen. Einen Tag lang sah es so aus, als könnten die deutschen Truppen südlich Elbing bis Marienburg vorstoßen und damit den Kessel um Ostpreußen aufbrechen. Aber der deutsche Angriff blieb weit vor Elbing stecken. Die Sowjets warfen mehrere Korps und fünf Panzerbrigaden in die gefährdete Front und drängten die deutschen Truppen schließlich zurück.
Aufgeregt ging es in den Flüchtlingstrecks zu. Erschreckt verließen Frauen und Kinder so manchen Treck und rannten über die verschneiten Felder in den nahen Wald. Einige der Frauen wollten mit den Wagen nachfahren, kamen aber auf den gefrorenen Schollen der gepflügten Äckern nicht voran und mussten auf die Straße zurück, wo inzwischen eine panikartige Flucht nach Norden eingesetzt hatte. Über eine Stunde lang verbargen sich die Frauen und Kinder in einer Schonung. Als sie sahen, dass die Kette der Trecks nicht abriss und die Wagen wieder in ihr normales Tempo zurückgefallen waren, wagten sie sich wieder hervor. Schüsse waren nirgends zu hören. Von ihrem Treck war weit und breit nichts zu sehen, überall nur fremde Fuhrwerke. Sie gingen zu Fuß weiter und wurden schließlich von unseren Militärlast- wagen des 4. FschPz- GrenRgt bis Gerdauen mitge- nommen.
Die fast tägliche Verlegung in neue Stellungen bean- spruchten die Truppe aufs Äußerste. Nachts wurde marschiert, beim Morgengrauen mussten wir die neue Verteidigungslinie beziehen, zum Angriff antreten oder wurden zur Sicherungsaufgaben in Frontlücken einge- setzt.
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und das Absetzen
Der Rückmarsch war seit Angerapp ein stetiger Kampf mit tiefem Schnee, großer Kälte, und glatten Wegen. Bei dem Neuschnee im Januar blieben an der Höhe Gutwallen und Hasenbrück zuerst die Lkw-Kolonnen hängen und verursachen Stauungen, die über Stunden andauerten. Der eisige Ostwind verursachte ständig Erfrierungen, selbst während des Marsches bzw. des Wartens in freier Landschaft. Die Pferde der Flüchtlinge waren von Schnee und Eis "bedeckt" und hatten Felle wie Eisbären. Die Gesichter der Soldaten waren mit einem Kranz von Reif und Eis umgeben. Jeder musste auf ständige Bewegung der Zehen, Finger, Ohren und selbst der Nase bedacht sein, um keine Erfrierungen zu erleiden. Bei den notwendigen Marschpausen standen die Pferde oft ohne Wasser und mit hängenden Köpfen da, tote Pferde lagen beiderseits der Straße. Wer nicht mehr konnte, blieb liegen, wer liegen blieb, wurde von den anderen überfahren. Den Toten tat es nicht mehr weh und die Räder fragten nicht danach, ob die Menschen jung oder alt waren. Man gewöhnte sich daran. Der Boden war jetzt so tief gefroren, dass es unmöglich war, Gräber in gewohnter Weise auszu- heben. Die Flüchtlinge waren gezwungen, die Toten im Schnee zu beerdigen.
Die 2./Sanitäts-Kompanie und der Stab der 2. FschPzGrenDiv. HG verlegten am 21.01.1945 bei Schneesturm und minus 18 Grad um 18.00 Uhr vom Gutshof Gutwallen in Richtung Trempen, wo die Trosse der Kampftruppen zur Zeit im Gasthaus lagen. Im Belegungsdurcheinander in den Trossräumen von Trempen, wo ja auch Teile der fechtenden Truppe durchzogen und meist nur für Stunden ein Dach über dem Kopf suchten, kam es teilweise zu harten Auseinandersetzungen, wenn von sich überzeugte Hauptfeldwebel in der Funktion von Ortskommandanten für ein paar Stunden glaubten, uns Infanteristen in verdreckten Uniformen und außergewöhnlichen Kleidungsstücken ein Strohlager verweigern zu können. Sobald wir Grenadiere in eine Stadt kamen oder von Gumbinnen über Trempen, Nordenburg, weiter über Friedland, Domnau, Pr. Eylau und Zinten in einem Dorf Quartier nahmen, kamen "Herrschaftsstrukturen" wie in einer Garnison auf, nur ohne Kasernenhofdrill.
Am nächsten Morgen, dem 22. Januar 1945, um 05.30 Uhr mussten wir, die ungebetenen Gäste, schon wieder aufbrechen und marschierten ab 06.00 Uhr über Ernstburg, Adamsheide, Polleiken nach Kurkenfeld. Im nördlichsten Haus am Dorfrand war der Meldekopf eingerichtet, um die zurückmarschierenden Teile - auch solche des FschPzKorps, das nun ebenfalls unter Feinddruck stand - beobachten zu können. Welch ein Unterschied und Gegensatz zwischen dem Gebiet hinter der Front und dem Einsatzraum der fechtenden Truppe! Die als Gefechtsvorposten eingesetzte 14. Pionier- Kompanie hatte bei minus 23 Grad Celsius 14 Ausfälle allein durch Erfrierungen. Diese Tatsache zwang das Regiment, die so wichtigen Gefechtsvorposten zurück- zunehmen und dem Russen die Höhen südöstlich Kurkenfeld, von der aus der Feind gute Beobachtungs- möglichkeiten auf die HKL hatte, zu überlassen. Aber auch die sowjetischen Truppen litten unter dem auch für russische Verhältnisse ganz außergewöhnlich harten Winterwetter und nutzen die Beobachtungsmöglich- keiten nicht aus. Sie veranstalteten ein regelrechtes Planschießen auf die Gutshöfe Korkenfeld, Charlottenruh und Pentlack, das Opfer forderte. Unser Kommandeur Hauptmann D. verlor dabei ein Auge durch einen Splitter und musste dem Chef der 10. Kompanie, Oberleutnant Schink, die Führung des III. Bataillons übergeben.
In den Mittagsstunden griff der Russe pausenlos den Südrand von Kurkenfeld und die gesamte Front bis Nordenburg an, in einer Winterschlacht, die in den nächsten Tagen über Sein und Nichtsein unserer Truppe entschied. Die Erdaufklärung vor unserem Abschnitt ergab vermehrte Bewegungen und häufige Motoren- geräusche, die auf feindliche Bereitstellungen schließen ließen. Um 15.40 Uhr beantragte Generalmajor Walther beim A.K. allgemeines Absetzen in die Nordenburger Linie, um dort den unmittelbar bevorstehenden sowjetischen Großangriff abzufangen. Das A.K. erwiderte, dass der Befehl zum Absetzen auf keine Fall gegeben werde. Der OB der FschPzGrenDiv. schaltete sich in das Gespräch ein: "Dann muss man eben die Folgen ziehen!"
Unterdessen waren die Feindangriffe bei Kurkenfeld und damit auch beim 16. FschJgRgt. Schirmer erneut überaus stark, obwohl Gefangenenaussagen und feindliche Funksprüche bestätigten, dass auch bei den Sowjettruppen der Betriebsstoff knapp war und manche sowj. Truppenteile keinen Verpflegungsnachschub erhielten. "Die Rotarmisten sollen sich beides bei den Deutschen holen".
Zum Antrag des Absetzens in die Nordenburger Linie ging um 18.00 Uhr beim 4. FschPpzGrenRgt. die kurze Entscheidung ein: "Der Führer hat das Verlassen der Nordenburg- SteIlung in Höhe von Kurkenfeld verboten".
In den Morgenstunden des 23. Januar 1945, schon ab 07.00 Uhr, bewegten sich größere feindliche Kolonnen aus Schönfeld und Waldburg heraus auf dem Weg nach Kurkenfeld gegen das 3. und 4. FschPzGren. Regiment. Obwohl die 7. und 8./ A.R. HG die Kolonnen unter Feuer nahmen, gelang es jedoch den Russen, im Schneesturm ein ganzes Bataillon in das Wäldchen bei Kurkenfeld heranzuführen und dort zum Angriff bereit- zustellen. Trotz Bekämpfung der Bereitstellung mit Artillerie und Infanteriegeschützen gelang es 40 Sibiriaken in voller Winterausrüstung bei 22 Grad Kälte bis an die HKL um Kurkenfeld heranzukommen, wurden jedoch zurückgeworfen. Durch Heranbringen von mindestens zwei feindlichen Regimentern im Bereich Kurkenfeld und Nordenburg wurde der Kampf ohne Rücksicht auf Verluste fortgesetzt.
Die erwarteten neuerlichen Großangriffe auch gegen Nordenburg und Kurkenfeld - Pentlack begannen. Schon am Vortag waren bei einem notgelandeten sowjetischen Kurier Karten mit Einzeichnungen zu einem Angriff bei der 2. FschPzGrenDiv., gefunden worden, der am 23. Januar beginnen sollte. Die Kampftruppen hatten sich darauf eingestellt. Zur Verringerung der Abschnittsbreite wurde die Grenze des 16./FschJgRgt. an den Ostrand von Pentlack verlegt. Ein vom Feind im Abschnitt der 4./FschPzGrenRgt. aufgefahrenes Salven-Geschütz (Stalinorgel) - ein sicheres Zeichen für noch größere Angriffe - bekämpfte unsere Artillerie mit Erfolg. Die Trosse wurden darauf vorbereitet, nochmals Kräfte nach vorne abzugeben, um auf jeden Fall im Abschnitt die wichtige Reichsstraße 139 zu halten.
Nach der Zustandsmeldung vom 23. Januar hatte allein die 2. FschPzGrenDiv. zwei leichte und drei schwere Batterien verloren und mindestens die Hälfte der schweren Infanteriewaffen mussten dem scharf nach- drängenden Feind während des Rückzuges überlassen werden. Die Gefechtsstärken der Bataillone betrugen noch 80 bis 100 Mann und ein rascher Ersatz an Menschen und Waffen wurde deshalb zur Lebensfrage der FschPzGren.-Division. |
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In einem Armeebefehl wurde dem FschPzKorps HG als Pflicht auferlegt, einen winterbeweglichen Verband (ein verstärktes Bataillon) aufzustellen. Die scharfe Kälte trieb die deutschen Verteidiger in Ortschaften und Häuser, wenn sie sich am Leben halten wollten. Dadurch entstanden besonders bei Nacht kilometerbreite Frontlücken, die durch Spähtrupps nur ganz unzulänglich überwacht werden konnten. Die Verteidigungsfront im Raum Nordenburg war eine mehr oder weniger zusammenhängende Reihe von Häusern. Die Folge war, dass der Russe abseits der Dörfer ungehindert die "Front" durchschritt und die einzelnen Ortschaften dann in der Flanke und im Rücken umfasste und vernichtete. Von der Truppe und insbesondere von den fechtenden Teilen wurde weiterhin der letzte Einsatz verlangt.
Bei nur 18 Grad Kälte am Morgen des 24. Januar 1945 griff der Russe beim 16. FschJgRgt. vergeblich auf der ganzen Front an. Dem Antrag des Regiments beim Korps, nach den vielen Verlusten die HKL auf dem rechten Flügel beim 561. InfRgt. an den Masuren-Kanal heran zu verlegen, wurde entsprochen. Wie schon am Vortag führt der Russe erneut wieder im verschneiten Wald allein gegen das 16. FschJgRgt. in Pentlack sechs Angriffe nach Bereitstellungen. 280 tote Rotarmisten lagen schließlich nach insgesamt zehn Angriffen in Eis und Schnee vor der Stellung.
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Um 16.30 Uhr erklärte Generalmajor Schmalz, dass ein weiteres Zurückgehen zur Rettung der Front im Raum Nordenburg und Pentlack unumgänglich sei. Gegen 20.00 Uhr erteilte der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe die Genehmigung, ab 21.00 Uhr die Front auf eine rückwärtige Linie zurückzunehmen. Damit wurde der schwere Entschluss gefasst, an einigen Stellen die Front nach rückwärts zu korrigieren.
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zwischen Pentlack und Nordenburg
Ein Donnerstag und ein sonniger dazu, wurde zum schwarzen Tag der 2. FschPzGrenDiv.HG. Er begann mit verhältnismäßig mildem Frost bei minus 12 Grad. Die aufsteigende Sonne verwandelte das Land in eine weithin überschaubare funkelnde Fläche mit Schnee- kristallen. Am Regimentsgefechtsstand im Gutshof Pentlack erhielt unsere Kompanie um 03.45 Uhr den Befehl zum Weitermarsch in den Abschnitt Nordenburg - Stadtwald, um dort die Waldzone in der Linie Bhf. Stadtwald, Gutshof Friedrichsflur und NordenthaI zu sichern und die Feindteile aufzuhalten. Aussagen von Gefangenen ergaben kein klares Bild von der Stärke der im Wald sitzenden sowjetischen Kräfte. Die angege- benen Zahlen schwankten zwischen 1000 und 4000 Mann. Zwischen dem Bahnhof Karlsburg und dem KI.Bhf. an der Straße von Pentlack nach Nordenburg wurde ein Munitionslager festgestellt, das schleunigst gesichert wurde.
V-Leute der 2. FschPzGrenDiv., welche den Feind zum Überlaufen aufforderten, hatten keinen Erfolg, zumal der Russe im Raum Nordenburg zwecks Aufbrechen unserer Front heftig mit zahlreichen Panzern angriff. Im Raum Pentlack entwickelte sich die Lage schlagartig besorgniserregend, als den Sowjets zwischen Pentlack und Bhf. Burgsdorf nach der Aufsplitterung des 16. FschJgRgts. ein tiefer Einbruch mit freien Zugang zum Bruchorter Forst gelang. Es hatte nur eines geringen Druckes an dieser Stelle bedurft, um die Nahtverbindung zwischen dem 4. Regiment und Teilen des FschJgRgts. zu zerreißen. Ich kroch und robbte vorsichtig am Straßenrand entlang, bis ich den jenseitigen abfallenden Hang bis zum Gutshof Nordenthal überblicken konnte.
Was ich sah, ließ mir das Blut in den Adern erstarren. Vier Panzer T-34 stürmten in voller Fahrt auf die Stellung des 16. FschJgRgt. zu, deren über etwa 150 Meter breit verteilte Gruppen ihre Stände und Deckungslöcher nur teilweise in den harten Boden vorangetrieben hatten. Bei ihrem schnellen Angriff schossen die vier sowjetischen Panzer T-34 schon aus größerer Distanz aus allen Rohren. Dabei konnten sie im Gelände und mit ihren wild schaukelnden Bewegungen noch nicht viel anrichten. Uffz. Erwin Roock befand sich plötzlich hinter mir. Ich schrie "Versuche, Hilfe zu holen!" Er machte sich davon, so schnell er konnte.
Ich blieb an Ort und Stelle und wurde ohnmächtiger Zeuge des furchtbaren Szenarios, das sich vor mir entwickelte. Die stählernen Kolosse strebten ausei- nander, je zwei gingen den linken und den rechten Flügel der Stellung an und dann kamen sie grausam und methodisch zur Sache. Ohne einen Schuss abzugeben kurvten sie auf die teilweise unfertigen Schützenlöcher und MG-Stände zu, überrollten sie, setzten zurück und drehten sich über jedem Loch und über jedem Mann solange auf der Stelle, bis alles zwischen ihren breiten Rappenketten zermalmt war. Dabei leisteten sie gründliche Arbeit und ließen sich dazu Zeit. Als sie mit den ersten Deckungslöchern fertig waren, war dort nichts mehr zu sehen als die tief aufgewühlte schwarze ostpreußische Erde.
Niemand lief davon! Es wäre auch sinnlos gewesen, denn jeder Versuch hätte die Fliehenden in das Schussfeld der Panzer-MGs gebracht. Angesichts des Schicksals ihrer Kameraden stellten sich die übrigen Männer des FschJgRgts. ihrem Schicksal. Sie nahmen verbissen und kaltblütig ihre Chancen in diesem ungleichen Kampf wahr. Da sie mit ihren leichten Waffen gegen die Panzer nichts ausrichten konnten, blieben sie nach Möglichkeit im toten Winkel der Sehschlitze und der MGs der Ungetüme, sprangen und wälzten sich im letzten Augenblick vor ihnen zur Seite und hielten sich, so gut sie konnten seitlich von ihnen neben den Raupenketten.
Mancher hatte bei dem verzweifelten Versuch, so sein Leben zu retten, so viel Glück, dass er ihn mit Erfolg mehrfach anwenden konnte und schließlich davonkam. Alle jungen Soldaten die von Görings schrumpfender Luftwaffe kamen und im November 1944 zum 16. FschJgRgt. abkommandiert wurden, haben es damals nicht überlebt. Ich sah, wie einer nach dem anderen zerquetscht wurde; ich sah es wie in einem Albtraum, verwirrt und betäubt von dem Bewusstsein, dass ich (wir) nichts tun konnten als jeden Tod voll verstörter Trauer mitzuerleben.
Später sind immer wieder Fragen aufgeworfen worden, wie es zu der Katastrophe kommen konnte. Warum hatte die Kompanie damals keine Panzerfäuste oder Haft-Hohlladungen zur Panzerbekämpfung zur Hand? Es waren keine vorhanden! Es wäre auch sehr zweifelhaft gewesen, ob jemand sie hätte anbringen können. Denn dazu hätte er auf einen fahrenden Panzer springen müssen. Die Russen kannten die Gefahr und vereitelten dies durch ständige abrupte Richtungswechsel ihrer Kampfwagen. Dabei nutzten sie den Vorteil, dass sie bei ihren neueren Typen T-34 gleichzeitig den Raupenkettenantrieb auf der einen Seite vorwärts und den auf der anderen Seite rückwärts laufen lassen konnten. Auch darin waren sie den deutschen Modellen voraus.
In der harten Ausbildung beim ErstRgt.FschPzDiv. HG in Holland gab es merkwürdigerweise keine militärische Ausbildung zur Panzerbekämpfung! Alles konzentrierte sich auf Exerzierdrill und andere wenig sinnvolle Kasernenhofspäße, wie das "richtige Vorbeigegehen am Ausbilder in strammer Haltung". Mit viel Geschrei achteten dabei die Ausbilder darauf, dass wir Rekruten immer die Fersen dicht an den Boden pressten. Im Ernstfall hätte ein Granatsplitter diese treffen und so dem Schützen Arsch einen ihm möglicherweise willkommenen "Heimatschuss" verpassen können. Das Gewehrexerzieren und vor allem die Schleiferei zur Beherrschung des perfekten Stechschritts hätte allenfalls zur gloriosen Parade nach dem Endsieg getaugt. Alles in allem entsprach die Ausbildung kaum den gewaltigen Anforderungen der Ostfront, denen man uns aussetzen wollte. Sie war mit ihren vorwiegend auf Gewehr- und Paradeexerzieren, Schikanen wie "Maskenbälle" und dem Schrubben der Kasernenflure mit Zahnbürsten untauglich, gehörte aber zu den täglichen und nächtlichen Übungen. Dafür gab es keine Ausbildung mit der Panzerfaust, dem Panzerschreck (Ofenrohr), des Nahkampfes mit Tellerminen gegen fdl. Panzer oder, um Verwundete zu bergen. Es gehörte merkwürdigerweise nicht zur militärischen Ausbildung. Nach meiner Beobachtung und Erfahrung war hierfür vor allem das niedrige Persönlichkeits-Niveau des Unteroffizierskorps maßgebend. Was mir wenig behagte, war der menschenverachtende Zynismus der Ausbilder.
Die sowjetischen Panzerbesatzungen gingen damals ein hohes Risiko ein. Schon ihre Attacke ohne Infanteriebegleitung war ein Husarenstück, zumal sie mit deutscher Panzerabwehr rechnen mussten. Dass sie nicht zur Stelle war, musste für die Russen als Glücksfall gelten. In jedem Augenblick, der verging, konnten Panzerjäger oder Pak eingreifen. Dass sie ihr Katz- und Maus-Spiel buchstäblich mit jedem Einzelnen unserer Männer zu Ende bringen mussten, kostete sie Zeit.
Ich habe mir später nie eine Vorstellung davon machen können, wie lange die furchtbare Tragödie dauerte, deren fassungsloser Zuschauer ich war. Für mich stand die Zeit still, gleichzeitig verflog sie in einem rasenden Ablauf. Ich war mir aber in jedem Augenblick bewusst, dass nur die Zeit und ein neues Ereignis eine Wende in dem mit mörderischer Logik ablaufenden Geschehen bringen konnte.
Das Ende kam ebenso überraschend schnell wie der Anfang. Hinter mir auf der Hanghöhe aus Richtung Nordenburg tauchten drei Panzerjäger auf - "Nashorn mit 8,8-cm-Pak-43" - im selben Moment wandten sich die T-34 zur Flucht. Sie kamen höchstens 150 Meter weit, in Richtung Pentlacker-Wald. Dann bellten die 8,8-cm Kanonen der Panzerjäger kurz hintereinander auf, und sofort lösten sich drei der T-34 in einer Explosionswolke auf. Der vierte versuchte in einer Schneewolke davonstiebend einen Haken zu schlagen. |
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Einer der Panzerjäger schoss noch einmal und aus dem Heck des T-34 löste sich eine Stichflamme, das Turmluk öffnete sich, ein Mann der Besatzung versuchte auszusteigen, blieb aber in dem sich in Sekundenschnelle ausbreitenden Feuer seitlich am Turm hängen. Im Nu war er eine lodernde Fackel. Nach allem, was vorangegangen war, war es ein vergleichsweise undramatisch wirkender Abschluss.
So schnell ich konnte rannte ich in die Kompaniestellung, hinter mir etliche Angehörige unserer Kompanie. Wir trafen auf die erschöpften Überlebenden, darunter Fw. Paul Hollfelder aus Ansbach, der die Kompanie nach der Verwundung des Kompanieführers führte. Vor dem Angriff waren die Züge 68 Mann stark, die Bilanz: 20 Tote hatte unsere Gefechtseinheit der schwarze Donnerstag in weniger als einer Stunde gekostet; 48 Mann waren noch übrig.
Über das Ganze wurde anschließend nicht viel gesprochen. Noch schlimmer - wir erfuhren , dass es verhindert wurde. Als Uffz. Erwin Roock aus Lübeck die Panzerjäger kurz vor dem Bahnhof Nordenburg, in dem der Gefechtstross lag, angetroffen und alarmiert hatte, stellte sich heraus, dass drei Pak-Geschütze etwas weiter im Gutshof Karlsburg an der Reichsstraße 131 westlich unserer Stellung in Schussweite bereitgestanden hatten, aber in der falschen Richtung eingefroren waren und deshalb nicht eingreifen konnten.
Dies ist die wahre und richtige Fassung und wenn sie zu Not, Tod und Grauen passt, so möge man bedenken, dass im Krieg vieles unmenschliche geschieht. Diese Menschen, die am eigenen Leib hier in Ostpreußen das kommunistische Glück zu spüren bekommen hatten, wussten bereits, was noch niemand in der Welt wusste: Dass es auf dem ganzen Planeten und in der ganzen Geschichte kein bösartigeres, blutrünstigeres und gleichzeitig raffinierteres Regime gibt als das bolschewistische; dass ihm weder an Vernichtungseifer noch an Beharrungsvermögen noch an radikaler Zielsetzung irgend ein anderes Regime gleich kommt.
Sämtliche Ortschaften vor der HKL wurden von der Roten Armee "befehlsgemäß", entsprechend den Weisungen des Genossen Stalin "planmäßig abgebrannt". Wo die Sowjets hindurchgezogen waren, erleuchteten die gespenstischen Feuer brennender Häuser den Himmel. So auch hier. Eine Feuerwand stand abends am Himmel über Nordenburg, der Feind schoss ohne Unterbrechung mit Artillerie in die Stadt, vor allem auf den Ostrand der Swine. Die Kirche und die Häuser brannten an vielen Stellen lichterloh. Für die Infanteristen war das Zurückgehen aus den Kellern und den Häusern der Ruinenstadt Nordenburg unheimlich. Der Übergang über das Eis der Swine, das Erklimmen der steilen Ufer durch teilweise tiefen Schnee und die Granattrichter bei über 18 Grad Frost. Sodann ging es über den vom Brand der Häuser getauten und wieder vereisten Schnee durch die verwinkelten und teils brennenden Gebäudekomplexe.
Das alles war mit Bewegungen im freien Gelände nicht zu vergleichen. Im Feuerschein der Brände und im Schatten dunkler Ruinenviertel musste nicht nur auf die gleiche Höhe mit den sich zurückziehenden Nachbargruppen, sondern auch auf die Sowjets geachtet werden, die jedoch nicht folgten. An der Kirchenruine lag der Rauch an mehreren Stellen so tief, dass man kaum atmen konnte.
Ab 18.00 Uhr des 25. Januar 1945 ging dann bei Dunkelheit das 4. Regiment und das 16. FschJgRgt. auf die Linie der Eisenbahn bis Kl. Sobrost zurück. Um die gleiche Zeit wurden die Nachsicherungen von Nordenburg-Nord bis Pentlack zurückgenommen und der Regimentsgefechtsstand nach Dreimühl verlegt. Um 03.00 Uhr in der Nacht stand am 26.1.45 das 4. SchPzGrenRgt. trotz aller Schwierigkeiten planmäßig in der befohlenen Abwehrlinie Dreimühl. Während der Russe der zurückgehenden 50. Inf.-Div. und dem 16. FschJgRgt. mit nur ganz schwachen Kräften folgte, hielt der Feinddruck gegenüber des an die Stelle der 61. Inf.-Div. getretenen FschPzGrenRgts. mit unverminderter Stärke an.
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Nachdem sich der Russe dann am Abend des 26. Januar in diesem Abschnitt bis hart westlich des Masurischen Kanals und weiter bis Wandlacken vorfühlte, versuchte der Kommandeur des II. Bataillons des 16. FschJgRgts. Hauptmann Gr. mit seinem schwachen Bataillon und den noch greifbaren Teilen des Bataillons 1./50 den Einbruch der Russen auf der Linie Masurischer Kanal und der Straße nach Gerdauen abzuriegeln und unter allen Umständen zu halten, da die Feindstärke noch unklar war. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die erfolgreiche Verteidigung der Stadt Gerdauen für den gesamten Abschnitt von entscheidender Bedeutung sei. Indessen lag Dreimühl unter immer heftigerem Feuer der feindlichen Artillerie und der schweren Waffen. Jede Annäherung an das Dorf war wegen der Lage am Vorderhang und bei Feindeinsicht kaum möglich.
Die Feindeinbrüche südlich und westlich Dreimühl verschlech- terten die Situation zunehmend. Nicht nur, dass große sowjetische Einheiten nach Westen drückten und das Dorf von dort bedrohten, der Russe saß sogar überraschend auf breiter Front vor dem Panzergraben, etwa 500 Meter vom Dorfrand. Hauptmann Gr. zog alle zur Sicherung des Ortes postierten Gruppen an den Dorfrand zurück, setzte die Gruppe Roock zur Abwehr am Westrand des Dorfes ein und lief selbst, nach Befehl an den Funktrupp, in die Dorfmitte. Der Russe hatte bereits in der Nacht Pak und "Ratsch- Bumm-Geschütze" in die Randzone am Panzergraben im Süden von Dreimühl vorgeschoben und schoss nun direkt auf alles was sich bewegte.
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Der Funk-Unteroffizier B. als Duz-Freund eines Offiziers unserer Division, der zwecks Erlangung einer Auszeichnung zur "Frontbewährung" bei unserer Kompanie war, brauchte im Artilleriefeuer eine halbe Stunde, um mit dem Funktornister in die Dorfmitte zu gelangen. Der Hauptmann war durch den Einsatz schwerer Waffen so abgelenkt, dass er nicht bemerkte, wie der Uffz. unter den Trümmerberg eines Hauses zurückkehrte. Er gab vor, keine Funkverbindung mit der Division in Gerdauen zu bekommen. Das bemerkte aber unser Hauptmann nicht! (Es wäre Befehlsverweigerung gewesen). Unser Kompaniefunker bekam mit dem gleichen Funkgerät sofort Funkverbindung mit dem Divisionsgefechtsstand, mit Generalmajor Walther im Kreishaus Gerdauen und der Funkspruch ging ab: "Bitte sofort Verstärkung. Feind greift mit starken Kräften Dreimühl an!" (Soweit der Erlebnisbericht aus meinen Tagebuch - 26.1.45)
Unerwartet griffen russische Infanteristen in den Vormittagstunden unsere Stellungen mit ihrem durchdringenden "Urräääh" an. Der Russe schoss grundsätzlich auf jeden, überall wo sich etwas bewegte. Infolge von zwei Treffern von Geschossen einer Stalinorgel brannten auch die Reste der Trümmer des Hauses, in dem der Funktrupp schon seine erste Funkstelle eingerichtet hatte. Decken und alle persönlichen Sachen verbrannten, nur mit Mühe kamen die zwei Funker noch durchs Kellerloch hinaus. Auch das erste Haus an der Straße, in dem zuerst der Gefechtsstand war, brannte erneut. Ein Feldwebel sowie einige Pioniere verbrannten infolge der Phosphorgranaten der Stalinorgeln bei lebendigem Leibe. Als einer der Funker am Brandort das Funkgerät retten wollte, erhielt er Feuer von einer russischen Pak und Uffz. B. ging in Deckung.
Nach dem Stellungskampf offenbarte sich uns das befürchtete chaotische Bild des Grauens. Tote und Verwundete lagen im Graben. Fest stand, dass der Angriff abgewehrt wurde. Alles was noch schießen konnte, blieb wachsam im Graben stehen. Wir waren rund 80 Männer im Dorf Dreimühl, in Friedenzeiten eine halbe Kompanie, jetzt der Rest eines Bataillons.
Wir mussten mit ansehen, wie der Russe aus der Tiefe von Osten her Gruppe auf Gruppe Rotarmisten östlich von Dreimühl in die Waldspitze bei Hochlinden- berg einsickern ließ. Am frühen Nachmittag waren es schon mindestens 800 bis 1000 Mann.
Gegen 15.00 Uhr erfolgte mit etwa 300 bis 400 Mann der zweite russische Infanterie-Angriff auf Dreimühl. Unter Einsatz aller Infanteriewaffen, dabei besonders der schweren Maschinengewehre, wurde der Angriff abgeschlagen. Ebenso brach der dritte Angriff um 19.00 Uhr mit etwa 500 bis 600 Rotarmisten kläglich zusammen. In der Dunkelheit gelang es, einen leichten Pak-Zug nach vorne zu bringen, denn die Annäherung an Dreimühl war für uns nur bei Nacht möglich, da der einzige Zugangsweg von Wicherau aus entlang der HKL verlief.
Im Laufe der Nacht wurde eine Gruppe des 16. FschJgRgt. eingesetzt, um eine Lücke zu schließen. Eine Entlastung der in Dreimühl kämpfenden Teile trat dadurch jedoch nicht ein. Der Russe kam in dieser Nacht nicht einmal dazu, aufzustehen und zu versuchen, mit Urräh-Geschrei vorzubrechen, er blieb im Einzelfeuer des Vorfelds wie festgenagelt liegen. Verwundete Russen versuchten, nach hinten zurückzukriechen.
Wie gebannt lagen sich dann beide Seiten untätig gegenüber, so lange, dass schließlich einzelne übermüdete Männer trotz des Artilleriefeuers an der Waffe einnickten, erschrocken und sich wegen der Kälte erst wieder bewusst wurden, dass jeden Augenblick ein Rotarmist aufstehen und vorpreschen konnte. Ein Splitter einer einzigen kleinen Bombe der "Nähmaschine" riss meine rechte Wange etwas auf. Dabei habe ich nun zum siebten Mal Glück gehabt! Auf der offenen Fläche waren die Verluste enorm, aber auch bei uns gab es viele Ausfälle. Die Toten blieben liegen, die Verwundeten wurden geborgen, was nur bei Dunkelheit möglich war und wurden durch ungesichertes Gelände zum Hauptverbandplatz gebracht.
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Die Verbandsplätze lagen nahe der Bahnlinie im Dorf Wandlacken. Der Hauptverbandsplatz der I. Sanitäts- Kompanie war ab dem 24. bis zum 26. Januar 1945 im Gutshof Althof am Flugplatz, nördlich Gerdauen. Der Hauptverbandsplatz der II. Sanitäts- Kompanie war nahe der HKL in Altendorf. Bei den teils großen Entfernungen zur Front und dem Weg zu den Hauptverbandsplätzen wurden seit dem 15. Januar Umschlagstellen mit einem Arzt eingerichtet und dadurch die jeweiligen Transport- zeiten verkürzt, um bei der großen Kälte die Zahl der Erfrierungen zu vermindern.
Vom 13. bis zum 25. Januar 1945 wurden allein der I. Sanitäts-Kompanie fast 2000 Verwundete und Kranke zugeführt. Bei den Kranken waren Kinder, Frauen und Soldaten mit Erfrierungen vom ersten bis zum dritten Grade. Hinzu kamen Darmkatarrhe infolge schlechter, oft gefrorener Verpflegung. Bei den Verwundeten über- ragten die Verletzungen durch Artilleriegeschosse mit zum Teil schweren Zertrümmerungen und Zerreißungen. Bei allen Einheiten war bei der großen Kälte der Rücktransport der zu bergenden Verwundeten und der Gefallenen entlang der Rückmarschstraßen besonders schwierig.
Die Reste der Grenadierbataillone waren seit Tagen ohne Schlaf und ohne warmes Essen. In der Nacht lautete der Befehl schließlich: "Die Lage beim 4. FschPzGrenRgt. HG zwingt zu einer schrittweisen und kämpfenden Zurücknahme der Stützpunkte im Dorf Dreimühl in die neue Linie Wandlacken-Prätlack." Der Russe erkannte jedoch das Absetzen und stieß in die Absetzbewegungen hinein. Dass es trotz zahlreicher schwieriger Lagen gelang, eine neue HKL aufzubauen und zu halten, spricht für die besondere Erfahrung und das Leistungsvermögen des 4. FschPzGrenRgts.. Durch die starken Schneeverwehungen und bei 17 Grad Kälte kam der gesamte Rückzug fast zum Erliegen. Zum Glück hat das FschPzGrenRgt. unter großen Anstrengungen und unter Zurücklassung selbst der Feldküchen den befohlenen neuen Einsatzraum beim Dorf Wandlacken - mit Altendorf als Gefechtsstand, etwa 4 km westwärts Wandlacken - erreicht. In diesem Raum hatten, je nach Lage, die Angriffs- und Abwehr- kämpfe ständig gewechselt. Schon am Mittag hatten die Russen die Bahnlinie zwischen Wandlacken und Gerdauen nach schweren Kämpfen mit etwa 300 Mann und 12 Panzer (T-34) überschritten.
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Es ging um das Kämpfen mit der Luftkrankheit sowie um den Gedanken der Wehrlosigkeit, des Risikos, auf diesem Wege auch noch abgeschossen zu werden. Vier bis fünf Einsätze wurden täglich von Gerdauen und Heiligenbeil aus geflogen und 4.851 Verwundete abtransportiert. Dabei lagen sämtliche Plätze im Kessel von Heiligenbeil ständig in Reichweite sowjetischer Fliegerangriffe. Die San.- Staffel flog trotzdem die vordersten Frontflugplätze an und suchte einen Teil der Plätze auch noch auf, nachdem sie bereits vom Boden- personal geräumt waren. Solange der Boden gefroren war, konnte jede Straße und jeder Platz benutzt werden. Mit Beginn der Tauwetterperiode traten jedoch im März 1945 die größten Schwierigkeiten ein. Dies machte sich vor allem im An- und Abtransport der Verwundeten zu den Einsatzplätzen bemerkbar. Auf den Straßen kamen die Sanitätskraftwagen nur langsam vorwärts oder blieben liegen. Die verwundeten Kameraden mussten oft mit Pferdefuhrwerken - soweit diese zur Verfügung standen - zu den Flugzeugen gebracht werden. (von Lt. Hinz)
Zwei Sanitäts-Ju's hatten am 26. Januar 1945 Luft- kämpfe mit sowjetischen Jagdflugzeugen. Eine Maschine wurde dabei durch Splitter am Rumpf, eine andere bei fünf Tiefangriffen von vier Schlachtflugzeugen IL-2 auf dem Platz Gerdauen schwer beschädigt. Vier weitere Sanitäts-Jus erhielten Infanteriebeschuss. Die Sanitäts-Störche haben bei Gerdauen im Abschnitt der 2. FschPzGrenDiv. HG Hervorragendes geleistet und zahlreiche Verwundete von den vordersten Linien nach Heiligenbeil zurückgeflogen. Trotz derartiger Präzisions- arbeit hatten die Einsätze jedoch gezeigt, dass die Ju-52 mit ihren Flugeigenschaften für derartige Aufgaben zu schwerfällig war und dass tragbare Einsatzergebnisse nur noch bei einigermaßen günstigen Wetterlagen erzielt werden konnten. Bei Wolkenuntergrenzen zwischen 100 und 1000 Meter konnte die rote Flak 100%ig mit Treffer- wirkung rechnen. Erst das Ausrollen der Maschine im Westen ließ die Besatzungen erleichtert aufatmen. Stand die Maschine, so wurden die Verletzten in Sankas umgeladen und dann begann die Fahrt ins überfüllte Lazarett.
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Im Raum Wandlacken und Prätlack
Die feindliche Artillerie beschoss an der Straße von Nordenburg nach Gerdauen die von uns besetzten Ortschaften Wandlacken und Prätlack. Bewegungen der Russen erfolgten in den von den Sowjets besetzten Orten östlich davon, am Gutshof Luisenwerth, Assaunen und Rosenick. In jeweils kleinen Kolonnen und mit Schlitten nahm der Russe offensichtlich Ablösungen vor, denn auf dem gleichen Wege gingen auch Feindkräfte zurück. Sie wurden nur mit Störungs- feuer bekämpft. Die Nachrichtenstaffel konnte dann sowohl mangels genügend Fernsprechkabel als auch wegen Fehlens ausgebildeter Funker, wegen der weiten Entfernungen zwischen den Gefechtsständen sowie zur Division in Gerdauen nur sehr eingeschränkt unterhalten werden. Gegen Mittag wurde ein Rotarmist eines vorfühlenden feindlichen Spähtrupps bei Rosenick gefangen genommen und zur gleichen Zeit trieb der Russe einen Spähtrupp gegen Wandlacken vor, wiederum an der Straße nach Gerdauen. Ein großer Angriff der Sowjets unterblieb im ganzen Divisionsabschnitt. Im Abschnitt der Bataillone des FschJgRgts. verhielt sich der Russe ruhig, beschoss aber mit schweren Granatwerfern am Mittag überfallartig die Stellungen vom stark besetzten Wald östlich von Linde aus. Hier zeichnete sich vor dem 16. FschJgRgt. mehr und mehr eine Schwerpunktbildung seitens des Feindes ab. Auch im benachbarten Gutshof Schiffus waren am Nord- ausgang des Gutshofes und an der Bahnlinie sowie der Straße 131 Feindbewegungen zu beobachten. Sie wurden durch Beschuss mit 8,8-cm-Flak bekämpft.
Da die Bevölkerung nicht evakuiert wurde, waren die Häuser von Flüchtlingen und Soldaten eng belegt. Ein Haus, eine Siedlung nach der anderen wurde in den nächsten Tagen schrittweise verteidigt und aufge- geben, jeweils nur 100 oder 200 Meter weit. Wir waren immer nur auf Zeitgewinn für den Abzug und Vorsprung der Zivilbevölkerung bedacht. Die sowjetische Infanterie griff laufend die Flüchtlings-Trecks an. Der hauchdünne Schleier der eigenen Infanterie zerriss immer wieder durch die schweren Waffen der Russen. Die angreifenden Rotarmisten waren ausgeruht, wurden von schweren Waffen unterstützt und waren in Sieger- stimmung. Die verzweifelten Flüchtlinge versuchten im sowjetischen Panzer- und Artilleriefeuer andere Treck- fahrzeuge zu überholen und verursachen dabei erst recht Unfälle und Verzögerungen. Für eine entschei- dende Wende fehlten hier bei Gerdauen die Kräfte. Der hohe Schnee bedingte zudem außerordentliche physische Kräfte, die Truppe war daher erschöpft.
Inzwischen war die allgemeine Lage auf diesem Teil von Wandlacken immer bedrohlicher geworden, und als nun die eigene Artillerie zurückzugehen begann, bildeten sich in den Feuerstellungen der Artillerie Widerstandsgruppen , damit wir die Rotarmisten zwei oder drei Stunden hinhalten konnten. Welcher Geist unter den Soldaten herrschte, mag ein Bericht des Leutnant Hesse vom 4. FschPzGrenRgt. HG zeigen. Der damalige Leutnant schrieb: "Um Wandlacken und am Bahngleis war ein beson- ders heftiger Kampf entbrannt. Mit der letzten Kraft hatte die 14. Pi-Kompanie des Regiments das Dorf wieder genommen und lag nun an einer hohen Mauer auf freien Feld. Es war eine furchtbare Ernte, die der Tot hier hielt. Aber der Chef des II. Bataillons, Hptm. Schink, der sich bei den vordersten Grenadieren befand, wollte nichts davon hören, dass es zu Ende sei, dass seine Soldaten nicht mehr können. Er richtete sich immer und immer wieder auf, nahm das Fernglas hoch; irgendwo musste der Russe doch sein, bis auch ihn eine Kugel erreichte, ihn mitten durch die Schläfe traf. Feldwebel Knop, springt zu ihm heran, um ihn zu verbinden, doch er hat noch nicht das Mullpäckchen aus der Tasche genommen, da bricht auch er zusammen. Vier Leute sind es gleichzeitig, die den Hauptmann hinter der Mauer schleppen wollen, ein sowjetisches Maschinengewehr setzt ein - drei Soldaten fallen, der vierte kriecht stöhnend, zu Tode verwundet, zurück. Die Verluste mehrten sich rasch, der Zugführer des ersten Zuges, Feldwebel Weithe, fiel durch Halsschuss. An seiner Stelle trat Leutnant Doempke."
Während des ganzen Tages litt die Truppe furchtbar unter der Wirkung der feindlichen Luftwaffe. Deutsche Flugzeuge schien es nicht mehr zu geben!? Vielfach forderte das Regiment Schutz durch deutsche Jäger, jedoch ohne spürbaren Erfolg. In der Stadt und im rückwärtigen Raum herrschte ein unübersehbares Gedränge von Flüchtlingen, Trossen, Versorgungstruppen, Versprengten und flüchtenden Heeres-Soldaten in großer Zahl. Ein Offizier des AOK forderte dringend Maßnahmen, zumal in der Stadt jegliche Führung fehlte. Man sah, wie schwierig die Befehlsführung infolge völlig unzureichender Verbin- dungen geworden war. Die Straße 131 in Richtung Böttchersdorf war stundenlang völlig verstopft, man begann, sich allenthalben auf die Zerstörung von Kraftfahrzeugen im großem Umfang einzurichten.
Um 11.00 Uhr kam nochmals eine Verbindung zum Divisionsgefechtsstand HG in Böttchersdorf zustande. Der Funkspruch ließ erkennen, dass sich die feindliche Zangenarmee um Gerdauen auf ca. 8 km genähert hatte, während die HG-Verbände an der Bahnlinie im östlichen Teil der Stadt gegen diese drohende Ein- schließung kämpften und den scharf nachdrängenden Feind abwehrten.
Vor 12.00 Uhr konnten wir zwei stärkere motorisierte fdl. Kolonnen im Raum Prätlack Altendorf erkennen und melden. Wir beobachteten aber auch eine Feind- kolonne von ca. 100 Fahrzeugen und Panzern auf der Reichsstraße 141 beim Vw. Langmichels auf dem Marsch in Richtung Gerdauen. Es zeichnete sich schon eine engere Umfassung durch Panzer ab. Das 16. FschJgRgt. erhielt den Auftrag, ein Vordringen des Feindes über die Linie Vw. Korblack, Gutshof Bauden an der Bahnlinie nach Friedland zu verhin- dern. Aus späteren Berichten weiß man, dass sich die Masse der Truppen gegen 17.00 Uhr bei Hochheim nach Norden in Marsch zu setzen begann und die Nachhuten, Teile des 16. FschJgRgt., noch bis 18.00 Uhr am Südrand der brennenden Stadt den scharf nachdrängenden Gegner abwehrten. Die Lage bei Kinderhof wurde zunehmend bedrohlicher.
Um 13.00 Uhr unterrichtete dann die Division das 4. FschPzGrenRgt., dass der Russe in unbekannter Stärke mit Artillerie, dahinter geschlossene Infanterie- kolonnen, an der Bahnlinie bei Posegnick südlich Gerdauen gemeldet wurden.
Gegen 14.00 Uhr herrschte größere Klarheit über die südlich Gerdauen versprengten Kampfgruppen der 61. Inf-Division und man ließ durch den Ib-Offizier melden, dass sich der Gefechtsstand auf dem Westufer des Banktinsee befände. (Eintragungen im Kriegstage- buch der Divison )
Um 15.00 Uhr erfolgte der Einbruch einer feindlichen Kompanie zwischen dem Bahnhof und der Gasanstalt, der von Teilen der 14. Pi-Kompanie bereinigt wurde. Gefangene Russen gaben bei Arnsdorf etwa 80 Panzer an. Danach begann die FschPzGrenDiv. die rückwärtigen Verbindungen (Reichsstraße 131) sichern zu lassen. Die Division hatte den Eindruck, dass der Russe unter beiderseitiger Umgehung die große Straße von Gerdauen in Richtung Friedland und weiter nach Westen öffnen will.
Nachmittags unterrichtete das 4. Regiment die Heeres- gruppe über die Zuspitzung der Lage um Gerdauen und stellte den Antrag, die HKL westlich Banktinsee zurückzunehmen, weil ein Absetzen aus der Stadt durch die Bedrohung aus Richtung Flugplatz beim Vw. Althof, Kinderhof und Schlossmühle zu einem Verlust des ganzen Regiments führen könne. Der kommandierende General des FschPzKorps Generalmajor Schmalz lehnt diesen Antrag ab und befahl nochmals, alle Kräfte rücksichtslos auf Gerdauen heranziehen zu lassen. Die vordersten Teile des Feindes erreichten abends den Nordost- und den Südrand von Gerdauen bis zur Kirche, Schule und den Wasserturm. Im Laufe der Nacht betonten die Kampfgruppen gegenüber der Heeres- gruppe wiederholt, dass ein sofortiges Ausweichen auf Böttchersdorf erforderlich sei. Für einen festen Platz in der Stadt Gerdauen stünden allerdings keine Besatzung zur Verfügung. Die Zuspitzung der Lage der 2. FschPzGrenDiv. HG führte dazu, dass sich die Kampftruppen zunächst um Böttchersdorf versammeln sollten. Ganz offenbar waren die obersten Führungs- stäbe noch zuversichtlich, die Front durch ein Zurück- führen schließen und stabilisieren zu können.
Wie Hauptmann Dreßler sich mit seinen Kanonieren der zwei 8,8-cm-Kanonen bis zur letzten Granate wehrte und in der befohlenen Stelle im Dorf Prälack ausharrte, werde ich hier schildern. Ein Volltreffer traf den Munitionswagen des zweiten Geschützes, der in Brand geriet und dann nach mehreren Explosionen in die Luft flog. Major Thimey, der sich in der vordersten Linie befand, wurde schwer verwundet, lag mit zersiebten Stahlhelm und Lungenschuss während des ganzen Kampfes bewusstlos beim V.B.
Auch der Abteilungsadjutant wurde hierbei mehrfach am Kopf verwundet, blieb aber mit verbundenem Kopf in der Batterie und half bis zum Schluss beim Bedienen der Geschütze. Die Verluste mehrten sich rasch. Unser Gruppenführer des zweiten Zuges, Lt. Penner, wurde durch Arm- und Brustschuss, der Zugführer des dritten Zuges, Lt. Barczewski, durch Oberschenkelschuss verwundet. Sie behielten das Kommando ihrer Kampf- gruppen, trotzdem sie körperlich sehr behindert waren.
Von den zwei 8,8-cm-Geschützen feuerte das linke Geschütz auf Ersuchen der Infanterie auf eine 4000 Meter entfernte, deutlich sichtbare russische Batterie zu acht Geschützen, von der zwei Munitionswagen in die Luft flogen. Das rechte Geschütz feuerte mit sichtbarem Erfolg auf auffahrende Artillerie. Die Wirkung war dank der hervorragenden Einheitsgeschosse, die verwendet wurden und der guten Beobachtungsmöglichkeit von unserer Stelle aus fast immer recht gut, bis die Munition zu Ende ging. Die Verluste hatten sich inzwischen auch so gehäuft, dass von einem Abwehrkampf nicht mehr die Rede sein konnte.
Die kämpfende Truppe lag jedoch weit verstreut, teils in Kämpfe verwickelt. Die Befehle, sich jetzt aus den Stellungen im Dorf Wandlacken zurückzuziehen, erreichten die Einheiten zu ganz verschiedenen Zeiten. Ablösungen erfolgten nicht, es sollte weiter hinten bei Altendorf eine neue Auffanglinie gebildet werden. Teils durch die nicht befohlenen Absetzbewegungen aber auch unter dem Druck der wieder angreifenden sowjeti- schen Verbände verließen manche Einheiten einer LwFeldDiv. ihre Stellungen, viele fluchtartig, weil das offene Gelände ihnen keine andere Wahl ließ!
Nur die Reste der Panzer- Grenadiere mit der 7. und 14. Pi-Kompanie hielten noch bis zum frühen Abend, denn am Tage war es unmöglich, die Kampfgruppen durch Melder zu erreichen. Das 4. FschPzGrenRgt. ging dann in einem Zug bis Altendorf zurück und wurde nicht nur von Osten, sondern auch von Süden angegriffen, hielt aber tapfer seine Stellungen. Wir erhielten dann in der Dunkelheit den Befehl, das Dorf Altendorf zu räumen, gingen in der Nacht in Richtung Gerdauen zurück und bezogen neue Stellungen am Bahngleis, Hbf. Gerdauen, Gasanstalt bis zum Ostufer des Banktinsees. |
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Vom Morgengrauen des 27. Januar 1945 an lagen alle Anmarsch- und Verbindungswege, die neuen Stellungen am Bahnhof, die B-Stelle an der Ziegelei und Artilleriestellungen an der Schlossmühle, unter dem Feuer angreifender Schlachtflieger. Nach Eintreffen der ersten Meldungen von Feindzusammenballungen bei Altendorf griff der Russe um 09.00 Uhr mit etwa 300 Mann unsere Stellungen entlang der Reichstraße 131 an. Der Angriff wurde ohne Panzer vorgetragen und von uns Grenadieren im Zusammenwirken mit der Flak-Abteilung glatt abgewehrt. Damit hatte der Russe trotz seiner hohen Verluste keinen Boden vor Gerdauen gewonnen. Um 10.00 Uhr schickte das 4. Regiment einen Ordonnanzoffizier zur Verbindungsaufnahme zum Gefechtsstand der Division in Gerdauen, denn vom 4. Regiment war ein Gegenstoß zur Wiedergewinnung der Brauerei beim Vw. Kinderhof geplant.
Durch die fortgesetzten Angriffe der Russen mit schweren Panzern und Infanterie war es jedoch nicht möglich, zum Gegenstoß auch nur anzutreten. Mit der Masse ihrer Panzerkräfte drückten die sowjetischen Truppen die Hauptkampflinie ein. Da der Russe gegen Mittag zwischen Rauschen und Hochheim durchgebrochen war und die Reichsstraße 141 in Besitz genommen hatte, hing der rechte Flügel bei der Vw. Kinderhof noch immer in der Luft und wurde stark bedroht, weil noch weiter zurückgegangen wurde. Dadurch verlief die vordere Linie des 4. FschPzGrenRgt. am Mittag durch die Mulde von Kinderhof bis zum Schloss Gerdauen.
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Haltung der Truppe zur Feindpropaganda
Man konnte sich nicht erklären, warum deutsche Offiziere vom "National- komitee Freies Deutschland" - auf sowjetischer Seite kämpfend - deutsche Kriegsgefangene teilweise außerordentlich sadistisch behandelten und so zu Tode brachten. Möglicherweise diente diese Quälerei wehrloser Gefangener dazu, den Makel vorheriger Zusammenarbeit mit Hitler auszugleichen. Wiederholt fanden wir bei Wiedereroberung eines vorher verloren gegangenen Dorfes die in sowjetische Gefangenschaft geratenen deutschen Soldaten mit Seitengewehren erstochenen in irgendeinem Schuppen vor. In einigen Fällen, so bei Friedland/Allenau, mussten sich deutsche Gefangene auf Befehl von Offizieren des "Nationalkomitees Freies Deutschland" ausziehen, um anschließend nackt dem qualvollen Tode durch Erfrieren bei minus 18 Grad ausgesetzt zu sein. Es handelte sich bei den Toten um eine Gruppe deutscher Gefangener des "Sturmbataillons Lehmann". Wenn von der Truppe des Nationalkomitees Bund Deutscher Offiziere deutsche Gefangene eingebracht wurden, so wurden diese je nach Wichtigkeit ihrer Aussagen dem sowjetischen Regiments-Stab zugeführt. Die Vernehmungen wurden von einer besonderen Abteilung der NKWD (Abkürzung NKWD = Narodny Kommissariat Wnutrennich Del = Geheimpolizei) in Gegenwart des Nationalkomitees durchgeführt!
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Hatte ein deutscher Gefangener eine Aussage gemacht, die nicht von besonderer Bedeutung war, so wurde er nach der Vernehmung erschlagen oder erschossen! Die Russen sahen im Einsatz "Deutsche gegen Deutsche" in Ostpreußen keine Gefahr, weil niemand aus dem Kessel von Heiligenbeil entkommen konnte. Man konnte sich einfach nicht vorstellen oder man hielt es nicht für möglich, dass sich ehemalige deutsche Offiziere nach Durchbruch der Russen durch die deutsche Front bereit finden würden, Marschkolonnen in falsche Richtungen zu weisen und damit in die Arme der Roten Armee treiben würden. Viele deutsche Frauen und Kinder, ja ganze Einheiten, liefen durch solch gewissenlose deutsche Offiziere in das Feuer sowjetischer Scharfschützen und damit in die Vernichtung. Man hielt es für völlig ausgeschlossen, dass ein dem gleichen Heer entstammender Offizier sich in den Dienst des Russen stellen und die eigene Truppe zum Landesverrat und zur Fahnenflucht auffordern könne. (Flugblatt) Mancher kannte die Unterzeichner der Aufrufe persönlich, so die früheren Artillerieoffiziere General Müller und Lattmann, die sich selbst vorher als 100 % Hitler-hörig bezeichneten. Solche Personen forderten zur Fahnenflucht ins Paradies auf.
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Am 28. Januar war ringsum alles so ruhig, dass uns der Kompanieführer anwies, bereits am Vormittag eine Hühnersuppe zu kochen. Unsere Unterkunft im Dorf Rosenberg zeichnete sich durch eine bemerkenswert hohe Zahl noch vorhandener Hühner aus. Sie waren flugfähig und so intelligent, dass sie sich ausschließ- lich auf den Firsten der Häuser aufhielten, wo sie für uns unerreichbar waren. Ich muss der Objektivität halber bei dieser Gelegenheit bemerken, dass selbst für eine disziplinierte Truppe bei knapper und eintöniger Verpflegung Hühner im Kampfgebiet keine Tabuobjekte waren. Der Mangel an Brot und Betriebsstoff war so groß, dass die mitgeführten letzten vier Brotrationen aufgebraucht waren. Die Kampftruppe war auf Selbstversorgung aus dem jeweiligen Land angewiesen. Für die Soldaten der "Hungerdivision" waren Kartoffeln, und Frikadellen aus Pferdefleisch, letztere lediglich mit Wasser zubereitet, ebenso eine Mahlzeit wie "Kappes" (Weißkraut) in verschiedenen Zubereitungsformen, die mit scherzhaften Namen bezeichnet wurden.
Kurz vor Böttchersdorf stieß unsere Kampfgruppe als Nachhut auf ein Verpflegungslager. Wir Landser stürmten es und schoben den händeringenden Zahl- meister zur Seite. Der jammerte, denn er hatte noch keinen Räumungsbefehl und niemand wollte ihm einen geben. Er machte sich dabei lächerlich, denn er ging im Dienstgrad immer weiter nach unten und landete zuletzt bei unseren Gefreiten.
Es war für die Truppe einfach unglaublich, was hier lagerte. Wir trauten unseren Augen nicht und stießen uns gegenseitig an, um uns zu versichern, dass wir nicht träumten. Direkt vor uns lagen neben geöffneten Kisten mit Holzwolle kostbar aussehende Flaschen. Ich nahm eine in die Hand und las "Champagne - Veuve Cliquot" und auf einer anderen "Hennessy V.S.O.P ." Auf den Riesenstapeln, die sich dahinter türmten, standen weitere Ehrfurcht gebietende Namen wie "Benedictine", "Bols Chartreuse" und "Cointreau". Allein dieser Berg von Kisten musste Tausende von Flaschen beinhalten. Zehn, zwanzig, dreißig Meter weiter standen andere Gebirge von Kisten und Kartons mit einfachen Schnäpsen, vermutlich gedacht für einfache Kampftruppen wie uns.
Es ging weiter mit Schokolade, Pralinen, Hummer und Salami für die Offiziere. Dosen mit Gemüsekonserven und "Knäckebrot" gab es dagegen jeden Tag für die Kampftruppe. Außerdem lagerten Zigarren, Zigaretten (sieben Stück pro Tag) und was sonst die Gaumen der Stabsoffiziere mitsamt ihrem Gefolge erquicken konnte - selbstverständlich alles vom Feinsten. Noch weiter hinten türmten sich hoch aufgetürmt Fässer mit Butter, Butterschmalz, gepökeltem Fleisch, Bier und Trockengemüse.
Andächtig betrachteten wir die angehäuften Kostbarkeiten, bis unser Kompaniechef mahnte: "Wir müssen uns beeilen! Nur das Beste aussuchen!" Wir wussten, er hatte Recht; wir konnten nur begrenzte Mengen mitnehmen und da war der Cognac besser als Champagner, Schokolade besser als Kekse, Butterschmalz besser als Trockenerbsen. Wir luden auf, was unser Fahrzeug (SPW) tragen konnte, daneben machte jeder seine private Beute.
Mit unserem Coup waren wir allerdings jemanden unbeabsichtigt ins Gehege geraten, der unangetastet seit Bestehen unseres Haufens eine Sonderstellung besaß und die im ureigenen Sinne des Wortes genoss: Albert Remmers aus Bremen, dem die leibliche Versorgung der Einheit oblag. Er war der merkwürdigste Mann in der Kompanie und sah so aus, wie er hieß und es seiner Stellung entsprach: wohl genährt, rundlich, rosig und er wurde nie ausfällig.
Unser Koch, der Unteroffizier mit den russischen Frauen Luba und Katjuschka, war unserem Fourier ergeben wie ein Hund. Die beiden stammten, wie die meisten im übrigen Tross unter der Allmacht vom Spieß N., ebenfalls aus Bremen. Der Fourier A. Remmers war ein Mann von Grundsätzen. Dazu gehörte das Prinzip, dass man Soldaten ein gutes Essen nicht zu oft bieten sollte, damit sie es als Ausnahme empfanden und damit die Bedeutung des Fouriers zu schätzen lernten. Andererseits: Für irgendeinen Fraß sorgte er immer und machte sich auf diese Art unentbehrlich. Wegen einer bei einem sowjetischen Feuerüberfall erlittenen Verwundung bekam unser Fourier Remmers das "Verwundetenabzeichen" verliehen und er trug es mit Stolz.
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Lageentwicklung am 28. Januar 1945
Auf dem Rückzug nach Westen hatten wir Böttchersdorf erreicht und dort eine neue Sicherungslinie aufgebaut, und schon standen die Sowjets vor dem Dorf. Der planmäßige Rückzug in Richtung Norden wurde um 18.00 Uhr von Gerdauen aus eingeleitet. In dieser Nacht vom 27. zum 28. Januar 1945 blieben mir Bilder der nackten Brutalität des Krieges unvergesslich. Da war eine vorüberfahrende Kolonne. Im mit Scheinwerferkappen abgeblendeten Licht der Fahrzeuge sah ich einen toten Soldaten, quer über der Straße mit angewinkelten Armen liegen, ob Russe oder Deutscher, war nicht mehr erkennbar. Wenn ein Rad über ihn fuhr, hob sich der steif gefrorene Oberkörper an und es wirkte wie eine verzweifelte Geste oder Bitte um Hilfe.
Auch die folgende Szene war exemplarisch für die neue Dimension, die den Krieg zu beherrschen begann: In einem schmalen Straßen- stück am Bahnhof Schnackenhof begegneten wir einer Abteilung von Tigerpanzern. In beiden Richtungen waren alle Fahrzeuge so dicht aufgefahren, dass es unmöglich war, durch Zurücksetzen mehr Bewegungsraum zu schaffen. Direkt vor mir hatte der Fahrer eines Beiwagen-Krads in einer besonders engen Biegung versucht, für den Gegenverkehr dadurch mehr Platz zu schaffen, dass er so dicht wie möglich an die steile Wegbegrenzung heran und in den dort tieferen Schnee fuhr. Weil die Fahrbahn nach seiner Seite hin stark abfiel, kam er nicht mehr frei. Ein entgegenkommender Tigerpanzer setzte sich in Bewegung, um die Stelle zu passieren, begann jedoch auf der schrägen, vereisten Straßenfläche abzugleiten. Der Panzerfahrer hielt zwei Meter vor dem Krad an. Der im Turmluk stehende Panzerkom- mandant, der bei relativ hellem Licht der massierten Fahrzeuge an den Kragenspiegeln als Leutnant einer Heeresabteilung deutlich erkennbar war, schrie den Kradfahrer an: "Machen Sie sofort Platz!" - "Ich kann nicht", erwiderte der, "ich stecke fest! - Ich muss mich erst frei schleppen lassen! Sie können so nicht vorbei ohne abzurutschen!" - "Sie werden sehen, was ich kann!" - Der Leutnant gab über sein Sprechfunkgerät einen Befehl nach unten. Der Panzer rollte an, verlor augenblicklich seine Bodenhaftung und schlitterte mit einem Krach gegen das Krad. Das linke Bein des Kradfahrers war bis zur Hüfte nur noch eine zerquetschte blutige Masse. Der Panzermotor erstarb, einen Augenblick herrschte gespenstische Stille, nicht einmal der Kradfahrer gab einen Laut von sich. Er blickte für einige Sekunden auf sein zerquetschtes Bein, dann zog er seine Pistole und schoss erst dem Panzerkommandanten und danach sich selbst durch den Kopf.
Es geschah noch mehr Denkwürdiges. In einer unserer kurzfristig bezogenen Stellung sicherten wir als Nachhut die Reichsstraße 131. Aus unseren Quartieren der Bauernhäuser des Dorfes Rosenberg hatten wir eine weite Sicht in Richtung Gerdauen zum Iwan, von dem jedoch nichts zu sehen war. Trotzdem wurden Außenposten aufgestellt und für eine Stunde war ich einer von ihnen. Um mir die Zeit zu vertreiben, gab ich mit meiner Pistole 08 zur Übung eine Reihe von Schüsse auf einen Baumstumpf ab. Danach entfernte ich nach Vorschrift eine noch im Lauf steckende Patrone, sicherte die Waffe und legte mich aufs Ohr. Uns allen war bekannt, dass die 08 eine heimtückische Waffe war. Sie konnte noch einen Schuss auslösen, wenn das Magazin herausgenommen und der Kolben von Lauf und Verschluss abgelöst waren. Diese beiden Teile bildeten eine Einheit, die man nach Betätigung der so genannten Abzugstange trennen musste. Wenn man nach Entnahme des Magazins eine möglicher- weise im Lauf befindliche Patrone nicht entfernt hatte, löste sich ein Schuss. Dies war mir passiert. Die Kugel war in Hüfthöhe durch meine Hose gefahren und war unmittelbar am Kopf meines Kameraden Roock vorbei in einen verglasten Schrank geschlagen. Für den Vorfall gab es anschließend eine Erklärung. Während ich schlief, hatte einer meiner Stubengenossen meine Pistole zur Hand genommen, dabei auch durchgeladen und sie dann, gesichert, aber nicht entladen, wieder hingelegt, als ich sie in dem vermeintlich von mir ordnungs- gemäß versorgten Zustand reinigen wollte. Trotzdem: Es war meine Waffe, ich hatte die Verantwortung. Mit etwas weniger Dusel hätte die Sache für mich schlimm ausgehen können. Aber es wurde nicht weiter darüber gesprochen.
Um Befehle zu erhalten, begab sich unser Kompaniechef indessen nach Friedland, dem bisherigen "Urlaubsstop für die Fronttruppen". Aber Friedland war schon leer und machte einen trostlosen Eindruck. Nur noch Reste des Stabes vom bisher hier befindlichen FschPzKorps waren noch da, aber auch schon abrufbereit. Alle Versuche, Befehle oder Anweisungen zu bekommen, scheiterten und deren Verbleib war zu dieser Zeit ungeklärt, da niemand angeben konnte, wo sich der Stab exakt befand. Unsere Kompanie hatte sich in ihrer Not dem zuerst angetroffenen 61. Inf.-Rgt. in Böttchersdorf angeschlossen und dort eine Sicherungslinie aufgebaut. Ein feindlicher Vorstoß in Richtung Böttchersdorf, der die Straße nach Allenau (östlich des Stilusees) sperren sollte, wurde von der Gruppe der Panzerjäger- Kompanie und Teilen der Sturmgeschütz-Abteilung HG vor dem Ort Böttchersdorf aufgehalten. Um aber der drohenden Einschließung in Böttchersdorf zu entgehen, griffen drei Tiger-Panzer entlang der Straße nach Marienberg Schönwalde an und erreichten dieses Dorf (nordöstlich). Sie mussten aber noch einmal zurück, da der Russe den Ort Hohenstein (westlich) noch besetzt hielt. Im Zweiten Weltkrieg war in diesem Waldgebiet ein Sicherungsbataillon eingesetzt, geführt von Major Herbst, welches dem Reichsmarschall direkt unterstellt war.
Infolge des durch die frühzeitig Fersengeld gebenden Stäbe verur- sachten totalen Führungs-Chaos, mussten wir in eine Ortschaft, die sich bereits im Operationsbereich der Roten Armee befand. Die Russen stießen zwar mit schnellen Verbänden massiv auf Böttchers- dorf vor, beherrschten aber noch nicht die erfolgreiche deutsche Taktik der Durchstöße durch die Frontlücken, wie es sie in der Lage um Böttchersdorf reichlich gab. Kaum hatte unsere Kompanie die Stellung notdürftig ausgebaut, rannten die Russen immer wieder mit Verwegenheit frontal gegen sie an und hatten dabei auf dem freien Schneegelände große Verluste. Einen Kilometer weiter östlich oder westlich hätten sie unsere Auffangstellung leicht umgehen und uns nach den Regeln der modernen Kriegsführung bequem einsacken können. Die Situation wurde für uns von Stunde zu Stunde mulmiger.
Die Russen vor unserer Auffangstellung waren deutlich überlegen und griffen immer wieder rücksichtslos an. Das Ausharren hatte immerhin den gewünschten Erfolg. In der Abenddämmerung bemerkten die Posten viele Gestalten, die sich unter Umgehung unserer Kompanie- stellung von Südosten her auf unser Dorf zu bewegten. Wir richteten uns unverzüglich zur Verteidigung ein, bemerkten aber dann zu unserem Erstaunen, dass es sich um einen ungeordneten Haufen ohne Waffen handelte. Die Ersten, die auf Rufnähe herankamen, schrieen laut: "Wir sind Deutsche, Kamerad! deutsche Soldaten! Nicht schießen!" Mindestens 50 Mann hasteten an uns vorbei, riefen immer wieder: "Da kommt der Iwan!" und waren nicht aufzuhalten. Es handelte sich um Angehörige eines Infanterie-Regiments. Sie wurden von sowjetischen Truppen bedrängt, waren in Panik geraten, hatten ihre Ausrüstung im Stich gelassen und keinen anderen Rat gewusst, als prompt Fersengeld zu geben. Wir wagten nicht zu fragen, was aus ihren Offizieren und den anderen geworden war.
Der Vorfall bestärkte unser Gefühl, eine Insel in einer unkontrollierbar gewordenen Flut zu sein, die jederzeit über uns zusammenschlagen konnte. Die fast stündlich wiederholte Nachfrage des Kompaniechefs beim Korpsstab, (der war jetzt schon in Domnau) ergab jedoch als stereotypes Ergebnis nur den Befehl: "Weiter die Stellung halten! Es kommen noch Leute von uns!"
Eine ganze Weile geschah weiter nichts, die Gruppe hinter mir im Graben schlief im Sitzen den vielfach geübten Landser-Schlaf. Ich selbst war auch ein wenig eingenickt, als weiter hinter mir ein lautes Hupen ertönte, das bald zu einem unangenehmen Daueralarm ausartete. Ich war nicht in der Laune, mich davon beeindrucken zu lassen und reagierte in der ersten Lärmpause nach hinten gewandt mit der laut gebrüllten kommissüblichem Standard-Empfehlung: "Leck mich doch am Arsch!" Der Effekt war beträchtlich. Sekunden später taucht ein Mann in kostbarem Generals-Pelz auf, den ich sofort erkannte. Es war leibhaftig unser Divisionskommandeur: General- major Schmalz. "Na, was sagten Sie da, was soll ich tun?" - "Ich bitte um Entschuldigung Herr Generalmajor!"
Während bis jetzt im Gelände nur noch einzelne versprengte Truppen auf dem Marsch nach Westen gesichtet wurden, erhielt der Kompaniechef vom Generalmajor Schmalz die Meldung, dass aus Richtung Schönbaum ein Treck von Versprengten die freigekämpfte Rückmarschstraße bei Schönwalde erreicht habe. Ein Offizier begab sich an die Straßengabel, um die Versprengten über die Lage zu unterrichten.
Als er dort ankam, bot sich ihm ein ergreifend beeindruckendes Bild. In ihren Gesichter hatten sich die Entbehrungen und Strapazen der letzten Woche bei einer verhältnismäßig freundlichen Temperatur von etwa 20 Minusgraden tief eingekerbt. Tagelang hatten sie kaum etwas anderes zu essen bekommen als etwas verschimmeltes trockenes Brot. Tag und Nacht von den Sowjets gehetzt gönnten sie sich keine Ruhe. Immer auf der Hut vor Überraschungen mussten sie wach bleiben, auch wenn die Überanstrengungen noch so groß waren. Der Offizier rief ihnen zu: "Eine Panzergruppe der 2. FschPzGrenDiv. ist vor Schönwalde und holt Euch raus! 6 km sind es noch bis zur deutschen Hauptkampflinie! Wenn Ihr es bis hierhin gebracht habt, dann schafft Ihr die letzte Strecke auch noch!"
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Hier war im Januar 1945 der Truppenverbandsplatz (TVP)
Gasthaus in Böttchersdorf gegenüber der Kirche Regimentsgefechtsstand am 28. Januar 1945
Der Zweite Weltkrieg verschonte diese Kirche, nach dem Willen der Sieger wurde die Kirche 1960 zerstört
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Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. In den harten Gesichtern leuchtete wieder Lebensmut, und mit neuen Kräften ging es weiter westwärts. Aus fiebernden, tief liegenden Augen blickten Schwerverwundete dankbar auf, schleppten sich, von Kameraden gestützt, wortlos weiter. Der Bataillons-Arzt versorgte die dringendsten Fälle. Bei dem Gedanken, dass wir uns sozusagen auf verlorenem Posten in der großen Ortschaft Böttchersdorf aufhalten mussten, war uns allerdings nicht besonders wohl, zumal immer wieder in einiger Entfernung MG-Salven und Gewehrschüsse zu hören waren. Daraus wurde, gerade als wir eine Aufwärmpause antreten wollten, schlagartig ein regelrechter Feuerüberfall mit Waffen aller Art und Kaliber, der unser Dorf unter Beschuss nahm.
Um uns herum und an allen Ecken und Enden detonierten Granaten. Wir suchten in einem Graben an der Hauswand Deckung, so gut es ging. Da von uns niemand zurückschoss, wurde das Feuer bald eingestellt. Auf dem Hügelkamm vor uns tauchten zahlreiche Fahrzeuge auf, von denen sich einige aus dem Verband lösten und schnell auf uns zufuhren. Wir erkannten sie bald als deutsche Fahrzeuge und wir gaben uns zu erkennen. Nach einigem Palaver, in das auch die Besatzung der Schützenpanzerwagen (SPW) einbe- zogen wurde, die quer durch die Ortschaft gerollt waren und zu uns stießen, stellte sich Folgendes heraus. Am anderen Ende des großen Dorfes, in dem wir uns befanden, war - was wir aber nicht wissen konnten - der Unteroffizier und Waffenmeister Erwin Roock von einer unserer Kampf- gruppen mit drei Mann zurückgeblieben, weil er ein MG instandsetzen sollte. Beim Einschießen der Waffe platzierte er eine Salve mitten in der SPW-Kolonne, der Aufklärungsabteilung unserer Division. Sie prasselte - ohne Schaden anzurichten - auf die Panzerungen der Fahrzeuge. Wie im Krieg und in Westernfilmen üblich, schossen die Getroffenen zunächst einmal aus allen Rohren zurück und unterzogen erst dann das Ziel und die Wirkung der Aktion einer näheren Prüfung.
Nachdem auch dieses Abenteuer zu einem guten Ende gekommen war, zogen die SPWs mit ihren Mannschaften ab. Alle Befehle dieser Stunden wirkten mehr oder weniger konfus. Das war damit zu erklären, dass die nur noch schwachen deutschen Abwehrkräfte mit einer Taktik eingesetzt wurden, bei der sie sich dem angreifenden Gegner mit elastischem Widerstand anpassten und ihn durch schnelle Truppenbewegungen irritieren sollten. |
Dies konnte nur mit motorisierten Einheiten improvisiert umgesetzt werden. Die Lage in Böttchersdorf zwang dazu, unsere Gruppen zurückzunehmen. Erhebliche Verluste gab es infolge laufender Einsätze der sowjetischen Luftwaffe, die mit keinerlei deutscher Luftgegenwehr zu rechnen brauchte. Weiter westlich bei Hohenstein wurde während dieser Zeit die "Gruppe Lindig" von überlegenen sowjetischen Kräften zwischen Kaydann und Hohenstein umgangen. Die Rote Armee nahm nahezu ohne deutschen Widerstand die Orte Kaydann und Heyde nahe der Alle. Gleichzeitig zweigten sie Verbände zu einem weiteren Vorstoß nach Allenau und zum Südausgang Friedlands ab und verlegten uns dadurch den Rückzug nach Norden.
In dieser kritischen Lage erteilte die Division unserer Gruppe den Befehl, sich in der Nacht vom 27. auf den 28. Januar hinhaltend kämpfend etwa 8 km nach Norden abzusetzen und einen Abschnitt zwischen der Bahnlinie und dem Ort Allenau zu besetzen. Außerdem erhielt unsere Gruppe den Auftrag, Verbindung zur 61. Inf.-Div. aufzu- nehmen. Dazu sah sich unsere Gruppe allerdings angesichts der starken Inanspruchnahme nicht in der Lage. Einerseits mussten wir den Vorstoß der Sowjets im Friedländer Stadtwald auf Friedland abwehren, außerdem die Reichsstraße 131 für die Rückmarschierer offen halten. Über die Stärke der sowjetischen Verbände fehlte immer noch eine zuverlässige Aufklärung.
Verständlicherweise wird sich ein späterer Leser zu diesem Zeitraum immer wieder die Frage stellen, weshalb nicht das eine oder andere unternommen wurde. Man hätte doch gleich eine Abwehrlinie zwischen Stadienberg und Allebrücke ziehen können. Dazu muss man aber bedenken, dass zu diesem Zeitpunkt teilweise noch ost- wärts der Alle große Menschenmassen standen, die sich über die Allebrücke nach Friedland hinüberzwängten.
Im Bahnhof trafen sowjetische Bomben mehrere zum Abtransport beladene Flüchtlingszüge und richteten erheb- liche Verluste an. Die Hauptgleise blieben hierbei weiterhin benutzbar, so dass die bewegungsfähig gebliebenen Züge sogleich aus dem Bahnhof herausgezogen wurden. Im Laufe des Tages wurden die Stadt und der Bahnhof Friedland geräumt. In der herrschenden Aufregung bemerkten die Flüchtlinge in den hinteren Wagen des Zuges nicht, dass die vordere Hälfte des Zuges den Bahnhof verließ. Der ganze Zug wäre für die vorgespannte Maschine zu lang gewesen und so hatte man den Zug einfach in der Mitte auseinandergekoppelt und dem Lokführer unauf- fällig das Zeichen zur Abfahrt gegeben.
Diese Vorgänge hatten auf die Flüchtlingsbewegung eine verheerende Wirkung. Gegen Ende Januar waren fast sämtliche Hauptstraßen für Zivilisten gesperrt worden. Die fliehende Bevölkerung, die im Begriff war, sich nach Norden zum Haff zu wenden, wurde durch die Truppenbewegungen vorerst wieder in Nord-Ost-Richtung nach Allenburg gezwungen und musste dazu noch mit ihren schweren Wagen auf kaum befestigte Landstrassen und Feldwege ausweichen.
In Friedland, 67 Kilometer südwestlich von Königsberg, begannen sich die Dinge zu überstürzen. Friedland wurde am Morgen des 28. Januar zum Gefechtsstand der 50. Inf.-Div. und der 61. Inf.-Division. Unsere Kampf- truppen der 2. FschPzGrenDiv. lagen zwischen der Eisenbahnbrücke an der Alle und dem Stadienberg an der Straßenbrücke zur Stadt. Hier war Uffz. Erwin Roock mit drei Mann zur Verkehrsregelung abkommandiert. An der Brücke begegneten ihm der Kommandierende General, Generalmajor Schmalz und der Stadtkommandant von Friedland, Hauptmann Sauvant. Rückflutende Truppen überschwemmen die Stadt. Auffangkommandos unserer Division sammelten sie vor der Brücke ein und alle mussten zurück zur Front.
Feldgendarmerie, die Kettenhunde, sie waren nicht mehr im Kampfgebiet von Friedland!
Am Mittag gab es einen Auftritt an der Alle-Brücke. Im sowjetischen Artilleriefeuer stauten sich Hunderte von Flüchtlingen, weil nicht nur die Fahrbahn, sondern auch die Gehwege gesperrt wurden. Es waren wenige dabei, die einen Wagen hatten, die meisten schleppten Handgepäck und schoben Kinderwagen oder zogen hochbe- packte Rodelschlitten hinter sich her. Als Generalmajor Schmalz und Hauptmann Sauvant dazukamen, drängten sie sich um ihn. Frauen, Greise, Kinder jeden Alters schimpften auf die Partei. Generalmajor Schmalz schlug seinen Pelzmantel auf, um seine Uniform zu zeigen und schleuste alle in einer Schlange auf dem Brücken- Gehweg hinüber.
Am Schillerpark wurden Geschütze gesprengt, das Käsewerk am Bahnhof und die Eisenbahnbrücke sanken in die Alle, dann wurde innerhalb einer Stunde Friedland geräumt. Als der Aufbruch kam, dachte jeder nur an sich selbst. Der größere Teil der Einwohner packte Clubsessel und allen möglichen Hausrat auf ihre Wagen, statt sich um die Fußgänger zu kümmern. Meist jüngere Frauen und Kinder zogen ihre Schlitten und Handwagen hinter den Pferdefuhrwerken her. Viele erschöpfte, vor Kälte starrende Menschen waren in Panik geraten und hatten ihr Gepäck im Stich gelassen. Nach Einbruch der Dunkelheit schien Friedland wie ausgestorben.
Es gibt keine genauen Zahlen, doch starben in diesem ostpreußischen Winter 1945 schätzungsweise mehr als 100.000 deutsche Menschen.
Der Russe griff nun auf ganzer Front, meist in Bataillonsstärke an. Nach dem begonnenen Absetzen der Masse sollten sich am 28. Januar auch die Nachhuten um 21.00 Uhr im Einvernehmen mit der 50. Inf.-Div. aus Friedland lösen. Danach sollte das 61. Inf.-Rgt. im Anschluss an das 4. FschPzGrenRgt. zunächst auf die Linie Deutsch- Wilten und später bis zur Eisenbahnlinie beim Gutshof Pr. Wilten zurückgehen. Die ganzen Bewegungen verzögerten sich allerdings, da die Nachhutgruppe des 4. FschPzGrenRgt.s, die nur bis 22.00 Uhr die Stellung in Friedland halten sollte, nicht planmäßig bis 23.00 Uhr in Deutsch-Wilten eintraf. Dann kam der Befehl, auch mit der letzten Kompanie, die noch an der Reichsstraße 142 gesichert hatte, in Richtung Pr. Wilten abzuziehen und nicht länger auf die Nachhutgruppe zu warten, da die Verbindung zu ihr abgerissen war. Das Zurückgehen der ganzen Division erfolgte nun planmäßig. Als die Masse der Division Lindenhof und Gr. Klitten durchschritten hatte und sich nur noch die Nachhut auf der Straße nach Domnau befand, welche die verstärkte Kompanie des 50. Inf.-Rgt. in Lindenhof abwartete, begab sich der engere Stab nach Domnau. Die letzten Nachhuten der FschPzGrenDiv., welchen noch Sturmgeschütze zur Verfügung standen, hatten um 03.00 Uhr noch einmal leichte Gefechtsberührung mit ersten nachdrängenden sowjetischen Spitzen.
Der Marsch der Regimenter in die befohlenen neuen Räume führte zunächst durch die "Ic-Linie" zwischen Gr. Klitten und Gr. Saalau, welche von der 50. Inf.-Div. zu halten waren. Das gestaltete sich durch die schlechten und nun wieder vom Schnee verwehten Wege äußerst schwierig. Insbesondere das 61. Grenadier-Regiment, welches von der Straße nach Powayen abweichen musste, um als Korpsreserve vor der FschPzGrenDiv. zu stehen, hatte verwehte Strecken zu überwinden.
Von Osten loderten Brände, von dort war ebenfalls Kanonendonner zu hören. Der Marsch ging in die Nacht hinein. An der Steigung südlich Domnau vorbei, wo zur Entlastung der Trecks und der Militärfahrzeuge noch entrümpelt wurde, lagen weggeworfene Dinge aller Art. Als vor Domnau ein Leutnant der 50. Inf.-Div. rücksichtslos in die Kolonne hineinfuhr, wurde er von dem für die Verkehrsregelung verantwortlichen Hauptmann unserer Division angehalten und es kam zu einer kurzen Auseinandersetzung, bei der beide die Pistolen zogen. Als sich das allge- meine Tobuwabohu zu ordnen begann, bot sich zwangsläufig das folgende Bild der Szene. Um den Platz des Geschehens herum standen die inzwischen hellwach gewordenen Männer des Gefechtstrosses unserer Kompanie. Die Motoren liefen, der Fahrer des Leutnants saß am Lenkrad. Gerade als er sagte: "Ab nach Domnau!" , traten ihm etliche Männer in den Weg. "Du kannst doch nicht...", knurrte der Waffenwart Roock drohend "...mit allem hier abhauen und uns mit der Notration zurücklassen! Lade erst mal ab!" - "Darüber verfüge ich!" , keifte der Leutnant zurück, erntete aber rundum nur höhnisches Gelächter. Ich stieß Erwin Roock, der neben mir stand, leicht an, entfernte mich gerade weit genug, um eine Gewehrgranate in etwa 20 Meter vom Fourage-Lkw zu werfen, wo die Versammlung stattfand und hatte prompt den gewünschten Erfolg. Als ich unauffällig und entsprechend langsam zurückkam, hatte Erwin bereits die Heckklappe am Lkw geöffnet und von der hohen Ladung eine Kiste heruntergeworfen. "Mehr!" riefen etliche Stimmen. Und als ich rief: "Schokakola!" riefen andere im Chor: "Schokakola, Salami, Knäckebrot!" Nach einigen Kartons meinte dann der Leutnant mit wehleidiger Stimme: "Das muss aber genug sein!"
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Das L`Estocq - Denkmal von 1807 steht auf einem Hügel von Pr. Eylau. Rechts ist eine der beiden übrig gebliebenen Kanonen zu erkennen. Am 7. und 8. Februar 1807 trotzten in Pr. Eylau und am 14. Juni 1807 in Friedland einst die verbündeten Armeen deutscher und russischer Verbände der für unschlagbar gehaltenen Armee Napoleons. Fast wäre es ein Sieg geworden, hätten die Russen nicht gezögert, sondern - wie die Preußen es wollten - die Gelegenheit ergriffen und das Schlachtenglück ausgenutzt. So kam Kaiser Napoleon noch einmal mit einem blauen Auge davon. Später marschierte er von hier aus in Russland ein. Unverändert wird das Denkmal gepflegt, das am Ende der Alle auf dem Hügel zwischen der Straße und der Eisenbahnlinie nach Bartenstein steht. Es erinnert an den Mann und seine Soldaten - allesamt Ostpreußen, die dort Napoleons Nymbus der Unbesiegbarkeit zerstört hatten und an ein Bündnis, das andere Zeiten sah als die jüngste böse Vergangenheit von 1945.
Die Gedenkstätte sieht noch fast so aus wie früher. Nur von den einst vier Kanonen stehen jetzt lediglich noch zwei. Die beiden anderen gingen 1960 verloren, als man sie den Abhang hinunter stürzte. Russischer Übermut, der dort belacht wurde! Es ging im Jahr 1945 in Friedland und Pr. Eylau mehr kaputt als diese Requisiten eines unglück- lichen Krieges.
Die Schlacht war aber eine der blutigsten in der napoleonischen Geschichte. 55.000 Soldaten, 30.000 Franzosen sowie 25.000 Preußen und Russen, ließen ihr Leben. Der Mann, der das Kriegsglück gewendet hatte und unter den Klängen des Dessauer Marsches zum Gegenangriff antrat, die fast schon geschlagenen Russen befreite und die überlegenen Franzosen zurückwarf, war Gerhard von Scharnhorst. Sicher war es auch ein Zufall, dass die letzte Schlacht um Friedland und Pr. Eylau an einem 7. Februar tobte. Jetzt aber, im Winter 1945, gingen beide deutsche Städte unter, vernichtet von den Truppen jenes Landes, das 1807 ihr Retter gewesen war. Die Napoleon-Kiefer ist übrigens völlig zuge- wachsen. |
Ich war von der Aktion unterdessen so fasziniert, dass ich noch eine Gewehrgranate opferte, sie detonierte knapp vor dem Lkw. Der Leutnant wurde sichtlich nervös aber wir standen wie eine Mauer und das so lange, bis sich vor uns auf dem eisbedeckten Straßenrand ein stattlicher Vorrat stapelte, mit dem wir gut eine Woche auskommen konnten. Und das alles, weil der Leutnant die Pistole gezogen hatte. Offiziell blieb die Version vom Feuerüberfall der sowjetischen Artillerie unangezweifelt. Was sich in der Nacht wirklich abgespielt hatte, war in der Kompanie natürlich nicht geheim zu halten.
Noch nach Jahren - und Jahrzehnten - beim Treffen in Munster hielt sich das Geschehen als eine Geschichte, die immer wieder mit viel Schenkelklopfen und Gelächter erzählt und vermutlich weidlich ausgeschmückt wurde. (Die Gewehrgranate wurde aus einem kleinen Becher, der auf den Karabinerlauf aufgesetzt wurde, verschossen. Sie ließen sich auch abziehen und wie eine Handgranate werfen).
Der Russe griff bereits bei Pr. Wilten über die Bahnlinie hinweg nach Norden gegen Domnau an. Die Leuchtspurgeschosse der MGs zeigten die bedrohliche Nähe der HKL zum Engpass an der Straßengabel bei Lindenhof im Wald von Pöhlwalde an. Obwohl die Straße nach Benutzung von drei Regimentern durch Baueinheiten breit genug geräumt wurde, war der Marsch beschwerlich und die Truppe so übermüdet, so fix und fertig, dass sie wie Trauben an den Fahrzeugen hingen. Das behinderte die überholenden motorisierten Fahrzeuge. Ohne jede Rücksicht fuhr nun der Leutnant mit offener Wagentür an der Kolonne entlang, um uns Grenadiere wegzudrücken. Das führte bei der Infanterie zu Verdruss, denn am Hang bei der Straßengabel mussten die Fahrzeuge - gerade auch die der motorisierten Kolonnen - wegen der Schneeglätte von der Infanterie hinaufgeschoben werden.
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29. Januar 1945 im Raum Domnau
Erbost sprach unser Kompaniechef, der beim Ausrücken aus Pr. Wilten die Aufgabe der Nachhut hatte, von einer "Behandlung der fechtenden Truppe entsprechend einer Strafkompanie". Bei einem nur kurzem Halt lag alles auf dem vereisten glatten Boden und begann zu schlafen. Die schweren Winteranzüge, Filzstiefel, das Tragen der Ausrüstung, das Nachziehen der schweren MGs ermüdeten sehr. Ich hatte eine Kuh vor den Schlitten gespannt. Bei der Ankunft nach Stunden in Domnau am 29. Januar sind alle Quartiere schon von motorisierten Einheiten der Division und des 4. Grenadier-Regiments belegt. Herrenlos standen die vom langen Nachtmarsch ermüdeten Grenadiere im Freien.
Die von der motorisierten Einheiten ausgestellten Posten mahnten: "Seid ruhig, hier wird geschlafen!" Ihm wurde erwidert: "Wir wollen auch schlafen, ihr sitzt im Warmen!" Auch die Häuser unterhalb der Kirche waren so voll, dass allenfalls nur ein Stehplatz zu ergattern war Nebenan war die Feldpost. "So ein Sauhaufen", sagte unser Spieß. Schließlich war ein Platz für uns und den Funktrupp gefunden. Er musste sofort auf Empfang gehen, denn eine Leitung für die neue Stellung der "Id-Linie" südöstlich Domnau war noch nicht verlegt. Die Kontakte des Dora-Funkgerätes waren auf dem Marsch eingefroren. Aber es wurde wenigstens harter Käse aus Friedland und je Mann eine Viertel- Flasche Kaffee ausgegeben.
Da einige Lastkraftwagen beleuchtet waren, warf ein sowjetisches Flugzeug, das den Ort Domnau mit Bordlichtern überfliegt, fünf Bomben. Mit der Funkver- bindung kamen die neuen Befehle gegen 05.30 Uhr. Da der Abschnitt des 4. FschPzGrenRgt. HG in der "Id-Linie" südlich Domnau (Pkt.85) Straße mit Gutshof allein eingesetzt war, mussten die Einheiten der 50. Inf.-Div. weiter und zwar nach Osten, die Linie vom Bahnhof Domnau bis Gr. Saalau verteidigen. Die Einheiten der 61. Inf:-Div. wurden an der Straße von Kapsitten nach Domnau (Pkt. 77,3) am Mühlenberg eingesetzt.
Beim Abmarsch zur neuen Stellung fehlten wie so oft, wenn verschiedene Einheiten im gleichen Haus liegen, Kochgeschirre, Feldflaschen und andere lebens- wichtige Utensilien, die am Leib getragen wurden. Das war schlimm, denn für die Kampf-Truppe dauerte die Wiederbeschaffung stets mehrere Tage. Es ging im Morgengrauen weiter und es war bitter kalt. Schließlich endete der Marsch an der vorgesehenen HKL an einem Gutshof (Pkt.85) und an der Straße vor Domnau. Die Nachrichtengruppe lag im frontseitig letzten Haus, da von hier aus die besten Funkverbindungen zu den Kampfgruppen und B-Stellen zu erwarten waren.
Am 29. Januar baute das 4. FschPzGrenRgt. die Stellungen in der "ld-Linie" weiter zur Verteidigung aus. Im Abschnitt der Straße vor Domnau arbeitete die Divisions-Reserve-Kompanie sowohl an Stellungen als auch an Wegen, die für das spätere Absetzen vorgesehen waren. Es wurden Schneewälle errichtet und Schneestände für die schweren MGs, denn der Russe setzte nach dem vielen Neuschnee motorisierte Schlitten ein, die bis 5 Meter lang waren und an der Stirnseite mit zwei MGs und eine Panzerplatte bestückten waren. Boten sie uns die Breitseite, waren sie verloren. Die Rotarmisten waren auf Schneeschuhen fast gefährlicher als auf Schlitten, denn bei geringem Schussfeld näherten sich diese mit weniger Geräuschen nahezu überraschend und zwangen uns zum Nahkampf.
Die Lage veränderte sich schlagartig. Der Russe war während der Nacht unmittelbar an der Naht zwischen Gut Garbnicken und Gut Naukritten mit starken Teilen über die Reichsstraße 131 vorgegangen, und ging nun im ganzen Abschnitt mit starken Kräften zwischen Domnau und Abschwangen vor. Gegen Mittag (beginnend am 29. Januar) gingen mehr als drei sowjetische Divisionen in Richtung Mühlhausen. Um 10.30 Uhr griffen sowjetische Schlachtflieger mit Bordwaffen die Divisions-Einheiten in Domnau an und belegten den Ort mit Bomben. Es traten größere Verluste ein. Der Führer der Pz.Jg.Abt. und weitere Angehörige des Stabes vom 4. Regiment HG fielen. In dem durch Truppen, Fahrzeuge, Munitionslager usw. völlig überbelegten Ort entstanden erhebliche Brände und materielle Schäden, insbesondere auch an Fahrzeugen der Flüchtlinge, die auf dem Weg nach Pr.Eylau und weiter nach Heiligenbeil zum Frischen Haff waren.
Um 12.00 Uhr besetzte der Russe Gr. Saalau und griff danach vergeblich Richtung Westen an. Ein Einbruch im Gutshof wurde ab 13.00 Uhr bereinigt. Die Waldstücke und die Straßen südlich von Domnau waren inzwischen schon von Südosten her vom Russen besetzt und bedrohten nicht nur das 4. FschPzGrenRgt. in der Flanke, sondern die ganze Division. Armee und Korps HG hielten die Bedrohung indessen für so schwerwiegend, dass das Generalkommando um 18.00 Uhr befahl, das für die Verteidigung bereits eingesetzte 61. 1nf.-Rgt zu verschieben und die Lage zu bereinigen.
Generalmajor Schmalz und der Chef des Generalstabes Oberstleutnant von Baer kamen um 18.30 Uhr zum 4. FschPzGrenRgt., um persönlich ab 19.00 Uhr beim Angriff nach Süden dabei zu sein. Das 4. Regiment und Teile des 61. Inf.- Rgt. griffen durch den Wald südlich Domnau an und es ging über den fast einen Meter hohen gefrorenen Schnee.
Aber selbst mit Ferngläsern war zunächst kein Gegner auszumachen. So ließ Generalmajor Schmalz die Kompanien gruppenweise durch den verschneiten Wald vorgehen. Erst nach dem vorsichtigen Heraustreten aus den Waldrändern stießen wir auf ein verlassenes Lagerfeuer der Russen. Beim weiteren Vorgehen setzte plötzlich aus Schneestellungen heraus feindliches MG-Feuer ein. Es gelang uns aber, diese Stellung zu durchbrechen und danach ging der weitere Angriff wieder flüssig vorwärts. Offenbar hatten sich die sowjetischen Verbände während der Nacht zurückgezogen.
Gegen 22.00 Uhr war die Verbindung zum linken Nachbarn in den Waldstücken wiederhergestellt, damit war die HKL auch über die Regimentsgrenze hinweg geschlossen. Zur Sicherung schob das Regiment einen Zug als Gefechtsvorposten südlich Domnau vor. Die Kampfgruppen waren in einer Stellung am Südrand von Domnau, in der nur wenige Häuser verfügbar waren, so dass die Männer, die an der HKL im Freien lagen, wenigstens gruppenweise zum Schlafen abgelöst wurden, um unter einem Dach zu schlafen. An der HKL war höchste Wachsamkeit geboten, denn südöstlich lagen im Raum Gr. Klitten starke Feindkräfte beiderseits der Wälder. Soldaten, die trotz der guten Tarnanzüge frierend ins Haus kamen, konnten nur abwechselnd schlafen. Während der Russe in der Nacht zum 30. Januar 1945 lediglich mit Spähtrupps gegen unsere HKL vorfühlte, begann das Aufschließen auf breiter Front. Am frühen Morgen folgten an den Schwerpunkten vor Domnau massierte Angriffe.
07.00 Uhr - Etwa 500 Rotarmisten gingen in breiter Front zum Angriff auf Domnau vor. 08.30 Uhr - Der Russe stand auf breiter Front an der HKL vor dem 4. FschPzGrenRgt. Acht Panzer, die schon am Morgen vor den Vorposten des 50. Inf.-Rgt. zu sehen waren, kamen nicht weiter nach vorn. 09.00 Uhr - Der Russe griff die Gefechtsvorposten an der Straße von Osten und Süden in jeweils einer Kompaniestärke an, wurde jedoch abgewiesen. 10.00 Uhr - Die Gefechtsvorposten erhielten den Befehl, sich zunächst bis unterhalb der Kirche von Domnau zurückzuziehen. 11.00 Uhr - Ein sowjetisches Bataillon versuchte in die Stellungen des 4. FschPzGren- Rgt. einzubrechen, wurde aber im Nahkampf zurückgeworfen.
Die Trosse wurden darauf vorbereitet, nochmals Kräfte nach vorne abzugeben. Die herausgezogenen Gefechtsvorposten am Hügel der Kirche lagen unter starkem Beschuss von Salvengeschützen und hatten Verluste, dabei auch Trommelfellverletzungen. Aus unseren Stellungen war die Wirkung dieser Feuer- überfälle (Stalinorgeln) gut zu beobachten. Die meisten Häuser in Domnau erhielten Volltreffer durch Bomben und das Punktfeuer der russischen Infanterie- geschütze. Da an der HKL wieder ein starker Feindangriff erfolgte, wurden die Gefechtsvorposten an der Kirche in Alarmbereitschaft versetzt und mussten wieder in ihre vorherige Stellung in der HKL zurück. Durch Straßengräben unterm Schnee (Tunnel) versuchten die Rotarmisten, ungesehen heranzukommen und einzubrechen. (Tagebuch Aufzeichnungen vom 30. Januar 1945)
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Die Abwehrkämpfe in der Domnau-Stellung
Die Kämpfe am 30. und am 31. Januar 1945 wurden bis zum Bajonett geführt. Bei Tage hielten sowjetische Scharfschützen alle Bewegungen auf einsehbaren Flächen nieder. Auf der schneebedeckten hellen Fläche hatte man gegen ihre Scharf- schützen keine Chance, sie hatten die Sonne im Rücken und waren mit Zielfernrohren ausgerüstet. Trotz der Kälte war es verboten, die Kampfstände zu beheizen. Deshalb mussten ständig Ablösungen zum Aufwärmen vorgenommen werden. Nach Erweitern des Abschnittes schanzte das ganze Regiment! In erster Linie wurden die Grabenstücke und Kampfstände vom Schnee freigeschaufelt und erweitert. Zwischen den einzelnen Grabenstücken wurden weiterhin auch Panzerdeckungslöcher geschaffen. In der Stellung wirkte sich die Kälte bei uns allen sehr unangenehm auf die Blase aus. In einer Nische der MG-Stellung stand eine größere Konservendose, in diese erleichterten wir uns mehrmals am Tag und kippten den Inhalt mit viel Schwung über den Stellungsrand, denn wie bei den anderen auch war meine Blase durch die ständige Unterkühlung in einem dauernden Reizzustand.
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Jemand rüttelte mich an der Schulter und ich hörte Uffz. Erwin Roock sagen: "Komm, geht für eine Stunde zum Aufwärmen!" Wir machten uns zu dritt auf den Weg nach Domnau. Erst nach einiger Zeit kamen wir richtig in Bewegung, denn die Kälte saß uns noch in den Knochen. Bis zum Hangrücken unterhalb der Kirche brauchten wir nur zehn Minuten, dahinter lag in einer Kurve recht geschützt das Haus, in der sich unser Gefechtstross mit der Feldküche einquartiert hatte. Als wir die Tür aufstießen, umgab uns eine Wärme von ca. 25 Grad wie in einem Treibhaus. Unser Fourier Albert R. war nicht zu sehen, aber der Koch raunzte uns an: "Zum Futtern gibt's nix!" Er machte auch hier kaum einen Handschlag, dazu hatte er die zwei russischen Mädchen Luba und die Köchin Katjuschka bis hierher mitgenommen. Sie kannten mich noch ganz gut, den obligatorischen Essenholer im Kreis Gumbinnen/Hochfließ.
Katjuschka reichte uns einen halbvollen Feldbecher mit "Tschai". In Domnau konnte man erkennen, dass die Häuser fluchtartig verlassen worden waren, überall lag noch Hausrat umher. Etwa 30 Häuser waren zerstört, einige davon durch Brände verkohlt. Man sah bis hin zum Marktplatz auch Häuser, die von der russischen Artillerie zerschossen wurden. Ich war etwas erstaunt, dass in der Stadt keine Zivilisten oder Flüchtlinge zu sehen waren. Die Masse der Trecks hatte sich schon am Dienstag den 30. Januar in Bewegung gesetzt, denn bis an die Küste des Frischen Haffs brauchten die Trecks volle drei Wochen.
Durch die 80%-ige Zerstörungen hatte die Stadt im Januar 1945 ihren ehemaligen Charakter eingebüsst. Wie sieht es heute in Domnau aus? Was ist übrig von damals? Wer nach Jahrzehnten wiederkehrt, muss darauf gefasst sein, dass das, was man wiederzusehen hofft, nicht mehr vorhanden ist oder im Laufe der Jahre völlig verändert wurde. Das Fotografieren (1993) wird hier wegen der nahen sowjetisch-polnischen Grenze von der Miliz argwöhnisch beobachtet, so dass man sich mit der Kamera wie ein Spion vorkommt.
Ansonsten: In der Stadt Domnau gibt's am 31.01.45 nichts Neues. Ich überlegte schon, ob wir drei den Weg zur Front antreten, oder den Tag in der warmen Stube beim Gefechtstross verbringen sollten, als uns ein ohrenbetäubender Schlag zu Boden warf. Zuerst konnte ich nur feststellen, dass ich noch lebe und mich im Zimmer und in einer gewaltigen roten Staubwolke befand. Instinktiv reagierten wir und rannten hinter die nächstliegende Hauswand und dann sofort zu einer anderen Stelle, die mir sicherer erschien.
Während ich mich dort noch vergewisserte, dass ich weiter nichts abbekommen hatte, kam der nächste Feuerüberfall. Diesmal war es eine dicht liegende Zehnersalve einer Stalinorgel, die Einschläge lagen genau da, wo wir drei uns noch kurz zuvor nichtsahnend aufgehalten hatten Die Einschläge explodierten schlagartig und unangekündigt durch Abschüsse oder Granatengeheul. Der erste Schuss war nur ein Orientierungsschuss für den Beobachter gewesen und hatte verdammt gut gelegen. Wir hatten es also bei der sowjetischen Batterie nicht mit Anfängern zu tun. Normalerweise hätte es mit einer Salve genug sein müssen, um nur drei "Chitlerfaschista" zu erledigen.
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Gegen jede Vernunft schossen sie jedoch weiter. Mal gab es eine Feuerpause von einigen Minuten, aber sie streuten jetzt systematisch nach allen Regeln der artilleristischen Kunst die Stadt ab. Wir konnten uns vorsichtig daran machen, zurück zur HKL aufzubrechen, denn im Osten wurde es früh dunkel, nicht nur wegen der Jahreszeit, sondern auch infolge der Zeitverschiebung. Im Bereich der Wehrmacht waren nämlich alle Uhren gleich auf mitteleuropäische Zeit eingestellt. In Ostpreußen brach die Dämmerung im Januar um halb vier Uhr nachmittags herein, hinzu kam, dass Domnau bereits im Schatten der tief stehenden Sonne lag, während die Iwans auf der Ostseite noch geblendet wurden.
In den klaren Nächten war von Domnau alles was vor uns lag gut zu überblicken. Nur die Tätigkeit der Scharfschützen, der Artillerie und der Flugzeuge nahm zu. Russische Nah-Aufklärer, die wir wegen ihres schnarrenden Motorgeräuschs "Nähmaschinen" nannten, kamen regel- mäßig bei Dunkelheit und warfen kleine Splitterbomben auf unsere Stellungen und auf Domnau. Sie flogen langsam und es war ziemlich leicht, sie mit dem MG zu treffen, aber sie waren an der Unterseite gepanzert. Man sah, wie die Leuchtspurmunition von ihnen abprallte. Dabei verwandelten sie sich in einen Perlenregen, was wie ein romantisches Feuerwerk aussah. Ich erinnere mich aber, dass die Russen nachts einen schweren Luftangriff auf Domnau unternahmen, bei dem das Feldlazarett, das in einer Schule untergebracht war, ebenfalls getroffen wurde. Auf den in diesen Tagen abgeworfenen sowjetischen Flugblättern stand:
Zivilisten aus Domnau raus! Domnau in Schutt und Asche! oder Die 50. - 61. und die motorisierte Göring-Division werden in Domnau vernichtet werden!
Der deutsche Wehrmachtsbericht meldet am 31. Januar 1945: "Südlich Königsberg warfen Panzergrenadiere den bis an das Frische Haff vorgedrungenen Feind zurück." Von Gerdauen, Friedland und Domnau kam kein Wort im Wehrmachtsbericht vor.
Erst am 9. Februar 1945 kam eine erneute Meldung: "In Ostpreußen wurden bei Landsberg und Kreuzburg erneute feindliche Durchbruchsversuche in erbitterten Kämpfen verhindert und 57 Panzer abgeschossen."
Seit Gumbinnen und noch zur Zeit der Tagebuchnieder- schrift am 31.01.45 im Raum Domnau lebt die Truppe von der Hand in den Mund. Die Grenze ist erreicht, es gibt vermehrte Fälle geistiger Verwirrung. In der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar 1945 bezog unsere Kampfgruppe die Nachhutstellung zwischen Domnau und dem Bahnhof. Vom Russen war bekannt, dass von Osten her ein russisches Kavallerie-Korps gegen Domnau drückte. Gleichzeitig hatte von Süden her aus Richtung Pr. Wilten ein russisches Panzerkorps Lindenhof genommen und drang mit einem Stoßkeil das Tal aufwärts nach Domnau. Die feindliche Luftwaffe war in letzter Zeit überaus rege gewesen und störte empfindlich jede eigene Bewegung.
In einer Besprechung am 31. Januar nachmittags erhielt der Kp.-Chef unserer Kompanie von seinem Batl.- Kommandeur folgenden Auftrag: "Die 14. Pi.-Kompanie hält als Nachhut des Bataillon nach Durchmarsch noch vorne liegende Stellungseinheiten bis 21.30 Uhr den Ostrand der Stadt Domnau. Die Nachhut marschiert dann über Kapsitten nach Bekarten, Gutshof Rohrmühle. Dort bezieht die Kompanie nach Eintreffen im Gutshof Rohrmühle eine neue Verteidigungsstellung, Grenze rechts vom Gutshof, wobei Verbindung zum 16. FschJgRgt. aufzunehmen ist. Regiments- Gefechtsstand, Verbandsplatz und Trosse in Pr. Eylau. Der vorgeschobene Beobachter einer schweren Batterie wird sich zur artilleristischen Unterstützung im Dorf Bekarten melden."
Die Nachhutstellung des 4. FschPzGrenRgt. sollte voraus- sichtlich 12 bis 24 Stunden gehalten werden. Nachdem um 19.30 Uhr das 3. und 4. Regiment ostwärts Domnau abgerückt war, löste sich auch unsere 14. Pi.-Kompanie zur befohlenen Zeit um 21.30 Uhr aus ihrer bezogenen Nachhut- stellung. Irgendwelche Feindberührungen fanden nicht mehr statt. Im Gegenteil - während sich ringsum die in Bewegung geratene Front mit MG-Feuer, Sprengungen und Leucht- kugeln lebhaft bemerkbar machte, herrschte vor unserer Kompanie tiefe Stille.
Völlig unbelästigt vom Russen, der nicht einmal mit Späh- trupps nachfolgte, konnte unsere 14. Pi-Kompanie in den neuen Raum marschieren. Wir erreichten auf Waldwegen und Straßen gegen 1.45 Uhr den Gutshof Rohrmühle. Der Kompanie-Chef hatte, abgesehen von kleineren Halten, bisher scharf durchmarschieren lassen, um Zeit und Abstand vom Russen zu gewinnen. Uns war das ganze Gelände für die nun zu beziehende Stellung noch völlig unbekannt, eine Einsicht jetzt bei Nacht nicht möglich. Doch war uns von vornherein klar, dass der nach der Karte sich ergebende Verteidigungs-Abschnitt von etwa 4 Kilometern für eine schwache Kompanie viel zu breit sein musste. Der Gutshof konnte von vornherein nur stützpunktartig besetzt werden. Dies mochte auch für die vorgesehene Zeit ausreichend sein. Das Hauptgewicht der Abwehr vor Pr. Eylau sollte jedenfalls um den Kreege-Berg (Pkt.80) herum sein. Der Auftrag für diese Gruppe war, schwächere russische Angriffe abzuwehren und bei stärkerem Feinddruck kämpfend nach Pr. Eylau auszuweichen.
Der Gefechtsstand vom 3. FschPzFüsRgt. und die Funkstelle waren am Ortseingang im Kreisbauhof von Pr. Eylau, etwa 500 Meter unterhalb der Erich-Koch-Siedlung. Dort meldete sich auch ein inzwischen eingetroffener VB eines Artillerie- Regiments mit seinen Funktrupp. Er teilte mit, dass sie mehrere Artillerie-Beobachtungsstellen auf der Höhe (Pkt.80) eingerichtet hätten. Sein mitgebrachtes Funkgerät habe leider eine Störung, so dass ein Einschießen seiner Batterie auf Sperrfeuerräume vorerst nicht möglich sei.
Kurz nach 10.30 Uhr tauchte der gegen das Dorf Bekarten ausgeschickte Spähtrupp atemlos im Gefechtsstand auf. Er meldete, dass der Russe bereits in die Ortschaft einge- drungen sei und gab seine Stärke mit ungefähr zwei Kompanien und zahlreichen Panzern an. Diese Feind- meldung ging um 11.00 Uhr per Funk an den Divisions- Kommandeur Generalmajor Walther, da erst zu diesem Zeitpunkt die Gegenstelle in Pr. Eylau wieder auf Empfang war.
Von nun an wurde ständige und laufende Funkverbindung vereinbart. Schon bald begann ein zunehmender Feuer- kampf um die Höhe (Pkt.80) und Kl. Sausgarten. Der Russe schien die Bedeutung dieser Höhe vor Pr. Eylau erkannt zu haben. Noch während seines ersten Vorgehens kam eine Funkmeldung von der dort befindlichen Kampf- gruppe: "Die Höhe (Pkt.80) ist gegen den starken Feind nicht zu halten!" |
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Für uns war klar, dass dieser Schlüsselpunkt der ganzen Front vor Pr. Eylau unbedingt gehalten werden musste. Wenn der Russe dort hinauf kam, war die ganze Abwehrfront vor Pr. Eylau aufgerissen, da er von dort aus das ganze umliegende Gelände mit Sicht und Feuer beherrschen konnte. Für die eigenen Kampfgruppen am (Pkt.80) und an der Reichs- straße nach Pr. Eylau konnte noch kein zwingender Grund zu einer Räumung ihrer Stellung vorliegen. Die Gruppen befanden sich dort erst seit kurzer Zeit im Gefecht, hatten noch keine Verluste erlitten und hatten bisher nur geringe Mengen Munition verbraucht. Es mangelte also offensichtlich allein an der Standfestigkeit des kampfunerfahrenen Führers eines Haufens vom Sturmbataillon HG.
Vieles ist während des Krieges und nach 1945 über diese Einheit des FschPzKorps HG getuschelt und gedeutet worden. Strafeinheit, Bewäh- rungsbataillon und was damit alles zusammenhängt. Die Wirklichkeit war: In dieser Einheit befanden sich Soldaten, die von einem aus Offizieren bestehenden Kriegsgericht degradiert waren. Es waren vorwiegend Offiziere, die alle auf Grund von Nichtbefolgung eines Befehls oder sonstiger Disziplinwidrigkeiten mit dem Militärstrafgesetz in Konflikt geraten waren, also wegen Vergehen disziplinarischer Art. Als einzige Einheit innerhalb der deutschen Wehrmacht besaßen die Angehörigen dieses Bataillon das Recht, ihre Führer vom Gruppenführer bis zum Bataillonsführer selbst zu wählen. Die Rehabilitierung wurde auf Vorschlag dieses Bataillonsführers vollzogen. Mit fünf Ausnahmen blieben alle von Görings Luftwaffe danach freiwillig weiterhin beim Bataillon.
Alle FschPzKorps-Angehörigen, die sich wegen ehrenrühriger oder krimineller Vergehen schuldig gemacht hatten, gehörten jedoch nicht diesem Bataillon an! Immer an Brennpunkten und im härtesten Einsatz stehend, hat sich auch diese Einheit bis zu ihrem Untergang bei Heiligen- beil-Balga hervorragend bewährt, auch hier vor Pr. Eylau im Februar 1945. An dieses Bataillon wurde der Funkbefehl gegeben: "Die Straße und die Höhe ist unbedingt zu halten!"
Es gelang auch, den ersten feindlichen Vorstoß abzuwehren. Daraufhin versuchte der Russe, sich mit etwa fünf Panzern T-34 heranzuarbeiten. Dies meldete ein neuer Funkspruch: "Feind greift durch die Mulde mit Panzern an. Erbitte dringend Verstärkung!" Noch war nicht zu erkennen und zu übersehen, ob der Russe seinen Angriff gegen die Höhe vor Pr. Eylau verbreitern und auch an anderen Stellen vorstoßen würde.
Granatwerfer, die leider fehlten, hätten mit ihrer Steilfeuer-Wirkung ein Feindvordringen verhindert. Dadurch gelang es Teilen der feindlichen Infanterie und fünf Panzern, in den Rücken des Bataillon und der Divisions- reserve einzubrechen, die ebenfalls zu weit vorne und zu nahe am Schwer- punkt des Kampfes in Bereitschaft stand. Durch die hohen Ausfälle mussten nun selbst die Bataillonsstäbe und Nachrichtenstaffeln zum Gegenstoß antreten und später in die HKL eingegliedert werden.
Bereits um 12.30 Uhr spitzte sich die Lage erneut zu. ,,16 Panzer mit Infanterie greifen Kl. Sausgarten und die Höhe 80 an!" Da auch hier die panzerbrechenden Waffen fehlen, musste das Dorf Kl. Sausgarten aufgegeben werden. Dem Regiment wurde die 2. Kompanie Panzerjäger-Abteilung HG zur Panzerbekämpfung unterstellt. Mit dem Eintreffen der ersten Teile war jedoch nicht vor dem Nachmittag zu rechnen Es war beabsichtigt, eine Auffanglinie etwa 1000 Meter südlich des vorge- legten Regimentsgefechtsstandes vor dem Panzergraben am Kreisbauhof Pr. Eylau zu bilden, um zu verhindern, dass durchgesickerte Teile des Gegners weiter nach Norden vorstoßen. Beutekarten wiesen aus, dass sowohl Pr. Eylau als auch Althof als Angriffsziele der feindlichen Panzer- verbände befohlen waren.
Durch Zurücknahme der eigenen Linie in die kleinen Waldstücke östlich und südlich von Pr. Eylau war es möglich geworden, den Einsatz der sowjetischen Panzer bis zu einem gewissen Grad wirkungslos werden zu lassen, da diese im unübersichtlichen Gelände die deutschen Stellungen nicht mehr erkennen konnten. Es gelang dadurch, die feindliche Infanterie von den Panzern zu trennen, die es - auf sich selbst gestellt - nunmehr vorzogen, nach dem Abschuss von zwölf T-34 in ihre Ausgangsstellung zurückzufahren. Das Gebiet wurde aber durch dauernde Aufklärung über- wacht. Es war dem Russen somit nicht möglich, nach Pr. Eylau hineinzu- stoßen. Februar 1945.
Der Gegner verstärkte weiter seine Anstrengungen. Er hatte begonnen, seine schweren Waffen einzuschießen und bestreute besonders lebhaft die ganze Stadt Pr. Eylau mit Granatwerfern sowie die Hänge und auch die Gegend um den Gefechtsstand bei der Siedlung. Die eigenen Ausfälle mehrten sich. Auch andere Gruppen meldeten auf dem Gefechtsstand Verwundete. Dort lagen schon eine ganze Anzahl Verwundeter, die von dem einzigen Kompanie-Sanitäter betreut wurden. Ein Abtransport konnte noch immer nicht erfolgen, weil dafür weder genügend Sanitäter, noch Fahrzeuge vorhanden waren.
Wir kämpften allein weiter, ohne Hilfe und Unterstützung durch das Regiment und die Artillerie. Der YB versuchte nun, da sein Funkgerät trotz aller Bemühungen auch weiterhin Störungen hatte, seine Batterie durch Leuchtzeichen zum Schießen zu veranlassen. Unverständlich blieb, dass die Artl.-Abtl. die bedrängte Lage der Kampftruppen nicht erkannte und von sich aus ihr Feuer auf den Russen leitete. In unserer Stellung, wohin der YB zurückgekehrt war, riefen nun rote Leuchtzeichen die eigene Artillerie zu Hilfe. Endlich schlugen einige heulende Lagen 10,5 Granaten vor unseren Stellungen ein. Schon wenige Minuten darauf kam die Antwort. Feindliche schwere Artillerie vom Kal. 15-cm nahmen die eigenen Geschütze, die beim Gutshof Valentini und Henriettenhof standen, unter Beschuss, worauf diese auch bald wieder verstummten.
Kurz nach 15.30 Uhr kam der verwundete Führer des SMG und meldete, dass das MG durch einen Volltreffer ausgefallen sei. Damit hatte unsere Kompanie ihre einzige schwere Waffe verloren. Bei eintretender Dunkel- heit bestand dann die Möglichkeit, sich mit der Kompanie abzusetzen und eine neue Stellung vor Pr. Eylau zu beziehen. Da aber ein Absetzen unter Feinddruck geschehen musste, wobei die Verwundeten nicht mitgenom- men werden konnten, sollten alle nun zu Fuß zurückgebracht werden. Auf dem Gefechtsstand im Kreisbauhof von Pr. Eylau wurden aus den Leicht- verwundeten Trägerkommandos zusammengestellt, die ihre schwerge- troffenen Kameraden in Zeltbahnen usw. bis zum Bahnhof zurücktrugen. |
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Den Zurückgehenden wurden Meldungen über die sich verschlechternde Lage und die dringende Bitte um Verstärkung und Munition mitgegeben. Die einzige vorhandene Verbindung zum Regiment in Pr. Eylau litt erheblich unter Störungen. Es dauerte oft geraume Zeit, bis sich die Gegenstelle endlich trotz ständigen Anrufens meldete. Immer wieder wurde der verschlüsselte Spruch nicht verstanden. Auf Meldungen und Hilferufe im Klartext kam überhaupt keine Antwort. So waren wir allein auf die Berichte der Verwundeten angewiesen.
Gegen 16.00 Uhr brachte endlich ein Kradmelder Munition vom Regiment und als Wichtigstes den Absetzbefehl für die Kompanie für 19.00 Uhr nach Kreuzburg. Mit einer Lagemeldung und der Bitte um Verstärkung wurde er zurückgeschickt. Jetzt stand unser Kp.-Chef vor der Entscheidung, entweder dem Regiments-- Befehl folgend bis 19.00 Uhr weiter hier vorne auszuhalten oder ein sofortiges Absetzen einzuleiten. Ersteres musste zur Folge haben, dass die gesamte zusammengeschmolzene Kompanie eingeschlossen und restlos zusammengeschossen werden würde. Im anderen Fall war auch aus der bereits drohenden Umklammerung in Richtung Pr. Eylau nicht zu entkommen, weil weiter Widerstand bis zum befohlenen Absetzen geleistet werden sollte. In diesem Falle musste schnell und geschickt gehandelt werden.
Es kam zum Entschluss des sofortigen Lösens unter Beziehen verschiedener Zwischenstellungen bis zum Bahnhof und Kreiskrankenhaus bei staffelweisem Zurückgehen unter besonderer Sicherung gegen die linke Flanke. Maßnahmen hierfür waren bereits getroffen worden, die Verwundeten waren großteils zurück- gebracht worden, auch der Verbandsplatz hatte bis zur Mühle Schadwinkel zurückverlegt werden können. Aus Leichtverwundeten wurden unter der Führung des verwundeten Führers des II. Zuges eine kleine Kampfeinheit gebildet mit dem Auftrag, sofort zum Stadtgut Denstorff vorzurücken und gegen den Feind an der Bahnlinie abzuschirmen, um ein mögliches Hineinstoßen in die laufenden Absetzbewegungen zu verhindern.
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An unsere Kompanie erging der Befehl, in Eile und unter Mitnahme aller Verwundeten bis zum Gefechtsstand zurückzugehen, um von dort aus im gegenseitig überschlagenden, deckenden Einsatz der einzelnen Gruppen die Ortsmitte von Pr. Eylau zu erreichen. Unsere Absetz- bewegungen liefen gut an. Mitten im starken feindlichen Feuer gelang es, rennend zurückzugehen. Als wir jedoch, entgegen dem Befehl, dicht geballt auf der Straße weiter in den Ort zurückgingen, bekamen wir heftiges feindliches Feuer vom See her. (Langer See) Zwar erwiderten wir diesen Beschuss mit guter Wirkung, wie das Geschrei aus Richtung des Sees zeigte. Aber dann kamen vorzeitig, ohne Befehl, die beiden noch am Kreisbauhof sichernden Gruppen zurückgelaufen. Im Nu bildete fast die gesamte Kompanie auf der großteils gut einzusehenden Markt- straße einen wirren, dichtgedrängten Haufen.
Mit den durcheinandergeratenen Gruppen war nun im feindlichen Feuer ein geplantes, geordnetes und gegenseitig deckendes Zurückweichen nicht mehr möglich. Die Kompanie wurde in aller Schnelligkeit ohne Rücksicht auf die einzelnen Züge und Gruppen neu in kleine Kampfein- heiten gegliedert und unverzüglich in einer dicht zusammengefassten Abwehrstellung eingesetzt. Zwei Einheiten wurden beiderseits des Marktplatzes in die Häuser befohlen mit dem Auftrag, nachdringendem sowjetischen Truppen im Häuser- und Nahkampf ein weiteres Vorgehen zu verwehren. Das Nachstoßen der Russen, nun auch bei der Erich- Koch-Siedlung, wirkt sich auch im rückwärtigen Gebiet verunsichernd aus.
Auf der Straße von Pr. Eylau nach Zinten bewegten sich endlose Kolonnen voran, Wagen hinter Wagen, mit vermummten Gestalten und Bergen von Gepäck beladen. Sie kommen kaum schneller als im Schritt-Tempo voran. Der Rückmarsch der Flüchtlinge war ein stetiger Kampf mit tiefen Schnee, großer Kälte, glatten Wegen, um Quartiere sowie um Futter und Wasser für die Pferde. Im Neuschnee blieben die Wagen hängen und verursachten Stauungen, die über Stunden andauer- ten. Zum Tränken entstand an guten Wasserstellen Streit. Wasser war so knapp, dass es auch dann aus Flüssen entnommen wurde, wenn darin eingefrorene Leichen oder Tierkadaver lagen. Am Wege verlorenes oder wegen des Gewichts abgeladenes Gepäck blieb liegen und wurde von den Fahrzeugen bzw. Schlitten in den Schnee gepresst oder zermalmt. Hinter der kämpfenden Truppe war beim Rückzug ohnehin ständig eine Atmosphäre der Unsicherheit. Das kam durch das Zusammentreffen von Angehörigen vieler verschiedener Divisionen - dabei auch versprengter Einheiten. |
Niemand wusste etwas Genaues, man hörte nur, dass es links "mulmig" sei und die Frontlage sich dauernd verändere. Die scharfe Kälte trieb uns in die Häuser der Ortschaften, weil man sich am Leben halten wollte. Dadurch entstanden, besonders bei Nacht, kilometerbreite Frontlücken, die durch Spähtrupps nur ganz unzulänglich überwacht werden konnten. Die Verteidigungsfront im Raum Pr. Eylau oder später bei Kreuzburg war also eine mehr oder weniger zusammen- hängende Reihe von Dörfern und Häusern. Die Folge war, dass der Russe abseits der Dörfer die Front ungehindert durchschritt und dann die einzelnen Ort- schaften in der Flanke und im Rücken umfasste und erledigte. Von der Truppe und insbesondere den fechtenden Teilen wurde aber weiterhin der letzte Einsatz verlangt.
Die Besetzung der Stadt Pr. Eylau vollzog sich in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 1945 ohne größere Kampfhandlungen. Es war an keiner Stelle der Innen- stadt zu geschlossenem Widerstand oder gar zu einer Panzerschlacht gekommen. Lediglich bei Bewegungen zwischen Versprengten der Wehrmacht und Spitzen der Roten Armee kam es zu kleineren Schusswechseln, die aber keinerlei militärische Bedeutung hatten. Die letzte geschlossene Abwehr vor der Stadt Pr. Eylau muss in der Nacht zum 8. Februar 1945 stattgefunden haben, da während dieser Nachtstunden starker Gefechtslärm aus Richtung Artillerie- und Infanteriekaserne zu hören war. Gegen Morgen erreichte dieser seinen Höhepunkt und verstummte dann.
Der Tag des 8. Februar 1945 verlief ruhig und war dadurch gekennzeichnet, dass große Teile der Bevölkerung die Stadt verließen und dass der Rückmarsch der Wehrmacht in Richtung Zinten - Kreuzburg erfolgte. Diese Bewegungen vollzogen sich in der Stadt vollkommen ungestört durch Feindeinwirkung. In den Mittagsstunden des 8. Januar verbreiteten sich sogar Gerüchte, dass der Angriff der Roten Armee zum Stehen gebracht worden sei. Leider hatten diese Gerüchte zur Folge, dass die Zivilbevölkerung ihre Flucht unterbrach und die Nacht abwarten wollte. Es war überall das gleiche - von Gumbinnen bis Pr. Eylau: Es gab keinen Räumungsbefehl! Er kam, wenn überhaupt, zu spät. Und statt eines planmäßigen Verlassens der Ortschaften und Gehöfte und statt des Abtrans- portes mit der Eisenbahn begann die panikartige Flucht. Leider kam es immer wieder vor, dass Teile der Bevölkerung resignierten und in ihren Häusern blieben. Viele sagten sich, "wir haben keine Fahrzeuge und den Strapazen eines kilometerlangen Fußmarsches mitten im Winter bei minus 20 Grad sind wir nicht gewachsen." Vielleicht dachten sie auch in ihrer Todesangst, es wird schon nicht so schlimm werden; die Russen sind doch auch Menschen.
Ich war davon tief betroffen. Es war für mich eine Erfahrung, die sich immer wieder wiederholte - von Gerdauen bis Heiligenbeil. Denn das Gros der Russen war in Siegerstimmung - im "Blutrausch". Niemand verlässt gern seine Heimat, und so war es nicht verwunderlich, wenn viele, insbesondere die Landbevölkerung, auch nach der Räumerlaubnis noch bis zur letzten Stunde wartete, immer in der Hoffnung, dass vielleicht doch noch eine Wendung zum Besseren eintreten würde. Dann wurde noch einmal das zurückbleibende Vieh gefüttert und wir Soldaten haben alle Tiere losgebunden, die Scheunen mit den Futtervorräten geöffnet und dann ging es in eine ungewisse Zukunft.
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Ich befand mich zu dieser Stunde im Raum Kreuzburg und kann daher nicht aus eigener Anschauung sagen, wie die Lage am 8. Februar in Pr. Eylau war. Nach glaubwürdigen Berichten der letzten Nachhuten unserer Kompanie entsprachen sie aber im großen und ganzen der Lage, wie ich sie geschildert habe. Zusammen und zum Teil in diese eingesickert drangen die Vorhuten der Russen mit unseren letzten Nachhuten in die Stadt Pr. Eylau ein und durchschritten diese bis kurz nach Mitter- nacht.
Die Besetzung vollzog sich ungestört und derart ruhig, so dass die Bewohner zahlreicher Straßen, Flüchtlinge und Soldaten erst am Morgen des 9. Februar 1945 merkten, dass die Rote Armee in der Stadt war. Während Pr. Eylau bis zum Einmarsch der Sowjets als Folge von Sprengungen usw. bis auf geringfügige Schäden unbe- schädigt war, wurden die Innenstadt und auch Teile der Außenbezirke nach der Besetzung durch Brandstiftung in Schutt und Asche gelegt.
Die Russen plünderten alle Wohnungen und Häuser aus. In der dicht an der neuen Grenze gelegenen Stadt Pr. Eylau drangen Polen ein und holten sich alles, was ihnen brauchbar erschien. Häuser brachen sie ab, um Bau- material zu gewinnen! Alles war jetzt ihr Eigentum.
Flüchtlinge, die nicht aus der Stadt kamen, mussten Beraubungen und Vergewaltigungen erleiden. In ihren Häusern saßen bereits Polen oder Russen, die sich als neue Herren breit machten. Die deutschen Bauern mussten auf ihrem Hof mit ihren Familien für die Polen und Russen als Knechte arbeiten! Wahllos erfolgten die Verschleppungen nach Russland. Einer, der bis Oktober 1945 im Lager Pr.Eylau war, berichtet: "Es war die ehemalige Infanterie-Kaserne. Hohe Wachtürme befanden sich an allen Ecken, außerdem ringsum Stacheldraht. Das Lager fasste 14.000 Personen, und bereits Ende August 1945 waren wir nur noch 5.000, die übrigen 9.000 waren gestorben, die meisten an Hungertyphus. Täglich fuhren mehrere Wagen mit Leichen zu den Splittergräben."
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und die Abwehrkämpfe im Raum Kreuzburg
Obwohl am 2. Februar 1945 nur vereinzelt Schnee fiel und auch der Frost auf minus zehn Grad Celsius zurückgegangen war, unternahm der Gegner keinen größeren Angriff auf die Rückzugstraße von Pr. Eylau über Althof, Dollstädt nach Kreuzburg. Nur zwei sowj. Spähtrupps fühlten bei Dollstädt gegen die Straße nach Kreuzburg vor. Beim Schusswechsel bei der Ziegelei vor Sollau hatte unsere Kompanie einen Toten und fünf Verwundete. Nach den Aussagen eines gefangenen sowjetischen Unterleutnants war im Abschnitt Dollstädt - Kreuzburg ein Großangriff eines Kavallerie-Korps mit zwei Kavallerie-Divisionen und zwei Infanterie-Divisionen zu erwarten. Dazu passte, dass der Gegner einen starken Verkehr auf unserer Rückmarschstraße von Uderwangen und Mühlhausen und weiter von Wittenberg nach Tharau unterhielt.
Da die Lage in der Stadt Kreuzburg durch Angriffe nicht nur von Osten, sondern noch gefährlicher auch von Norden her bedrohlich war, wurden schon in der Nacht zum 2. Februar 1945 alle marschfähigen Verwundeten und Kranken mit Erfrierungen zu Fuß von der Krankensammelstelle Kreuzburg nach Zinten zur Panzerkaserne (pzRgt. 10) in Marsch gesetzt. Nach der Auflösung des Hauptverbandplatzes in Kreuzburg hatte sich die 1. San. Kompanie HG in der Kaserne eingerichtet. Am Weg zu den Verbandplätzen wurden Umschlagstellen in Tiefenthal - seit dem 3. Februar sogar mit einem Arzt - eingerichtet und dadurch die Transport- zeiten bei der großen Kälte verkürzt sowie die Zahl der Erfrierungen vermindert.
Die fast täglichen Verlegungen in neue Stellungen bei schleppendem und unzureichendem Versorgungsnachschub beanspruchten die Truppe auf Äußerste. Nachts wurde marschiert, beim Morgengrauen mussten wir Verteidigungslinien beziehen oder zum Angriff antreten. Im besten Fall hatten wir in Frontlücken nur Sicherungsaufgaben zu übernehmen. Der Bewegungskrieg forderte einen weit höheren Tribut an Gefallenen und Verwundeten als der Stellungskrieg in den Bunkern und Gräben. Ich musste an den klugen Ausspruch meines Spießes denken: "Der Deutsche Soldat geht niemals zurück, er macht kehrt und geht wieder vor".
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Die 2. FschPzGreDiv. HG, die durch die vorangegangenen Kämpfe bereits erheblich geschwächt war, hatte im Raum Kreuzburg eine Frontbreite von 9 Kilometern zu halten, die in die Unterab- schnitte Nord, Mitte und Süd eingeteilt wurden. Die durchschnittlichen Kampfstärken der Bataillone betrugen noch je etwa 120 Mann. Ein zusätzliches "Kampfbataillon Lehmann" wurde noch durch die beiden Pz.-Jäg.-Kompanien und die verstärkte Aufklärungsabteilung gebildet. Auf die Entfernung von 9 km hätte unbedingt eine dichtere Besetzung der HKL erfordern müssen. Es fehlten aber die nötigen Kräfte, um ein tiefgegliedertes Hauptkampffeld besetzt zu halten. Ebenso kam eine bewegliche Verteidigung nicht in Frage. Diese musste sich vielmehr allein auf eine vordere Linie (HKL) beschränken, die in keinem Fall stärker und gleichfalls nicht durchlaufend besetzt werden konnte. Die Heeresgruppe war sich darüber klar, dass die 2. FschPzGrenDiv. HG ihre Aufgabe nur mit einer starren dünnen Verteidigungslinie lösen konnte, wobei dem Gegner jeder Meter Boden im Raum Kreuzburg streitig gemacht werden musste. (Beurteilung der Lage am 2.2.1945)
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So entschloss sich die Div.-Führung zu einem eigenen Abwehr- verfahren, das sich in den kommenden Kämpfen auch voll bewähren sollte: Der beabsichtigte Kampf in Kreuzburg auf nächste Entfernung unter gleichzeitiger starker, schlagkräftiger Reservenbildung und standhafte Einzelkämpfer in der Frontlinie, zudem ergänzend an allen Stellen in der Stadt schnelle Gegen- stöße. Auch wurde versucht, die Nachteile der Stadt zu eigenen Gunsten umzuwandeln. Es wurden nun in vorderster Linie am Bahnhof und der Ziegelei schwache Kampftruppen eingesetzt, alle 15 Meter 1 Mann. Die für die vorgesehene Kampfführung besonders wichtigen Reserven wurden herausgezogen und bildeten am Fluss Pasmar Sofort-Reserven. In dieser Verteidigungsgliederung wartete die 2. FschPzGrenDiv. auf den feindlichen Angriff. Er ließ nicht mehr lange auf sich warten. Mittlerweile hatte sich bei uns noch der Pionierleutnant Sch., Ord.-Offz. bei der Division, eingefunden. Er war noch auf seinem Krad von Pr. Eylau hinter uns her gefolgt. Dabei hatte er eine Panne gehabt und als sich der Feuerüberfall zwischen Dollstädt und Sollau ereignete, ließ er das Krad im Graben liegen, schlug sich seitwärts ins Schneefeld, fand ein Loch, deckte sich mit seinem Schneehemd zu und war zur Ruhe übergegangen, um den Abend abzuwarten. Dann war er querfeldein zu uns gekommen, alle Gehöfte mit verräterischem Hundegebell meidend. |
Am 29. Januar wurde Kreuzburg kurzzeitig von der Roten Armee besetzt und von einer Heereseinheit wieder eingenommen. Am 3. Februar 1945 führten die Russen nach reger Spähtrupptätigkeit und Luftaufklärung einen ersten Vorstoß in Kompaniestärke gegen die Ziegelei durch. Zum Schutz der Angriffsspitze gegen Verminungen fuhr ein Panzer T-34 voraus, der voll auf zwei Tellerminen auflief. Der Angriff wurde beim Gegenstoß zurück geschlagen und ebenso zwei weitere Stoßtrupps am Kleinbahnhof.
Um 10.00 Uhr setzten mit steigender Heftigkeit Artillerie- und Granatwerfer- Feuerüberfälle ein, denen noch am Vormittag ein starker Angriff vom Kleinbahnhof folgte. Der einbrechende Russe wurde vor der Pasmar- Brücke aus durch eingreifende örtliche Reserven geworfen. Zwei weitere Angriffe an der gleichen Stelle bis jeweils in Bataillonsstärke wurden noch unmittelbar auf der Brücke zum Stehen gebracht. Gleichzeitig erfolgte mit einem erneuten letzten Angriff nun auch ein sowjetischer Stoß gegen die Widerstandslinie Nr. 1 und 2 am Pasmar-Fluß, der ebenfalls zusammenbrach.
Diese Vorstöße bildeten den Auftakt zu immer stärker werdenden Angriffen, deren Höhepunkt der Nachmittag brachte. Nach rollenden Bombenangriffen sowie starker Artillerievorbereitung - auch schwerer Kaliber - trat der Gegner mit massierten Kräften, von Panzern unterstützt gegen Kreuzburg an. Eine alarmierende Meldung folgte der anderen. Ab 13.30 Uhr griffen sowjetische Verbände an. Ein feindliches Regiment, unterstützt von acht Panzern mit Schwerpunkt entlang der Straße von Tharau, ging gegen Kreuzburg vor. Fünf Panzer überrollten unsere Infanterie, wurden aber alle mit Panzerfäusten vernichtet, zwei davon am Keygster-Fluß an der Straße nach Zinten.
Gegen 15.30 Uhr erfolgte ein weiterer Angriff mit Panzern entlang des Keyster-Bachgrundes nach Südwesten hin, ebenfalls auf Kreuzburg zu. Ab 15.45 Uhr wurde auch die 14. Pi-Kompanie frontal aus dem Wald (Punkt 7) ostwärts Kreuzburg angegriffen. Mit dem Eintreffen eines Do-Werferverbandes einer Heeres-Abteilung, der insbesondere weitere Bereitstellungen der Russen zerschlug, brachen die Angriffe ab.
Nun setzte der Russe vor dem nächsten Infanterieangriff seine Flieger ein. Um 15.50 Uhr griffen im Sturzflug zwanzig sowjetische Kampfflugzeuge die Gegend hart ostwärts Kreuzburg mit Bomben und Bordwaffen an, die Stadt wurde zum Trümmerhaufen. Die danach folgenden Bereitstellungen des Feindes beim (Pkt.41), bei der Ziegelei und in den Waldstücken östlich Kreuzburg wurden alle vom zusammengefassten Feuer unserer Waffen zerschlagen und unsere Stellungen wurden überall gehalten. Aufgrund der Bewegungen und der neuen Bereitstellungen war aber mit Fortsetzung der Angriffe zu rechnen.
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In unserer Kompanie befand sich auch der Obergefreite Horst Oehme. Von seinem Postenstand aus - er lag an der Straße nach Koppelbude - konnte er 3 km ostwärts sein eigenes Siedlungshaus beim Gutshof Arnsberg beobachten und musste mit ansehen, wie die Russen in seinen Garten eine Stellung ausbauten. Seine Frau und die zwei Kinder hatten nicht mehr vor den Mongolen flüchten können. Sie wurden mit anderen Frauen und Kindern in die sowjetischen Stellungen getrieben und mussten harte Männerarbeit verrichten. Wir konnten dies alles mit bloßen Augen sehen. Der Obergefreite Horst Oehme erkannte deutlich seine Frau und seine Kinder und Angehörige des Gutshofs Arnsberg. Durch die Gefangenenaussagen erfuhren wir, dass die Russen auch wussten, dass Oehme als Soldat dicht vor Kreuzburg auf Posten stand. Jeder wird ermessen, wie uns und dem Obgfr. zu Mute gewesen ist. Wie hatten schon den Entschluss gefasst, auf eigene Faust einen Stoßtrupp mit dem Ziel zu machen, die Familie Oehme aus den Händen der Russen zu befreien. Aber die Russen kamen uns zuvor. In der mondhellen Nacht zum 4. Februar 1945 waren die Russen plötzlich in unserer Stellung und über- wältigten zwei unserer Grenadiere. Der eine war der Obergefreite Oehme. Zwei Stunden später hatte dann unser Spähtrupp Erfolg und brachte russische Gefangene mit. Diese sagten aus, dass der Obergefreite drüben von sowjetischen Kommissaren erschossen worden sei, weil er als Gefangener gewaltsam den Versuch unternommen hatte, zu seiner Frau und seinen Kindern zu gelangen.
Vor Tagesanbruch überfiel mich am 4. Februar 1945 eine unerklärliche Unruhe. Ich trat aus dem Haus an der Pasmarbrücke und blickte über den Grabenrand zum II. Zug hinüber. Und dann ging es auch schon los. Als wenn die Welt unterging, eine Detonation nach der anderen, die ganze Stellung war in Rauch eingehüllt. Die Drahtver- bindung zum Zugfeldwebel im rechten Abschnitt war zerstört. Dann erschien ein Zugmelder und meldete, dass die Russen bereits in der Stellung seien. Bei uns an der Brücke befanden sich nur ein Unteroffizier, drei Mann und ich, weiter vorn waren ein Feldwebel und neun Mann. Was war zu tun?
Der Kompaniechef sprach vom Gegenstoß. Mann hinter Mann, die schweren Waffen des Bataillons hinter uns unterstützten unser Vorgehen. |
Mit MG-Feuer verhinderten wir zuerst mal ein weiteres Eindringen der Russen. Als wir an die Stellung unterhalb der Straße nach Pr. Eylau herankamen, in der die Russen saßen, tönten uns Lautsprecheransagen entgegen: "Germanski Soldat Krieg kaputt! Hitler kaputt! - Nix schießen!" - und dann die Stimme eines deutschen Feldwebels vom Nationalkomitee Freies Deutschland: "Ergebt euch Kameraden!"
Ja, und nun? Zuerst kroch der Kompaniechef von Mann zu Mann und sagte jedem: "Auf meinen Pfiff müsst ihr laut und anhaltend Hurra brüllen, und dann geht's drauf!" Gesagt getan, mein Herz hing in meiner Hose. Zuerst wurden einige Panzerfäuste in Richtung Iwan abgeschickt, und dann schrieen wir wie 100 Mann. Der Erfolg war verblüffend, in wenigen Minuten war die Stellung wieder in unserem Besitz. Drei schwere MG's mit Wasserkühlung, sieben leichte MG's, acht Gewehre, die gesamte Munition zu diesen Waffen und eine vollständig Lautsprecheranlage hatten die Russen zurückgelassen. Wir hatten in dieser Nacht nur drei Verwundete durch Granatsplitter. So geschehen am 4. Februar 1945 im Kampf um die Verteidigung der Stadt Kreuzburg, es war einer der letzten Gegenstöße, die wir hier noch führten.
Man fragt mich heute, was hat die ganze Verteidigung der Stadt Kreuzburg durch die 2. FschPzGrenDiv. noch für einen Sinn gehabt? Ich will die Antwort hier ganz kurz formulieren. Wir verteidigten unsere Heimat Ostpreußen und den Russen wurde dadurch ein Halt gesetzt, vielleicht nur für wenige Stunden oder Tage. Hierauf kam es damals an, nur, damit die riesigen Trecks der fliehenden Ostpreußen, die nicht in die Hände der Russen fallen sollten, in die Freiheit ziehen konnten. Vielen wurde damit doch wenigstens das nackte Leben gerettet.
Nach der Winterschlacht, die im Januar 1945 zur Bildung des "Kessels von Heiligenbeil" führte, verblieben nur noch wenige Kilometer bis zum Haff in unserem Besitz. Ein flacher Erdwall am Flussufer mit zerfetzten Bäumen und Häusern, das wäre eigentlich alles, was man von Kreuzburg berichten könnte, wenn nicht tagelang erbittert um deren Besitz gerungen worden wäre. Schwerpunkt dieses Ringens war die Innenstadt von Kreuzburg, die wir - ein deutsches Infanterie- Bataillon von der 2. FschPzGrenDiv. - besetzt hielten. Mein nachfolgender Erinnerungsbericht soll darum ein bescheidener Versuch sein, den Höhepunkt dieser Kämpfe zu schildern.
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Die Bomben, die in der Nacht zum 4. Februar 1945 fast pausenlos auf Kreuzburg und in unseren Abschnitt schlugen, kündeten einen kurz bevorstehenden Großangriff der Sowjets an. Beim ersten Morgengrauen begann dann auch das vorbereitende Feuer der feindlichen Artillerie. Es schwoll stündlich an und wurde zum Trommelfeuer. Gleich- zeitig blockierte schweres Störungsfeuer die einzigen Verbindungswege von Zinten und Koppelbude, die durch Waldgelände nach vorn in die deutschen Stellungen führte. Nach den Misserfolgen dieser ersten beiden Großkampf- tage, griff der Russe zu einer neuen Taktik: Vier seiner leichten Feldgeschütze, als "Ratschbumm" unangenehm bekannt, zerlegte er in der Nacht und schaffte dann die Einzelteile durch das versumpfte Gelände am Pasmarfluß bis auf achtzig Meter an unsere HKL heran. Im Schutz des unübersichtlichen Schneegeländes baute er sie in der Nacht zusammen. Am Morgen des zweiten Tages am 4. Februar eröffneten dann diese Geschütze - für uns Verteidiger völlig unerwartet - das Feuer auf den linken Flügel des Bataillons und mit der letzten Granate, die sie am Vormittag auf das zerschossene Kreuzburg feuerten, waren die Sowjets auch schon da!
Im Feuerschutz ihrer Geschütze und Panzer, die sie so weit wie möglich bis zur Pasmarbrücke herangeführt hatten, gelang es ihnen, sich langsam heranzuarbeiten. Immer neue Angriffswellen brachen vom Bahnhof und der Ziegelei vor. Und während der Gegner am Keyster-Fluß einen Angriff vortäuschte, griff er überraschend am rechten Abschnitt zwischen der Brücke und der Zintener-Straße an, insbesondere gegen die Ruinen an der Wasserstraße und Dammstraße. Doch auch dieses Mal scheiterten alle Angriffe. Am Vormittag gegen 11.00 Uhr wurde es wieder still vor der HKL.
Dann aber brach am Mittag des 4. Februar 1945 ein Trommelfeuer von nie zuvor erlebter Wucht über unseren Stellungen herein! Das Feuer der gesamten sowjetischen Abschnitts- Artillerie, verstärkt durch Stalinorgeln und heftige Tieffliegerangriffe, konzentrierte sich auf die gesamte Innenstadt bis zur Kirchen- und Hofstraße.
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Granaten von 7,62 cm bis 27,5 cm wühlten die Ruinen von Kreuzburg auf, verschütteten Stellungen, zerschmetterten MG-Stände und verwandelten das Kampf- gelände in eine Kraterlandschaft. Doch immer noch stürmten die erdbraunen Gestalten - unter ihnen Usbeken und Mongolen - in dichten Scharen heran. Und dennoch erhoben sich am Spätnachmittag, als das Feuer und die Angriffe endlich weniger wurden, vom Staub verschmutzte Soldaten aus den zertrommelten Ruinen der Stadt. Doch in erster Linie waren es wiederum die unbekannten Einzelkämpfer der Grenadier- Kompanien, die zäh und verbissen jeden Meter dieser Stadt Kreuzburg verteidigten. Und die Bilanz dieser Stunden: Schätzungsweise pflügten 10.000 Granaten Kreuzburg um. Beim schwersten Angriff des 4. Februar am Spätnachmittag waren es noch weitaus mehr. Was ich hier berichte, war mein persönliches Erlebnis, und im Divisions-Tagesbericht vom 4. Februar 1945 nur eine kurze Notiz.
Am 4. Februar war klar, dass wir unsere Stellung in den Ruinen des Marktplatzes bis hin zur Kirche nicht halten konnten. Der Munitionsvorrat ging zur Neige, die Verpflegung war aufgegessen, die Kälte kaum mehr zu ertagen. Durch die fortgesetzten Angriff des Feindes mit schweren Panzern und die Infanterie war es nicht mehr möglich, auch nur zum Gegenstoß anzutreten. Nach Gefangenenaussagen sollte um 16.00 Uhr wieder angegriffen werden. Jedoch ging dieser Zeitpunkt vorüber. Aber um 18.00 Uhr, nun fast überraschend, verstärkte sich das schon alltägliche Artilleriefeuer erneut zum Trommelfeuer. Schwerste Granaten der Artillerie und Geschosse der Stalinorgeln gehen auf Kreuzburg nieder und dabei insbesondere auf den Raum des Bataillonsgefechtsstandes im Schulgebäude bei der Kirche. In den Hausruinen hocken wir Soldaten, Wolldecken gegen Staub, Splitter und Steinbrocken über den Schultern bis an den Rand des Stahlhelms, immer in Erwartung eines Volltreffers. Rechts, links, davor, dahinter, beim Einschlag der schweren Granaten zittern die Ruinen und die Erde bebt. "Hier aus Kreuzburg kommt keiner mehr von uns raus!?"
Um 19.00 Uhr dehnte der Russe das Trommelfeuer aller Kaliber der Artillerie, von Salvengeschützen und Granatwerfern auf die Lindenstraße, Kirche, Schule bis zur Vorstadt aus. Um 20.00 Uhr kam der Befehl zum Durchbruch nach Tiefenthal und weiter in westlicher Richtung. Einen Augenblick durchzuckte mich das Gefühl vollkommener Verzweiflung. In der Tür des letzten Hauses in der Vorstadt von Kreuzburg stand eine junge Frau. Ich schrie ihr im Vorbeihasten zu "komm mit" und wies mit dem Finger in die dunstige Stadt hinein. Ich lief um mein Leben, wie lange weiß ich nicht mehr. In einer Senke am Stadtgrund warf ich mich völlig ausgepumpt in den Schnee. Als ich aufstand, war ich allein. Die Russen hatten die Verfolgung aufgegeben - sicher aus Furcht, auf weitere deutsche Grenadiere zu stoßen. Wir marschierten in der Nacht zum 5. Februar nach Westen.
Endlich tauchten vor mir die Dächer eines mir unbekannten Gutshofs auf. War er von den Deutschen oder vom Russen besetzt? Eine Weile stand ich unschlüssig im Schnee. Waffenlos wanderte ich auf die rechte Scheunenspitze zu. Als ich mich auf etwa 50 m genähert hatte, sah ich zwei Gestalten. Ein Gefühl ungeheurer Mutlosigkeit überfiel mich. Waren es wieder Russen? Noch einmal würde ich nicht imstande sein, ihnen zu entfliehen. Und oft malte ich mir aus, was wohl geschehen wird, wenn es Russen sind! Dann kam die Erlösung: Es waren Fallschirmjäger vom 16. Regiment, Feldwebel P. Holder und fünf Mann, die die letzte deutsche Nachhut bildeten. Später zählte ich in meiner Winterjacke fünf Löcher. Die Tatsache, dass ich sie offen trug, rettete mir das Leben. Der Mongole in Kreuzburg schoss daneben! Bei der Flucht ging mein Blick zurück. Ich sah die Russen auf der Straße, sie schossen auf mich, ich lief weiter, während die offene Jacke flatterte. So war ich noch einmal mit dem Leben davongekommen. Tagebuch 5.2.45.
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Lagebeurteilung der PzGrenDiv. "Großdeutschland" vom 5.2.1945
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Was damals wirklich geschah:
Der für die Nacht vorgesehene Angriff misslang von vornherein, als die Pioniere beim Angriff weiße Leuchtkugeln hochjagten, die das gesamte Kampffeld im Schnee gleißend hell beleuchten und die Sowjets hellwach machten.
03.00 Uhr. Noch ehe die Panther überhaupt eine Granate abfeuern konnten, waren bereits zwei von ihnen abgeschossen. Das Unternehmen wurde sofort wieder abgeblasen.
Kurz danach um 04.00 Uhr ziehen das I./SPW-Btl. unter Hptm. Pfau und das ll./Btl unter Hptm. Mackert in die Stellungen bei Neu-Colbnicken, um nach Norden anzugreifen. Oberst Heesemann selbst leitete das gesamte Angriffs- Unternehmen. Oberst Heesemann und dessen Stab hatte sich westlich Neu- Colbnicken in die Ziegelei bei Waldpothen begeben, die gerade von einge- sickerten Sowjets gesäubert wurde. Eigenes Do-Werfer- Feuer rauschte über die Köpfe der Angriffstruppen GD hinweg. Feindliches schweres Granatwerfer- Feuer lag auf den Grenadieren, ehe hier überhaupt angegriffen wurde Hier schien die Hölle los zu sein.
Oberst Heesemann stand gerade in der Ziegelei am Fernsprecher und sprach mit Generalmajor Lorenz, als wieder ein schwerer Granatwerfer- Feuerüberfall niederging. Leise aufstöhnend brachen der Oberst und der Kommandeur des PzGrenRgt. GD zusammen, von Splittern direkt ins Herz getroffen. Oblt. Jaenicke nahm ihm den Hörer aus der Hand und meldete an GenMaj. Lorenz: "Herr Oberst ist soeben gefallen. Wir hatten einen Granatwerfer-Feuerüberfall! "
Der Angriff ging weiter, die Schützenpanzer des 1./SPW Batl. fuhren vor und konnten bis zum Bahnhof Seepothen vordringen, doch schaffte es nur der rechte Flügel des II./Btl. der PzGren. GD, zu folgen. Die Masse kämpfte noch immer das Wäldchen (Pkt.16) vom eingesickerten Feind frei.
Von den Grenadieren des II./Btl. wurden neue Stellungen mit der Front nach Nordost eingenommen, die 5. Kompanie blieb in Reserve, die 6. Kompanie unter Führung von Ltn. Hoffinann und die 7. Kompanie stand an der Straße von Seepothen nach Waldburg. Die 14/4 Pi-Kompanie HG ging in den Abschnitt an der Autobahn Sollnicken - Tykrigehnen zurück. Langsam trat in diesen Abschnitt Ruhe ein.
Am folgenden Tag, dem 7. Februar 1945, wurden die Stellungen am gesamten Frontabschnitt ausgebaut, teilweise verdrahtet und es wurden Minen verlegt. Am 7. Februar 1945 wurde der am Vortag gefallene Oberst Heesemann am Kirchenportal in Brandenburg am Frischen Haff mit 98 gefallenen deutschen Soldaten beigesetzt.
Hauptmann Busse wurde schwer verwundet, auch Leutnant Hentschel fiel aus, beide wurden auf Militärlastwagen verladen und mussten zurück zum HVP nach Heiligenbeil- Industriewerk. Hier lag das Oberkommando der 4. Armee.
Verwundetentransporte mischten sich mit den Trecks auf der Reichsstraße 1 zu einem unentwirrbaren Knäuel. Währenddem war das Thermometer auf 18 Grad unter Null gesunken. Trotzdem waren überall Wagen zum Frischen Haff unterwegs. (Berichterstatter gehörte zur 14.Pi.Kp.)
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Überall im Zwischengelände an der Straße von Waldburg nach Seepoethen lagen ausgebrannte und beschädigte deutsche Panzer vom Typ "Panther" der Panzerdivision "Großdeutschland" (2.2.45)
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Von Kreuzburg nach Tiefenthal-Globuhnen
Die brennenden Häuser in Kreuzburg rochen wegen der Vorräte in den Kellern wie Kartoffelfeuer. Sie erleuchteten gespenstisch den Rückweg, es war ein buchstäbliches Abziehen aus der Hölle. Die Truppe war am Ende ihrer Kräfte, so dass nicht einmal die Schwerverwundeten in der Nacht zum 5. Februar zurückgebracht werden konnten. Nach der Auflösung des Hauptverbandsplatzes in Kreuzburg (Schule) wurde in den Mittagsstunden des 4. Februar von der 2. Sanitätskompanie in TiefenthaI gegenüber der Schule ein neuer HVP eingerichtet. Auf dem Marsch nach Sollnicken besuchten wir in Tiefenthal unseren Kameraden Feldwebel Bl., der mit einem furchtbaren Blasen- und Hodenschuss schwer danieder lag. Erst vom Scharfschützen angeschossen, dann zu spät operiert, auf dem Transport zum HVP die silberne Uhr geklaut und nun hier zwischen den Schwerverwundeten fast ausschließlich unserer FschPzGrenDiv. HG liegend. Unser Kamerad wusste selbst, dass sein Leben zu Ende ging.
Unser Marsch vom Pasmarshof über TiefenthaI nach Sollnicken-Tykrigehnen ging in die Nacht hinein. Der Marsch der Kampfgruppen in die befohlenen neuen Räume gestaltete sich durch die schlechten und nun wieder vom Schnee verwehten Wege äußerst schwierig. Ließ der Schneesturm einmal nach, erschienen die vorausmarschierenden Grenadiere wie der Schattenriss eines Dorfes. Bei auch nur ganz kurzem Halt lag alles auf dem vereisten glatten Boden und begann zu schlafen. Die schweren Winteranzüge, die Filzstiefel und das Tragen der Ausrüstung ermüdeten sehr.
Das Zurückgehen des 3. und 4. Regiments erfolgte planmäßig. Bei der Ankunft nach vier Stunden Marsch am 5. Februar 1945 um 5.00 Uhr in Sollnicken- Tykrigehnen, welches etwa in der Mitte des Abschnittes der 2. FschPzGrenDiv. HG lag, waren unser Quartiere im Gutshof von Sollnicken. Schloss und Gut gehörten einem ehemals preußischen Kavallerie-Offizier. Auf einer Scheunentür wurde ein Kalb für die Feldküche zerlegt. Die Köche hatten stets "für alle Fälle" die Stielhandgranate im Stiefelschaft. Der Gartenzaun wurde nach und nach verheizt, denn wir waren auf die Versorgung aus den Gutshäusern angewiesen.
Die eigene Feldküche kam an das Essen nicht heran. Sie kochte zwar ein sehr schmackhaftes Essen, aber die ständige Kohlsuppe und das nicht abgehangene Fleisch verursachten bei allen immer wieder "Dünnpfiff". Also freuten wir uns über das Eingemachte aus den Kellern und auf einen Kalbsbraten. Beim Durch- suchen aller Gebäude und Ställe wurden im Heu zwei russische Soldaten mit einem Funkgerät, vier Handgranaten und einer M.Pi. gefunden. Immer wieder war also Vorsicht geboten.
Die Truppe ruhte, jedoch dauernd in Kampfbereitschaft. Unsere Aufklärung war ohne Feindberührung an der Autobahn Elbing-Königsberg entlang bis Tiefenthal und zum Fluß Stradick (Pasmar) gekommen. Um 8.00 Uhr wurde uns das Eintreffen unseres Divisions-Kommandeurs General-Major Schmalz gemeldet. Der General kam mit geschientem Arm und voller Herzlichkeit, wie wir es bei diesem "letzten Preußen" - so wurde er genannt - nie erlebt hatten. Er brachte auch eine freudige Nachricht mit! Der Feldwebel Reimers von der 13. Kompanie war mit fünf Mann nach vier Tagen aus Dollstädt in Zivil zurück gekommen. Peinlichste Vernehmungen jedes Zurückgekehrten bzw. über den Verlust der Waffen waren allerdings die Folge. Der General ließ die Leute erst mal beim Divisions-Gefechtsstand im Gutshof Dösen zurück. Es fehlten zu diesem Zeitpunkt immer noch 32 Vermisste unserer Kompanie.
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Unsere Kompanie hatte eine neue Stellung im oberen Bereich eines sich lang hinziehenden flachen Hangs bezogen. Dieser fiel zu einer Senke am verschneiten Stradick-Flußlauf bei Globuhnen ab, in der sich einige kleine Scheunen und kahle Bäume aneinander drängten. Hier wurde sofort mit dem mühsamen Eingraben begonnen. Flankenanschluss an andere Einheiten gab es auch diesmal nicht. Eine Vorderhangstellung dieser Art und direkt am Fluss war für uns eine miss- liche Sache, weil sie vom Russen aus Kusitten und Liepnicken auf große Entfernungen hin gut erkennbar war und keine Rückzugsmöglichkeit in eine weniger einsehbare und damit sicherere Position bot. Ich glaube, dass dieses taktische Prinzip der Vorderhangstellung bei der FschPzGrenDiv. viele unnötige Verluste verursacht hat. Wir Grenadiere haben uns immer für einen Stellungsbau knapp hinter einen Höhenkamm mit vorgeschobenen sMG-Stellungen auf einer Hanghöhe eingesetzt. Es sind jedoch nach hohen unnötigen Verlusten nachträglich niemals die aufgetretenen groben takti- schen Fehler und das Versagen ganzer Stäbe sowie einzelner Offiziere ergründet worden.
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Im Gegenteil, man hat noch 1945 in großen Planpausen den Ablauf der Kämpfe festgehalten, die dem Wunschbild, aber nicht der Wirklichkeit entsprachen. Soweit der Sprechfunk in der damaligen Qualität funktionierte, diente er nur der Verbindung mit dem Bataillonsstab im Gutshof Dösen. Der Gefechtstross vor der Hauptkampflinie hatte kein Gerät. Vor Kreuzburg bei Kilgis gelang es einem fixen Gefreiten, aus einem abgeschossenen sowjetischen Panzer vom Typ T-34 die Funkunterlagen und das Sprechfunkgerät sicherzustellen. Der Funkverkehr wurde vom Funktrupp unserer Kompanie ausgewertet, so dass der russische Panzerfunk-Sprechverkehr beim Hauptangriff mitgehört werden konnte.
Allein bei der Nachrichtenstaffel, soweit diese nicht schon den Kompanien zugeteilt wurden, fielen vier Funker aus. Da die Sollstärke einer Kompanienachrichten- staffel (1 Unteroffizier und 2 Funker) schon längst nicht mehr bestand, waren die Auswirkungen fühlbar, zumal auch Kompaniemelder fehlen. Der Funktrupp hatte schließlich in einer kleinen Scheune am Bachlauf ein Platz gefunden - eine Vorderhangstellung! Der Funker musste sofort auf Empfang gehen, denn ein Drahtnetz für die Stellungen war noch nicht verlegt und die Kontakte des Dora-Gerätes waren bei minus 18 Grad mal wieder eingefroren. Aber es wurde wenigstens harter Käse und pro Mann eine Viertelflasche kalter Kaffee ausgegeben.
Unser erster Spähtrupp in Richtung Liepnicken hatte sich zu einer Katastrophe entwickelt. Wir erkundeten in der Nacht, dass Liepnicken feindfrei war. Wir konnten also versuchen, in den ersten Häusern eine kurze Erholungspause einzulegen und etwas Essbares zu "organisieren", denn weit und breit war kein Russe. Aber uns vier ritt der Teufel. Wir stampften im Schnee in das langgestreckte Dorf hinein, 50 bis 100 Meter. Noch immer nichts, kein Russe. Sollten wir nicht lieber umkehren? Da sah ich in einem Haus eine Frau mit zwei Kindern, die gerade Kartoffeln aufgesetzt hatte. Wir konnten nicht widerstehen, hatten wir doch seit mehr als 8 Stunden nichts mehr zu uns genommen. Wir baten sie um eine Portion der leckeren Kartoffeln und setzten uns zum Essen nieder, das Sturmgewehr 44 immer greifbar.
Aber kaum hatte ich die Gabel wieder zum Mund geführt, da blickte ich in einen Pistolenlauf. "Ruki wjärch!" Nur zu gut kannte ich diese Vokabel. Wir hoben unsere Hände. Nun war uns das passiert, was ich bisher in meinen schlimmsten Träumen erlebt hatte. Würden die drei Russen mit uns als Einzelgängern kurzen Prozess machen? Von dem Mongolen, von dessen Jacke mir breite gelbe Schulterstücke mit schwarzen Querstreifen und dem blechernen roten Stern an ihren großen flachen Tellermützen entgegenstarrten, waren nach unflätigen Äußerungen wie "Niemjetzki kaputt" keine Freundschaftsgefühle zu erwarten.
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Währenddessen fuhr der Mongole fort, meine Taschen zu durchsuchen. Gleich zu Anfang hatte ich das Koppel abschnallen und mitsamt allem Zubehör auf den Boden werfen müssen. Jetzt musste ich meine Winterjacke zurückschlagen und die Taschen meines Uniformrockes wurden durch- wühlt. Zunächst fiel ihm mein Notizbuch in die Hand, es enthielt 40 Reichsmark und, was mir schmerzlicher war, meine stichwortartigen Notizen. Jetzt würde er meine Uhr finden und mein großes Tagebuch? Das hat dieser fanatische Mongole aber nicht!
Doch jetzt kam eine eisige Ruhe über mich. Noch waren die Kameraden da. Zwei Russen gingen raus, wenn wir jetzt handelten, hatten wir eine Chance, die Freiheit wiederzugewinnen. Eine lächerliche kleine Chance. Sie war aber größer als die Aussicht, die nächsten Minuten nicht lebend zu überdauern. Dann war mein Entschluss gefasst. Ich griff blitzschnell mit der rechten Hand den Mongolen am Handgelenk und wollte ihm seine Pistole entwinden, aber der hielt eisern fest. Unser Spähtruppführer Erwin R. riss den Mongolen zu Boden. Auf einen langen Kampf konnten wir uns nicht einlassen, also raus und laufen. Wir hörten noch das Brüllen hinter uns und dreimal knallte es kurz hinter uns her, während ich um einen Strohhaufen herum zur Ecke eines Hauses lief. Aber ich spürte nichts, gewann hakenschlagend die nächsten Häuser und wir liefen weiter um unser Leben, wie lange wusste später keiner mehr.
Wir vier liefen in großen Abständen zurück, gerade, dass wir uns noch sehen konnten. Rechts und links von uns flammten immer wieder die grellen Leuchtkugeln des Russen auf und jedes Mal lagen wir blitzschnell im Schnee. Es kam uns wie eine Ewigkeit vor, ehe wir unsere HKL erreichten. So waren wir wieder mal mit dem Leben davongekommen, das wir durch eigenen Leichtsinn gefährdet hatten. Aber wir wussten jetzt, wo der Russe war! An Schlaf war nicht zu denken, denn jeder einzelne war auf seinem Posten. Wie leicht konnte der Russe in der Dunkel- heit heranschleichen und uns ein paar Handgranaten ins Loch werfen. Oft stellte ich mir die Frage, wie das weiter gehen soll.
Um die nur dünn besetzte HKL weiterhin zu sichern, wurden statt der Gefechtsvorposten bei Tage vier Einzelspäher und bei Nacht Horchposten vorgeschoben, um einen überraschenden Angriff zu verhindern. Auch eine Lausch-Nachrichten-Gruppe leistete durch ihre Abhörmeldungen beim Gegner wertvolle Dienste (frühzeitiges Erkennen seiner Angriffsabsichten usw.)
In der schwachbesetzten HKL wurden einzelne Schützennester mit Nahkampfwaffen und reichlich Munition eingerichtet. Unbesetzt gebliebene Abschnitte und Lücken wurden besonders stark durch Hindernisse und Minen gesperrt. Hinter der HKL an der Reichsstraße 126 zwischen der Autobahn und Tiefenthal - Glauthienen wurden zwar Riegelstellungen angelegt. Diese hatten jedoch nicht den Zweck, bei einem Zurückweichen aus ihnen heraus den Abwehrkampf fortzu- setzen, sondern dienten in erster Linie vielmehr der Bereitstellung von Stoßreserven. Die ganze Verteidigung wurde auf standhaftes Aushalten vorne und energisch geführte Gegenstöße aufge- baut, wo diese nötig wurden. Es gab keine Stellungswechsel mehr, die Front musste gehalten werden. Die Sowjets hatten den Ring enger gezogen und das Haff bei Brandenburg erreicht, so dass nur noch das etwa 30 Kilometer breite Mittelstück der Haftküste zwischen Brandenburg und Heiligenbeil frei war.
Im Abschnitt der 2. FschPzGrenDiv HG spielte sich ab Februar 1945 die Abwehr in folgender Art und Weise ab.
Befehl vom General: "Die HKL hat jeder Mann und jede Gruppe unbedingt zu halten, auch wenn der Russe bereits ein- oder durchgebrochen ist und unsere Stellungen umgangen sind. Sie sollen vor allem den nachfolgenden Gegner binden und die nötige Zeit für Gegenangriffe erkämpfen. Diese sind von der Kompanie- und Btl.- Reserve sofort und automatisch sowie möglichst gegen die Flanke und im Rücken des eingebrochenen Gegners stoßtruppartig zu führen. Führt der jeweils angesetzte Gegenstoß nicht zum gewünschten Erfolg, dann ist unter Heranziehen der Rgt.- und Div.-Reserven und unter Einsatz aller verfügbaren schweren Waffen ein Gegenangriff anzusetzen. Erst wenn das aufgerissene Loch in der HKL wieder besetzt und gesichert ist, werden die hinter der eigenen HKL abgeschnittenen restlichen Feindkräfte gestellt und vernichtet." (Aus dem Kriegstagebuch der betroffenen Division HG) Dieser Befehl war ein Wunschbild! - Februar 1945.
Die Wirklichkeit war: Feindliche schwere Waffen wurden nach Gehör und Kompass angeschnitten und ermittelt und durch dicht hinter der HKL stehende Granat-Werfer bekämpft - wenn Granatwerfer-Munition da war! Im Erdkampf konnten eigene schwere Waffen und die Flakartillerie wegen des ungünstigen Geländes kaum auf beobachtetes Feuer schießen. Sie wurden daher auf allen möglichen und infrage kommenden Annäherungswegen und Bereitstellungsräumen der Russen in Form von starrem Sperrfeuer eingeschossen. |
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Am 6. Februar 1945 führten die Russen nach reger Spähtrupptätigkeit und Luftaufklärung einen ersten Vorstoß in Kompanie-Stärke gegen die Dörfer Koppel- bude, Sollnicken und Globuhnen durch. Die Angriffe wurden im Gegenstoß zurückgeschlagen, ebenso zwei weitere russische Stoßtrupps gegen den Ostrand Sollnicken bei der Mühle.
Am nächsten Tag setzten ab dem frühen Morgen bei minus 12 Grad Artillerie- und Granatwerfer-Feuerüberfälle mit steigender Heftigkeit ein, denen dann am Vormittag ein starker Angriff auf die Mitte zwischen Sollnicken und Globuhnen folgte. Der einbrechende Russe wurde durch eingreifende örtliche Reserven wieder zurückgeworfen. Zwei weitere Angriffe bis jeweils in Btl.-Stärke wurden an der gleichen Stelle noch unmittelbar vor der HKL am Fluss Stradick zum Stillstand gebracht. Gleichzeitig mit einem erneuten letzten Angriff erfolgte nun auch ein Stoß zwischen der Autobahn und der Brücke vor Sollnicken, der ebenfalls dicht vor der Reichsstraße 126 zusammenbrach.
Diese Vorstöße bildeten den Auftakt zu immer stärker werdenden Angriffen, deren Höhepunkte der 10. Februar und weiter bis zum 28. Februar 1945 brachte. Nach rollenden Bombenangriffen sowie starker Artillerie-Vorbereitung und der schwerer Salvengeschütze (Stalinorgeln) trat der Gegner frühmorgens mit massierten Kräften, unterstützt von neun Panzer vom Typ T-34, aus Richtung Liebnicken gegen den Abschnitt Gutshof Sollnicken und Gut Kämmershöfen an. Während vier unablässig geführten Angriffen konnte der Russe unter erbitterten Nahkämpfen schließlich in der Mitte des Abschnitts einbrechen. Wiederum wurden fünf der T-34 nach bewährter Methode und dank zähen Aushaltens der vorderen Teile mit der Panzerfaust von uns außer Gefecht gesetzt sowie in erbitterten Nahkämpfen ein sofortiger Gegenstoß unter hohen Feindverlusten abgeschlagen. Einige Vorstöße der sowjetischen Infanterie waren schon vor der HKL zusammengebrochen.
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"Panzer sind nicht unverwundbar!" Ein Erfahrungsbericht über Panzernahbekämpfung vom November 1944 im Kreis Gumbinnen.
Nahbekämpfung von Panzerkampfwagen erfordert Kühnheit, Gewandtheit und schnelle Entschlusskraft mit Selbstbeherrschung und Selbstvertrauen. Ohne diese Eigenschaften nützen die besten Kampfmittel nichts. Was in der Grundausbildung in Holland vernachlässigt wurde und was uns die Rote Armee leider nur recht blutig lehrte, war die Panzernahbekämpfung als Einzelkämpfer. Man hat uns jungen Soldaten erst im November 1944 im Raum Gumbinnen die Panzernahbekämpfung an einem sowjetischen T-34 beigebracht.
Jeder Panzer verfügt über ein nur begrenztes Sichtfeld, insbesondere im Einsatz, wenn die Sichtklappen geschlossen werden müssen. Außerdem entsteht in der unmittelbaren Nähe des Panzers ein "toter Winkel", der von der Besatzung überhaupt nicht eingesehen werden kann. War der Grenadier mit der Panzerfaust oder mit dem Panzerschreck ausgerüstet, konnte jeder - wenn er gute Nerven hatte - einen Panzer vernichten. Nach dem Abschuss musste aber jeder schleunigst eine sichere Deckung aufsuchen und bei Nacht sofort die Stellung wechseln, da erfahrungsgemäß die folgenden Panzer wild in die Gegend feuerten, verschont gebliebene Kampfwagen jedoch nicht weiter vorstießen, sondern den Rückzug antraten.
Die eingedrungenen erschöpften Russen ergaben sich dann recht schnell. Manche hatten die gerollten Decken schräg über die Schulter gelegt. Auf leichten Fuhrwerken führten sie Verwundete mit sich, denen sich unser Sanitäter gleich annahm. Die gefangenen Offiziere trugen alle blecherne Sowjetsterne. Ihren Schmerz über den Zusammenbruch konnten sie nicht verbergen.
Unter Einsatz der Artillerie aller Kaliber, der Salvengeschütze und der Schlachtflieger griff der Gegner am 7. und 8. Februar 1945 erneut gegen den Abschnitt Nord an. Alle diese Angriffe wurden hartnäckig vorgetragen. Der Russe verfolgte weiter seine Absicht, die Front der FschPzGrenDiv. mit Schwerpunkt Sollnicken, Globuhnen und Tiefenthal zu durchstoßen und unter fortgesetztem tiefgestaffeltem Durchbruch gleichzeitig die Front nach Süden Richtung Zinten aufzurollen.
Doch wiederum wurden alle vier Angriffe, die zum Teil mit Panzerunter- stützung geführt wurden, nach bewährter Methode zerschlagen. Von den sieben eingesetzten Feindpanzern wurden drei durch Auflaufen auf Minen, ein vierter durch Panzerjäger und ein fünfter mit Nahkampfwaffen (Ofenrohr) vernichtet, zwei traten den Rückzug an.
Ab Mittag hatte sich der gegnerische Artilleriebeschuss erheblich verstärkt. Daraufhin wurde von zwei deutschen Art.-Abteilungen das Feuer in den erschossenen Sperrfeuerraum vor diesen Abschnitt gelegt und, wie sich später zeigte, dadurch auch eine größere feindliche Bereitstellung der Höhenschlucht zerschlagen. Im Raum der Reichsstraße 126 verfügte die Korps-Artillerie-Abteilung HG über acht Geschütze, für die aber nur neun Schuss Artilleriemunition vorhanden waren. |
2-cm-Vierlingsflak nimmt feindliche Stellungen und Fahrzeuge auf der gegenüberliegenden Hangseite unter Feuer
Die 2-cm-Flak in Feuerstellung hinter der Hauptkampflinie
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Der dann folgende Munitionsnachschub am 8. Februar ist auch noch beim Kampf um Nemritten - Klausitten am 12. und 13. Februar so gering, dass auf den nun wieder in Massen anrennenden Feind lediglich vier Schuss abgefeuert werden dürfen. Die ganze Last der Abwehr liegt allein bei den Grenadier-Bataillonen. Während die besten Batterien zunächst noch für den Kampf der Grenadiere verfügbar blieben, wurden die 3. und 5. Batterie aufgelöst. Die Angehörigen dieser Batterien, die am meisten in vorderer Linie eingesetzt wurden, waren am schwersten betroffen. Die Truppe wurde auseinandergerissen und verlor den letzten, in dieser Bitternis doppelt wichtigen menschlichen Kontakt. (Bericht vom Art.-Rgt.1945)
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Verbreiterung der Frontlücke an der Reichsstraße 126
Am 8. Februar 1945 blieb es zunächst über den Vormittag vor der ganzen Front ruhig. Der Druck der Roten Armee verstärkte sich am Nachmittag und zwang dazu, einige Stellungen aufzugeben und in der Nacht bis zur Reichsstraße 126 zurückzu- gehen. Die Ortschaften von Konradswalde an der Autobahn bis nach Zinten lagen noch voller Trosse fremder Einheiten und Flüchtlingstrecks, die aus Erschöpfung liegengeblieben waren und auch nicht wussten, wohin sie ihren weiteren Rückzug über- haupt hinwenden sollten. Der verbleibende Raum für die eingeschlossenen Divisionen und die Flüchtlingstrecks war schon zu eng.
Die rote Luftwaffe griff nun Welle auf Welle die überfüllten Dörfer mit ihren Schlachtfliegern vom Typ IL-2 an und verursachten verheerende Ausfälle. Der Beschuss hatte die in den Dörfern zusammen- gepferchten Menschen in panische Angst versetzt. Jeder versuchte jetzt, im tiefen Schnee zu fahren, wo es nur ging. Aber noch immer hatten der Volks- sturm und ein paar finster blickende Gestalten mit der berühmten Kette am Hals die linke Straßen- seite mit MPs fürs Militär freizuhalten. Die bei den Kämpfen versprengten, also von ihren Einheiten getrennten Soldaten, die keinen Marschbefehl vorweisen konnten, wurden von den brutalen Kettenhunden ohne viel Federlesen den Stand- gerichten zugeführt.
Diese gehörten zu der arroganten Kaste der "Herrenmenschen" - wie die Angehörigen von Stäben und Spezialeinheiten aller Art. Kämpfen war nicht ihre Sache, ihr Krieg spielte sich nicht da ab, wo gelitten, gefroren, gehungert und gestorben wurde, sondern in der behaglichen Etappe, da, wo es warm war, wo der wohlorganisierte Nachschub an Cognac floss. Alles nach dem zynisch zitierten Motto: "Genießen wir den Krieg, das Ende am Haff wird fürchterlich!"
Die Flüchtlinge kamen mit ihren Fuhrwerken nur meterweise voran, für wenige hundert Meter brauchten die Wagen drei Stunden, es gab kein Vorankommen und zu allem Elend setzte auch noch ein Schneetreiben ein, das immer dichter wurde. Auf dem Bettzeug und dem Gepäck der offenen Wagen lag eine dicke Schneeschicht. Die Mähnen der Pferde waren eisverkrustet, die Bremsen längst festgefroren und wenn es bergab ging, behalfen sie sich mit Ketten und Prügeln in den Speichen, um die Räder zu blockieren. Die Bauernfuhrwerke zockelten anfangs ratlos weiter. Als aber die Kolonnen an ihrer Seite immer dichter wurden, blieben sie stehen. Ihre Flucht war sinnlos geworden.
Immer wieder wurde eine neue Abwehrlinie einge- richtet. Wir Grenadiere mussten uns laufend bei ungünstigen Verhältnissen immer ein paar 100 Meter vom Feind lösen, denn der Materialeinsatz der Russen wurde erdrückend. Schwärme von Kampfflugzeugen hingen über uns, die sowjetische Artillerie schoss Waggonladungen Munition in jedes Dorf. Der Russe begann, seine Menschen zu schonen, er führte den Vernichtungskampf mit schweren Waffen.
Die Verluste der 2. FschPzGrenDiv. aus dem letzten erhaltenen Tagesbericht vom 9. Februar 1945: |
Während sich deutsche Panzer und Grenadiere an der Autobahn zum Gegenstoß sammeln, wird das Dorf Globuhnen am 8. Februar 1945 zerstört. Es gibt kaum noch Überreste (Bild oben). 1994 wurde an dieser Stelle eine Autobahnbrücke errichtet, die links nach Sollnicken - Zinten führt und rechts nach Koppelbude. (Bild unten)
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"Die Verluste sind groß. Insgesamt hat das 4. Regiment an vier Tagen 180 Ausfälle an Toten und Verwundeten. Angesichts dieser Ausfälle und dem Mangel an Offizieren in der Hauptkampflinie befielt das Regiment die sofortige Zusammenlegung der beiden Bataillone unter Führung des Kommandeurs Major Stauch mit dem späteren Ziel, das II. Bataillon völlig aufzulösen. Die am 8. Februar südlich Globuhnen besetzte neue Stellung zieht sich durch unübersicht- liche Höhen, welche dem Russen ein nahezu unbeobachtetes Anschleichen als auch ein Durchsickern hinter die Stellungen und Angriffe aus dem Rücken ermöglicht. Das macht einen erneuten Stellungswechsel in den Raum an der Reichsstraße 126 nötig."
Unter großen Opfern wurde diese Stellung im Vorfeld der Autobahn bis zum 20. Februar 1945 gehalten. Trotz der materiellen Überlegenheit des Feindes wurden wiederholt erfolgreiche Gegenstöße geführt. Nur gegen die nicht mehr abreißenden Schlachtfliegerangriffe bei Tag und Bombardierungen mit Phosphorbomben in der Nacht gab es keinen Schutz. Mit deutlich abflauendem Feindfeuer und nachlassender Fliegertätigkeit stellten die Russen vorerst ihre vergeblichen Angriffs- versuche gegen die 2. FschPzGrenDiv HG wieder ein. (Sollnicken - Globuhnen 8. Februar 1945)
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Weder die Kampfgruppen noch das Sturmbataillon Leh- mann wollten sich in den kleinen Forst hineindrücken lassen. Deshalb zogen beide ihre inneren Truppen unter dem sich verstärkenden Feinddruck bis zur Straße 126 zurück, der rechte und linke Flügel blieb in der HKL, um dadurch der Gefahr einseitiger Umfassung auszuweichen. Sonst hätte es für manche Kampftruppen zu einer Falle werden können. Die gewonnene Frontlücke nutzten die Russen zum Vormarsch nach Tollstädt und Vw. Wangnicken. Weitere fdl. Verbände schlossen sogleich auf. Vorüber- gehende Entlastung brachte der Vorstoß des Sturmbataillons Lehmann in die Flanke des durch die Lücke vorgehenden Feindes. Es fehlte jedoch an Kräften, den Russen die weitere Durchquerung zu verwehren.
15.30 Uhr - Die Sowjets wiederum unternahmen an anderen Abschnitten Entlastungsangriffe um zu verhindern, dass die FschPzGrenDiv. aus anderen Abschnitten Verbände südlich der Autobahn zusammenzog um die entstandene Frontlücke zu füllen sowie dadurch das sowjetische Durchbruchsvorha- ben zu vereiteln. So versuchten sie, beiderseits der Straße 126 bis zur Autobahn durchzubrechen. Dieser Stoß nach Westen mit Blickrichtung auf die Eisenbahnlinie Perwilten- Zinten traf wieder einmal eine Naht, nämlich diejenige zwischen der 2./FschPzGrenDiv. und dem 26. PzGrenRgt.. Deren erst im Aufbau begriffener linker Flügel traf der Angriff so hart, dass eine Frontlücke von 4 km entstand.
Der Regimentsgefechtsstand des Inf.- Rgt. 26 (mot) wurde nach Konradswalde verlegt. Das in seiner Stellung verbliebene Inf.- Rgt. 562 wurde durch das Zurückgehen des II. Bataillons des Inf.-Rgts. 26 bedroht. Die 3. Kompanie des Sturmbataillons Lehmann lag abgetrennt in der alten Stellung und ebenfalls ohne Anschluss.
Trotz aller Wirrnisse hatte währenddessen die Kampfgruppe des 3./FschPzGrenRgt. (FschJgRgt.16) bis 17.00 Uhr mit Resten des Inf.-Rgt. 26 wenigstens den Höhenrand bei Kämmershöfen - Perwilten besetzt und gehalten und damit endlich die Spitze des Hauptangriffes zum Stehen gebracht. Das abgekämpfte Inf.- Rgt. 26 wurde um Mitternacht von den neu zugeführten 9./23 GrenRgt. abgelöst.
Bereits um 20.00 Uhr hatte der ganze Stab des InfRgt.26 den Gefechtsstand verlassen, ohne wesentliche Unterlagen über den Einsatz zu hinterlassen. Die Führung der Truppe konnte nur auf zwei übernommenen, sehr problematischen Fern- sprechleitungen erfolgen, die zudem öfter gestört waren. Die Funk- und Fernsprechtrupps fanden in der Nacht unter dem Feuer der fdl. Artillerie nur auf Irrwegen ihre Ziele. Angetroffene kleinere Einheiten konnten nicht angeben, wer rechts oder links lag und wo zum Beispiel die Kampfgruppe Lehmann oder die 14. Pionier- Kompanie in Stellung lag.
Vorbereitung der Fluchtstrecke über das Frische Haff
Im Dezember 1944 hatte das Haff eine dünne Eisdecke, auf der ungefähr 9 cm Schnee lagen. Auf der Polizeiwache in Heiligenbeil wurde ein Sonderkommando zum Haff mit dem Auftrag abkommandiert, die Eisstraße bis zur Frischen Nehrung zu markieren. In das Eis wurden entlang der ganzen Strecke Löcher geschlagen und Tannenäste hinein- gesteckt. Damit war die "Todesstraße" markiert.
Der Januar 1945 brachte starken Frost und das Eis hatte eine Stärke von 30 Zentimetern. Über die Reichsstraße 1 und die Straße von Zinten trafen Flüchtlinge in Heiligenbeil ein. Viele Flüchtlinge blieben tagelang in Heiligenbeil hängen, andere zogen weiter zur nahe gelegenen Küste des Frischen Haff's. Alle Straßen nach Rosenberg waren mit Fuhrwerken verstopft.
An der Auffahrt am Strand des Frischen Haffs stand ein Wagen am anderen. Der Reihe nach wurden sie aufs Eis gelassen. Dann setzte sich ein unendlich langer Treck in drei bis vier Reihen - Wagen hinter Wagen - bei strenger Kälte bis unter 20 Grad minus und viele Schneewehen passierend in Bewegung. Andere Männer und Frauen zogen mit Rodel- schlitten, die noch ein Kind trugen, auf die gegenüberlie- gende Nehrung zu. Das ist ein bewaldeter schmaler Dünenstreifen von 700 bis 900 Meter Breite, der die Ostsee vom Frischen Haff trennt.
Alle gingen weiter nach Westen über Kahlberg, Danzig nach Pommern und immer weiter. Immer mehr Flüchtlinge kamen in Februar 1945 auf die Nehrung. Alles zog plötzlich in östliche Richtung nach Pillau, um von dort aus mit dem Schiff über die Ostsee zu entkommen. Bis zum Flugplatz Neutief ging es, hier ist aber die Nehrung durch das Tief (Seekanal) unterbrochen, ein natürlicher Durchbruch, der das Haff mit der Ostsee verbindet. In Neutief musste alles stehen gelassen werden. Die Pferde wurden ausgespannt und ihrem Schicksal überlassen.
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Wäsche, Kleidung und Kinderwagen der Flüchtlinge türmten sich zu Bergen auf, die Kaserne und die Flug- zeughallen lagen hier vollgepfropft mit Flüchtlingen. Sehr viele von ihnen befanden sich außerdem noch auf der ganzen Nehrung verstreut. Wer Glück hatte, kam mit einem Schiff fort. Zudem war die Tatsache erschwerend, dass die einzige Straße (Sandweg) auf der Nehrung von Flüchtlingstrecks und Militärtrans- porten verstopft war.
Und dann kamen sie, die russischen Tiefflieger, und beschossen alles, die Menschen, die Treck's. Im Hafen von Pillau war eine riesige Menschenmenge. Alle drängten hin zum großen Schiff, das im Hafen lag. Hier starben viele Kleinkinder in ihren Kinderwagen an Hunger und Kälte. Oft sah man Menschen auf dem Eis liegen, die vor Übermüdung eingeschlafen und erfroren waren. Vor den anrückenden Sowjets mussten Kriegs- gefangene über das Eis bis nach Narmeln geleitet werden, ich zählte später auf einen Kilometer ungefähr zehn tote russische Kriegsgefangene und ca. zwanzig Frauen und Kinder die von russischen und französi- schen Tieffliegern erschossen wurden. So kam es vor, dass an einem Tag 60 bis 100 Menschen auf der Strecke von Heiligenbeil-Rosenberg bis zur Nehrung durch Bomben und Bordwaffen zu Tode kamen. Auch diese Menschen sind bis heute vermisst und ihre Angehörigen werden nichts von ihnen erfahren.
Am 6. März 1945, einem klaren Tag, flogen amerika- nische Terrorbomber B-17 sehr hoch Rosenberg an und ließen ca. 65 Bomben im Teppichwurf über Rosenberg fallen. Es war nur wenig übrig geblieben. Im Gasthaus "Zum großen Kurfürsten" waren wohl die meisten Menschen tot, überwiegend waren es Flücht- linge und verwundete Soldaten. Am 15. März 1945 ging ich diese Straße vom Flugplatz Heiligenbeil nach Rosenberg zum letzten Mal. Früher war es eine feste Kiesstraße, jetzt durch Autos und Pferdewagen der Wehrmacht ein trostloser Schlamm- weg. (Meine Tagebuch-Aufzeichnungen vom März 1945.)
Um die vielen Tausend Flüchtlinge in und um Heiligen- beil über das zugefrorene Haff schleusen zu können, hatte die Wehrmacht am 30. Januar 1945 die beiden Eisstraßen bei Rosenberg und Dtsch. Bahnau abge- steckt. Zahllose Trecks und Flüchtlinge zu Fuß wälzten sich wie eine riesige Masse vorwärts. Oft stauten sich diese Menschen- und Wagenmassen an der Küste des Haffs, obgleich zwischendurch fünf Eisstraßen über das Haff zur Nehrung führten. Um das Eis nicht zu sehr zu belasten, sollten täglich höchstens 10.000 Menschen diese Eiswege benutzen. Doch das Grauen und die Furcht vor den Russen trieben weit mehr hinüber. Besonders schlimm war es, wenn russische und französische Flieger die leicht erkennbaren Treckzüge mit Bordwaffen beschossen.
Das Eis brach, Wagen und Menschen versanken in den eisigen Fluten. Die Elendszüge wollten aber weiter zur Frischen Nehrung nach Narmeln und Kahlberg oder nach Pillau, ins westliche Deutschland. Etwa eine halbe Million Flüchtlinge sind in jenen Monaten den beschwerlichen und gefahrvollen Weg über die Eis- fläche des Haffs gezogen.
Am 13. März 1945 war das Eis bei Rosenberg und Balga vom starken Weststurm aufgebrochen, weil sich hier das Wasser vom Pillauer Tief aufstaute. Am Tag darauf brach die geschlossene Eisdecke auch bei Dtsch. Bahnau und Kahlholz. Damit war der Weg über das Eis endgültig unterbunden. Die Zahl der in jenen Wochen durch den Raum Heiligenbeil geleiteten Flüchtlinge wird auf über 900.000 geschätzt.
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10. Februar 1945 - Die Kreisleitung Heiligenbeil gab bekannt...
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Wir atmeten auf, als der Morgen zu grauen begann und wir jetzt endlich unsere näheren Umgebung um Tiefenthal sehen konnten. Der Gruppenführer stieg in den Morgenstunden auf einen in der Nähe stehenden sowjetischen Panzer vom Typ T-34, gab uns Ziele an, die er im Feindgebiet erkennen konnte und wir schossen unsere Granatwerfer auf diese Ziele ein. Zum Ausruhen kam ich kaum.
Wegen meines guten Orientierungssinns wurde ich immer öfter als Essenholer eingeteilt und hatte den Rücktransport von Verwundeten durchzuführen. Ich schnallte mir den Essen-Kanister auf die Schulter und hängte mir noch vier Brotbeutel ans Koppel, nahm mein Sturmgewehr 44 und ging in Richtung Gutshof Wilmsdorf zur Feldküche.
Auf dem Rückweg wurde ich plötzlich beschossen. Erst sah und hörte ich nur einen Einschlag im Schnee, später erst hörte ich dann den Abschuss - ungefähr auf der Hälfte meines Weges. (Pkt.52,7) "Russische Pak mit hoher V0", dämmerte es mir und drückte meinen Allerwertesten wieder in den Schnee. Dann kroch ich mit meinem Gepäck , so gut es ging, weiter in Richtung HKL. Um mich herum schlugen nun laufend Granaten ein, der Iwan musste eine höllische Freude daran haben, seine Granaten auf einzelne Soldaten abzuschießen. |
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In der HKL hatte man mich längst beobachtet, doch man konnte nicht helfen. Nun ging es leicht bergab und ich begann zu laufen. Wieder krachten Granaten, aber nun machte ich, dass ich vom Abhang hinunterkam, denn unten in Tiefenthal konnte mich der Russe nicht mehr sehen. Müde und mit keuchender Lunge kam ich bei meinen Haufen an. Mein Gruppenführer, Erwin Roock sagte zu mir, indem er mit dem Daumen zum Iwan deutete: "Lass mal, ich habe mir genau gemerkt, woher die Abschüsse kamen, wir werden denen da drüben im Gutshof Pasmarshof ein wenig die Suppe versalzen."
Der vorgeschobene Beobachter (VB) und der Batteriechef befanden sich ab 10.00 Uhr in der vordersten Stellung, um das Feuer der 15-cm Batterie HG (Hptm. Findeis) zu leiten. Ihr Einsatz wurde vom Regimentskommandeur befohlen, der sich meist beim Divisionskommandeur im Gutshof Dösen befand. Um 10.13 Uhr gab der VB die Entfernungen zur Batterie durch. Bald hieß es: "Drei Granaten auf Pasmarshof, Feuer frei." Der Batteriechef Hptm. Findeis, leitete das Einschießen und überwachte das Wirkungsschießen nach seinen eigenen Beobachtungen und gab auch Zielkorrekturen durch.
Ab 10.15 Uhr wurden von der 13./4 Batterie Sperrfeuer geschossen, auch die Do- Werfer-Batterie bekämpften ab 10.30 Uhr feindliche Pakstellungen, Feld- befestigungen und den russischen Gefechtsstand im Gutshof Pasmarshof. Kopflos vor Todesangst verkeilten sich hier Lastautos und Gespanne der Russen. Das Werfer-Regiment konnte innerhalb von 10 bis 20 Sekunden eine Salve von 48 Schuss abgeben. Die Werfer-Batterien hatten eine besondere Art von Granaten. Bei der Granate bzw. dem Wurfkörper handelte es sich keineswegs um ein Artilleriegeschoss im herkömmlichen Sinne, sondern um einen auf dem Raketenprinzip angetriebener Flugkörper. Der Flugkörper selbst wurde durch eine Zünderstellmaschine über einen elektrischen Randdüsenzünder gezündet, wobei ein 10 - 15 Meter langer Feuerblitz sichtbar wurde.
Die beim Abschuss der Flugkörper entstehenden Rauchfahnen (Foto) konnten einer feindlichen Beobachtung leicht die Lage der Feuerstellung verraten. Um das auszuschalten, wurde die Feuerstellung sofort nach einer Salve gewechselt. Neben einer erheblichen moralischen Wirkung zeichneten sich die Flugkörper durch eine außerordentliche Druck- und Splitterwirkung aus. Als wenig später unser Gruppenführer seelenruhig zu uns trat, sagte er: "Volltreffer! Diese Pakstellungen werden uns beim Essenholen nicht mehr stören!"
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Am Mittag führten die Sowjets nach reger Spähtrupptätigkeit und Luft- aufklärung gegen Tiefenthal einen ersten Vorstoß in Kompanie- Stärke bis zur Schule durch. Zum Schutz der Angriffsspitzen gegen Verminungen fuhr wieder ein Panzer bis zum Wassergraben östlich der Dorfstraße voraus. Der Angriff wurde im Gegenstoß um 15.00 Uhr zurückgeschlagen und ebenso zwei weitere sowj. Stoßtrupps gegen den Südrand (Pkt.38,8). Diese Vorstöße bildeten den Auftakt zu immer stärker werdenden Angriffen, deren Höhepunkt dann der 16. Februar 1945 brachte.
Nach pausenlosen Bombenangriffen sowie starker Artillerievorberei- tung, auch mit schweren Kalibern, trat der Gegner unterstützt von zwölf eingesetzten Panzern vom Typ T-34 frühmorgens mit massierten Kräften gegen den Nord-Abschnitt an. Während vier unablässig geführter Angriffe konnte der Russe schließlich unter erbitterten Nahkämpfen in der Mitte des Abschnitts bis zur Reichsstraße 126 einbrechen. (Pkt. 27,9 - 47,0) Erneut wurden die Sowjets durch in Aktion tretenden Reservegruppen in Gegenstößen zurückgedrängt. Mit Angriffsbeginn hatte sich der gegnerische Artilleriebeschuss auch erheblich auf den Abschnitt Tiefenthal verstärkt. Gleichzeitig setzte zwischen Tiefenthal und Glauthienen eine vermehrte Späh- und Stoßtrupptätigkeit ein, die auch hier auf eine Angriffsabsicht in Richtung Forst Waldburg schließen ließ. Daraufhin wurde das Feuer von der 13./4 Batterie 2. Art.-Abt. HG in den erschossenen Sperr- feuerraum vor den Abschnitt Glauthienen - Wilmsdorf gelegt und, wie sich später zeigte, dadurch auch eine größere feindliche Bereit- stellung zerschlagen.
Da mit einer Fortsetzung der Feindangriffe zu rechnen war, ent- schloss sich die Div.-Führung, nunmehr auch noch ihre beiden bisher zurückgehaltenen Sturmgeschütz-Abteilungen sowie Artillerie auf Selbstfahrlafetten 13./4 HG hinter die zwei besonders bedrohten Frontstellen Klausitten -Waldburg unter Ausnutzung von Vorwerken, einzelner Güter und Ortschaften als Stützpunkte zu verlegen. Diese Reserven wurden gerade noch rechtzeitig herangeschoben. Die Do-Werfer Batterie verlegte nach Nemritten. (11. Februar 1945)
Schon am Nachmittag erneuerte der Russe, wie erwartet, seine Angriffsstöße vor dem Nordabschnitt von Glauthienen - Tiefenthal bis zur Autobahn bei Kobbelbude und rannte wiederum viermal an. Außerdem stieß er jetzt auch in Btl.-Stärke gegen den Abschnitt Gutshof Korschellen - Maraunen vor. Nach Wiederholung gelang es ihm unter heftigen Nahkämpfen, beim Inf.-Rgt. 562 einen größeren Einbruch in der Steinhof-Mulde zwischen Glauthinen und Korschellen zu erzielen, der mit den Reserven des Regiments nicht mehr bereinigt werden konnte. Der Einbruch wurde zunächst abgeriegelt, bis ein planmäßiger Gegenangriff angesetzt werden konnte. Dieser wurde in den kommenden Nachtstunden von dem vorgezogenen Reserve-Bataillon II./562 unternommen und erfolgreich durchgeführt. |
Feuerstellung einer 21-cm-Werferbatterie nach Abschuss auf Pasmarshof 9.2.1945
Nebelwerfer auf Selbstfahrlafette
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Nachdem bis 01.30 Uhr der eingedrungene Gegner restlos zurück ging, befand sich die HKL nach Abflauen der Kämpfe in ihrer gesamten Ausdehnung wieder fest und vollständig in eigener Hand. (Tagesbericht vom 11. Februar 1945.562. V GD)
Drei Tage lang hielt der Kampf um Tiefenthal und Sollnicken - Tykrigehnen an. Russische Artillerie hielt diese Orte unter Dauerfeuer. Stalin-Orgeln und Schlachtflieger schossen ihre jeweils 16 Raketen gegen die deutschen Stellungen. Der am 13. Februar 1945 um 10.00 Uhr vorgetragene russische Angriff mit etwa 25 Panzern über die Linie Tykrigehnen - Autobahn - Sollecken dauerte bis ca. 12.00 Uhr. Immer wieder griffen die Sowjets mit frischen Kräften an. Unser Regiments-Kommandeur war mit vorn in der Hauptkampflinie und fuhr mitten durch das Feindfeuer, um Ersatzkräfte von der Division loszueisen. Er erhielt das Sturmbataillon Lehmann. Mit ihm gelang es schließlich, der drohenden Umfassung der Russen zuvorzukommen und sich in der neuen Hauptkampflinie westlich von Sollnicken abzusetzen. (Höhe 17,2 -18,6)
Von Panzern und Schlachtfliegern angegriffen, zog Oblt. Schrader seine Kompanie ohne weitere Verluste nach Gut Kämmershöfen heraus. Auf der Höhe 20,8 zwischen Autobahn und Gutshof hielten 60(!) Panzergrenadiere gegen die anrennenden Russen stand und verteidigten sich bis Mitternacht, ehe sie nach Tykrigehnen zurückbefohlen wurden. Die Gefechtsstärke der Kompanie betrug dann nur noch 15 Mann. Ich trug in diesen Tagen des Kampfes in mein eigenes Tagebuch ein: "Wir hatten alle ein seltsames Geborgenheitsgefühl. Der Oblt. war die Ruhe selbst und der ruhende Pol unserer Gemeinschaft. Ganz dem Gefechtsgeschehen zugewandt, in absoluter Nichtachtung der höllischen Begleitumstände vermochte er zu erwirken, dass auch unsere Fassung im Einsatz nicht erschüttert wurde."
Am 12. Februar 1945 war der Kampf bereits beendet. Wir konnten teilweise noch einen russischen Großangriff, der zum Durchbruch der Russen führen sollte, zwischen der Schule und dem Gutshof Tykrigehnen zerschlagen. Alle Angriff dieser Tage waren entweder in schwerem Ringen von der vorne liegenden Infanterie dicht vor oder in der HKL abgewiesen oder durch rasche, örtliche Gegenstöße zurückgeschlagen worden. Teilweise war der Gegner unter Zusammen- fassung der gesamten Div.- Artillerie, unterstützt von Teilen der Korps- Art., auch durch Sperrfeuer der Nebelwerfer in der Bereitstellung bei Liebnicken und Kusitten zerschlagen worden, ehe sich ein Angriff voll entwickeln konnte. Das Artilleriefeuer verstummte, die russische Front war zusammengebrochen und heute verfehlte uns der Tod um Haaresbreite: Volltreffer im Graben! Nur weil die Granate genau auf eine Kabeltrommel niederstieß, in der sich die Splitter fingen, blieben wir unverletzt. Taub, mit dröhnendem Schädel, erhoben wir uns von der Grabensohle, auf die uns der Luftdruck warf. (Soweit mein Tagebuch-Bericht vom 12.2.1945)
Fernsprecher legten letzte Nacht eine Leitung bis zur HKL herauf. Die Funkgeräte konnten nicht immer auf Empfang stehen, aber oft genug rissen Granatsplitter das schwarze Kabel in Stücke. Dann mussten die Störungssucher los. Zwei Wünsche hatte ich, wenn sich einer von ihnen mit seinem Werkzeug über den Grabenrand schwang. Einmal, dass man ihn beschützen möge auf dem langen und gefährlichen Wege am Draht entlang. Und dann: Lass nicht gerade jetzt den russischen Angriff losbrechen.
In einem winzigen Haus zeigte uns der Kompaniechef einen Angriffsbefehl für den Raum Zinten - Stadtwald. Das war zu viel für unsere Nerven! Da setzt sich einer hin und tippt: "Kompanie verlegt von Tykrigehnen im Fußmarsch nach Zinten Gutshof Rudolfshammer am Stadtwald und tritt um 14.00 Uhr zum Angriff an, nimmt den Stadtwald, erreicht die Linie Schloß Dammerau."
Haben die denn beim Stab unsere Verlustmeldungen nicht gelesen? Wir sollten einfach aufstehen, den Wald durchlaufen, den Russen entgegen? Aber so weit kommt ja gar keiner uns 15 Mann. "Stoßrichtung Gutshof Maraunen" hieß es da auf dem sauberen weißen Papier, das wir ingrimmig in unseren Dreckfingern halten. Der Kompaniechef glaubte nicht, dass wir überhaupt bis zum nächsten Dorf Maraunen kommen würden. Mitten durch das Feld an der Bahnlinie lief ein Panzergraben, von dem wir nichts wussten. Breit und tief wie ein leeres Schwimmbecken. Ein paar Landser standen schon unten, halfen sich an der gegenüber- liegenden Eiswand wieder hinauf, indem sie sich gegenseitig auf die Schulter stiegen. Die Offiziere waren nervös: Käme jetzt der russische Gegenstoß, wir wären verloren! Aber er kam nicht. "Begegnungsgefecht" nennt man diese Situation schlicht und einfach.
Die Kampfkraft der deutschen Verbände in Zinten
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In Zinten hatte Generaloberst Rendulic am 27. Januar 1945 den Befehl über die Heeresgruppe Nord übernommen. Die 4. Armee stand unter dem Kommando von General Müller (Heeres Truppen) und Generalleutnant Schmalz (2. FschPzGrenDiv. HG). Der Gefechtsstand des Armee-Oberkommandos 4. (AOK 4) lag in Zinten an der Saarlandstraße Richtung Hermsdorf-Heiligenbeil. (Karte Zinten)
Das Ausmaß der sowjetischen Überlegenheit im Raum Zinten sei hier nach sorgfältigen Untersuchungen nochmals zusammengefasst. Alle verfügbaren Quellen geben die russische Überlegenheit mit 10:1 bei Kampftruppen, 8:1 bei Artillerie-Batterien, 15:1 in den Panzer- Abteilungen und 12:1 in der Zahl der Flugzeuge an. Interessant ist sicher, wie stark die Hauptkampflinie (HKL) im Raum Zinten besetzt war.
Die Angaben der 4. Armee beziehen sich auf die Grabenstärke, während die Meldungen der Regimenter die gesamte Gefechtsstärke pro km der infanteristische Kampfstärke angaben. Der Begriff Grabenstärke wurde damals oft verwendet. Daher verstanden die einen darunter nur die Soldaten im vordersten Graben. Es war aber nicht so! Es wurden sogar der Rgt.-Stab, Btl.- Stab, und die Versorgungskompanien mitgezählt. Wenn man die Grabenstärke mit der Gefechtsstärke vergleicht, so erkennt man, dass eigentlich nur jeder 3. Infanterist in der vordersten Linie kämpfte.
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Am 12. Februar 1945 begann der Russe im Frontabschnitt Zinten mit heftigen Angriffen. Unsere 14. Pi-Kompanie verlegte von Tykrigehnen nach Zinten. Die einzelnen Kampfgruppen versammelten sich bei der Ordensmühle (Frommhagen) Königsberger-Straße, vor der Brücke des Stradick-Flusses.
Die Stadt Zinten war vollgestopft mit Flüchtlingen und Militärkolonnen - es waren jedoch keine Kampfeinheiten! In jeder Toreinfahrt, jedem Hof, im Stadtpark, auf den Bürger- steigen, überall lagerten Frauen und Kinder bei einer Kälte von minus 8 Grad. Die Straßen waren durch Pferdege- spanne und Militärfahrzeuge blockiert. In der Nacht wurden alle Militärfahrzeuge in Zinten vom Rathausplatz zum Waldschloß Damerau in den Stadtwald verlegt. Es war stockdunkel aber die ganze Stadt Zinten war unruhig wie ein Ameisenhaufen. Das Central-Hotel, die Schulen und die evangl. Kirche wurden am 15. Januar von der 2. Sanitäts- kompanie als Umschlagstelle eingerichtet. Die Schwerver- wundeten, die nicht abtransportiert werden konnten, lagen in der evangelischen Kirche. |
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Bei den Verwundungen dominierten die Verletzungen durch Artilleriegeschosse und jene vom Bombenangriff das Montags, dem 5. 2. 1945 von 09.00 bis 14.00 Uhr auf die Stadt Zinten. Die Krankensammelstelle war im Postamt an der Friedrichstraße, hier wurden die kranken Kinder, Frauen und auch Soldaten versorgt. Rote-Kreuz-Schwestern teilten für alle Tee aus. Bereits am Vormittag wurde hier eine Kartoffelsuppe gekocht, auch für uns!
Offiziere auf organisertem Rückzug
Unsere Kraftfahrer versuchten, Benzin zu organisieren. An der Saarlandstraße zwischen Wasserturm und Feuerwehrhaus bot sich uns ein Bild von gespenstischer Art, so dass wir zunächst unseren Augen nicht trauten. Im leichten Schneegestöber sahen wir, dass es sich um einen riesigen Treck von Fahrzeugen handelte, der in Richtung Heiligenbeil wollte. Aus dem letzten Wagen (PKW) entstieg eine Figur im schweren Pelzmantel, der sich unten vor den rot-gestreiften Hosen des Generalstäblers öffnete. Dieser schrie: "Was soll das? Wer sind Sie? Machen Sie sofort, dass Sie zur Front kommen!" Unser Kompanieführer hielt es für ratsam, in der Situation angemessen zu antworten: "Oberleutnant Kleiber mit der 14. Pi-Kompanie HG beim Warten auf den Einsatzbefehl. - Darf ich fragen, wohin?" "Gar nichts dürfen Sie", brüllte der Generalstäbler zurück, "ich bin der 1a im Stab des 4. AOK. Wir bringen geheime Dokumente und Material von größter strategischer Bedeutung nach Pillau in Sicherheit. Machen Sie sofort Platz und sichern Sie meine Aktion mit Ihren Männern! Dies ist ein ultimativer Befehl!"
Keiner von uns war naiv genug zu erkennen, was hier an der Bahnüberführung (Saarlandstraße) gespielt wurde. Es waren Angehörige glanzvoller Stäbe der besten Armeeführung der Welt! - alle befanden sich auf der Flucht und tarnten dies mit billigen Phrasen. Sie ließen die anständigen Soldaten nicht nur im Stich, sie beraubten sie auch des überlebenswichtigen Nachschubs an Verpflegung, Munition und Kraftstoff.
Hinter dem letzten PKW hielt ein SPW (Schützenpanzerwagen, vorne mit normalen Rädern, hinten mit Raupenketten ausgestattet). Darauf drängten sich dick vermummte, finster blickende Gestalten der Feldgendarmerie als persönlicher Schutz.
Unser Kompaniechef tat im Hinblick auf die möglichen Folgen das Unvermeidliche, er gab den Weg frei. Und dann sahen wir mit wachsendem Interesse, was sich da wieder in Bewegung setzte. In einer Reihe rollte das abenteuerlichste Sortiment zu und an uns vorüber, das die Wehrmacht an Autotypen aufzubieten hatte. Hoch beladene deutsche Lkw's, französisches Armeegerät, einzelne britische Typen, vermutlich eine Beute aus Italien; dazwischen rumpelten Omnibusse und für den normalen Straßenverkehr gebaute Pkw's. Dass sie den Weg bis hierher nach Zinten überhaupt geschafft hatten, war bereits ein Wunder!
Sie hatten nur ein Bestreben: Schnellstens ihre besinnungslose Flucht fortzusetzen, nach Westen, nur nach Westen.
Wir gingen zurück bis zur Kirche, und holten beim Bäcker Nass in der Wilhelmstraße einige Brote. Gerüchte schwirrten herum und lösen Verwirrung aus. Plötzlich heulten die Sirenen und die Glocken von Zinten begannen zu läuten. Unser Kompaniechef meinte, das bedeute Panzeralarm. Die Nachricht flog durch die Menge, dass russische Panzer aus Richtung Maraunen auf die Stadt zurollen. Sofort brach Panik aus. Die Menschen schrieen, rannten im Dunklen herum, Kinder suchten ihre Familien, Pferde wurden angespannt, schweres Gepäck wurde von den Wagen geworfen, Militärfahrzeuge bahnten sich ihren Weg zum Stadtwald, Fensterscheiben zerklirrten, weil im Gedränge Menschen gegen die Hauswände am Töpfer-Tor, Ecke Wilhelmstraße, Kirchen- straße gepresst wurden. Es war ein sich immer mehr steigerndes Chaos.
Wir schafften es, über die Bahnhofstraße in Richtung Stadtwald bis an den Stadtrand zum Sägewerk zu kommen und wurden von der Feldgendarmerie angehalten. Wir riefen oder brüllten denen zu "Panzerjagdtrupp auf dem Weg zur Front?!" und wurden durchgelassen. (Tagebuch vom Februar 1945)
Die Karte zeigt uns, dass der Stadtwald und der Gutshof Rudolfshammer im Süden von Zinten liegen. Wir befanden wir uns in einem geschützten Wald, den die sowjetischen Angriffs- spitzen wahrscheinlich zunächst umfahren würden. Die Ruhe war hier trügerisch. Vielleicht sind wir schon eingeschlossen? Wir blieben erst mal im Gutshof und wohnten im verlassenen Herren- haus. In der weitläufigen Hofanlage lebten viele Fremdarbeiter, einige nahmen mit uns Soldaten Kontakt auf. Es waren Ostarbeiter aus Russland. Die meisten waren misstrauisch, aber die Russen schlachteten für uns ein Schwein. Die Polen waren feindlich, hielten sich zurück, denn sie hatten den Weinkeller der geflohenen Guts- besitzer geplündert und saßen in deren Sesseln der großen Halle herum. Das war alles sehr verwirrend, auch die Stille draußen in der riesigen Hofanlage. Ich betrachtete die Rückfront des Guts- hauses mit den verriegelten Fensterläden, schaute in die Ställe, in denen noch das Vieh stand, anscheinend von Franzosen versorgt, denn die Polen machten nichts und hielten sich versteckt. Wir entschlossen uns, Wachen aufzustellen, die jede Stunde abgelöst wurden. Vorübergehend konnte man die Vorstellung verlieren, dass ringsum eine Katastrophe ihren Lauf nahm. Ich weiß nur eines, dass ich mit neunzehn Jahre überleben wollte. (Gutshof Rudolfshammer 14.2.1945)
Am Morgen des 14. Februar 1945 stellten wir uns am Nordrand des Gutshofes Rudolfshammer hinter langgestreckten Ställen und Zäunen zum Angriff bereit. Noch ehe die Gruppen sich richtig entfalten konnten, schlugen die ersten russischen Flammölgranaten ein. Offenbar war der Stadtwald und das nächste Dorf Maraunen bis zum Gutshof Gedau dort hinter der Höhe (Pkt.11 0,7 -116,9) stark besetzt. Etwas verwundert trotteten wir los, jeder von uns Grenadieren hatte ein Sturmgewehr 44 und genügend Munition. Die ersten Sturmgruppen, die am östlichen Waldrand ankamen, warfen sich blitzschnell hin. Sie konnten nämlich nicht nur unser Angriffsziel von dort aus sehen, sie sahen auch, dass wir es so schnell nicht erreichen würden. Aus dem Dorf Nonnenhausen trat der Gegner zum Angriff an. Noch waren seine Schützenketten im Schnee nur aus kleinen schwarzen Punkten zusammengesetzt, die sich eilig auf uns zu bewegen. (Es war die 173. sowjetische Sch.-Div.)
Immer näher kamen die russischen Schützenlinien. Der Kompanie- chef brüllte neue Kommandos und dann geschah das Wunder. Das Sturmbataillon Lehmann - Ostermaier stand auf, voran der Bataillonsführer. Die Männer des Bataillons rannten feindwärts den Hang hinunter, hämmernden sowjetischen Maschinengewehren entgegen. Schon detonierten Handgranaten, die feindlichen Vor- posten wurden überrannt, es ging vorwärts! Hinter den Schutz- schilden ihrer wassergekühlten Maschinengewehre jammerten verwundete Russen. Wir mussten weiter, der Angriff durfte nicht wieder zum Stehen kommen. Mitten durch die Schneefelder zwischen Maraunen und Gedauen verlief wieder ein Panzer- graben, von dem wir nichts wussten. Doch wir kamen gut vorwärts, die Russen liefen in Richtung Nonnenhausen - Maraunen zurück.
Die Kampfgruppen des Sturmbataillons HG, lagen auf der südlichen Seite des Gutshofes Maraunen im Kampf mit dem sowjetischen 52. Schützen-Regiment. Die eigene Schwäche zwang zu einer Art Verzweiflungskampf. Man kam zur Überzeu- gung, dass man mit den jeweiligen viel zu schwach ausgerüsteten eigenen Bataillonen keinesfalls den gewünschten Erfolg erzielen konnte. Nachdem infolge Fehlens ausreichender Kräfte die beab- sichtigte sowjetische Sperre im Gutshof Maraunen misslungen war, stand dem Russen an dieser Stelle nur der Weg nach Zinten über die Höhen, (Pkt. 115,9- 105,4) offen. Ein weiterer angesetzter Gegenangriff gegen die Feindkräfte um Nonnenhausen erreichte sein Ziel nicht. Zu sehr hatten sich die Russen inzwischen rund um Maraunen und Nonnenhausen verstärkt.
Ein weiterer Schwerpunkt der Sowjets lag an der südlichen Seite der Straße bei der Schule von Maraunen mit dem sowjetischen 715. Sch.-Rgt.. Wir konnten die Schule im kühnen Zugriff besetzen. Entscheidende Stunden hindurch standen die Kampftruppen annähernd auf sich alleine gestellt. Immerhin ergab die Aufklärung zu dieser Zeit, dass die Russen von Osten her weitere Kräfte gegen Maraunen und gegen das Sturmbataillon heranführten. Das Sturmbataillon sah sich unter dem außerordentlich starken Druck sowjetischer Infanteriekräfte, die von Panzern unterstützt wurden, außerstande, die Stellungen bei Maraunen zu halten und weiteren Widerstand zu leisten. Es musste sich zurückziehen, um sich einer Einschließung zu entziehen.
Die Erörterung der Ereignisse im Stadtwald von Zinten könnte den Eindruck erwecken, als hätten hier die Schwerpunkte der sowjetischen Vorstöße gelegen und somit die Sorgenpunkte der Abwehr auf deutscher Seite. Dieser Eindruck täuscht jedoch. Die Sorgenpunkte lagen an der Reichsstraße 126 zwischen der Autobahn und Klausitten. Der Einddruck kann nicht entstehen, wenn die Darstellung der Ereignisse innerhalb der einzelnen Bereichen geschlossen erfolgen (Bereich Zinten und Bereich Reichstraße 126), sonst hätte es sicherlich beim Leser zur Verwirrung geführt. |
Fußmarsch von Tykrigehnen nach Zinten, Stadtwald - Gutshof Rudolfshammer
Verwundete
Verwundete werden versorgt
Kurze Rast
Bis zum Nachmittag des 12.2.1945 wurde bei Tykrigehnen die Stellung gehalten und damit ermöglicht, dass alle in diesem Abschnitt befindlichen Zivilisten den Raum verlassen konnten
Der Kommandeur des Sturmbatallions HG, Oberst Ostermeier mit seinem Kradfahrer W. Wagner
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Ein schwer zu beschreibender Missmut machte sich breit. Dazu trug vor allem das Wetter bei, das am 15. Februar 1945 trübe, regnerisch, windig und nachts auch empfindlich kalt war. Wir verbrachten manche Nacht -(siehe Fotos)- im Wald auf dem nassen Boden und gruben in die Erde mehr Schützenlöcher als vorher im Kreis Gumbinnen, weil der Russe fast jede Nacht seine Bomben warf. Meist kam er in großer Höhe angeflogen, stellte seinen Motor ab und griff im Gleitflug an. Was uns erreichte, waren Bomben, Granaten und auf Flug- blättern Siegesmeldungen im alten Stil. Sie waren ein wenig zurückhaltender, was die Zahlen an vernichteten Panzern und gefangenen Rotarmisten betraf, dafür waren sie im Ton etwas schriller geworden.
Von Durchhalten und Endsieg war oft die Rede. Nur das nach wie vor miese Essen aus der Feldküche war noch trostloser. Wenn es am Tag wegen massiver Feindeinwirkung nicht möglich war, warmes Essen und Tee in Thermokanistern zu uns zu bringen, mussten wir bis zum Abend warten, dann brachten sie gleichzeitig Munition mit und nahmen Verwundete oder - und leider oft genug - Tote mit zurück.
Sieben Schlachten fanden in zehn Tagen statt, bis Zinten in Trümmern lag. Die Stadt wurde in den folgenden Februartagen zu Tode verteidigt, um den Vormarsch der russischen Verbände an die Küste zu verhindern. Die russische Artillerie machte aus Zinten - einst eine wohlhabende kleine Stadt - eine steinerne Wüste. Kein Haus stand mehr und von der Kirche nur noch Reste des Turmes, von dem man früher an klaren Tagen die Ostsee sehen konnte.
Am nächsten Tag, Freitag, dem 16. Februar 1945, stiegen die Temperaturen. Der Himmel vergraute zusehends. Es begann zu regnen, das Wasser in den Gräben schwoll an, der Schlamm schwappte in die Stiefel, es sah trostlos aus. Der Intendant (Gott) löscht die Lichter und überließ seine Erde wieder den Menschen. Das hätte er nicht tun sollen!
Zurück in den eigenen Unterstand, der nur hundert Meter von dem russischen entfernt lag, sah ich, dass unsere Stellungen menschenleer waren. Neben den Granattrichtern lagen zwar noch Tragbahren, wie sie für den Transport von Verwundeten benutzt wurden, aber die fallen nicht aus dem gewohnten Rahmen. Bahren sind normal im Krieg. Ich war wie erschlagen, so schrieb ich in mein Tagebuch. Selten ist mir der "Wahnsinn" des Krieges so bewusst geworden, wie hier vor Zinten im vordersten Schützengraben.
Keiner hätte in dieser Waldzone, die im Visier der russischen Scharfschützen kaum Deckung bot, außer im Wasser der Granatlöcher, unter Kadavern von Pferden, neben verwesenden Toten, den Überresten fehlgeschlagener Angriffe, länger überleben können. Ein Blick auf die Leichen im Niemandsland reichte und den Blick hatten wir täglich. Diesen Anblick werde ich mein Leben lang nicht vergessen.
Im Bewusstsein, dass jeder Tag mein letzter sein könnte, sieht man bald, dass der Mensch weiterlebt, auch wenn er in dieser Zeit vor Zinten nichts mehr kennt, als Töten und Morden.
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Sowjetischer Tagesbericht im Kessel von Heiligenbeil
Feindlagebericht No: 5 des Armeestabes vom 11.2. bis zum 28.2.1945 (Inoffizielle Übersetzung aus dem Russischen)
Im Zeitraum 11.2. - 28.2.1945 hat der Gegner mit Truppenteilen des Fallschirm-Panzer- Korps "Hermann Göring" den Kampfhandlungen unserer Russischen Verbände erbitterten Widerstand entgegengesetzt, und zwar mit häufigen Gegenangriffen in Kompanie- bis zweifacher Bataillons- stärke Infanterie in Begleitung von 5 - 20 Panzern sowie Artillerie auf Selbstfahrlafetten, sowie mittels Feuerüberfällen aller Waffenarten, besonders sechsrohriger Do-Werfer, sowie mittels Ausnutzung von Ortschaften, Vorwerken, einzelner Güter, natürlicher Sperren, von Schluchten und Flüssen als Stützpunkte.
Zwischen dem 11. und 20.2.1945 hat der Gegner in der Absicht, den stärksten natürlichen Verteidigungsabschnitt entlang des Flusses STRADICK und entlang der Eisenbahnlinie PERWILTEN - ZINTEN zu halten, diesen durch Zuführung des 26. Panzer-Grenadier- Regiments der 24. Panzerdivision am 13.2.1945 sowie der Kampfgruppe "Hauptmann Lehmann" am 19.2.1945 verstärkt und 82 Gegenangriffe in Kompanie- bis zweifacher Bataillonsstärke sowie mit 5 - 20 Panzern und Artillerie auf Selbstfahrlafette aus den Räumen SOLLNICKEN, ALBENLAND Vw. DOMLITTEN, KUKEHNEN, ECKER, NEMRITTEN und KORSCHELKEN heraus unternommen. Im Ergebnis der Kämpfe wurden bis zum Ablauf des 20.2.1945 die Einheiten der 562. Infanterie-Division (A.d.Ü.: 562. Volksgrenadierdivision) einschließlich der Kampfgruppe Ostermaier (Lehmann), der 2. FschPzGrenDiv. "Hermann Göring", des 9. Regiments der 23. Infanterie-Division, des Panzergrenadier-Regiments der 24. Panzerdivision auf die Linie GUT KOPPELBUDE, Vw. SAND, westlich SOLLNICKEN, Punkt 37.8 500 m. nordwestlich V. w.W ANKNICKEN ostwärts und südostwärts Waldrand 1 km. südostwärts KONRADSWALDE, westlich Gut AMALIENWALDE, PLÖSSEN - HERMANNSGUT, Bhf. KUKEHNEN , ECKER, NEMRITTEN zurückgeworfen.
Am 21.2. 1945 erfolgte im Abschnitt GUT KOPPELBUDE westlich TYKRIGEHNEN eine Ablösung von Einheiten der 562. Volksgrenadier- Division durch das Grenadierregiment der Panzerdivision "Großdeutschland" statt. Der Kommandeur des sowjetischen 1158. Regiments fasste den Entschluss, die Deutschen die noch im Gutshof MARAUNEN waren, anzugreifen. Diese wehrten sich verzweifelt, wurden aber letztlich aus ihren Stellungen und Schützengräben am Gutshof herausgedrängt. |
Der Kampf verlagerte sich nun auf Dachböden und in die Keller. Die Deutschen erklärten den Gutshof zur Festung. Nach etwa einer Stunde Kampf befahl der Kommandeur, Major Chernov, den weiteren Angriff in Richtung ZINTEN -Waldschloss DAMERAU. Die Annäherung erfolgte unbemerkt im Schutze der Nacht. Im Morgengrauen erreichten die Einheiten den Stadtwald südostwärts von ZINTEN und richteten sich zur Verteidigung ein. Die Lage war schwierig geworden.
Die Soldaten des 352. Regiments hatten zwar als erste die Außenbezirke der Stadt ZINTEN erreicht, dies aber ohne Anschluss an die zurückgebliebenen linken und rechten Nachbarverbände. Am Morgen erfolgte der Angriff einer gegnerischen Infanterie-Kompanie mit vier SPW' s aus dem Raum westlich ZINTEN.
Um 03.00 Uhr sickerten aus dem Waldrand des Stadtwaldes (Waldschloss DAMERAU) gegnerische MP-Schützen in Zugstärke in das Umfeld der einzeln stehenden Häuser in Richtung MARAUNEN ein, wobei sich die Zahl der deutschen MP-Schützen später erhöhte.
Der Kampf zur Säuberung der MP- Schützen im Stadtwald führten Einheiten der 173. Sch.-Div. durch, die vom südlichen Ortsrand MARAUNEN herangeführt wurden. Im Verlauf der Kämpfe vernichteten die Einheiten der 173. Schützen-Division die durchgebrochenen deutschen Gruppen von MG-Schützen und besetzten den nordwestlichen Waldrand.
Gegen das in diesen Kämpfen stehende 1311. Sch.-Rgt. erfolgte jedoch der Gegenangriff eines deutschen Infanterie-Bataillons, mit Unterstützung durch 6 Sturmgeschütze. Das zweite Regiment der 173. Sch.-Div. und das 1315. Sch.-Rgt. drang, nachdem es den Widerstand des Gegners gebrochen hatte, weiter vor und erreichte eine Linie östlich des Waldschloßes DAMERAU.
Das Bataillon von Major Zavalishin warf die deutschen aus dem Waldschloss DAMERAU hinaus. Der Sturmangriff war derart schnell und entschlossen, dass der Gegner dort keine Zeit mehr fand, das dort befindliche Depot und Lebensmittellager mit mehr als 80 Fahrzeugen zu vernichten. Die heftigen Kämpfe dauerten mehrere Stunden an, letztlich verlegte der Rgt.- Stab der Deutschen nach ZINTEN.
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Der russische Autor beschreibt auf der Grundlage von Archivdokumenten sowie von Veteranenberichten den Kriegsweg der im Jahre 1941 in Tatarien (Mongolei) aufgestellten 352. Schützendivision, mit dem Ehrennadeln "Orscha" ausgezeichnet mit dem Rotbanner- und Suvorov-Orden.
Die nächsten Seiten befassen sich mit den Kriegsereignissen um die Stadt ZINTEN, an denen die 352. Sch.-Div. vom 9. bis zum 17. Februar 1945 maßgeblich beteiligt war.
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Beurteilung der Lage aus deutscher Sicht
Am folgenden Morgen, genau um 07.00 Uhr, began- nen die Sowjets ihre Offensive auf Zinten. Aus leichten und schweren Geschützen flog Geschoss auf Geschoss auf unsere nur dünn besetzten Linien an der Straßengabelung zwischen der Ziegelei und dem Sägewerk an der Reichsstraße 126.1. Dazu kamen Flugzeugangriffe. Außerdem verstärkte der anschei- nend reichlich verabreichte Wodka die Kampfmoral der Russen, was ihr Gegröle verriet.
Von Osten her war der Russe in seinem Bestreben, den wichtigen Straßen- und Eisenbahnpunkt einzu- nehmen und bedrohte vom Zintener Stadtwald aus die Stadt. Die 170. Inf.-Div. hielt sich tapfer im Stadtwald und nahm nach erbittertem Kampf zum zweiten mal das stark besetzte Waldschloß Damerau. Das 1/401 Regiment unter Oberleutnant Stelling und die 14./4 HG versuchten, den Angriff erneut vorzutragen. Der Erfolg blieb leider aus. Da die Unterstützung von den Flügeln her ausblieb, reichten die Kräfte der Kampftruppen nicht aus, um den Wald in seiner ganzen Ausdehnung freizukämpfen. Angesichts der Unmöglichkeit, neue Kräfte zuzuführen, wurde der Angriff eingestellt und die Kampftruppen mussten in der erreichten Linie an der Reichsstraße 126 und der Bahnlinie südlich von Zinten zur Verteidigung übergehen.
Harte Tage folgten, die schwersten und verlustreich- sten, seitdem die 2. FschPzGren.-Division HG die Stellungen im Kreis Gumbinnen verlassen hatte. Der Stadtwald und die Stadt Zinten lagen jetzt ununter- brochen im Feuer der feindlichen Geschütze, Stalin- orgeln und Granatwerfer. Mühsam versuchten wir, Löcher in den steinhart gefrorenen Boden zu graben, um der starken Waffenwirkung zu entgehen. Der Erfolg war gering, denn gegen die in den Baumwipfeln krepierenden Granaten boten Deckungslöcher nur wenig Schutz. Die Kampfgruppen meldeten hohe Verluste, nicht nur in der vorderen Linie, sondern auch in der Tiefe vom Sägewerk bis zum Bahnhof. Kompanie-Gefechtsstände, Bataillonsstäbe und die Feldküchen in der Bahnhofsstraße waren in erster Linie den explodierenden Geschossen ausgesetzt. Die Feuerüberfälle des Gegners überschütteten fast jedes Haus und Gehöft, der Wasserturm und der Kirchturm wurden zerschossen.
Dann aber, am 16. Februar 1945, setzten die Russen erste Zeichen, die fraglos den baldigen Großangriff ankündigten. In den Vormittagstunden flog ein sowj. Bomberverband in großer Höhe bei klarem Wetter heran. Vom Eingang des Bahnhofs aus wollten wir beobachten, was der Russe mit dem außergewöhn- lichen Einsatz bezweckt. Ob er wohl die Stadt Heiligenbeil im Hinterland angreifen wird? Doch um 10.00 Uhr wurden die ersten Bomben ausgeklinkt. Zunächst deutete ihre Fallrichtung auf eine beträcht- liche Abweichung hin, was sich aber blitzschnell als optische Täuschung herausstellte. Mit gewaltigen Detonationen schlugen sie parallel zwischen Bahn- gleis und der Bahnhofstraße ein, 15 bis 25 m entfernt. Es müssen sehr schwere Bomben gewesen sein, denn die hinterlassenen Trichter waren riesig, bis zu einem Kubikmeter große gefrorene Erdbrocken lagen weit verstreut um das Sägewerk herum.
Zum Glück wurde niemand verwundet, der Schreck war schnell vergessen, nur die völlig veränderte Landschaft vom Bahnhof bis zum Stadtpark behinderte ein wenig die Sicht. Trotzdem mussten wir dieses Ereignis als Warnschuss betrachten, dem ohne langen Aufschub der Großangriff folgen würde. Den ganzen Morgen über griffen sowjetische Flieger, zeitweise mit über 30 Maschinen, in den Kampf ein. Am Nachmittag überflog ein geschlossener Bomber- verband, ca. 36 Flugzeuge, von Südosten her die HKL an und bombardierte die Stadt Zinten so sehr, dass die Rauchpilze noch drei Stunden später als Schwaden am Himmel trieben. Es war nur noch aufsteigender Rauch von getroffnen Häusern zu sehen. Auch der Regimentsgefechtsstand soll dabei in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Am Nachmittag schoss sich der Russe mit acht bis zehn Batterien auf die HKL am Bahnhof ein. Am Abend lag Artilleriefeuer auf der gesamten Stadt Zinten.
Die Kämpfe am Stadtrand von Zinten
Nach Einbruch der Dunkelheit beruhigte sich das Kriegsgeschehen. Noch saßen wir in einem kleinen Haus südlich des Bahnhofs Zinten. Im Schein von Hindenburglichtern sah es so aus, als ob alles beim alten bleiben würde und die Welt immer noch in Ordnung sei, wenn bloß der Krieg nicht wäre.
Ab 22.00 Uhr wurde es unruhiger. Das Essen war auch noch nicht gekommen. Es wurden knochenharte Kartoffeln zwischen den Trümmern der beiden vormaligen Bahnhofs-Gebäude gefunden. Beim Schneiden der Kartoffeln wurden die Finger klamm. Da für alle nur ein einziges kleines Bratpfännchen zur Verfügung stand, kamen die letzten, unterbrochen durch Artilleriefeuer, erst nach Stunden an die Reihe. Die lästigen Tiefflieger ließen in der Nacht - auch weiter hinten in der Stadt - keine Bewegung ohne Angriff zu. Deshalb kam auch kein Essen nach vorne. Nur Rindertalg und Brot vom Vortag war noch da, zu trinken nichts, mit Schnee wurde Tee gekocht. Durch den Beschuss eines Geistergeschützes (Stalinorgel) gab es erneut Ausfälle.
Um 22.30 Uhr erschien ein Melder vom Bataillon und übergab unserem Kompaniechef eine in aller Eile vervielfältigte Karte, in der alle im Raum Zinten gegenüberliegenden feindlichen Einheiten einge- zeichnet waren. Von den vielen Zahlen fiel mir besonders der große, in römischen Ziffern einge- setzte Verband auf. Die 5. sowjetische Armee. Es muss sich wohl um eine ganze Armee handeln. Um die Stadt Zinten waren Einheiten der 352. Schützen- Division, aufgestellt 1941 in Tatarien (Mongolei), mit dem Ehrennamen "Orscha" und dem Rotbanner- und Suvorov-Orden ausgezeichnet. Weiter die 157. -173.- 215. Schützen-Division. Das 384. -633. -716. -1158. - 1160.- 1158. und das 1162. Schützen-Regiment versammelt.
Unser Kompaniechef, widmete sich nicht dieser todernsten Angelegenheit, weil er nach wie vor an einen blinden Alarm glaubte. Als aber dann um 02.00 Uhr die Nachricht durch einen Melder eintraf, dass morgens um 07.30 Uhr der Großangriff auf Zinten mit einem Trommelfeuer beginnen würde, schlug die Stimmung abrupt um.
Um 03.00 Uhr kam eine Meldung vom Divisions- gefechtsstand, dass die Angriffe der V. Russischen Armee in ihrer Gesamtheit zusammengebrochen seien und zur Zeit nicht wieder aufgenommen werden könnten. Tatsächlich hatte der Russe unter weitgehen- der Entblößung anderer Abschnitte im Raum Klausitten - Forst Waldburg nur umgruppiert und südlich von Zinten drei Divisionen auf engstem Raum zusammengezogen, um endlich den Durchbruch nach Heiligenbeil zu erzwingen.
Die Tagestemperaturen stiegen teilweise so stark an, dass sie zeitweise schon über Null lagen und der Schnee begann zusammenzusacken.
Früh um 04.00 Uhr griff ein feindlicher Spähtrupp von nur sechs Mann einen Posten unserer Kompanie am südlichen Ortsausgang von Zinten an, wurde aber abgewiesen. Der feindliche Trupp wich nach Westen aus und verschaffte sich offenbar Kenntnisse für den Durchbruch. Unser Kompaniechef verließ unverzüglich mit vier Mann den Gefechtsstand und inspizierte noch einmal den Kompanieabschnitt. Stellenweise sollte sich noch Schnee im Schützengraben befinden, der musste so schnell wie möglich herausgeschaufelt werden, um bei Einschlägen in den Graben besser geschützt zu sein.
Die Bahnhofsuhr von Zinten zeigte genau 07.00 Uhr. Eine der ersten Granaten schlug vor unserem Haus- fenster ein. Das Glas splitterte und um uns bebte die Erde. Der tiefgefrorene Boden leitete jede Erschütte- rung weiter, so dass das Haus wie bei einem langan- haltenden Erdbeben ununterbrochen schwankte. Dann verstärkte der Russe das Artilleriefeuer und ging zum Trommelfeuer über, das eine volle Stunde andauerte. Endlos schien es zu sein, dann eine kurze Stille: "Sie kommen!" - die feindliche Infanterie und die Panzer, letztere zunächst noch einzeln. Zinten wurde von Osten am Stradick Fluß und am Bahnhof von Süden, sowie frontal angegriffen. Um den Bahnhof selbst tobte fünf Stunden lang eine schwere Schlacht. Sie fand für uns ihren Abschluss, als ein deutscher Panzer von der Terrasse unseres Hauses aus durch die durchgehend offenen Türen einen nach dem anderen der auf der anderen Straßenseite fahrenden Russenpanzern abschoss. (Soweit aus meinen Tagebuch)
Die Abwehrkämpfe in der Stadt Zinten
Da die Telefonleitungen im verheerenden Feuerhagel sofort zerfetzt wurden, versuchte ein unbekannter Funker, der nicht zu unserer Kompanie gehörte, mit seinem Funkgerät bei herausgezogener Antenne irgendeine Verbindung zu den rückwärtigen Stütz- punkten im Gutshof Dösen zu bekommen. Es kam kein Kontakt zustande. Dafür meldeten sich die Kameraden von der anderen Feldpostnummer, es waren emigrierte deutsche Kommunisten, die uns zum Überlaufen aufforderten.
Eine besondere Sorge galt den aus den Kämpfen der letzten Tage noch nicht abtransportierten Verwunde- ten, Flüchtlingen, Frauen und Kindern mit schweren Erfrierungen, die nicht marschfähig waren, dabei viele aus dem Kampfraum südlich der Stadt am Wald- schloss und Stadtwald Zinten. Auch der Divisionsarzt HG hatte den Befehl erteilt, dass Zinten von allen Verwundeten geräumt sein müsse. Während der Auflösung des Hauptverbands- platzes in der Kirche lagen hier noch etwa 100 Schwerverwundete, die nicht abtransportiert werden konnten. Im Abschlußbericht vom 15. Februar wird vermerkt: Alle Verwundeten der Kampftruppen konnten nicht geborgen werden.
Die lärmende Hölle um uns herum hier am Bahnhof ließ uns erneut mit Entsetzen die ausweglose Lage erkennen, in der wir uns befanden. Die Russen standen im Begriff, den Bhf. Zinten zu besetzen. Das 4. FschPzGrenRgt. HG ging aus Richtung der Ziegelei-Schirmacher-Straße mit dem Ziel zum Angriff über, eine Abwehrlinie zwischen Bahnhof und Hindenburgallee aufzubauen. Im Verlauf der Kämpfe wurde der Bahnhof eingenommen, der weitere Angriff nach Süden scheiterte jedoch, wobei ein Stoßtrupp verloren ging.
Der Gegner war in die Stadt eingedrungen und drohte, von dort die eigenen Kampftruppen der 170. Inf.Div. zwischen Lahnstraße und Birken-Allee zu überflügeln. Auf Befehl wurden die Teile der 170. Inf.Div. auf eine neu zu bildenden Linie bis zur Friedrichstraße zurückgenommen. Das 4. Rgt. HG erzielte zunächst am Bahnhof einige Erfolge, wobei schwere Waffen und der Flammenwerferzug mit- wirkten. Die starke russische Abwehr am östlichen Stadtrand ließ den Angriff schließlich scheitern. Mit nächtlichen Angriffen erzielten die Russen wiederum kleine Einbrüche in der Ruinenstadt , schossen auch seit 18.00 Uhr ohne Unterbrechung mit Artillerie in die Stadt, vor allem auch auf den Südrand am Bahnhof. Zinten brannte danach an vielen Stellen lichterloh!
Ab 22.00 Uhr setzte sich das 4. FschPzGrenRgt. als letzte deutsche Kampfgruppe von der Zwischenlinie am Bahnhof in allgemein nördlicher Richtung auf die Linie Friedrichstraße, Wasserturm, Saarlandstraße ab. Für uns Infanteristen war das Zurückgehen aus den Kellern und Unterständen sowie das Schleppen der Waffen und Geräte ungewohnt geworden und in der Ruinenstadt Zinten zugleich unheimlich.
Ohne Pause setzte der Russe seine Angriffe fort. Jeder Tag war ein Großkampftag und die Kampf- stärke bei uns Grenadieren nahm in erschreckendem Maße ab. Ersatz wurde nicht zugeführt. Die größte nun auftretende Schwierigkeit war die Verknappung der Munition.
In den Vormittagsstunden flog wieder ein sowjetischer Bomberverband heran. Ich stand an der Volksschule beim Wasserturm und beobachtete, was der Russe mit dem außergewöhnlichen Einsatz bezweckte. Sekunden später schlugen die schweren Bomben mit gewaltigen Detonationen neben unserer Stellung, ungefähr 20 Meter auf der russischen Seite zwischen Bahnhof und der Friedrichstraße ein. Die hinterlassenen Trichter auf der russischen Seite waren riesig. Zum Glück wurde niemand von uns Grenadieren verwundet. Wie es beim Russen war? Weiß man nicht.
Die Absichten der sowjetischen Angreifer waren durch diese Bombenangriffe durchkreuzt worden und wie sich später herausstellte, hatten die Russen schwere Verluste. Ohne die geringste Rücksicht auf die ungeheuren täglichen Menschenverluste opfert die Rote Armee hier in Zinten Tag für Tag Bataillon um Bataillon. Gefangene sagten aus, dass unbedingt von Zinten nach Heiligenbeil durchgestoßen werden solle.
Zuverlässige Zahlen über die Verluste in Zinten liegen nicht vor. Dennoch lässt sich einiges feststellen. Nach einer äußerst vorsichtige Schätzung beklagten die Kampftruppen im Raum Zinten 135 Tote und 235 Verwundete. Mit ihren unzähligen Vermissten und vielen folgenden Todesfällen in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft ergaben die Gesamt-Verluste bis zum 25.2.45 Zahlen, die weitaus höher liegen müssen als 370 Mann.
im Frontabschnitt Zinten
Plötzlich tauchten zwei deutsche Stukas auf und nahmen direkten Kurs auf unsere Stellungen. Ganz tief flogen sie über uns hinweg und deutlich konnte man das Balkenkreuz an den Tragflächen und auch das deutsche Hoheitsabzeichen am Seitenruder erkennen. Wir jubelten und winkten den Stukas zu. Ja, unsere Stukas, die würden es dem Iwan schon geben!
Nur - mir kam die Sache nun doch nicht ganz geheuer vor. Ich wusste nicht warum. Ich vermutete, dass in den Stukas keine deutschen Piloten saßen, sondern Russen. Vor Gumbinnen hatte ich mehrmals die Gelegenheit gehabt, aus nächster Nähe vom Graben aus unsere Stukas im Sturzflug beim Angriff auf russische Stellungen beobachten zu können. Instinktiv begab ich mich in die Nähe des Entwässerungs- grabens. Als die Stukas uns überflogen hatten, flogen sie eine neuerliche Kurve, um etwas direkter Kurs auf uns zu nehmen. Da hatten auch unsere jubelnden Kameraden gemerkt, dass da etwas nicht stimmen dürfte. In diesem Moment setzten die Stukas zum Sturzflug auf uns an und ich sah gerade noch, wie sie die Bomben ausklinkten. Fast gleichzeitig krachten auch schon die Bomben und ein Hagel von Steinen und Erdklumpen prasselte auf uns herab. Leutnant Schüller vom 4.FschPzGrenRgt. HG und neun Soldaten unserer Kampfgruppe haben es nicht überlebt.
konnten nicht geborgen werden"
Nach dem Krieg hat man die Trümmer der Stadt Zinten wegen des Verwesungsgeruches nicht betreten dürfen. Eine 78 Jahre alte russische Frau berichtet bei meinen Besuch im Jahr 1993 unter anderem, "dass man beim Vorgehen gegen Zinten zuerst noch die Toten übersteigen konnte, dass sie dann aber so dicht lagen, dass das nicht mehr möglich war. Die toten Rotarmisten und die deutschen Soldaten lagen dort bis 1955 unbeerdigt, also 10 Jahre lang. Erst dann wurden Berge von Gebeinen gesammelt und in einem Massengrab im Stadtpark vergraben".
Was war geschehen? Genau um Punkt Mitternacht hatten rund 2.000 Russen von allen Seiten unseren Ort Zinten konzentrisch angegriffen. Unsere überraschten Sicherungen hatten sie im ersten Ansturm bis ins Zentrum zurückgedrängt, um unsere Führungsspitze dort auszuheben und damit wie geplant auszuschalten. Das war ihnen nicht gelungen.
Unsere rasch alarmierten Kampfgruppen setzten sofort zum Gegenstoß an und fegten die Hauptstraßen mit ihren Waffen feindfrei. Die Russen mussten sich in die Nebenstraßen zurückziehen. Damit war ihr anfänglicher Angriffsschwung gebrochen, das Überraschungsmo- ment vorbei und eine einheitliche Führung unmöglich. Alles hatte sich bald in Einzelkämpfe aufgelöst.
Unsere Unterkünfte in Zinten, die den Russen natürlich bestens bekannt waren, versuchten sie nun auszu- heben. Um diese Häuser ging jetzt vor allem der Kampf. Wir Grenadiere von der 2. FschPzGrenDiv. und Pioniere vom Heer hatten uns überall in die oberen Stockwerke zurückgezogen und verteidigten die Treppenaufgänge mit Handgranaten und Sturmge- wehren 42. Die Russen waren überall in die Parterreräume eingedrungen und versuchten, die oberen Stockwerke zu stürmen.
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Bis knapp vor Beginn der Morgendämmerung zwischen 08.00 und 09.00 Uhr dauerten diese Kämpfe, dann zogen sich die Angreifer im Schutz der Dunkelheit und unter Mitnahme ihrer Toten und Verwundeten zurück. Unseren Gegnern war es nirgends gelungen, eine unserer Unterkünfte in Zinten auszuheben oder zu stürmen.
Die Verluste der Russen konnten wir nie genau feststellen, sie müssen jedoch erheblich gewesen sein. Wir hatten zum Glück neben mehreren Verwundeten nur einen einzigen Toten zu beklagen. Das Kräfteverhältnis der beiden Kampfeinheiten zueinander dürfte 6:1 zu Gunsten unserer Gegner betragen haben. Unsere Sicherungen hatten wieder einmal glänzend funktioniert.
Als der Druck der Russen zu stark wurde und wir Gefahr liefen, am 24. Februar in Zinten abgeschnitten zu werden, wurden die Reste der Bevölkerung evakuiert. Als wir sehen mussten, wie jetzt unsere Bevölkerung mit der wenigen Habe die sie hatten auf ihren Pferdewagen nach Norden strebten, einer unsicheren Zukunft entgegen, da presste es uns einmal mehr fast das Herz ab.
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Diejenigen Frauen und Kinder, die kein eigenes Fuhrwerk besaßen, waren in der Morgendäm- merung auf die Schützenpanzerwagen verladen worden. So saßen sie jetzt wie verschreckte Vögel oben auf dem Gerät, den Waffen und der Munition. In ihre Decken und Mäntel gehüllt ließen sie sich einfach treiben, willenlos wie ein Stück Treibholz in einem Wildbach. Sie waren nur von einem einzigen Wunsch beseelt: "Nur nicht den Russen in die Hände fallen!"
Uns Soldaten war es, als ob wir unsere eigene Heimat verloren hätten und als ob oben auf den Wagen unsere eigenen Mütter, Väter, Frauen und Kinder sitzen würden. Für ungefähr eine Woche lebten alle unsere Flüchtlinge aus Zinten genauso wie wir Soldaten. Nachts schliefen sie neben uns im Straßengraben und bekamen auch ihren Schlag aus der Feldküche, genau wie wir. Dafür halfen die Frauen und Mädchen dem Koch, sie flickten unsere Uniformen. So ähnlich und nicht viel anders dürfte es auch bei der großen Völkerwanderung vor 2000 Jahren gewesen sein. Nach einer Woche wurden alle von unserer Einheit nach Heiligenbeil abtransportiert! Was aus allen unseren vielen Freunden geworden ist, das weiß ich nicht. Ich möchte nur hoffen, dass sie alle wieder eine neue Heimat gefunden und sich dort auch eingelebt haben!
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Die Räumung und der Rückzug aus Zinten
Der Druck des Feindes verstärkte sich und zwang dazu, am Abend des 25. Februar 1945 Zinten aufzugeben und in der Nacht über Alt Legden nach Kukehnen zurückzugehen. Diese Ortschaften, wie Dösen, Lehmkühnen, Wesselhöfen lagen noch voller Trosse fremder Einheiten und Flüchtlingstrecks, die wie überall aus Erschöpfung liegengeblieben waren. Die rote Luftwaffe griff nun die überfüllten Dörfer mit ihren Schlachtfliegern (IL-2) an und verur- sachte verheerende Ausfälle. Immer aufs Neue wurde sobald wie möglich eine neue Abwehrlinie eingerichtet und immer wieder mussten wir Grenadiere uns auch bei ungünstigen Verhältnissen wie im Gutshof Kukehnen vom Feind lösen.
Am 28.2.45 ging es schon am Morgen zurück in den Raum Nemritten, in den späten Abendstunden bis in den Raum Langendorf-Bükühnen. Als dann die sowjetischen schweren Panzer in den Forst Waldburg einbrachen und die HKL aufrissen, standen auch die schnell aufgefahrenen Panzerabwehrgeschütze ohne Munition in der zerrissenen HKL. Die Aufschlagmunition kratzte den T-34 nur an, selten, dass sie ihn verwundete, ganz selten, dass sie ihn vernichtete. Erkannte deutsche Stellungen wurden konzentrisch angegriffen und zusammengeschossen. Dann drängte auch die feindliche Infanterie bis zur Bahnlinie Perwilten - Zinten vor. Korschelken an der Autobahn, Tykrigehnen, Nemritten, Bhf.-Kukehnen gingen verloren.
Die zunehmende Enge im Kessel um Heiligenbeil zwang nun dazu, nur noch in Steinwurfbreiten auszuweichen. Entsetzlich waren die Verluste in den überbelegten Dörfern, die zu Menschenfallen größten Ausmaßes wurden.
Am 1. März 1945 zeigte sich ein unverändertes Bild im Abschnitt der FschPzGrenDiv. HG und der PzGrenDiv. GD. Immer wieder und immer häufiger mussten Teilverbände HG und GD aus der eigenen Front herausgezogen und als Verstärkung an die Gefahrenpunkte des 26. PzGrenRgt. -9. Rgt. der 23. IntDiv. -562. und der 265. IntDiv. entsandt werden. Die eigene, etwa 15 km lange Front wurde zunehmend durch Alarmeinheiten besetzt.
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Der letzte von der 2. FschPzGrenDiv. HG angelegte Soldatenfriedhof war in der Stadt Zinten im Jahr 1945. Die Gruben für die Gefallenen wurden wegen des starken Frostes durch Feuer aufgetaut. Auch von der PzGrenDiv. Großdeutschland wurden hier die Gefallenen bestattet. In Zinten stehen zwar keine Grabsteine, was nicht bedeutet, dass hier keine Toten liegen. Überall waren sie hier Mann für Mann aufgestellt.
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Für jede Schlacht gab es Opferzahlen, doch eigentlich waren die Schlachten um Zinten ein ununterbrochenes "Schlachten".
Ein einziger Friedhof sollte in Zinten bleiben. Ein Mahnmal für kommende Generationen sollte erstellt werden. |
Urplötzlich brachen ab 3. März alle weiteren feind- lichen Durchbruchsversuche ab, außer gelegentlichem Artillerie-Feuer trat an den Fronten völlige Ruhe ein. Kein gutes Zeichen für uns Grenadiere. Erfahrungsgemäß war das die Ruhe vor dem endgül- tigen Durchbruchsversuch der Sowjets. Ein am 5. März 1945 geplantes deutsches Angriffsunternehmen mit begrenztem Ziel - nämlich Durchstoß durch die sowjetischen Linien von Bhf. Kukehnen und Weiter- stoß westl. Amalienwalde vorbei, um die nach Norden vorgestoßenen Feindgruppen an der Autobahn zu vernichten, misslang vollständig. Kaum dass die Angreifer, FschPzGrenRgt. HG und Teilverbände der GrenDiv. GD, ihre Ausgangsstellungen verlassen hatten, wurde das Unternehmen im Keim zerschlagen. Die alte bisher gehaltene HKL wurde wieder besetzt, die Flankenbedrohung von Süden, aus Bükühnen, Klausitten, Forst Waldburg und Nemritten war besorgniserregend.
Am 7. März 1945 um 21.00 Uhr begann der Stellungs- wechsel des 4. FschPzGrenRgt. HG in die Zwischen- stellung an der Straße von Zinten nach Gr. Klingbeck im Raum Alt Legden, Gut Dösen und Gut Wessel- höfen. Der Russe stieß sofort nach und erreichte die Straße gegen 23.00 Uhr. Mit dem Überschreiten des Stradick zwischen Zinten und Vw. Domlitten war das Vertrauen der Truppe erschüttert. Beste Hilfe für uns Grenadiere war jetzt wiederholt die 11./4 Sturmge- schütz-Abteilung HG, die am 6. März vor unseren Stellungen am Stradick-Fluß zwischen Kukehnen und Gut Ecker von 14 angreifenden Panzern (T-34) zehn abschoss, und vier beschädigte.
Daraufhin fuhr ein stark besetzter Schützenpanzer unserer Kompanie zum Gutshof Ecker. Er sollte feststellen, ob dort die Übergänge noch intakt waren und diese bis zum Eintreffen des Sturmbataillons HG (Lehmann) unter Major Ostermeier sichern. Gegen Mittag hatte der namentlich nicht bekannte Feldwebel festgestellt, dass die Brücke über dem Stradick unzerstört war. An der Brücke waren jedoch Spreng- ladungen angebracht. Auch das Zündkabel war bereits zum Gutshof verlegt.
Um den Übergang wirkungsvoll sichern zu können, fuhr der deutsche Schützenpanzer, der mit einer 20 mm Kanone ausgerüstet war, auf dem trockenen Ufer- streifen direkt unter die Brücke. Er wurde durch diese Brücke jedoch nicht vollständig verdeckt, was Folgen haben sollte. Die SPW-Besatzung, wir Grenadiere waren ca. zwölf Mann, gingen in unmittelbarer Nähe in Stellung und warteten auf die Kampfgruppe vom Sturmbataillon, die aus Richtung Nemritten kommen sollte.
Zum gleichen Zeitpunkt rollte ein sowjetischer Panzer- verband von Klausitten nach Nemritten. Von der Brücke des Gutshofs Ecker aus war die Panzer- Kolonne nicht zu sehen, aber die Motorengeräusche waren nicht zu überhören. Kurz vor dem Gut Ecker legten die Russen einen Beobachtungshalt ein. Sie erkannten, dass die Brücke nicht zerstört war. Gleich- zeitig entdeckten sie den unter der Brücke heraus- ragenden Schützenpanzerwagen und eröffneten sofort das Feuer. Das Fahrzeug wurde am Heck getroffen. Wir Grenadiere glaubten, wir würden von eigenen Panzern des Sturmbataillon beschossen, mit sowjetischen Panzern rechneten wir noch nicht.
Feldwebel Alfred Wegner vom 4. GrenRgt. HG griff sich im Gutshof ein Fahrrad und fuhr mitten auf der Straße in Richtung Nemritten. Dabei schwenkte er heftig mit einem weißen Tuch. Als er sich den Russen auf fast 150 Meter genähert hatte, erkannte er seinen Irrtum und geriet offenbar in Panik. Anstelle zu wenden und zurückzufahren, sprang er vom Rad und flüchtete zu Fuß. Ein sowjetischer Scharfschütze schoss ihn nieder. Feldwebel Alfred Wegner ist der einzige deutsche Soldat, der auf der Gemarkung Ecker gefallen ist. Er konnte nicht geborgen werden!
Als die Russen zur Brücke stürmten, erfolgte die Zündung der Sprengladungen, und sie stürzte unwiederbringlich in den kleinen Stradick-Fluß, obwohl wir diese Brücke für die Kampfgruppe des Sturmbataillons HG sichern sollten. Wenig später wurden wir von einer Stalinorgel mit Phosphorgranaten eingedeckt. Der Gutshof brannte, für den folgenden Häuserkampf gibt es keine deutschen Zeugen. Es haben nur sehr wenige überlebt, Uffz. Erwill Roock und ich.
Das Sturm-Bataillon HG unter Major Ostermeier war durch die Lageentwicklung in eine noch bedrohlichere Situation geraten. Sie standen praktisch zwischen zwei jeweils 20-fach überlegenen sowjetischen Regimentern. Sie mussten hoffen, weiter unentdeckt im Forst Walburg bleiben zu können, um dann hinter den sowjetischen Verbänden zu operieren. Das wäre fast gelungen!
Da die Ecker-Brücke zerstört war, suchten sie nach einem anderen Übergang. Die Russen fuhren daher nach Norden. Nach drei Kilometern standen sie vor der ebenfalls gesprengten Brücke über den Stradick. Während sowjetische Pioniere den Übergang wieder herrichteten, wurden Spähtrupps zur Nahsicherung in den angrenzenden Waldstück geschickt. Diese entdeckten nach einiger Zeit die im Wald eingeigelte Kampfgruppe des Sturm-Bataillons HG.
Die sowjetischen Soldaten ließen sich nicht auf diesen Kampf ein, ihre Panzerkanonen waren im Wald ziemlich bedeutungslos. Infanteristisch waren sie zunächst fünffach unterlegen. Dieses Kräfteverhältnis würde sich aber in den nächsten Stunden ganz sicher zu ihren Ungunsten ändern, zumal die Russen in unmittelbarer Nähe noch andere Truppen stehen hatten. Major Ostermaier befahl daher die Flucht nach vorn, den Ausbruch aus dem Wald in Richtung Nordwesten. Die deutschen Soldaten des Sturm- Bataillons durchquerten den Wald und erreichten gegen 11.00 Uhr die Waldränder, überquerten ohne Verluste den Fluß Stradick und die Bahnlinie bis zum Gutshof Düsterwalde (er lag an der Straße von Zinten nach Gr. Klingbeck).
Am 8. März 1945 waren aus der vorderen Linie und von den B-Stellen aus starke Feindkräfte, die sich entlang der HKL nach Westen schoben, zu beobachten. Mangels Munition konnten sie die eigene Artillerie beim Gutshof Dösen nur ein bisschen ärgern. Danach machte der Russe zunächst nur Erkundungsvorstöße, beschoss aber ständig die vorderen deutschen Stellungen mit schweren und schwersten Geschützen, so dass auch das Eingraben und der Bau von Bunkern ständige weitere Verluste nicht verhindern konnte. Die zunehmende Feuerdichte ließ eine artilleristische Verstärkung des Feindes erkennen und die Vorbereitung eines nächsten Großangriffes vermuten.
Das Pz.-Korps Füs.Rgt. GD unter Major v. Basse war zur Auffrischung im Raum des Autobahnkreuzes Zinten - Gr. Klingbeck, es war auch als Eingreifreserve in der zweiten Linie gedacht, gegen die zu erwartenden Feinddurchbrüche von Sollnicken oder Koppelbude. Und das geschah sehr bald, als sich GD-eigene Tiger und Panther, die der FschPzGrenDiv. HG unterstellt waren, (Generalmajor Schmalz) im Raum der Autobahn Gr. Klingbeck mit dort angreifenden Feindpanzern herumschossen.
Der um 10.00 Uhr vorgetragene russische Angriff mit etwa 30 Panzern über die Linie Gr. Klingbeck - Autobahn, Höhe (Pkt.66) bei der Ziegelei gegen die vorrollende GD-Panzer- Gruppe zog sich zwei Stunden hin.
Panzerduelle, unterstützt durch Nahkämpfe des 2./PGR. 4, wurden vom Kommandierenden General des FschPzKorps HG Gen.Maj. Schmalz in den Kampf geworfen. (Div.- Gefechtsstand im Dorf Worwegen) Es gab inmitten der Panzer ein wildes Durcheinander, über das hinweg sich die Panzer ihr Duell lieferten. Die Panzergrenadiere vom 4./Rgt. HG und die Reste des Sturm-Bataillons rollten gegen 11.00 Uhr auf ihren SPW (Schützenpanzerwagen) ins Kampfgebiet an der Autobahn und griffen im Panzernahkampf mit der Panzerfaust und Panzerschreck ein. Wir hatten, wenn auch unter Verlusten immer wieder Erfolg - dort blieb ein T-34 bewegungslos stehen, an der Böschung der Autobahn brannten sieben T-34 und zwei Stalin-Panzer aus, bei vier Panzern wurde die Besatzung zum Ausbooten gezwungen. Die Tiger- und Panther-Abteilung GD unter Major von Basse vernichteten 14 feindliche Panzer, bei nur vier eigenen Verlusten. Zwei Stalinpanzer drehten brennend und lahmgeschossen ab.
Auf dem Weg nach Gr . Klingbeck wurden zwei russische Betriebsstofffahrzeuge gestoppt und mitgenommen. Ca. 12 zufällig gemachte sowj. Gefangene ließ Major Ostermeier am Abend wieder laufen. Unsere eigenen Verluste betrugen in diesem Zeitraum fünf Gefallene im Panzernahkampf.
Am 10. März verlegte die Korps-Artillerie-Abteilung HG mit der I./129 von Gut Dösen in den Raum Wegseihöfen - Baumgarten. Unzählige Batterien, geradezu eine gewaltige Demonstration der Artillerie, standen hier bereit. Die Mauer wäre unüberwindlich gewesen. Aber es war eine leere Demonstration, es gab keine Munition!
Ganz aufgelöst wurden die 3., 4., 5. und die 10. Batterie. Die Angehörigen dieser Batterien, die mit ihren Kanonen am meisten mit uns in der vorderen Linie eingesetzt waren, waren am schwersten betroffen. Die durch die Gemeinsamkeit der Not und der Opfer zusammengeschweißte Truppe wurde auseinandergerissen und verlor den letzten, in dieser Bitternis doppelt wichtigen menschlichen Kontakt. Dieser Schritt der Verzweiflung brachte uns die totale Resignation.
Trotz des inzwischen eingetretenen Tauwetters und Nebels über den Stellungen bei Dösen - Wesselhöfen zwang uns der Russe, größere Angriffe zu unterlassen. Auch in Wesselhöfen und Baumgarten war die Zivilbevölkerung nicht rechtzeitig evakuiert worden. Sie wurde auf leeren Munitionsfahrzeugen der Nachschub-Truppe HG nach Ludwigsort zum Munitionslager mitgenommen. So auch die Familie des Rittergutes Dösen, Axel Frhr. von Buddenbrock.
Frau von Buddenbrock wollte das Rittergut zunächst nicht verlassen. Der Russe war ringsum, die Lage wurde immer unübersichtlicher. Der Divisions-Stab HG, der im Rittergut Dösen bis zum 8. März 1945 lag, wurde nach Ludwigsort verlegt. In diesen Absetzbewegungen der kämpfenden Truppe wurde auch die Familie von Buddenbrock und die Zivilbevölkerung von Dösen und Gutshof Wesselhöfen mitgenommen, was ihnen sicherlich das Leben rettete. Keiner wurde zum Fortgehen gezwungen! Kein Tier wurde 1945 im Gutshof für die Feldküchen und zur Wurstherstellung für die Truppe konfisziert! Die Herstellung von Wurstwaren im Gutshof kam ohnehin nicht in Frage, Fleisch und Wurstwaren wurden aus Wehrmachtsbeständen (Gr. Hoppenbruch) geliefert. Das kann ich mit Sicherheit sagen, denn ich war als Essenholer öfters im Gutshof Dösen, hier traf ich auch die zwei russischen Mädchen wieder, die Köchin Katjuschka und Luba aus Kiew.
Nach einer Schilderung über die Ereignisse in Dösen aus dem Jahr 1945 (Von Alt Passarge bis Zinten) mussten wir Frontsoldaten leider feststellen, dass es nicht so war, wie es geschildert wurde. Entweder war keiner der Protagonisten dabei, oder es sind nur Bruchstücke aus dem Fluchtjahr 1945 im Gedächtnis haften geblieben. Die Zivilbevölkerung wurde nicht von der Wehrmacht zum Fortgehen gezwungen, auch im Gutshof Dösen und im Gut WesseIhöfen nicht!
Am 8. März 1945 waren im Gutshof Dösen noch verzweifelte Flüchtlinge, Frauen und Kinder aus Pr. Eylau, die sich nicht mehr auf den vereisten Straßen zwischen den Truppen bewegen sollten. Sie blieben im Gutshof Dösen und gingen in einer bewunderns- werten Haltung dem Untergang entgegen! Niemand weiß, was mit ihnen geschah.
So war es und dieses will ich bewahren und habe es hiermit wahrheitsgemäß zu Papier gebracht! Wir waren als knapp zwanzigjährige Soldaten direkt und bis zum Schluss dabei.
Die Erinnerungen einfacher Soldaten sind in diesem Fall glaubwürdiger als Generals- und Kommandeurs- darstellungen.
Im Gutshof Dösen gab es auch die sogenannten "Goldfasanen", die meiner Meinung nach zu nichts nutze waren, außer, dass sie phrasenhafte Reden schwangen. Es waren die Heimatkrieger und Maulhelden. Sie stellten in meinen Augen in ihren braunen Uniformen eine besondere Sorte dar. Aber auch von diesen vulgären Spießern in Uniform kam kein Räumbefehl!
Das Gutshaus Dösen wurde im März 1945 nur geringfügig zerstört. Das Gut ist heute jedoch nicht mehr vorhanden. Ein alter Russe berichtete 1994, dass es von der Roten Armee bei einer Siegesfeier einfach abgebrannt wurde.
Dies ist die wahre und richtige Fassung, die ich hier vom Guthof Dösen schildere.
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In der Diele standen ein großer Tisch, zehn Stühle und zwei große Schränke - diese Möbelstücke ließ Axel Frhr. von Buddenbrock aus einer um 1906 im Moor gefundenen Eiche fertigen. Hinter der Diele zum Garten hin lag das Esszimmer mit alten, schwarzen Danziger Barockmöbeln (Original 18. Jh.).
Das anschließende Wohnzimmer war ganz in Rosa gestaltet. Die Wände waren altrosa tapeziert, die Sitzmöbel-Bezüge waren auch altrosa und der Teppich auf dem Parkettboden war altrosafarben, an der Decke hing ein großer Kristalleuchter.
Das Gutshaus wurde als ein für Ostpreußen so typischer Putzbau mit Krüppelwalmdach auf einem hohen Sockel errichtet. Im Untergeschoss befand sich die Küche mit Vorratsräumen.
Nach fast 57 Jahren machte ich mich zusammen mit meiner Frau auf die Suche nach dem 3.000 Morgen großen Gutshof Dösen, vier km von Zinten entfernt. Zwischen Brennesseln und Dornengestrüpp entdeckten wir angekohlte Mauerreste. Die meisten uralten Bäume der früheren Allee waren von den schweren Kämpfen im März 1945 noch zerborsten. Über verwitterte Ziegel- steine quälten wir uns zum Kellereingang. Hier kamen mir Bilder der Erinnerung von 1945 als Essenholer in den Kopf. Wie oft war ich hier im Gutshof und sprach mit dem Verwalter über die zunehmende Enge im Kessel um Heiligenbeil, die zu einer Menschenfalle wurde.
Da auch hier im Getreidespeicher nur kurze Zeit ein Hauptverbandsplatz war, liegen im Gutspark unter den Eichen etwa 80 deutsche Soldaten von März 1945.
Im Februar und März 1945 befand sich im Rittergut Dösen der Divisionsstab des Fallschirm-Panzerkorps HG. - Kommandierender General GenLt. Schmalz, Oberst iG von Baer, der Ia: Obstlt. Pusch, Ic: Hptm. Humbert. - Ende Februar verlegte der Div.Stab nach Ludwigsort an der Reichsstraße 1. dicht am Haff.
Ab März 1945 befand sich im Gutshof Dösen der Divisionsstab der 2. FschPzGrenDiv. HG. DivKdr. Oberst Walther, DivFü. Oberst Söth, Obst. Seegers. Kommandeur der 4. HG war Major Stauch und Oblt. Schink. (Beide sind im Gutshof Rensegut, Rgt-Gef.-Stand am 27. März 1945 gefallen, etwa 6 km südlich von Balga.)
Bis zum 10. März 1945, es war 09.00 Uhr, blieb es im unsern Abschnitt ruhig und ohne besondere Vorkomm- nisse. Der Kompaniechef begrüßte uns im Gutshof Dösen mit Handschlag, nur der Kompanieschreck (Spieß) wollte uns erstaunlicherweise nicht die Hand geben. So waren sie - arroganten "Herrenmenschen"!
Am 11. März wurden wir mit Waffen, Munition und Gefechtsausrüstung ausgestattet. Alles war reichlich vorhanden, denn die Gefechtsstärke der Kompanie betrug nur vier Züge und statt der regulären 120 nur 20 Mann.
Einige Stunden später konnte per Kradmelder der Kontakt zum Divisionsstab in Ludwigsort hergestellt werden, der Stab hatte aber seinerseits Schwierig- keiten mit der Beurteilung der Lage, weshalb er im Gutshof Dösen das Abwarten anordnete. Die Situation hatte einen erfreulichen Vorteil. Unser Fourier Albert Remmers aus Bremen-Pußdorf, der sich gerne in sicherer Entfernung von der eigentlichen Front aufhielt, musste ständig heißen Kaffee ausgegeben.
Gegen Mittag machte sich Missmut breit. Dazu trug vor allem wieder das Wetter bei, da es im März trübe, regnerisch, windig und auch nachts empfindlich kalt wurde. Der ganze Stumpfsinn des Soldatenlebens im Wartezustand legte sich im Gutshof Dösen wie Blei auf die Gemüter, denn in den Stallungen herrschten die eintönigen Zustände der Massenquartiere.
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Auch für das Kartoffelschäl-Kommando im Gutshof war ich für zwei Tage Daueraspirant. Der Kompanieschreck pflegte unversehens bei den Kartoffelschälern aufzutauchen und die Stärke der Schalen zu prüfen. Waren sie seiner Ansicht nach zu dick, war eine Strafwache im Gut fällig. Dabei konnte er mir bald nichts mehr anhaben, denn mit dem Schälmesser konnte ich bald besser umgehen als der Kompanieschreck mit dem Essbesteck. (Dösen 11. März 1945)
Bei einbrechender Dunkelheit begann unser Marsch unter Führung eines Feldwebels vom Gutshof Dösen an die Front beim Dorf Düsterwalde, direkt an der Straße entlang von Zinten nach Ludwigsort. Ein eisiger Ostwind fegte unter unsere dünnen Kopfschützer und leichten Winterjacken, die knapp bis zur Hüfte reichten. Die Füße in unseren Filzstiefeln wurden fast gefühllos und ich dachte, viel schlechter konnte es uns kaum noch ergehen.
Die Front verlief etwa an der Straße von Zinten nach Gr. Klingbeck, (Karte) und teils an der Bahnlinie entlang. Etwa vier Kilometer nördlich schlossen sich die deutschen Stellungen, die an der Autobahn lagen, an. Die Russen lagen am gegenüberliegenden östlichen Ufer des Stradick in etwa dreihundert Meter Entfernung. |
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Wir legten den ersten Teil der Strecke beim Gutshof Düsterwalde, der von den Iwans über gut 500 Meter nicht einsehbar war, in einer lockeren Reihe zurück und erreichten die flache Kuppe östlich von Düsterwalde. Gebückt und auf den letzten Metern kriechend verschafften wir uns einen Überblick über die Lage. Das Waldstück an der Straße zum Bahnhof (Haltepunkt Gut Ecker) war näher, als wir erwartet hatten. Die Distanz zum Iwan betrug höchstens 100 Meter. Auf dem abfallenden Hang vor dem Wald gab es einige kahle Bäume und hinter einem dürren Busch sah ich leichten Rauch aufsteigen - vermutlich Machorka- Rauch. Bei genauerem Hinsehen stießen wir auf fünf Russen mit einem der antiquiert anmutenden plumpen russischen schweren MGs. Solche MGs waren mit einem ummantelten wassergekühlten Lauf bestückt. Wegen ihres Gewichts waren sie so mühsam zu handhaben, dass sie von drei Mann auf einer kleinen Lafette mit Holzrädern gezogen werden mussten. (12. März 1945- Gutshof Düsterwalde)
Offensichtlich erwarteten die fünf Iwans mit ihrem MG nichts Böses. Sie wandten ihre volle Aufmerksamkeit dem heftigen Gefechtslärm an der gegenüberliegen- den Seite (Pkt.76,4) zu, dort war unser Stoßtrupp, der den kürzeren Weg hatte, im richtigen Moment zum Angriff in Richtung Waldstück angetreten. Unmittelbar darauf eröffneten wir das Feuer auf die fünf Sicherungsposten. Die anderen Männer unseres Stoßtrupps ballerten aus ihren MPs heraus, was ihre Waffen hergaben. Insgesamt war es ein beachtliches Feuerwerk. (Tagebuch von Montag den 12. März 1945)
Überraschenderweise lösten wir keine Gegenwehr aus. Warum das so war, konnten wir aus unserer überhöhten Stellung bald erkennen. Die Russen waren durch das plötzliche Feuer aus ihrer Flanke in Panik geraten und verließen in hellen Scharen die Waldgruppe, um an der Eisenbahnlinie und dahinter Schutz zu suchen. Sie rannten auf dem Weg dorthin über das blanke Feld. Dadurch konnten wir erkennen, dass es an die 150 Mann waren. Und erst jetzt erkannten wir, dass sich etliche Russen schon vorher dort am Bahndamm verborgen und uns unter Beschuss genommen hatten. Sie hatten gezielt versucht, uns umzubringen. Die gesamte sowjetische Truppe schätzte ich auf mehr als 200 Kämpfer.
Aber die Sache war noch nicht zu Ende. Die russische Streitmacht, die sich in Palmkrug und an der Bahnlinie festgesetzt hatte, war zahlenmäßig immer noch ungefähr viermal so stark wie unsere Stoßtrupps. Die Russen waren gut bewaffnet und reichlich mit Munition versehen, jedenfalls ging sie weiterhin verschwen- derisch damit um.
Unser Kommandeur hielt kurz Kriegsrat im Gutshof mit dem Ergebnis, dass es am besten sei, die inzwischen bewährte Vorgehensweise noch einmal zu praktizieren. Das hieß: Wir würden erneut im Schutz der Anhöhe zwischen uns und dem Waldstück einen Bogen schlagen und uns von der Seite nähern. Die Zeit drängte, denn die Märzsonne näherte sich deutlich dem westlichen Horizont. Unser Stoßtrupp - das hatten wir von unserer Kuppe her gut ausmachen können - hatte keine Chance, von Süden her über das freie Gelände an die Bahnlinie heranzukommen. Wir hatten keine Ahnung, welches Gelände wir selbst am Bahndamm vorfinden würden. Es blieb uns nichts anderes übrig, als uns auf den Weg zu machen und es darauf ankommen zulassen. Am Bahndamm entlang und in Erdfalten lagen die Russen dicht gedrängt und schossen aus allen Rohren auf die Männer unseres anderen Stoßtrupps, der mittlerweile das Waldstück besetzt hatte. Das dürftige Gegenfeuer konnten wir als Sicherungsposten nicht wahrnehmen.
Jedenfalls zeigte es keine erkennbare Wirkung. Die Aussichten unserer Kameraden, noch irgendetwas unternehmen zu können, waren äußerst gering und sanken in den nächsten Sekunden auf Null. Denn - noch während wir uns einen Überblick über die Lage verschafften, gab es einen harten Knall, unmittelbar darauf stand der SPW, der den Stoßtrupp begleitete, in hellen Flammen. Unteroffizier E. Roock, der neben mir lag und ich begriffen sehr bald, wer ihn erledigt hatte. In der Mitte der lang gestreckten Front der Russen sahen wir einen Mann mit einem Kampfgerät, das ich bis dahin nur vom Hörensagen unter der Bezeichnung "Panzerbüchse" kannte. Es war eine Waffe mit einem zwei Meter langen Rohr, die vorne mit einer zweibeinigen Abstützung versehen war und mit hoher Mündungsgeschwindigkeit und beträchtlicher Durchschlagskraft Panzer-Granaten mit einem Kaliber von 30 Millimeter verschoss. Die frühe Dämmerung brach herein und es ging um Minuten.
Zwei Sturmgeschütze von der 11./4 HG gingen mit äußerster Umsicht am Gutshof in Stellung. Um die Russen nicht auf die zwei Sturmgeschütze aufmerksam zu machen, setzten sie ihre 7,5-Kanone nicht ein, dafür begannen die vier Panzer-MG's zu rattern, deren Abschüsse die Russen beim Lärm ihres eigenen Feuers nicht hören konnten. Als Erstes nahmen sie den Mann mit der gefährlichen Panzerbüchse aufs Korn. Wir als Sicherungsposten gaben keinen Schuss ab, ich hatte sowieso für mein MG-42 keine Munition mehr und war froh darum, nicht beteiligt zu sein. Das Inferno schien kein Ende zu nehmen, dauerte in Wirklichkeit aber kaum mehr als eine Minute.
Dann herrschte plötzlich eine fast unnatürliche Stille. Ich ging zu dem Panzerbüchsenmann, um mir seine Waffe näher anzusehen, mit der er einen unserer SPW mit ihrer Besatzung abgeschossen hatte. In seiner Truppe musste er eine bevorzugte Stellung genossen haben, denn er lag schwer verwundet zwischen zwei Kommissaren. Die Büchse hatte eine Art Zielfernrohr mit dem man empfindliche Stellen der Panzerung genau anvisieren konnte. Ich rappelte mich auf und ging dann zu den anderen am Gutshof zurück. (12. März 1945)
Nachdem wir uns gesammelt hatten, stellten wir fest, das von unserer 14./4-Pi-Kompanie sieben Mann fehlten, die bei dem versuchten Frontalangriff gefallen waren. Am 12.3.45 waren es mit dem Ersatz, der einige Tage vorher zur Verstärkung eingetroffen war, noch 28 Mann gewesen. Am Morgen des 13. März zählten wir noch 21 abgekämpfte, erschöpfte Männer, darunter acht, die nicht zur 14./4 gehörten, offenbar Versprengte von der 10./4, unserer Nachbarkompanie. Erst jetzt sah ich, dass bei den noch wartenden Versprengten vier Männer isoliert in der Mitte des Haufens standen, gefangene Russen, so auch der Russe mit der Panzerbüchse, die mit gesenkten Kopf und hängenden Schultern ihr weiteres Schicksal erwarteten.
Das Desaster hatte als überstürzte Aktion seinen Anfang genommen. Um etwa 20.00 Uhr kam der Befehl, dass sich alle verfügbaren Männer mit allen greifbaren Waffen versehen sollten, um auf die ebenfalls alarmierte Kampfreserven des Bataillons zu warten. Ein starker sowjetischer Trupp hatte unsere Kompanie beim Gutshof umgangen und sich im Rücken von uns festgesetzt. Die gesamten Kampftruppen im Bereich Düsterwalde hatten inzwischen Befehl, sich wegen einer übermächtigen Bedrohung der ungesicherten Flanken auf neue rückwärtige Stellungen an der Autobahn bei Worwegen zurückzuziehen. Die übrigen Kompanien hatten bereits begonnen, sich vom Feind zu lösen.
Die 14./4, die sich gegen unablässige frontale Angriff verteidigen musste, war in einer äußerst gefährlichen Situation, denn wir wussten über die Lage in der Nacht so gut wie nichts, weder über die Stellung des Gegners, der sich zwischen uns und der 10./4 festgesetzt hatte, noch über seine Stärke und Bewaffnung. Unausweichlich fest stand, dass wir handeln mussten und das ohne langes Überlegen, wenn wir nicht zusammen mit der Kompanie ohne Aussicht auf Rettung umzingelt werden wollten. Über zweihundert Meter waren wir in angespannter Bereitschaft in Richtung Autobahn vorgerückt, ohne dass ein Schuss fiel.
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Beginn des Sturms auf Heiligenbeil
Dann, auf der Höhe des Geländekamms, hatte uns urplötzlich und mit vernichtender Gewalt das massive Feuer der Russen überfallen, aus dem ich mich mit den anderen Überlebenden gerettet hatte. Als wir uns vor Worwegen sammelten, fehlten sieben Mann, vier Verwundete hatte man mit zurückbringen können, sie wurden an der Autobahn auf einen Treckwagen verladen und nach Bladiau geschafft. Major Ostermeier vom Sturm- Bataillon HG hatte bald das richtige Konzept: Ein neuer Frontalangriff war aussichtslos, wir teilten uns in zwei Kampfgruppen auf mit je einem Sturmgeschütz. Die erste Kampfgruppe ging über die offene Fläche in einem angemessen weiten Bogen bis zur Autobahn vor, die zweite Kampfgruppe blieb vor Worwegen, um die Rotarmisten in der Häusergruppe, in der sie sich verschanzt hatten, von Norden und von Süden in die Zange zu nehmen.
Zu der Gruppe, die den Bogen nach Norden zur Autobahn schlug, gehörte ich. Wir mussten den weiteren Weg um einen flachen Hügel nehmen, der uns Deckung bot, bis wir die Kuppe an der Autobahn und damit den abfallenden Hang vor der Stellung der Sowjets erreichten. Wir mussten aber damit rechnen, auf russische Spähtrupps zu stoßen. Das geschah auch einige Male, da wir aber unsere Augen offen hielten, konnten wir uns jedes Mal retten. In dem Augenblick, in dem wir den abfallenden Hang erreichten und die Häusergruppe vor uns auftauchte, überfiel uns das massive und vernichtende Feuer. Zwei Männer rechts von mir waren sofort tot, einer davon gehörte zu unserer Kompanie, wer der andere war, wusste ich nicht. Bevor es dazu kam, einen Schuss abzugeben, erhielt unser Sturmgeschütz einen Volltreffer. Es hielt abrupt an, aus seinem Rumpf schlugen nach einer Explosion helle Flammen und niemand stieg aus.
Die zweite Gruppe südlich Worwegen hatte bereits begonnen, sich vom Feind zu lösen. In der Ausweglosigkeit der Lage überlegte ich, ob ich vorsichtig rückwärts zum tiefer gelegenen Weg kriechen sollte, denn nur hier bestand die Chance, das wir uns nach Norden absetzen konnten. Das rettete mir erneut das Leben.
Vom 4. bis zum 12. März 1945 blieb es an der Ostpreußenfront ruhig und ohne Vorkommnisse, außer gelegentlichem Artilleriefeuer - kein gutes Zeichen für uns Grenadiere. Erfahrungsgemäß war das die Ruhe vor dem endgültigen Durchbruchsversuch der Sowjets. Die deutschen Angriffsunternehmen mit begrenztem Ziel misslingen in dieser Zeit vollständig.
Schon um 04.30 am 13. März meldete der Gefechtsstand der Division HG starke Feindansammlungen im Gr. Klingbecker-Wald, an der Autobahn sowie eine Ansammlung von bis zu 20 Panzern mit Infanterie in den Waldstücken zwischen Vw. Ernstfelde und Worwegen hart östlich des Ortes.
Um 05.00 Uhr arbeitet sich die sowjetische Infanterie aus der Mulde (Pkt.66) südöstlich Gr. Klingbeck heraus an die HKL heran. Sechs Panzer standen bereits vor der Front.
Um 07.00 Uhr setzte schlagartig das Trommelfeuer ein. Die jetzt erwartete Durchbruchs-Offensive der Sowjets führte am 29. März 1945 zur Vernichtung des Kessels von Heiligenbeil.
Alle Drahtverbindungen fielen aus, die Sowjets deckten alle nur erkennbaren deutschen Stellungen zwischen Gr Klingbeck und der Autobahn ein. Die Truppen, die noch im Raum südlich der Autobahn (Dösen) und Wesselhöfen standen, wurden bis Baumgarten zurückgenommen. Ein Schwerpunkt schien Pörschken und die Gegend weiter nördlich davon zu sein. Das dort eingesetzte II. Btl./PzGrenRgt. Großdeutschland hielt jedoch unerschütterlich seine Stellung. Doch östlich Pörschken am Fluß Frisching brach der Gegner in Richtung Poplitten - Wargitten durch. Im Ganzen gesehen stand die Gesamtfront aber noch, selbst der Einbruch bei Brandenburg konnte nochmals bereinigt werden.
Am 14. März wurde abends das noch abseits bei Perwilten eingesetzte Inf.BtI. GD unter Hptm. Zabel herausgelöst und es marschierte entlang der Gleise nach Westen in Richtung Pörschken, um dort erneut am Ost- und Südostrand-Stellung zu beziehen. Zur Autobahn bestand loser Anschluss an die 2. FschPzGrenDiv. HG.
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Absetzbewegungen nach Rödersdorf
Am nächsten Morgen, dem 18. März 1945, erreichten wir die Autobahn von Elbing nach Königsberg. In dem kleinen Dorf Groß- Klingbeck nördlich der Autobahn sammelten sich die Reste der Kampf- gruppen HG. Ich stand mit wundgelaufenen Füßen am Gutshof als der Tumult begann. Russische Panzer waren über die Autobahn vorgedrungen und schossen in das Dorf hinein. In einem Haus saß ein junges Mädchen aus Kreuzburg bei ihrer kranken Mutter und wollte sie nicht verlassen.
Ich finde hier in meinem Tagebuch skizzenhafte Auf- zeichnungen, so dass ich heute noch die Kampfbewe- gungen Tag für Tag verfolgen kann.
Der Ort Gr. Klingbeck war ein kleines Straßendorf in Richtung Ludwigsort mit einem Gutshof, Viehställen und Hausgärten, umgeben von Wald. Zwischen der Autobahn und Gr. Klingbeck war kein Mensch zu sehen, die Bewohner waren anscheinend schon geflohen. Nichts rührte sich. So lautlos wie möglich schlich ich durch ein Seitentor in den Gutshof, der vom Nachbargrundstück durch einen mehr als mannshohen Bretterzaun getrennt war. Plötzlich hörte ich nebenan Stimmen, Deutsche, im nächsten Augenblick erkannte ich im Gutshof ein Verpflegungslager der Marine.
Die Landser und die Flüchtlinge stürmten es mit leisen Stimmen und schoben den händeringenden Zahl- meister zur Seite. Der jammerte, denn er hatte noch keinen Räumungsbefehl und niemand wollte ihm einen geben. Diese kleine Gruppe von Flüchtlingen und Versprengten schien vergessen zu haben, wo sie sich befand und dass es für sie höchste Zeit war, zu fliehen und ihre Haut zu retten.
Es war für uns einfach unglaublich, was hier lagerte. Da gab es Soleier und Frankfurter Würstchen, fass- weise Butter, Marmelade in Tonnen, Zigarren - sogar in Glashüllen, usw. Erbittert klagten wir: "Und die haben uns wochenlang mit Tubenkäse gefüttert". Unsere Feldküche versorgte sich ausreichend in diesem Verpflegungs- lager. |
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Zum Glück wurde die Verladeaktion nicht vom Feind gestört. Im Gutshof lagen viele aufgeplatzte Kisten mit Kunsthonig, mit dem wir unsere Kochgeschirre füllten. Im nächsten Ort Grünwiese kratzten wir die Kochgeschirre allerdings wieder leer, um sie mit Schweineschmalz zu füllen, das wir in einem Bauernhaus gefunden hatten. Trotz des inzwischen eingetretenen Tauwetters wurden die Einheiten kilometerweise bis Lang und Baumgarten zurückgedrängt und der Abwehrkampf wurde zunehmend erbitterter.
Nach der Aufgabe von Gr. Klingbeck und dem Verlust von Bladiau wurde noch ein erfolgreicher Gegenangriff geführt. Nachdem die entsprechenden Blutopfer gebracht waren, erging überstürzt der nächste Befehl zum Absetzen. Dabei wurden die Orte Lang und der Gutshof Baumgarten aufgegeben. Der Russe griff von der Autobahn her mit Schlachtfliegern und Panzern in die Absetzbewegungen ein. Ein einziges 2-cm Vierlingsflak-Geschütz auf Selbstfahrlafette - eigentlich im Erdkampf eingesetzt - schoss mit den Resten seiner Munition in einer Stunde acht feindliche Schlachtflieger IL-2 ab. Die Trümmer flogen teilweise bis in unsere Stellungen.
Wir zogen ab, um nur nicht zu den Leuten abkommandiert zu werden, die den Rückzug decken. Das waren Todeskommandos! Die Kampfgruppe geriet erneut auseinander, vermischte sich mit Versprengten anderer Truppenteile. Neben mir lief eine zeitlang ein Soldat mit einem blutroten Verband. Ihm waren drei Finger abgeschossen worden. Er versuchte, Anschluss zu halten, blieb aber immer weiter zurück. Im Sand der Waldwege steckten Flüchtlinge mit ihren hochbeladenen Pferdewagen fest. Frauen und Kinder, einige alte Männer, sie waren alle auf der Flucht vor den Russen. Die Dämme waren gebrochen und jeder kämpfte hier um sein eigenes Leben. Nur noch in Gruppen gab es Zusammenhalt.
Mit Artillerie und Stalinorgeln zerschlug der Russe jeden Widerstand und wo danach noch etwas lebte, kamen die Panzer heran, zerschossen Widerstands- nester und walzten die Schützenlöcher zu. Die deutschen Truppen schrumpften zusammen. Aus versprengten Teilen gebildete Alarmeinheiten konnten die Lücken nicht mehr auffüllen. Die Front zerfiel in einzelne Widerstandsgruppen, jeder kämpfte, wo er gerade stand. Die Zivilbevölkerung hinter der deutschen Front hatte keine Ahnung von der Gefahr, in der sie schwebte.
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Verlegung nach Groß Hoppenbruch
Der Regiments-Gefechtsstand verlegte nach Groß Hoppenbruch und versuchte in der Schule unterzu- kommen. Es glich einem Heerlager. Die zahlreichen Häuser, Scheunen und sonstigen Gebäude lagen voll mit Verwundeten. Es wurde Zeit, sich ein Bild von der Lage zu verschaffen. Was ich auf der Karte sah, war erschütternd. Etwa in vier Kilometern liegt Heiligenbeil und zwei Kilometer hinter uns Balga, das Haff, das Wasser. Ein weiterer Stellungswechsel nach hinten zur Küste war nicht mehr möglich, das hier war die letzte Stellung!
Die Schlacht in Ostpreußen näherte sich dem Ende.
Wir Soldaten begannen zum erstenmal ernsthaft über unser weiteres Schicksal nachzudenken und so kreisen die Gespräche nur noch um diesen einen Punkt: "Wird man uns hier herausholen?"
Die Front vom 16. bis zum 27. März 1945:
Würde die Welt jemals erfahren, mit welcher Angst die Menschen flüchteten und wie unmenschlich und wie grausam der Russe die hilflosen Flüchtenden und Soldaten tötete? Allen war bewusst, dass der Russe hilflose Frauen, Kinder und Männer ohne Gnade und auf die entwürdi- gendste Art und Weise vergewaltigen, foltern und töten würde. Viele Jahre danach waren Albträume die Folgen der Erinnerungen an diese schreckliche Zeit, die man verdrängen, aber nie vergessen kann.
Ich nahm mir vor, als Soldat bei der 2. FschPzGrenDiv. HG und Augenzeuge über die letzten Tage im Kessel von Heiligenbeil, über meine Erlebnisse zu berichten.
Am 16. März brachen alle Funkverbindungen ab, der letzte Akt der Tragödie von Wolittnick, Mükühnen, Gr. Hoppenbruch und Heiligenbeil begann. Die Luft war überall erfüllt vom Geheul, von Einschlägen und Dreck- fontänen. Das Trommeln ging weiter, jeden Tag. Wie können Menschen so etwas aushalten? Das Trommel- feuer steigerte sich. Unsere MG's schwiegen. Die Rohre der Sowjetartillerie müssen glühen.
Es war Mittag geworden Wir zerstörten unser Funk- gerät, es hatte keinen Sinn, es weiter zu schleppen. Niemand antwortete mehr. Das völlig von Trichtern und Kratern übersäte Gelände im Kampfgebiet war buch- stäblich verbrannt. Ich hatte schreckliche Angst. Nur nicht an den Explosionsgasen ersticken! Feurige Kreise drehten sich vor meinen Augen, sie wurden größer und schneller. Ich bildete mir ein, zu träumen. Plötzlich zog mich jemand am Arm und der Druck ließ nach. E. Roock und W. Brand, beide hatten wieder ein Leben gerettet, mein Leben. Ich schwankte dann, denn gehen konnte man es kaum nennen - am Morgen des 21. März 1945.
Vor dem Dorf Gr. Hoppenbruch warf ich noch einen Blick zurück auf unsere schöne Heimat Ostpreußen. Da sah ich, dass einem Gutsturm der Kopf abgeschossen wurde, darin lagen unsere Verwundeten, ohne Heizung. Ob noch Pflegepersonal dort war, kann ich nicht sagen. Am Nachmittag bat mich ein hier herumliegender Verwundeter, ihm doch einen Sani zu holen, was ich dann auch tat, denn er hielt es vor Schmerzen nicht mehr aus. (21. März 1945)
Kein Wind von der Ostsee vermochte den Pesthauch des Todes zu verwehen - und Wind, den gibt es in Ost- preußen an 365 Tagen im Jahr. Der Krieg stank. Muss das alles so schrecklich und genau erzählt werden? - "Ja" - Der Krieg stinkt immer. Nur die Schilderung des alltäglichen Horrors macht die Dimension klar.
Den ganzen 16. und 17. März über hat es wahnsinnige Szenen und absurd anmutende Bewegungen an der Front im Heiligenbeiler Kessel gegeben. Wahnsinn war genau genommen das, was sie hier und anderswo seit Monaten betrieben. Wahnsinn war das tägliche Töten, Wahnsinn die Zerstörung von Städten und Dörfern und Existenzen in Ostpreußen. Das passierte ausgerechnet im Raum Balga, auf dessen Feldern die Soldaten buchstäblich um jeden Meter Boden hart kämpften, wo in knapp drei Monaten bereits Hundert- tausende gefallen waren, das allein war doch eigentlich schon der reine Wahnsinn.
Zum abwendbaren Wahnsinn trugen die eigentlichen Wahnsinnigen nichts bei. Die blieben sich treu und setzen ihren Krieg fort. Sie waren eben doch Bastarde, miese Feiglinge. Aber ihr Verhalten war erklärbar. Wo sich Feinde oft buchstäblich Aug' in Aug' gegenüber lagen, erkannte bei allem Hass der eine im anderen auch jene Angst, welche ihn selbst quälte, die Angst vor dem Tod.
Dieses Gefühl war denen in ihren sicheren Haupt- quartieren, Divisionsstäben und Regimentsstäben im Gutshof Rensegut, 6 km südlich von Balga, fremd. Welcher Stabsoffizier verirrte sich schon mal an die Front? Die hatten sich dort draußen von der Welt abgeschirmt. Kannten sie überhaupt diese lebenden Toten, vor allem die entsetzlich verstümmelten in der Ordensburg und in der Ordenskirche im Dorf Balga? Viele konnten nur noch künstlich ernährt werden - ganz einfach deshalb, weil ihnen Mund und Kiefer wegge- schossen worden waren - deren Anblick man nicht mal den verzweifelten Eltern zumuten durfte. Vielen Offizieren war das absolut fremd.
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Ich dokumentiere in vielen Fotos den Krieg, so wie er gewesen ist, wie Krieg, das blutige Spiel der Männer, immer sein würde. Die Bilder dieses Buches zeigen Aufnahmen vom Schützengraben und Massengrab. Und nicht ein einziger Mensch kann aufstehen und gegen diese Fotos zeugen, dass sie unwahr seien und nicht der Wirklichkeit entsprächen.
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Der Kessel hat sich bis auf 6 x 14 km verkleinert
Das Fortschreiten dieses sowjetischen Stoßes war durch das Abschießen zahlreicher weißer Leuchtkugeln seitens der Russen und durch das Abbrennen der von den Sowjets eroberten Orte wie Rödersdorf erkennbar. Wie sich später herausstellte, drang dieser Feindangriff gegen die gerade zurückziehenden Abteilungen und in die Batteriestellungen der Artillerie an der Autobahn zwischen Rödersdorf und Lönhöfen ein. Teile der Artillerie eröffneten in direktem Beschuss auf nächste Entfernung das Feuer mit schlagender Wirkung gegen den anstürmenden Feind. Im Hand- gemenge wurde der Gegner in den Stellungen niedergekämpft. Es entstanden schwere Verluste bei den einzelnen Einheiten.
Das plötzliche Auftauchen des Gegners im Rücken unserer Stellungen bei Jürgendorf brachte einen krisenhaften Umschwung der Lage des 4. FschPzGrenRgt. HG. Die Verbindungen zwischen den Kampfgruppen und zur Division in Rensegut und Wolitta waren unterbrochen. Die Gefechtsstände im Raum Königsdorf - Vw. Gnadenthal waren damit unmittelbar bedroht. Oberst Ostermeier setzte die Regimentsreserve des 16. FschJgRgt. zur Abriegelung der Reichsstraße 1 (Pkt.63) ein. Sämtliche Stäbe und Einheiten "igelten" sich zwischen Königsdorf - Gnadenthal und dem Gut Gabditten an der Reichsstraße 1 ein. Ein Offiziers- Spähtrupp wurde angesetzt, um die Lage und Ausdehnung des feindlichen Einbruchs festzustellen.
Die Lage war hier ziemlich verworren, Infanterie- und MG-Feuer von allen Seiten, regelloses Abschießen von Leuchtpatronen in allen Farben, Alarmmeldungen des zurückkommenden Offiziers-Späh- trupps, die Nachrichtenverbindungen nach Heiligenbeil und auch nach Gr. Hoppenbruch waren vollkommen unterbrochen. Während des Nachmittags machten sich vermehrte Bewegungen feindlicher Kräfte in den Waldstücken am Lindenberg östlich Haselau und Gut Dösenbruch, also vor der kämpfenden Truppe an der Reichs- straße 1 und dem Kompaniegefechtsstand Vw. Gnadenthal bemerkbar. Melder wurden in dieser Gegend angeschossen.
Feindliche Infanterie war erneut bis in der Nähe der Reichsstraße 1 tätig. Ein Durchkämmen der nächstgelegenen Waldstücke blieb jedoch erfolglos. Im ganzen Divisionsabschnitt an der Reichs- straße 1 war in unregelmäßigen Zeitabständen Gefechtslärm zu hören. Russische Flugzeuge überflogen erneut unsere Stellungen und bombardierten Heiligenbeil und Gr. Hoppenbruch an der Bahnlinie nach Königsberg. Aus allgemein westlicher und südlicher Richtung vorgehende Rotarmisten prallten an verschie- denen Stellen mit Teilen der FschPzGrenDiv. HG und der 28.Jäg.Div. zusammen.
Wie an allen Tagen stellte der Russe bei warmem und trockenem Märzwetter und wolkenlosem Himmel wieder Angriffsverbände bereit, diesmal mit Schwerpunkt südlich Heiligenbeil und an der Reichsstraße 1 bei Schirten. Nur scheinbar schien die Kraft der Russen zu erlahmen, nachdem sie in dieser Abwehrschlacht der 4. Armee innerhalb von rund fünf Wochen schon 2.153 Panzer verloren hatten.
Am Abend des 19. März setzte so starker Regen ein, dass die Führung befürchtete, dass der Russe das Wetter ausnutzen könnte, um durch das unübersichtliche Gelände zwischen Heiligenbeil und Wolittnick hindurch an die Eisenbahn zu gelangen. Das Gebiet wurde deshalb durch dauernde Aufklärung überwacht. Es war dem Feind unter diesen Umständen nicht möglich, von der Reichs- straße 1 dort hineinzustoßen und die 28. Jäg.-Div. sowie Teile der HG-Verbände zu umfassen. Die 4. Armee war erneut besorgt wegen der auffallenden feindlichen Panzerbewegungen im Abschnitt der 131. Inf.-Div. und 129. Inf.-Div. bei Heiligenbeil.
Natürlich setzten die sowjetischen Stäbe alles daran, ihre Angriffskeile zu verstärken, es war nur eine Frage der sehr begrenzten Zeit, wann sie über genügend Kräfte verfügen würden, ihren spektakulären Erfolg von Stalingrad mit der Schlacht um den Heiligenbeiler-Kessel zu wiederholen. Die Situation wurde für uns also von Stunde zu Stunde mulmiger, zumal uns kein Versorgungs- nachschub mehr erreichte. Auf der offenen Fläche waren die Verluste enorm. Die Toten mussten begraben, die Verwundeten geborgen und durch ungesichertes Gelände zum Hauptverbands- platz Heiligenbeil-Industriewerk gebracht werden. |
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Am 19. März 1945 musste die Abflussstrasse zwischen Rödersdorf und Königsdorf unbedingt für die Zivilisten in Richtung Gr. Hoppenbruch-Balga gehalten werden. Oberst Walther vom 4. Grenadier- Regiment HG hielt, nachdem der Russe zwar in den Ort Rödersdorf eindringen konnte, mit einer dünnen Infanterielinie unter unsäglichen Mühen wenigstens die Abmarschstraße nach Norden offen. Zeitweise war sich der Russe über den Verlauf der vorderen Linie nicht mehr im Klaren. Wiederholt liefen feindliche Soldaten aus Versehen über, z.T. brachten sie ihre Fahrzeuge mit.
Am Morgen standen plötzlich zwei sowjetische Bataillone im Rücken der eigenen Linie und zwar schon an der Straßengabel Freihufen - Jürgendorf. Dem von Hptm. Mees geführten Stoßtrupp gelang es trotzdem, unter Einsatz auch der Melder und Nachrich- tenleute, die Russen zurückzuwerfen und sogar vier Pak und zwölf MGs zu erbeuten. Damit war zunächst der Weg der Flüchtlinge nach Rosenberg oder Balga gesichert. Bis zum Nachmittag des 16. März wurde die Stellung Gallingen - Freihufen gehalten und damit ermöglicht, dass sowohl alle in diesem Abschnitt befindlichen Zivilisten als auch die Truppen- teile der Sanitäts-Mannschaften den Raum vom Feind ungestört noch verlassen konnten.
Die nächste Stellung, die wir besetzten, lag südlich der Reichsstraße 1 bei Königsdorf und dem Vw. Gnadenthal. |
Die deutschen und der russischen Gräben beiderseits Königsdorf waren in diesem unübersichtlichen Gelände viel dichter aneinandergerückt als in dem Frontabschnitt Rödersdorf, aus dem wir kamen. Stellenweise betrug die Distanz weniger als 100 Meter. Ein schmales, langsam fließendes, trübdunkles Gewässer bot zwar einen gewissen Schutz vor Überraschungen, stellte aber kein ernsthaftes Hindernis für ein Stoßtruppunternehmen oder einen größeren Angriff dar, da man ihn fast überall durchwaten konnte. Er war nur etwa zwei Meter breit und floss in einem Abstand von ca. zehn Metern unterhalb unserer Stellung vorbei, so dass uns russische Kommandos in der Nacht vom anderen Ufer aus bequem und zielgenau mit Handgranaten bewerfen konnten.
Bis zu diesem Tag, dem 19. März, hatten die Reste der 4. Armee sieben russische Armen mit 80 Schützendivisionen und Tausende von Panzern gefesselt. Die Männer der 4. Armee hatten ihre Aufgabe erfüllt. Sie deckten die Flucht von Hunderttausenden ostpreußischer Menschen.
Im Dorf Lang nördlich der Autobahn mussten wir am 15. März 1945 siebzehn Personen (Frauen und Kinder), die sich selbst erhängt hatten und noch im Haus auf dem Flur hingen, abschneiden und beerdigen. Danach fanden wir im Dorf Lönhöfen - etwa fünf Kilometer von Lang entfernt - 21 SS-Soldaten, die sich sehr wahrscheinlich selbst das Leben genommen hatten. Neben jedem Mann lag noch die Pistole. Sie waren nicht verstümmelt, einer wie der andere hatte einen einzelnen Kopfschuss. Wir fanden auch noch einige Volkssturmmänner und Zivilisten, die wir alle im Dorf beerdigten. Lassen wir es dabei, lassen wir es, noch etwas zu sagen, weil es nicht ausreicht, dieses Grauen, dieses Entsetzen zu schildern. Auch jetzt noch nicht. So viele Jahre danach!
Der Hauptteil der Stadtbevölkerung Heiligenbeils war von Mitte Februar ohne Befehl übers Haff nach Pillau oder über die Nehrung nach Danzig geflüchtet. Etwa 3.000 Verwundete, Frauen und Kinder wurden mit Flugzeugen der Luftwaffe, mit Ju 52, nach Danzig-Langfuhr ausgeflogen. Aber auch viele Heiligenbeiler flohen jetzt, die ihre eigene Flucht zurückgestellt hatten und deren Hauptanliegen die Betreuung der Flüchtlinge wurde. Schwerkranke und alte Menschen kamen in die Lazarette der Ostdeutschen Maschinenfabrik und des Industriewerkes. 900 verstarben, 500 nicht mehr transportfähige Menschen mussten zurückbleiben.
Vom 20. bis 25. März wurden die Stellungen in Wangnicken und Gr. Hoppenbruch, dem Ort an der Bahnlinie von Heiligenbeil nach Königsberg, dort wo der Weg nach Balga und FolIendorf zum Einladepunkt am Haff abzweigt, bis zum letzten Mann gegen die Angriffe der Russen verteidigt.
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Der Rest der 4. Armee am Strand von Balga
Im gesamten Küstenbereich an der Küste vor Balga kam es zu erbitterten Artillerieduellen, die den Widerstand der deutschen Stützpunkte zu einer reinen Munition- und Waffenfrage werden ließen. Die ganze Küste von Kahlholz bis Balga lag unter feindlichem Feuer. Ein Fährprahm der Marine mit 1.000 Frauen und Kinder an Bord verließ die Küste von Balga und lag unter ständigem Beschuss russischer Landbatterien und Flieger. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt. Über den Flugplatz Heiligenbeil, auf dem bis zuletzt noch die eine oder andere Ju 52 landete, liefen schon die Russen.
Im Gegenlicht des Nachmittags lag im Hintergrund die Küstenlinie von Balga. An allen vorhergehenden Tagen setzte, wenn die Sonne im Rücken der Russen stand, das Artilleriefeuer ein und bestrich die Küste. Gleichzeitig kamen die russischen Flieger in ganzen Schwärmen und in heillosem Durcheinander aus allen Richtungen und warfen kreuz und quer ihre tödliche Last ab. Gegenüber dieser Taktik versagte jede systematische Abwehr. Die deutsche Flak verschoss sich bald, ein Geschütz nach dem anderen fiel aus und verstummte. Nach dem letzten Angriff, bei dem sich alles verkroch, war Balga nur noch ein rauchendes Trümmerfeld.
Ich erinnere mich noch, dass es furchtbare Tage und Wochen waren, bis unsere zusammengeschrumpfte Einheit im Kessel von Heiligenbeil bis an den Rand des Frischen Haffs zurückgeschlagen wurde. Vor uns die Hauptkampflinie, hinter uns die See, hier lagen wir nun. Hinter uns wurden auf kleinen Schiffen, die an einer Notbrücke anlegten, Frauen, Kinder und Verwundete nächtelang eingeschifft. Dazwischen wollten sich Soldaten anderer Truppenteile mischen. Die Feldgendarmerie schlug mit Knüppeln dazwischen und vertrieb sie. Der Russe warf Bomben, um den Abtransport zu stören. Meine Kameraden und ich konnten uns nur in schnell ausgehobenen Erdlöchern vor der Splitterwirkung schützen. Jedoch lagen wir mit anderen Einheiten so dicht zusammen, dass jeder dritte bis vierte Einschlag ein Volltreffer war.
An der Küste stand unser General Schmalz, unentwegt schaute er übers Haff. Einige Schritte neben ihm lag eine tote alte Flüchtlingsfrau im Sand, niemand beachtet sie. Wir bemühten uns verzweifelt, eine neue Front entlang der Küste aufzubauen. Die russische Linie lag nur 1,5 Kilometer von Balga entfernt. Ich muss noch erwähnen, dass die Verwundeten überhaupt nicht behandelt wurden. Es waren meistens Insassen aufgelöster Feldlazarette und es gab kein Verbands- material mehr. Verbände bestanden fast nur aus Papier, so dass die alten Verbände wiederverwendet werden mussten. Die Zahl der Toten war auf 110 angestiegen, wahrscheinlich durch diesen Umstand und die mangelnde Pflege. Beim Transport von Balga nach Pillau wirkten sich unsere beschränkten Möglichkeiten katastrophal aus. Bei unserer Sorge um die Verwundeten blieb natürlich hier am Strand von Balga für die Flüchtlinge wenig Zeit übrig. Der Gesundheitszustand der Flüchtlinge war durch die langen Märsche und Entbehrungen sehr verschlechtert. Viele, die sich schon in Sicherheit wähnten, verloren hier noch ihr Leben.
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Unser Vorgesetzter (Kompaniechef), ohne Angst vor hohen Tieren, hart gegen sich selbst und der viel von uns verlangte, der immer mit der Maschinenpistole voranstürmte, zeigte trotzdem eine kameradschaftliche Art. Die Einschiffung vor Balga hatte er nur mit Waffen- gewalt aufrecht erhalten. Die Panik der Menschen, die Szenen an den Anlegestellen sind nicht zu schildern. Viele sprangen ins Wasser und suchten schwimmend das andere Ufer bei Pillau zu erreichen und ertranken. Die russische Artillerie machte daraus ein Massaker. Mit aller Energie packte unser Kompaniechef die Dinge in Balga an und der nahende Feind machte ihm und uns genug Sorge. Ein langer Strom von Flüchtlingen schob sich an uns vorbei, sie standen mit ihrem Gepäck in langen Reihen vor den liegenden Schiffen. Und es sprach für ihn, dass er seine Leute am 28. März 1945 nicht alleine lassen und mit ihnen bei Balga freiwillig in russische Gefangenschaft gehen wollte. Teile des Stabes des 4. FschPzGrenRegt. saßen zur gleichen Zeit weitab vom Schuss in Lochstädt auf der Frischen Nehrung, allein mit einer eigentlich unvor- stellbaren Verantwortung, die ihnen der Krieg auferlegte. Noch heute quält sie die Erinnerung und sie sprechen heute von "Befreiung", wenn sie ans Kriegende denken!
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Die Feldgendarmerie im März 1945 in Heiligenbeil
Lazarette befanden sich u.a. im Industriewerk, in den beiden Kirchen, im Amtsgericht, in der Mittel- schule und in der Volksschule. Die ärztliche Betreuung erfolgte durch die Wehrmachtsärzte in diesen Lazaretten, da einheimische Ärzte nicht mehr verfügbar waren. Im Februar ließ der sowjetische Druck auf den Kessel um Heiligenbeil etwas nach. Das zugefrorene Haff blieb weiter der einzige rettende Weg für die Flüchtlinge und Verwundete in Richtung Frische Nehrung, auf der es dann teilweise in Richtung Pillau oder Kahlberg - Danzig weiterging, immer in der Hoffnung, dort Schiffe zu erreichen. Es kam auch vorübergehend Hilfe für die Verwundeten und Flüchtlinge durch Transportmaschinen der Luftwaffe (Ju-52) vom Feldflugplatz Putzig bei Gotenhafen, die vom Flugplatz Heiligenbeil mitgenommen wurden als dieser noch in deutscher Hand war.
Ende Februar mussten jedoch weitere Rettungsflüge wegen wiederholter Angriffe sowjetischer und französischer Jäger (Jagdstaffel Normandie) auf die langsam fliegenden Transportmaschinen Ju-52 und He-111 und wegen Artilleriefeuer auf den Flugplatz Heiligenbeil eingestellt werden. Trotz einsetzender Schneefälle wurden dennoch auf diese Art über 1.700 Verwundete und Flüchtlinge, wenn auch nur mit kleinem Handgepäck, von Heiligenbeil nach Putzig und Danzig-Langfuhr gebracht. Von dort aus ging es mit dem Schiff weiter nach Westen. Für viele war es der erste und einzige Flug ihres Lebens, der ihnen die Strapazen der Flucht über das Eis des Frischen Haff's und die Frische Nehrung ersparte, und er rettete ihr Leben.
Der Einsatzstab der Wehrmacht hatte seinen Sitz in der Schule von Rosenberg. Er hatte u.a. die Aufgabe, zu kontrollieren, wer übers Eis fuhr! Die Feldgendarmerie überwachte den Verkehr auf der Verbindungsstraße von Heiligenbeil nach Rosenberg und schilderte diese auch aus, setzte dann bewegliche Versprengten-Streifen und Sammelstellen in Rosenberg ein.
Die von ihren Einheiten getrennten Soldaten, die keinen Marschbefehl vorweisen konnten, wurden ohne Federlesen mit der Begründung "Unerlaubtes Entfernen von der Truppe, Feigheit vor dem Feind" Standgerichten in Gr. Hoppenbruch zugeführt (Gasthaus Knorr). Alle wurden ohne ordentliches Verfahren von der Feldgendarmerie zum Tode verurteilt und erschossen.
Ein Grenadier, 19 Jahre alt und ein Oberfähnrich, 24 Jahre alt, beide von unserer Kompanie, wurden am 21. März 1945 am Hohlweg beim Transformator in Gr. Hoppenbruch exekutiert. Was wir dann hörten, war so ungeheuerlich, dass wir es anfangs nicht glauben wollten. Hauptmann Theiss aus Magdeburg vom 4. FschPzGrenRgt. HG hatte das Standgericht veranlasst, beide Soldaten zum Tode zu verurteilen. Genaue Einzelheiten wusste keiner, aber alle wussten, dass der Oberfähnrich zusam- men mit dem Grenadier zu unserer Pakstellung an der Reichsstraße 1 bei Vw. Gnadenthal befohlen worden war. Oberfeldwebel S. war bei einem Volltreffer auf das Pakgeschütz gefallen.
Der Oberfähnrich soll sich angeblich beim Geschütz vor der Verantwortung gedrückt haben!? Der Grenadier soll heimlich die Stellung verlassen haben!?
Aber die Verantwortung trugen doch die Kommandeure Springorum und Anglmeier und die Geschützführer. Man hat die "Verurteilten" schlichtweg im Auftrag von Hptm. Theiss erschossen! Auf dem Schild auf ihrer Brust stand: Verräter! Feigling!
Wir konnten es einfach nicht glauben, das war Mord an den eigenen Kameraden! Der Oberfähnrich hatte sich nie besonders ängstlich gezeigt. Er trug am Ärmel fünf Panzervernichtungsabzeichen, für je einen im Nahkampf vernichteten Panzer und das Verwundetenabzeichen in Silber! Und der Veranlasser des Verfahrens war ausgerechnet Hptm. Theiss gewesen, der sich in bränzlichen Situationen stets im Hintergrund in der zweiten Linie aufgehalten hatte. Es war nicht bekannt, dass ihn je einer mochte. Er galt als hinterhältig und unberechenbar. Niemand hat je darüber berichtet! Eine kurze Notiz, vielleicht in der Heimat-Zeitung? - "Ist auf dem Felde der Ehre an der Ostfront gefallen". Keiner von uns war naiv genug, nicht zu erkennen, was hier von deutschen Offizieren an der Front gespielt wurde.
Im militärischen Ordnungsdienst überwachten Feldgendarmen im Streifendienst das vorschrifts- mäßige Verhalten der Frontsoldaten überall dort, wo sie den Augen ihrer unmittelbaren Vorgesetzten entzogen waren. Sie suchten Soldaten, die im Abwehrkampf von der Truppe getrennt wurden und nicht in kurzer Zeit zurückkehren konnten. Sie legten es als Fahnenflucht aus und das Erschießungs-Kom- mando des Hptm. Theiss trat in Kraft. Die völlige Aussichtslosigkeit der Situation, in der sich Verurteilte befanden, die gefesselt zum Pfahl geführt wurden, war für mich ein solcher Alptraum, dass ich mich nicht daran beteiligen wollte und auch nicht konnte!
Es muss aber leider auch erwähnt werden, das sich zu dieser Zeit am hohen und steilen Haffufer östlich Rosenberg und bis Balga, Tausende von Versprengte, Drückeberger, Offiziere und auch Soldaten - angeblich Verwundete und Kranke - auf eigene Faust eingegraben hatten. Das war echtes unerlaubtes Entfernen von der Truppe, das war Fahnenflucht!
Überall am Haff marodierten sie und versuchten irgendwie auf die Nehrung zu gelangen, um ihr Leben in Sicherheit zu bringen. Hier suchten die deutschen Feldgendarmen keine Soldaten, die sich eigen- mächtig von der Truppe entfernt hatten. 2.000 jener erwähnten Versprengten (Fahnenflüchtige) hatten sich an den Haffufern eingenistet und wurden nun am 29. März 1945 von der Vernichtungsoffensive der Russen mit uns ins Haffwasser gedrückt.
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Unsere Kampfgruppe hatte gerade etwas Ruhe zwischen zwei russischen Angriffen beim Vw. Gnadenthal, da erhielt unser Kompanie-Chef von Störungs- suchern, die eine zerstörte Drahtverbindungen an der Reichsstraße 1 instandsetzten, die Meldung, dass ein Exekutionsstab das Gut Gabditten hinter der Hauptkampflinie durchkämmt. Unser Kp.-Chef befahl: "Schafft mir die Leute her, wenn nötig, mit Gewalt!" Ein Standrichter und vier Unteroffiziere trafen in der Hauptkampflinie ein. Der Standrichter brüllte unseren Kp.-Chef an: "Wir sind Standrichter, haben unbegrenzte Vollmacht vom Reichsverteidigungs-Kommissar, mit Feiglingen kurzen Prozeß zu machen". Unser Kp.-Chef erwiderte: "In meiner Einheit gibt es nur Helden!" - "Dann ist ja alles in Ordnung", meinte der Standrichter, und alle fünf wollten zurück zur Reichsstraße 1. "Sie bleiben alle fünf hier, durch den Ausfall von Offizieren und Unterführen brauche ich jeden Mann". Unser Kp.-Chef wies jedem mit einer Panzerfaust ein Panzerdeckungsloch zu. "Klappen Sie das Visier auf, den Auslöseknopf werden Sie ja kennen, aber, Vorsicht! - Rückstrahl!" Wir alle stellten befriedigt fest, dass die Angst der Standrichter deren Gesichter aufquellen ließ wie Hefe. Dann sprach unser Kp.-Chef weiter im zynisch zitierten Motto: "Genießen wir den Krieg, der Friede wird fürchterlich! Und gehen Sie nicht stiften! Wir haben uns daran gewöhnt, von fdl. Panzern überrollt zu werden und dann die nachfolgende Infanterie im Kampf abzuwehren, gewöhnen Sie sich auch daran!"
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Die Abwehrkämpfe an der Reichsstraße 1
Dem Ruf des 4. FschPzGrenRgt. HG entsprechend, auch gute Stellungsbauer zu sein, wurde bei Nacht des 20. März 1945 versucht, Balken und Bretter aus dem zerschossenen Gutshof Gabditten in die vordersten Stellungen zu schaffen. Am Weg dorthin lagen Gräber mit deutschen Stahlhelmen. Der Brunnen des Gutshofs war durch Hineinwerfen toter Tiere verseucht, dazu dieses Regenwetter und es gab kein Holzmaterial. Das Gelände war in der Nacht ein Irrgarten. Einer unserer Essenholer vom Sturmbataillon Ostermeier lief am 19. März mit zwölf Kochgeschirren den Russen in die Hände. Das in der Stellung vor dem Vorwerk Gnadenthal ankommende Essen war bei den weiten Wegen bis zu den Stellen kalt, wo die Feldküchen noch hinfahren konnten. Dafür gab es in dieser Stellung an der Reichsstraße 1 so viele Zigaretten wie noch nie zuvor. Durch Schneematsch, Regenfälle und wegen der schlechten Wege fuhren die Regimentsfeld- küchen inzwischen im Sechserzug.
Indessen war der Funkverkehr der Russen auffallend geringer geworden und erfolgte nur noch mit schwachen Sendeenergien. Um so mehr mussten wir in der Nacht Aufklärung betreiben. Eine deutsche Ju-52, die in den Nachmittagsstunden des 15. März 1945 vom Flugplatz Heiligenbeil kam und nur sehr schwach an Höhe gewann, musste schließlich in unserer Nähe zwischen Königsdorf und Gnadenthal notlanden. Die Ju-52 lag nun im Vorfeld der HKL und diente den feindlichen Beobachtern als Beobachtungsstelle. Der Russe griff am frühen Morgen aus dem am Vortag verlorenen Raum mit zunehmender Wucht an. Seine Panzer fuhren, sobald es das Gelände zuließ, in allen Richtungen und auf allen jetzt noch gefrorenen Wegen bis zur Reichsstraße 1 vor. Der Russe fühlte sich inzwischen so sicher, dass die Panzer auch ohne begleitende Infanterie vorstießen. Trotzdem hielt das Sturmbataillon Ostermeier die Stellungen beim Gut Gabditten bis 19.00 Uhr.
Die Panzerabwehr bekam hier zum Glück wieder einmal ausreichend 7,5-cm Munition, da laufend Lager aufgegeben werden mussten. Es wurde immer noch versucht, das Vw. Gnadenthal zu halten, um insbesondere den Flüchtlingstrecks einen größeren Vorsprung vor den nachdrängenden Russen zu verschaffen. Trotz des wiederholten Ansturms der Rotarmisten wurden die Stellungen an der Reichsstraße 1 weiterhin bis 19.30 Uhr gehalten. Dann setzen sich die Kampfgruppen des Sturmbataillon Ostermeier nach Keimkallen und Gr. Hoppenbruch ab.
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Der Marsch dauerte in der Nacht bis 23.00 Uhr an. Laut Anweisung durften wir nur im Gänsemarsch und im Abstand von zehn Metern gehen, bis hin nach Wanknicken und Keimkallen. Die Straße nach Gr. Hoppenbruch und weiter nach Balga war unpassierbar. Hunderte von LKW's, Geschütze aller Kaliber, Busse und Treckfahrzeuge standen auf den Feldern. In Gr. Hoppenbruch, Keimkallen und Ritterthal konzentrierten sich noch starke Menschenmassen, Verwundete, Zivilisten, Wehrmachtstäbe ohne Auftrag, Offiziere und Drückeberger. Sie lauerten ab dem 21. März schon auf eine Möglichkeit, von noch ablegenden Booten aufgenommen zu werden. Einen anderen Weg, aus dem Gebiet Balga herauszukommen, gab es nicht, da die Eisdecke des Haffs völlig zerstört war.
Wir hatten sämtliche Flüchtlinge - oder mit unserer Hilfe zumindest - aus dem Kessel herausgebracht, so glaubten wir. Es war aber nicht so. Die Frauen und Kinder waren so mit ihrem Fortkommen, ihrem Überleben beschäftigt, dass sie nicht zu merken schienen, was um sie herum vorging. Nur wenn sie unter Beschuss gerieten und alles auseinander lief, änderte sich das Bild. Während Mütter ihre Kinder und schreiende Kinder ihre Mütter suchten, blieben die Treckwagen verlassen stehen - bis die Nachfolgenden sie einfach in den Straßen- graben kippten, um Platz zu schaffen.
Um Mitternacht kursierte ein Gerücht, dass russische Stoßtrupps durch unsere lückenhaften Stellungen sickerten und bereits bis Rensegut vorgedrungen seien. Wegen meiner Ortskenntnisse übernahm ich es freiwillig, mit einem Spähtrupp die angeblich gefährdeten Stellen zu erkunden. Ich konnte feststellen, ohne Feindberührung gehabt zu haben, dass der Regimentsstab 4./Rgt HG, der hier im Gutshof Rensegut seit dem 16. März 1945 lag, schon am 20. März 1945 über das Haff nach Pillau und weiter nach Fischhausen evakuiert worden war. Ein weiterer Vorgesetzter im Majorsrang hatte sich mit den Worten: "Ich hole neue Befehle" abgesetzt.
Bis zum 24. März 1945 kam keiner von ihnen zurück. Offiziere der sogenannten rückwärtigen Dienste haben uns hier in Gr. Hoppenbruch einfach sitzen gelassen!
Vom Regimentsstab fielen am 18.3.1945 im Gutshof Rensegut Oberleutnant Schink und Major Stauch. Sie wurden in der Nacht in Zeltbahnen gehüllt und bei leichtem Regen im Gutshof begraben. Durch pausenloses Feuer der russischen Artillerie auf Rensegut war die Zerstörung der Gräber, die noch ohne Kreuze waren, vorauszusehen. Rensegut ging in Flammen auf und brannte völlig nieder. Die wenigen noch intakten deutschen Geschütze im Raum Gr. Hoppenbruch hatten schon seit einigen Tagen die letzte Granate verschossen.
Im März 1945 gab es oft Fliegeralarm beim Anflug englischer Flugzeuge, die als Ziel häufig die Hafeneinfahrt von Pillau, Rosenberg und Balga hatten. Die ersten Luftangriffe wüteten bereits am 27. und 28. August 1944 auf Königsberg mit verheerenden Folgen. Es erfolgten aber keine unmittelbaren englischen Bombenangriffe auf Heiligenbeil. Erst nach dem Beginn der Kampfhandlungen im Raum Heiligenbeil begannen auch hier die Bombenangriffe im großen Umfang, die zusammen mit dem sowjetischen Artilleriebeschuss zur völligen Vernichtung der Innenstadt führten.
Es folgt die Zusammenfassung eines Erlebnisberichtes von Leutnant Paul Miesch, Artillerie-Regiment 131. Das KTB hat Leutnant Miesch nachträglich, 1945-46 anhand der täglich gemachten Notizen über den Ablauf der damaligen, dramatischen Kampfhandlungen im Raum Heiligenbeil - Gr. Hoppenbruch und Keimkallen mit der 2. FschPzGrenDiv. HG, niedergeschrieben. Leutnant Miesch wurde nach längeren Aufenthalten in verschiedenen sowjetischen Lazaretten 1947 in die Heimat entlassen.
Mitte März wurde die Stellung im Dorf Gr . Hoppenbruch und die Stadt Heiligenbeil dem Ort an der Bahnlinie Elbing - Braunsberg - Königsberg gegen die sowjetischen Angriffe verteidigt. Wie, das ist kaum zu schildern. Um die Verschiffung im benachbarten Rosenberg und Balga zu ermöglichen, lautete der Befehl: "Stehen bleiben bis zum Letzten!" Braunsberg fiel am 20. März 1945. |
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Am 21. März begann erneut das russische Trommelfeuer. Heiligenbeil wurde zur HKL. Die Stadt, wurde durch russische Schlachtflieger (IL-2) und englische Bomberverbände nach anglo-amerkanischen Muster mit Phosphor-Bomben belegt, ging in Flammen auf und brannte völlig nieder. Schwere sowjetische Artillerie-Batterien sowie fünf Stalinorgel-Batterien und Schlachtflieger griffen unmittelbar darauf in riesigen Formationen auf der gesamten Frontbreite zwischen Wolittnick, Gr. Hoppenbruch und Heiligenbeil an. Heiligenbeil und Gr. Hoppenbruch war anschließend ein Trümmerhaufen, angefüllt mit Truppen, Stäben Trossen und Zivilisten. Die Korps-Artillerie-Abteilung I./129 und das 12./131 ArtI.Rgt. hatten scheinbar noch Glück, dass sie bereits am 22. März aus der HKL zwischen Gr. Hoppenbruch und Keimkallen herausgezogen wurden und einen Verladebefehl für Rosenberg zur Verschiffung nach Pillau erhielten. Sie warteten die Einschiffung auf der "Haffstraße", 10 Meter parallel zur Küste, bis 20.00 Uhr ab. Wie auf den Orten Heiligenbeil und Balga, so lag auch auf Rosenberg ein gnadenloser Beschuss aller Kaliber und aller Waffen, so, dass die Flüchtlinge und Soldaten teils ins Wasser des Frischen Haffs gingen.
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Den Hafen von Rosenberg schützten die letzten Geschütze der Flakregimenter 116 und 125. Die Munition - 8,8-cm und 2-cm Granaten - kamen noch bis zum 15. März aus Ludwigsort, das zu dieser Zeit noch die einzige Munitionsanstalt in Ostpreußen war. Der Kampf-Kommandant der MUNA war Oberstleutnant Gehret. Die MUNA zwischen Ludwigsort und Brandenburg wurde am 17. März 1945 gesprengt.
Das hart umkämpfte Brandenburg wurde bis zum 17. März von den deutschen Truppen der Division Hermann Göring und der Panzer- Division Großdeutschland verzweifelt gehalten. Hier leisteten deutsche Grenadiere den inzwischen nachdrängenden Sowjets mit der blanken Waffe - im Nahkampf Mann gegen Mann - härtesten Widerstand. Auf einen Deutschen Grenadier kamen drei, vier, fünf und mehr Russen. Man kämpfte, bis sich auch hier die letzten Einwohner und Soldaten unter großen Opfern zurückziehen konnten.
Im Schwerpunkt an der Kirche stand wieder einmal die Tiger- Abteilung "GD". Ihre Tiger kämpften die eingedrungenen Feind- panzer nieder. |
Von fünf dieser Tiger überstanden nur zwei diese Duelle, die einer Vielzahl an Russenpanzern, ca. 28, das Ende brachten. Dennoch ging auch die Ortschaft Brandenburg verloren. Sie ließen einen Platz zurück, der einst ein vorgeschobener Stützpunkt der Ordens- ritter des Schlosses Balga war.
Der Div.Gef.Stand "GD" lag im Dorf Wolitta, der HVP-Platz wurde nach Patersort an der Ostsee verlegt, nördlich Ludwigsort. Hier ereilte auch die beiden letzten Tiger-Panzer GD mit ihren tapferen Besatzungen unter Uffz. Feuerpfeil und Uffz. Kroneis ihr Schicksal. (Tagebuch 19. März)
Die Aufgabe, die wir in der Auffangstellung bei Gr. Hoppenbruch und Keimkallen hatten, ist militärhistorisch beschrieben. Zur Durchführung, besser gesagt zur Durchführbarkeit gab es kontro- verse Befehle. Den des Führers, der Durchhalten um jeden Preis befahl und den des Divisionskomman- deurs Generalmajor Walther, der zu diesem Zeit- punkt über keine Kampftruppen mehr verfügte. Um die Front zu stabilisieren, wurden zwei Offiziere zur Küste nach Balga und FolIendorf geschickt, um nach kampffähigen Soldaten zu suchen. Am Haffstrand und an der Steilküste bis nach Kahlholz waren Tausende von Soldaten - auch Offiziere aller Ränge in völlig desolatem Zustand, die selbst mit Drohungen nicht dazu zu bewegen waren, wieder in den Kampf einzugreifen.
Immerhin hatte das Ausharren in der Nacht den gewünschten Erfolg. In der Morgendämmerung des 22. März 1945 bemerkten die Posten aus Richtung Stuthenen viele Gestalten, die sich unter Umgehung unserer Kompaniestellung von Südosten her auf Gr. Hoppenbruch zu bewegten. Wir richteten uns unverzüglich am Schrangenberg zur Verteidigung ein, bemerkten aber dann zu unserem Erstaunen, dass es sich um einen ungeordneten Haufen ohne Waffen handelte. Die Ersten, die auf Rufweite herankamen, riefen laut. "Wir sind Deutsche! Nicht schießen!"
Mindestens 100 Mann hasteten an uns vorbei in Richtung Balga. Es handelte sich um Angehörige eines Infanterieregiments der 28. Jäger-Division. Sie waren von sowjetischen Einheiten bedrängt worden, in Panik geraten, hatten ihre Ausrüstung im Stich gelassen und keinen anderen Rat gewusst, als Fersengeld zu geben. Der Vorfall bestärkte uns im Gefühl, eine Insel in einer unkontrollierbar gewordenen Flut zu sein, die jederzeit über uns in Groß Hoppenbruch zusam- menschlagen konnte.
Die Umstände waren immer die gleichen, man könnte sie mit ermüdender Einförmigkeit mehr als dreißigmal beschreiben und wiederholen. Warum und wozu? In einer Verschnaufpause, in der die Flieger kleinere Stellungen aufs Korn nahmen, kümmerte sich Uffz. Heinz Sagehorn aus Bremen um eine warme Mahlzeit für die Frauen und Kinder. Er hatte in einen großen Waschkessel Fleischsuppe gekocht. Gegen Mittag gab er gerade eine warme Mahlzeit an die Flüchtlinge aus, als die französisch-russischen Flieger abermals einfielen. Von den im Freien Essenden werden etwa 20 -30 Flüchtlinge dahin- gemäht. Zwei Offiziere und vier Kameraden von unserer Gruppe fanden ebenfalls den Tod. Das Ergebnis: eine Bombe krepierte am Bahnhof, wodurch Panzerfäuste losgingen und damit die Katastrophe vergrößerten.
Am Bahnhof Groß Hoppenbruch stand ein Feldwebel ohne Deckung, ohne Waffen, offener Kragen, rotes Halstuch. Ein Gefreiter näherte sich dem Feldwebel, blieb bei ihm stehen und sagte ein paar Worte. Der Feldwebel schimpfte auf den Krieg und auf Hitler und riet dem Kameraden, seine Knarre in den Mühlengraben zu werfen. Diese Zumutung war dem Gefreiten zu viel. Er riss das Gewehr in Sekundenschnelle von der Schulter und schoss dem Feldwebel eine Kugel durch den Kopf. Der Feld- webel fiel kopfüber aufs Bahngleis. Der Gefreite schulterte das Gewehr und ging weinend ins Dorf. Niemand rührte eine Hand, ich auch nicht, alle waren mutlos und gleichgültig.
Unter den Flüchtlingen entstand fast eine Panik als der letzte Armeebefehl von Hand zu Hand ging. Der Armeegeneral erklärte darin, dass die Räumung des Brückenkopfes Balga und der Abwehrkampf bis zum 29. März 1945 eingestellt wird, und dass er, der Oberbefehlshaber der 4. Armee, das Schicksal seiner Soldaten teile und sich mit ihnen in die Gefangenschaft begebe.
Balga wurde weiterhin zerstört, die Menschen wurden vergessen. Hier herrschte Unbeschreib- liches. Viele verwundete Soldaten waren ohne Führung - es war kein Wunder, dass diese Haufen einen völlig demoralisierten Eindruck machten. |
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Anfang März 1945 waren die Wege und Straßen vollgestopft mit Treckfahrzeugen, vermummte Gestalten hockten am offenen Feuer, das man zwischen den Wagen angezündet hatte, um sich zu wärmen. Frauen kamen zu uns, um Trinkwasser zu holen, manchmal kamen auch Kinder mit, um sich in unserem Unterstand etwas aufzuwärmen. Lange Gespräche wurden dabei nie geführt. Einige Fragen nach dem Woher! Krank? Nur eine Frage kam immer wieder: "Wo stehen die Russen?"
"Wir haben noch andere Dorfbewohner mitgenommen, die kein Gespann hatten. Familie Paul Muhsal aus Leisuhnen haben ihren Treckwagen stehen lassen müssen, die Russen kamen. Grete Weinstein wurde getroffen, sie ging zurück nach Groß Hoppenbruch".
In stillen Stunden tauchen bei mir die Bilder auf, klar und deutlich. Die Straßen voller Frauen und Kinder - mitten im Kampfgebiet. Doch Ostpreußen gibt es heute nicht mehr. Vor mehr als einem halben Jahrhundert geplündert von den Siegersoldaten. Häuser wurden für ein Freudenfeuer angezündet, demoliert, zerstört.
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Die Flüchtlinge saßen dichtgedrängt mit uns zusammen, mehr als 50 Personen. Es war bitterkalt. Eis an den Wänden, überall waren Einschüsse von sowjetischen und französischen Tieffliegern, die auf alles schossen, doch zum Glück wurde niemand ernstlich verletzt. Ein Baby wimmerte seit Stunden, es hatte Hunger. Die Mutter füllte Schnee in eine Flasche und erwärmte die Flasche an ihrem Körper. Doch das Baby wollte das nicht trinken. Immer wieder versuchte sie es und dabei schluchzte sie fortwährend. Vielleicht ahnte sie, dass ihr Kind es nicht schaffen würde, doch niemand konnte der jungen Frau helfen. Groß-Hoppenbruch 1945
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Als nun feststand, dass der Hauptangriffs-Abschnitt der russischen 28. Armee nur zwischen Gr. Hoppen- bruch und Keimkallen liegen und sich in Richtung FolIendorf und Balga fortsetzen konnte, wurden hier verstärkt Verteidigungsvorbereitungen getroffen. Ich von der 14. Pionier-Kompanie der 2. FschPzGrenDiv. HG, im März 1945 während der Kämpfe im Raum Gr. Hoppenbruch - Keimkallen eingesetzt, erinnere mich:
Der Stab und eine weitere Kompanie lagen in dem nicht weit entfernten Gutshof Rensegut, deren Einwohner zum größten Teil bereits evakuiert waren. Ein kleines neben der Straße nach Balga befindliches Bauernhaus, das auch schon Schäden durch Feind- einwirkung trug und dessen Besitzer A. Rommel wahrscheinlich geflüchtet war, hatte sich unsere Kompanie als Unterkunft für die Trossstellung aus- gesucht. Die Schützenpanzerwagen (SPW) wurden in dem etwa 100 Meter entfernten Wald in Deckung gefahren.
Mit jedem noch vergehenden Tag hatte die Spannung vor dem erwarteten Großangriff eine Atmosphäre erreicht, die bis auf den letzten Grenadier überge- sprungen war. In unermüdlichen Vorbereitungen und Schanzarbeiten waren die paar Stunden im Angriffs- raum Gr. Hoppenbruch - Keimkallen schnell vergangen.
Wir schrieben Donnerstag, den 22. März 1945. Schon längst war an diesem lauen Frühlingstag die Sonne hinter den westlichen Baumwipfeln verschwunden, als plötzlich alle Pioniere unserer Kompanie zum Chef befohlen wurden.
In der kleinen notdürftig eingerichteten Schreibstube (Schule) standen wir nun alle versammelt und warteten auf das Eintreffen unseres Kompaniechefs, der jeden Augenblick von einer Lagebesprechung aus Keim- kallen zurückkommen musste. Es verging jedoch eine geraume Zeit, bis der Oberleutnant mit seinem VW- Kübelwagen ankam. Anschließend standen wir im Halbkreis in einem von einigen Kerzen erhellten Raum.
In kurzen Sätzen gab er uns einen Bericht über die derzeitige Lage: |
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"...dass man einen Funkspruch des Feindes aufgefangen habe, aus dem hervorging, dass der Russe noch in dieser Nacht zum erwarteten Angriff antreten werde. Dazu waren in der vordersten Linie manche dies bestätigende Beobachtungen gemacht worden. Bei einem vorn am Gutshof Ritterthal eingesetztem Grenadierbataillon seien in der vergangenen Nacht zwei Gefangene eingebracht worden, deren Aussagen ebenfalls bestätigten, dass stündlich mit dem russischen Angriff gerechnet werden müsse."
Nach einigen besonderen Anweisungen an unsere Kampfgruppe bemerkte der Chef abschließend: "Meine Herren, Sie kennen nun die Lage, und ich erwarte von jedem Einzelnen von Ihnen eiserne Disziplin und Pflichterfüllung, denn mit dem Ausgang dieses Kampfes wird die Front hier stehen oder fallen. Entweder es gelingt uns, den Russen noch einmal die Stirn zu bieten, oder die deutsche Front hat hier an der Haftküste bei Balga aufgehört zu bestehen."
Bei den Kampftruppen befanden sich auch Zivilisten, die zwischen die Fronten geraten waren aber den sowjetischen Soldaten um keinen Preis in die Hände fallen wollten. Unvergesslich sind bis heute die Plakate, die überall hingen, darauf zwei Reihen von Namen, links die wegen angeblicher Feigheit vor dem Feind zum Tode Verurteilten, rechts die wegen besonderer Tapferkeit Ausgezeichneten. Unter den zum Tode verurteilten waren auch zwei Soldaten unserer Kompanie, dessen Vergehen darin bestand, dass sie russische Gefangene laufen ließen.
Die Verpflegungsstelle war in der Schule. Auf dem Schulhof waren fünf Tote aufgereiht, an denen die Essenholer vorbeigehen mussten, Männer, die aus nichtigen Gründen erschossen worden waren. Überall lagen tote Menschen und tote Tiere, die Straße nach Balga war fast unpassierbar. Überall türmten sich zerschossene Fahrzeuge, Kriegsgerät, Pferdefuhrwerke und Handwagen, dazwischen Leichen.
Als wir uns im Jahr 1992 nach so langen Jahren noch einmal auf den Weg nach Gr. Hoppenbruch und Keimkallen machten, waren wir zunächst ganz gelassen gewesen. Das änderte sich am Bahnübergang vor dem Dorf Gr. Hoppenbruch, wo früher das Ortsschild stand. Als wir das Dorf und die Wege wiederer- kannten, sahen wir nur Trümmerreste und Gerümpel der Russen. Da hat es mich noch mal richtig erwischt, da waren all die Gefühle von damals wieder da. Dennoch soll heute nach 60 Jahren noch einmal an diese Tage erinnert werden. Geht man auf Spurensuche, dann gibt es nicht mehr viele Zeitzeugen und es ist aus jener Zeit nicht mehr viel zu finden. Aber auf beiden Seiten der Bahnstrecke Berlin - Königsberg zeichnen sich noch heute ehemalige Schützengräben und Stellungen ab, an der Bahnlinie besonders deutlich.
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Vom 22. bis zum 25. März 1945 lagen sich die sowjetische Truppen und deutsche Verbände verbissen gegenüber und lieferten sich immer wieder Gefechte. Für vier Tage war hier die Hauptkampflinie. Es war erstaunlich, dass verhältnismäßig schwache deutsche Einheiten standhielten und das Vordringen der Angreifer zum Haff verhinderten. Dadurch erreich- ten sowjetische Truppen erst am 28. März 1945 Balga.
Um 22.00 Uhr des 22. März 1945 begann ein unvor- stellbares Trommelfeuer bis 24.00 Uhr. Noch heute sind die dichten Granattrichter um das Dorf herum zu erkennen. Dabei wurden auch Geschosswerfer (Katjuschas bzw. Stalinorgeln) eingesetzt, die in alle Häuser Gr. Hoppenbruchs einschlugen.
Am 23. März 1945 gab es noch ein Trommelfeuer von einer Stunde, ehe um 4.14 Uhr der Großangriff der sowjetischen Truppen erfolgte. Zu gleicher Zeit erfolgte ein zweieinhalbstündiges Artilleriefeuer auf Keimkallen und auf die hinteren deutschen Stellungen am Haff bei Follendorf, Balga und Kahlholz. Fast jedes Haus wurde verteidigt. Gr. Hoppenbruch war für uns eine unvorstellbare Trümmerwüste, es war ein Geisterdorf. Auf dem Schlachtfeld in und um Gr. Hoppenbruch sind 62 sowjetische Soldaten gefallen, darunter ein Major, ein Hauptmann und vier Leutnants. Wie viele Tote es am Mühlenteich bei der Mühle Hartmann gab, konnten ich nicht herausfinden.
Auf deutscher Seite fielen über 100 Soldaten. Der Dorfkommandant, ein Oberstleutnant, war schon bei einem Stoßtruppunternehmen gefallen. Von den deutschen Soldaten unserer Einheit sind 51 bis heute unbenannt geblieben. Es muss dazu erklärt werden, dass die feindlichen Truppen deutsche Soldaten nicht bestatteten oder registrierten, auch an der Haftküste von Follendorf, Balga und Kahlholz nicht. Sie lagen zum Teil noch bis Ende September 1945 in den Schützengräben und Unterständen und wurden dann erst auf Befehl des sowjetischen Kommandanten von deutschen Zurückgekehrten oder Flüchtlingen geborgen und bestattet.
Ursula S. erinnert sich: "Wir mussten die toten Soldaten aus den Autos holen, manche mit Kopfschuss. Die haben wir in Schützenlöchern begraben." |
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Mit Stahlhelmen seien die Gräber markiert worden. "Es lagen ja genug davon herum. Die Gegend lag voller Leichen, deutsche und russische Soldaten, Volkssturmleute, Zivilisten".
Zum Schluss wurden Panzervernichtungstrupps aufgestellt. Fünf Jugendliche mit auf zwei Fahrrädern montierten Panzerfäusten - alle wurden erschossen. Ende Mai 1945 mussten sich fünf Mädchen beim örtlichen sowjetischen Kommandeur in Heiligenbeil melden. "Der hat uns verhört, wollte wissen, wer im Ort Nazi war und hat dabei immer Schnaps getrunken. Als er einschlief, sind wir abgehauen." Ursula befürchtete, dass die Sache damit nicht ausgestanden war. Sie fand Unterschlupf in Rosenberg, wo ein provisorisches Lazarett eingerichtet worden war. Etwa 150 Verwundete lagen dort auf Stroh, über das Säcke und Teppiche gebreitet waren. Sehr viele starben. "Die Russen haben sich nicht hineingetraut, ich weiß nicht warum". Soweit der Bericht von Ursula S. siebzehneinhalb Jahre alt, als sie im März 1945 zusammen mit ihrer Mutter vor der anrückenden Front bis nach Heiligenbeil kam. "Wir saßen im Keller und hatten Angst." Die ersten Rotarmisten, die ankamen, haben die Frauen nicht belästigt, sagt Ursula S. "Das mit den Vergewaltigungen ist erst später passiert." Dann schweigt sie einen Moment, und wechselt das Thema.
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Der Rückzug in die vor Balga liegenden Sümpfe wurde angeordnet und in den Nachtstunden durchgeführt. Hierbei verloren die Reste der FschPzGrenDiv. HG im Sumpfgelände alle Geschütze und die Masse ihrer Fahrzeuge. Am 26. März drangen die sowjetischen Truppen bis nach Keimkallen vor und besetzten die Haffküste bis Follendorf. Der Küstenstreifen von Balga bis Kahlholz blieb zunächst noch in deutscher Hand. Nachts gab es nur geringe Störfeuer und einige Störflüge. In zerrissenen Uniformen gingen wir zurück, kein Schuss Munition mehr! Generäle und Offiziere mit Karabinern um den Arm rannten ohne Sinn umher. Nur hier und da noch einige Tapferen hinter den MGs. Das sowjetische Trommelfeuer steigerte sich. Unsere MGs schwiegen. Es gab in diesem Kessel eine Art einsamste Einsamkeit. Wie können Menschen so etwas aushalten? Mein Körper wurde von den Stößen und vom Luftdruck hin und her gerissen. Die Luft wurde knapp, der Feind griff an, fast aus dem Rücken, so klein war der Brückenkopf bei Balga schon.
Es ist Mittag geworden. Grüngelbe Wolken lagen über dem Schlacht- feld, das völlig von Trichtern und Kratern übersäte Gelände war buch- stäblich verbrannt. Fahrzeuge und Gerät ganzer Divisionen waren hier zusammengefahren und wurden im Feuer der sowjetischen Granaten zerschlagen. Leiber und Körperfetzen wurden in die Luft geschleudert - ein entsetzlicher Anblick! Menschen jagten hin und her, suchten Deckung, jede Granate, jede Bombe fand ihr Ziel.
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Hier und dort ragte eine Hand oder ein Fuß aus dem Sand. Zwischen Follendorf und Balga gab es keine Kampflinie mehr. Hinter einer Düne an der Mündung des Mühlenfließ standen noch einige Raketenwerfer (Do-Werfer), die ihre letzten Geschosse unter schaurigem Geheul auf kürzeste Entfernung gegen den Feind verschossen. Ich sah die Menschen beten, andere fluchten. Noch 150 Meter bis zum Wasser, aber der schmale Streifen war wie ein Schmelzofen. Fünf Stunden hielt das Trommelfeuer nun schon an. Es war entsetzlich.
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Wenn ich an Groß Hoppenbruch denke, dann tritt mir immer zuerst das Grauen und Entsetzen entgegen von all den furchtbaren Erlebnissen im Kessel von Heiligenbeil. Es kann uns Soldaten noch nachträglich Angst und Bange werden, wenn man an all das Schreckliche denkt: An die furchtbaren Züge der Trecks mit den entsetzlichen Fliegerangriffen, an die grausigen Luftangriffe auf Gr. Hoppenbruch und Rensegut, von den mehr als hundert sowjetische Flugzeugen, an die vielen Todesnöte im Dorf Gr. Hoppenbruch und an Vergewaltigungen und Miss- handlungen im Dorf bis zum Zusammenbrechen. Und all das viele Sterben der Flüchtlinge und der Kameraden. Man fühlt richtig, wie beim Schreiben der Berichte jetzt noch immer das Herz bei der Erinnerung aufschluchzt. Wie könnte man das je vergessen! Man schreibt es so hin, doch es ist auch heute noch schwer zu beschreiben.
Der Kreis Heiligenbeil ist wohl das zweite Stalingrad gewesen - sagt man! Zinten hat bis zum 25. Februar 1945 den Besitzer 21-mal gewechselt, bis es am 25. Februar 1945 endgültig verloren ging. So ging Gr. Hoppenbruch in der Nacht zum 26. März 1945 verloren. Gestorben wurde hauptsächlich nachts, denn nachts wurde attackiert, von hier nach dort, von dort nach hier. Also starb es sich im Niemandsland fürs Vaterland, fürs Mutterland, oder wie das aussah. Jedenfalls konnten die Überlebenden an der Haftküste im Raum Balga, Follendorf jeweils am Morgen danach betrachten, wer noch da war, oder wer im Niemandsland lag bis auch er tot war.
Mitunter hatten wir mit den Russen abgemacht, bei den Vorbereitungen zu nächtlichen Angriffen untereinander und auf Zuruf so laut zu sprechen, dass die jeweils andere Seite rechtzeitig gewarnt war. Man musste sich immer zuvor versichern, dass kein Offizier in der Nähe mithören konnte. Das ging in Groß Hoppenbruch so lange gut, bis wir abgelöst wurden, unsere Nachfolger wussten ja nichts von den heimlichen Absprachen. Gefangene wurden auf beiden Seiten ab ca. 20. März nicht mehr gemacht, alle, die bei Freund und Feind in Gefangenschaft gerieten, konnten zu ihrer Truppe zurück gehen, wie ich auch. Es gab auch Ausnahmen von dieser Regel. Das waren die Offiziere in ihren sauber ausge- schanzten Höhlen, durch Stahltüren geschützt, die einen gewissen Beschuss standhalten würden. Doch bei Voll- treffer im Graben half ihnen das nichts, da teilten sie das Schicksal mit uns. Es war aber fast kein Stabsoffizier mehr da! Ei - wo waren sie denn? Auf der Frischen Nehrung bei ihren Generälen, in sicheren Hauptquartieren im Raum Kahlberg, während Tausende von Flüchtlingen keine Unterkunft hatten! Es waren die gleichen Generäle und Offiziere, die den Tod befohlen hatten. Wenn das der Truppe keine Sicherheit gibt!?
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Ein Brief von Frau Krause aus Gr. Hoppenbruch (Lehrerfrau in Balga)
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Gern wurde die These verbreitet, wie kriegsmüde inzwischen die andere Seite, die Russen seien, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein konnte, bis der Feind aufgeben würde? Das stand so in einem offiziellen Bericht von der Front am 24. März 1945. Es war ein typischer Frontbericht, in dem außer Phrasen weiter nichts stand.
Doch es gab handfeste Beweise von der Front. Soldaten aller Nationen hatten trotz der für alle geltenden Verbote - so wie ich - Kameras an die Front mitgenommen und machten sich bei jeder Gelegenheit ihr eigenes Bild vom Krieg. In deutschen Blättern wurden die Apparate der "Franca Camera Werke" aus Bayreuth unter der fett gedruckten Zeile, "Mit Bubi in den Krieg" angepriesen.
Hier richtete sich die Aufforderung zum Kauf der "Bubi" genannten Fotoapparate eher an Offiziere, denn der gemeine Soldat konnte sich bei der Höhe seines Soldes - fünfundzwanzig Mark pro Monat - eine Kamera für neunzig Mark nicht leisten. Ich hatte meine Kamera, eine "Balda" aus Bünde (Westf), schon 1940 für Familienidylle und Urlaub im Einsatz.
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Anfangs beschränkte ich mich aufs Fotografieren in Uniform und auf die so genannten lustigen Seiten des Kampfes in der Etappe, beim Essenfassen, beim Drill, beim siegreichen Vormarsch. Das änderte sich nach den ersten Erfahrungen mit dem echtem Krieg. Denn den Bildern, die uns per Zeitung an die Front geliefert wurden, traute bald keiner mehr. Wir Soldaten hatten täglich ganz andere Bilder vor Augen. Die unentwickelten Filme nahmen die Verwundeten mit, die nach Hause fahren durften, oder wurden per Feldpost versandt. Deutsche Zensoren, die Herren Offiziere in ihren maßgeschneiderten Uniformen, konnten den Inhalt einzelner Briefe allenfalls in Stichproben prüfen, es waren aber täglich Tausende. Ich fotografierte 1943 noch fürs Regimentsalbum, doch ab Oktober 1944 nicht nur die Lebenden, sondern auch Fotos von toten Soldaten in verlassenen Gräben - also primär tragische oder traurige Bilder.
Der Tod ist einsam. Solche Bilder hatten die Soldaten an der Front täglich vor Augen. Wir verschlossen die Augen vor den Toten, sahen über sie hinweg, bekommen sie aber nicht mehr aus dem Kopf. Sie bleiben im Bewusstsein derer, die es erlebt haben. Da aber von denen nicht so viele überlebten, verschwand die breite Erinnerung mehr und mehr im Dunkel der Vergangenheit, bis die Geschichte vergessen wurde und von ihr allenfalls noch Legenden erzählt werden, als handele es sich um eines der üblichen Märchen aus dem Krieg. Vor allem waren Fotos aus Lazaretten erschütternd: Es war kaum zu ertragen, diesen hier abgebildeten zerbrochenen Menschen ins Gesicht zu sehen. Sie hätten es selbst nicht ertragen, sich anzuschauen. In den Lazaretten gab es aus diesem Grund auch keine Spiegel.
Kommen wir zum Krieg im Raum Balga zurück:
Das Kampf-System im sah im Prinzip so aus: Beim ersten Morgengrauen standen die Kampftruppen hier wie dort eine halbe Stunde lang wachsam Gewehr bei Fuß, um auf einen eventuellen Angriff vorbereitet zu sein. Da alle von diesem Ritual wussten und sich lauernd auf Hörweite gegenüber standen, gab es in der Morgendämmerung selten einen Angriff. Der bei solchen Attacken nötige Überraschungseffekt entfiel also. Deshalb blieben alle lieber da, wo sie waren. Hinter der vordersten Linie lag im Zickzackkurs der Versorgungsgraben, durch den der Nachschub und die Verpflegung geschleppt werden mussten. Zickzack, um der gegnerischen Artillerie das Zielfeuer zu erschweren, damit bei Beschuss nicht der gesamte Graben in die Luft flog, wie in Groß Hoppenbruch. Hier blieb nicht nur warme dünne Graupensuppe auf der Strecke, sondern auch die Träger. Ab Groß Hoppenbruch gab es jeden Morgen nur noch einen Zählappell vor Anbruch der Dämmerung. Wer sich nicht mehr meldete, hatte sich für immer abgemeldet! Doch die dabei entstandenen Fotos gingen leider verloren.
Feldwebel Bruno Kahnert, 10. P7Jäg. Abt. HG, lag mit seinem Jagdpanzer IV mit 7,5-cm Kanone zwischen Rosenberg und Follendorf auf dem schmalen Sandstreifen fest. Ich wurde ebenfalls zur Sicherung des Jagdpanzers eingeteilt und schloss mich kurzer Hand dieser Panzer-Gruppe an, bis ein Bergepanzer das Fahrzeug nach FolIendorf abschleppte. An der Küste waren zu den Toten der letzten Tage neue hinzugekommen. Sie wirkten wie Steine, wurden auch als nichts anderes betrachtet und niemand dachte an ihre Bestattung. Die ersten Überlebenden traf ich kurz vor der Follendorfer Hangseite. Hier sprach man von einem angeblichen Befehl: "Rette sich wer kann". Ich wusste über die eigene Lage und erst recht nichts über die Lage der Russen. Trotzdem fasste ich den Entschluss, mich im Schutze der Dunkelheit nach Balga durchzuschlagen.
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Günstig für mein Vorhaben war, dass die Russen aus irgendwelchen mir unverständlichen Gründen in kurzen Zeitabständen weiße und farbige Leucht- kugeln abschossen, bei deren Schein ich das Gelände vor mir beobachten und die nächste Wegstrecke festlegen konnte. Am Strand stieß ich unentwegt auf Deckungslöcher, die wie Strand- burgen wirkten, aber leider verlassen waren, denn nichts beruhigt in brenzligen Situationen mehr als die Anwesenheit von Kameraden. Als ich während eines Feuerüberfalls einer Stalinorgel in einem Loch Deckung suchte, stellte ich fest, dass ich zwischen fünf toten Kameraden lag. Auch weitere Deckungslöcher, die ich mir auf dem Rest des Weges nach Follendorf und Balga ansah, glichen offenen Gräbern. Hier am flachen Strand hatte das massierte Feuer der russischen Artillerie und besonders auch der Stalinorgeln gewütet, da jedes Eingraben wegen des hohen Wasserstandes unmöglich war.
Follendorf, Groß-Hoppenbruch und Balga gehört zu meinen schaurigsten Kriegserinnerungen. Am Ortsrand traf ich auf Schwerverwundete, die hilflos auf dem kalten Erdboden herumlagen. Sobald sie mich sahen, stöhnten sie "Kamerad hilf mir!" oder sie riefen, "Sanitäter!!" Wahrscheinlich hielten sie mich dafür. Sanitäter waren aber weit und breit nicht zu sehen. |
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Ein Beinverwundeter, der an einem Baumstamm saß und bei dem ich mich am Ende meiner Kräfte niederließ, erzählte mir, dass Follendorf mit Verwundeten vollgestopft sei. In den Abendstunden des 26. März war das ganze Dorf nur noch ein großer Scheiterhafen.
Bericht von Bruno Kahnert 10. Komp. StuGesch.-Abt. 2 im Pz.-Rgt. HG
Unser Jagdpanzer IV lag zwischen Rosenberg und Follendorf fest, vorderes Antriebsrad durch Paktreffer zerstört. Ein Bergepanzer vom Heer hatte den Auftrag bekommen, uns nach Follendorf-Balga zu schleppen, Daraus wurde jedoch nichts mehr. Der Bergepanzer erhielt bei Follendorf einen Paktreffer ins Laufwerk und war danach nicht mehr in der Lage, uns weiter zuschleppen. Ein anderer Wehrmachtsschlepper schleppte uns dann nach Follendorf zurück. Hier, zwischen Follendorf und Balga, lagen unzählige Fahrzeuge aller Art. Vor uns in der ein bis zwei km kleinen Frontlinie wurden wir als Festungspak mit nur begrenzten Schussfeld eingesetzt.
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Zu allem Überfluss befand sich ca. 80 m an der Hang- seite der Gefechtsunterstand eines Heeresgenerals der 4. Armee, General der Panzertruppen der Armee- gruppe Ostpreußen, General von Saucken. In dieser Stellung verbrachten wir die Zeit bis zum Abend des 27. März 1945.
Um 22.00 Uhr brach der Russe in diesen Abschnitt bis zum Haff ein, damit wurden wir zusammengedrängt, die Kampflinie wurde noch kleiner. Wir wurden ständig von russischen Schlachtfliegern IL-2 angegriffen, der Erfolg eines Abschusses ist uns leider versagt geblieben.
Als der Russe eingebrochen war und uns hart bedrängte, wollten wir unseren Jagdpanzer sprengen. Ich selbst (Fw. Kahnert) holte mir in dem ca. 2 km entfernten Balga die Genehmigung zur Sprengung meines Jagdpanzers. Der General schrie mich an "Machen Sie was Sie wollen und lecken Sie mich am Arsch". Danach sprengte ich den Jagdpanzer mit zwei Tellerminen. Die eigenen Kommandeure von der FschPzGrenDiv. HG waren bereits am 10. März 1945 zur Frischen Nehrung übergesetzt, um Quartier zu machen, wie es hieß - 18 Tage vor Ende der Kampfhandlungen. Erst am 30. März 1945 hieß es im Wehrmachtsbericht. "Truppen der 3. weißrussischen Front beenden die Säuberung der Küste des Frischen Haffs".
Ungeordnet, panikartig und unter Erdbeschuss wie auch Angriffen aus der Luft ging es zur Steilküste bei Balga.
Hier sammelten sich die Reste der 2. FschPzGrenDiv. HG bis zum späten Abend des 28. März 1945 am gekennzeichneten Übersetzraum unterhalb Balga. An den Holzstegen drängten sich in der Nacht die deutschen Kampftruppen aller Einheiten - (auch die Drückeberger) und versuchten rücksichtslos, auf die Laufstege zu kommen, bedrängt durch russische Bombardierungen.
Von Leuchtmarkierungen wurde der Strand hell erleuchtet. An den Laufstegen aufgestellte Offiziere mussten die Leute mit MP-Schlägen zurückdrängen. |
Es kam zu üblen Szenen, als sich die Schnell- boote mit den Schlauchbooten im Schlepp den Stegen näherten und Landser diese zu stürmen versuchten bzw. neben den Stegen durch das Wasser wateten. Die Offiziere von der PzDiv-Gr.-Deutschland blieben jedoch Herr der Lage, wenngleich sie nicht alle Eigenmächtigkeiten der Landser verhindern konnten. Durch zu dichtes Auflaufen brachen die Laufstege zum Schiff ein und alles lag im kalten Haffwasser. |
Zwischen den im Haff liegenden Fährschiffen und den Laufstegen am Strand fuhren kleine schnelle Flugsicherungsboote, die bis zu zehn Schlauchboote im Schlepp hatten. Die hintereinander verbunden waren. Vor den Stegen lösten sich die Schlauchboote vom Schnellboot, nahmen am Steg ca. 10 Soldaten ohne Gepäck auf und wurden danach wieder von schnellen Flugsicherungsbooten ca. zwei km ins Frische Haff zu den Fähren gezogen, um übernommen zu werden.
Diese Vorgänge wiederholten sich, bis die Fährprähmen voll besetzt waren, die dann übers Haff nach Pillau/Neutief fuhren, um dort entladen zu werden und erneut ins Haff nach Balga zurück zu fahren. Diese Aktion der deutschen Kriegsmarine war sehr gut organisiert und verlief reibungslos.
Die Marine verdient hohe Anerkennung, volle Achtung und ein sehr hohes Lob!
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am 26. März 1945 um 22.00 Uhr
Die Aussichten unserer Kameraden, noch irgendetwas unternehmen zu können, waren äußerst gering und sanken am 26. März 1945 innerhalb von Sekunden auf Null. Unsere Kompanie brauchte diesen Gegenangriff nicht mitmachen, die Kampfgruppen bestanden nur noch aus Freiwilligen, die auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen waren. Diesen Freiwilligen standen härteste Stunden mit schwersten Kämpfen und Verlusten bevor.
Im Schutz der Nacht wurde dann gegen verbissenen Widerstand zwei ausgebaute Grabensysteme der Russen durchbrochen. Die deutschen Soldaten kämpften verzweifelt und schließlich nur noch, um die Rote Armee, die mit brutaler Grausamkeit kämpfte, von der Haftküste und von Balga - Kahlholz mit ihren Flüchtlingen und Verwundeten fern zu halten. Dabei waren sie sich bewusst, das sich diese Hoffnung nur durch ein Wunder erfüllen konnte.
Von den 150 Männern der Kampfgruppe, konnten noch in der Nacht 78 Verwundete nach Balga zurückgebracht werden, schon in den ersten Minuten gab es gewaltige Verluste, die noch gesteigert wurden durch den Widerstand der Rotarmisten. Die übrigen Männer mussten in einer Senke zurückbleiben, weil mit Anbruch der Morgendämmerung russische Schlachtflieger auftauchten und fast jede Bewegung im offenen Gelände unmöglich machten. Die Verwundeten lagerten auf Decken in der Nähe der Haftküste und wurden so gut wie möglich versorgt. Alle blieben später an der Haffküste zurück.
Die Marine - die Stütze im Raum Balga am 27. März 1945
Der Kriegsmarine, die mit ihren weittragenden Geschützen von See aus in die erbitterten Abwehrkämpfe eingriff, mangelte es an Treibstoff und Munition. Die Stütze der deutschen Verteidigung war das 9. Marine-Flakregiment, das allein die Hälfte aller Schüsse in diesem heißumkämpften Teil der Front bei Balga abgab, mindestens 252.000 Schuss an 12,8-cm-Granaten. |
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Das Linienschiff "Schlesien" verfeuerte 254 Schuss, 80% seiner 28-cm-Granaten. Der schwere Kreuzer "Prinz Eugen" verschoss bis zum 27. März 1945 auf den Brückenkopf Kahlholz-Balga 243 Granaten 28-cm und 169 Granaten von 20,3-cm. Ähnlich war es bei den Kreuzern "Lützow" und "Leipzig".
Alle kämpften sie mit dem Rücken zum Wasser, in denen sich die schrecklichen Szenen permanent wiederholten. In Todesangst eilten die Menschen ans Wasser zu den Schiffen. Die Küste lag voll mit weggeworfenen Gegenständen. Vom Koffer bis zum Fahrrad, vom Schinken bis zum Kinderwagen stapelte sich alles. Verlassene Wehrmachtsfahrzeuge vom Panzer bis zum Pkw und der ständige Beschuss versetzten die Zivilbevölkerung allmählich in eine Panikstimmung. Vor allem am Strand von Balga sah man schaurige Bilder. Säuglinge starben durch Mangel an Milch. Andererseits trugen manche Frauen eine unglaubliche Tapferkeit zur Schau, halfen Brände zu löschen, bargen Verwundete unter Einsatz ihres Lebens. Besonders erwähnen muss man die Wehrmachtshelferinnen, die bis zum Abtransport der letzten Frauen und Kinder freiwillig bei der Truppe ausharrten, was manchen Offizieren als Vorbild dienen konnte!
Am 27. März 1945 wurde die Situation sehr kritisch. Der Russe hatte zwischen Rosenberg und Follendorf 17-cm-Kanonen aufgestellt und nahm jedes Schiff unter Feuer. Dazu kamen die pausenlosen Angriffe der Flugzeuge, die eigene Flak schoss, was aus den Rohren herausging, und trotzdem durfte die Über- nahme der Verwundeten und Flüchtlinge nicht stoppen. Der Qualm der Küstenfront verdeckte einigermaßen die Sicht. Am Tage konnten wir beobachten, dass hinter Follendorf Fesselballons aufgelassen wurden. Es war uns klar, dass diese das Artilleriefeuer auf die auf der Reede versammelten Schiffe lenken sollten. Als der Russe ein Schiff nach dem anderen zu beschießen begann, nahmen die deutschen Kreuzer und Zerstörer die Artilleriestellungen unter Feuer und wir hatten dann etwas Ruhe.
In Erinnerung ist mir geblieben, wie die Fährprähmen immer wieder versuchten, am Seesteg anzulegen. Die Menschenmassen waren so ungeheuerlich und ohne Disziplin, dass wir uns einig waren, im Notfall eine Rettung erst gar nicht zu versuchen. Im flachen Haffwasser von 1,20 Meter gerieten die Schiffe auf Grund und zogen sich vor dem feindlichen Feuer eilig zurück. Nach meiner Feststellung waren es nur noch einige Frauen und Kinder und 100 Verwundete, die nachts vor Balga abgeholt werden konnten. Ebenso viele Kranke und Alte, die entweder nicht fort wollten oder konnten, würden zurückbleiben. Auch viele Franzosen, Belgier, Polen und Russen, die in den Trümmern hockten und irrtümlich als erstes die Handgranaten der Eroberer zu spüren bekamen.
An der Haffküste herrschten furchtbare Zustände, die anlegenden Boote wurden sofort von fliehenden Soldaten gestürmt, eine Kontrolle war unmöglich, Feuerüberfalle von enormer Wucht fanden statt. Die Boote waren so beladen, dass das Wasser nur eben nicht überschwappte. Dann gab der Kapitän den Befehl zur Weiterfahrt und sagte, ich habe hundert Menschen an Bord und diese will ich erst retten, ehe wir alle absaufen. Unter dauerndem sowj. Beschuss ging es mit einem Prahm übers Haff nach Pillau.
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Die 4. Armee musste Ostpreußen und sich selbst dabei aufgeben. Bis zum 27. März 1945 wurden über das Haff zurückgenommen: 4.840 Zivilisten, 10.180 Soldaten und 60.320 Verwundete! Einer von den letzten werde ich am 28. März 1945 mit meinen Kameraden sein.
Die Angst war riesengroß, keiner wollte hilflos dem Feind in die Hände fallen. Die Haffküste war noch voll mit Verwundeten. Medikamente und Verbandsmittel gab es am 27. März 1945 nicht mehr, viele Kameraden bekamen Wundbrand - sie tobten für einige Stunden, wurden stiller und stiller und schliefen für immer ein. Wer unbedingt verbunden werden musste, wurde mit Klosettpapier verbunden, das nach kurzer Zeit wieder aufweichte.
Die sowjetisch Artillerie war in der Lage, Punktfeuer auf jedes einzelne Ziel zu richten. Die Straße von Gr. Hoppenbruch nach Keimkallen war bei Tage überhaupt nicht mehr passierbar und war ständig mit Wehrmachtsfahrzeugen verstopft. Der Frontverlauf war etwa folgender: Am 24. und 25. März 1945 drangen die sowjetischen Truppen von Heiligenbeil bis nach Rosenberg vor und besetzten die Haffküste bis nach Follendorf. Der Küstenstreifen von Balga bis Kahlholz blieb zunächst noch in deutscher Hand. Die Zerstörung von Balga begann am 24. März 1945 nachmittags. Durch den Beschuss mit Brandgranaten und Phosphor- bomben gerieten alle Gebäude in Brand, den der starke Weststurm zu einer Riesenfeuersbrunst anfachte. Was noch stehen blieb, wurde am 25. März 1945 durch Flieger- und Artilleriebeschuss vernichtet.
Am 26. März schwieg die feindliche Artillerie, dafür griffen Bomberverbände den ganzen Tag lang unsere Stellungen an und verwandelten den letzten kleinen, von uns besetzten Geländestreifen in eine Mondlandschaft. Als der Abend nahte, gab es keine organisierte Abwehr mehr. Es gab keine Einheit, nur noch Überlebende, die versuchten ein Deckungsloch zu finden oder zu graben.
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Mit der Dunkelheit kamen die Nachtflugzeuge, die Rollbahnkrähen, wie sie genannt wurden und belegten die Haffküste mit gut gezielten Bomben. Als ich mein Deckungsloch westlich von Gr. Hoppenbruch verließ, um in Richtung Balga nach etwaigen Überlebenden der 14. Pionier-Kompanie HG zu suchen, rauscht eine Lawine von Granaten heran (Stalinorgel) und ließ die Erde wie bei einem Erdbeben erzittern. Ein schwarzgelber Qualm zog heran, in dem für Sekunden taumelnde Menschen sichtbar wurden. Vier der taumelnden Menschen kamen auf mich zu. Ich schnellte hoch und zerrte sie zu mir in die Deckung. Es waren Flüchtlinge aus Zinten, die mich mit leeren Augen anstarrten, unverständliche Worte murmelten und ehe ich es verhindern konnte, aufsprangen und in Richtung Balga davonliefen. Sie hatten die nervliche Belastung nicht ausgehalten.
Die ganze Gegend am Haff, die von den russischen Batterien wie auf einem Übungsgelände unter genaues Feuer genommen werden konnte, wurde zum Massengrab. Sie wirkten wie Steine und niemand dachte an eine Bestattung.
Ein Stück weiter erhob sich vor mir ein hoher Heuschober. Als ich mich ihm näherte, wuchsen aus ihm mehrere Gestalten mit erhobenen Händen hervor. Es stellte sich bald heraus, dass es Deutsche waren, die sich dort verbargen und ich machte, dass ich weiterkam. Mein Ziel war ein Gebüsch rechts von mir, dahinter in leicht erreichbarer Nähe das Gut Balga der Familie von Glasow. Gegen 16.30 Uhr stand ich auf einer sumpfigen Wiese, dann bis zu den Knien in einem schlammigen Graben. Vor mir in einer hohen Hecke, in der ich bei einfallender Dämmerung Deckung suchen wollte, erkannte ich plötzlich gut getarnte russische Soldaten hinter einem MG, links und rechts davon Gewehre im Anschlag und Gesichter unter Stahlhelmen, die mich erwartungsvoll anblickten. Eine kleine Ewigkeit hielt ich den Atem an. Dann hörte ich eine Stimme: "Chände choch, Chitier kaputt, skoro domoi" (bald nach Hause). Ich warf mein Sturmgewehr 44 weg, steckte heimlich meine Pistole 08 in den Schlamm und hob die Hände.
Aus der Hecke Iöste sich eine Gestalt und kam auf mich zu. Es war ein adrett uniformierter Leutnant, der mich vom Grabenrand ansprach: "Wie viel Uhr?" Ich blickte automatisch auf mein linkes Handgelenk. "Halb sechs!" Der russische Leutnant, ein junger Mann um die zwanzig wie ich, streckte die Hand aus: "Gib Uhr!" - Ich löste die Uhr vom Arm und wollte sie ihm hinüberreichen. In diesem Moment gab es einen ohrenbetäubenden Schlag, mir wurde schwarz vor Augen. Ich wischte mir mit der Hand darüber und sah wieder den russischen Leutnant. Er stand noch an derselben Stelle, sah aber ganz anders aus. So wie ich war auch er über und über mit schwarzem Schlamm bedeckt. Ein russischer Panzer vom Typ T-34 hatte aus etwa dreihundert Meter Entfernung von der anderen Seite des Sumpfgeländes her eine Granate genau zwischen uns in den Morast gesetzt. Mehr als ostpreußischen Schlamm hatten wir beide dabei wie durch ein Wunder nicht abbekommen. Der Leutnant riss beide Fäuste hoch und brüllte dem Panzer ein halbes Dutzend der unflätigen Flüche zu, an denen die russische Sprache so reich ist. Ich, erschöpft und hungrig, hilflos und buchstäblich im Dreck steckend, konnte mir nicht helfen. Ich empfand das Ganze urkomisch.
Schließlich reichte mir der russische Leutnant die Hand, zog mich aus dem Graben und führte mich in ein nahe gelegenes Haus. Er vertrieb mit einem Befehl einige Russen, die sich mir näherten, offenbar in der Absicht, mich zu filzen. Dann brachte er mich in einen Raum, wo bereits andere Deutsche apathisch herumlagen. Er verschwand für kurze Zeit und kam mit warmer Suppe und Brot sowie einer Decke wieder. In dieser Nacht schlief ich wie ein Stein. Am nächsten Morgen erfuhr ich, dass es eine ukrainische Kompanie war, die mich vor Balga gefangen genommen hatte. Und ich sah, dass ihre Soldaten deutsche Verwundete bargen und gut versorgten. Es war der 25. März 1945.
Ein Mensch, der in russischer Gefangenschaft gerät, ist kein Mensch mehr, nur noch ein willenloses Individuum! Am nächsten Morgen begann die erste Etappe einer ungewissen Zukunft, von der wir uns kaum etwas Gutes erhoffen konnten. Hinter allen Erwartungen und allen Befürchtungen stand wie ein riesiges, drohendes Gespenst eine Gefahr, die ich wie die anderen nicht zu benennen wagte und die uns mit lähmenden Schrecken erfüllte: Sibirien. Hinzu kam unsere moralische und physische Erschöpfung. Wir hatten fast alle Wochen und Monate schwerer Kämpfe, langer Märsche, harter Entbehrungen und die Strapazen des verzweifelten Versuchs, bis zum Haff durchzubrechen, noch nicht verkraftet.
Der junge sowjetische Leutnant, sprach mich an. "Sind sie Offizier?" - "Nein!" - "Bleiben Sie bei mir!" Er gab seinen Männern einen Befehl, und nach kurzer Zeit konnte ich in Richtung Balga zum Gutshof von Glasow gehen. Es kam auch vor, dass derselbe Russe, der gerade noch kaltblütig einen Deutschen exekutiert hatte, kurz darauf einen anderen ein Stück Brot reichte und laufen ließ. Er trug eine russische Pilotenjacke, die er irgendwo gefunden und angezogen hatte, um sich gegen die Nachtkälte zu schützen.
Übergriffe kamen in jedem Krieg und bei jeder Truppe vor, das geschah möglicherweise nicht aus kalter Brutalität, sondern in der Panik des Kampfes. Aber das waren Ausnahmefälle. Als ich allein in Richtung Balga weiterging, tauchte plötzlich ein Panzerspähwagen auf, er hielt an und sie wollten wissen, wer ich sei. Äußerst misstrauisch sagten sie mir auf den Kopf zu, dass sie mich für einen Angehörigen der ominösen "Seydlitz-Truppe" hielten, weil ich ohne Waffe war. Diese Einheit war nach dem General Walther von Seydlitz - Spross einer berühmten preußischen Adelsfamilie - benannt, der zum Stab der 6. deutschen Armee in Stalingrad gehörte und den "Antifaschistischen Bund Deutscher Offiziere" gründete. Bis heute wird verschwiegen, dass dieser "von Seydlitz" übergelaufene deutsche Soldaten bewaffnete, die dann in den letzten Tagen am Haff Jagd auf ihre ehemaligen Kameraden machten. Ich hatte zunächst einige Mühe, die Männer auf ihren Panzer von ihrem Verdacht abzubringen, da ich weder ein Waffe noch ein Soldbuch vorweisen konnte.
Ich konnte die Männer von der Aufklärungsabteilung HG überzeugen. Schließlich wollten sie mich in ihre Gruppe aufnehmen. Die Gesellschaft schien mir aber zu riskant und ich machte mich wieder selbständig. So kam ich langsam voran und mied die freien Flächen bis zum Gutshof Balga. Der Gutshof hatte ein stattliches Wohnhaus, große Scheunen, Schuppen und Stallungen, die feindwärts lagen und durch ihre starken Mauern etwas Schutz boten. Vor dem Gutshof ertönte plötzlich ein Schuss und aus einem Graben vor mir erhob sich ein russischer Soldat, es handelte sich wohl um ein Horchposten. Ich schrie laut: "Ruki wjersch" und der Russe hob die Hände. Er war wohl einer der letzten sowjetischen Gefangenen, die in diesem Krieg an der Haffküste bei Balga gemacht wurden. Ich ließ ihn ein paar Meter vor mir herlaufen, dann bedeutete ich ihm, in den Büschen zu verschwinden, was er auch freudig tat.
Wenig weiter näherte ich mich den großen Scheunen, denn hier im Gutshof lag am 26. und 27. März 1945 der Regimentsgefechtsstand des Sturmbataillons HG "Major Ostermeier". Hier hatten sich ca. 25 bis 30 Mann zurückgezogen, wo Major Ostermeier die überlebenden Reste seiner Einheit persönlich begrüßte und uns Hoffnung auf eine vorgesehene Rettungsaktion nach Pillau machte, falls uns der Russe zwischenzeitlich nicht den Rückweg zur Anlegestelle der Boote unserer Marineeinheiten versperrte. Es gab weder Funk- noch Fernsprechverbindungen, denn alles Nachrichtenmaterial war zerschossen und die schweren Funkgeräte in der Stellung bei Gr. Hoppenbruch und Keimkallen zerstört zurückgelassen worden. Der Russe hatte vermutlich unsere Absetzbewegungen bemerkt und tastete sich mit kleinen Stoßtrupps auf Schussweite bis zum Gutshof Balga vor. Man konnte zwar den Gegner nicht sehen aber seine Nähe war am Klappern des Schanzzeuges und durch laute Zurufe zu spüren. Ein kurzer Feuerstoß aus dem Sturmgewehr in Richtung der feindlichen Geräusche ließ diese vorübergehend verstummen.
Der Gutshof der Familie von Glasow musste sich als Silhouette gegen den dunklen Nachthimmel gen Westen abgehoben haben und so dauerte es nicht lange, bis die ersten sowjetischen Gewehrgranaten im Innenhof einschlugen oder über die z. T. noch vorhandenen Dächer nach außerhalb rollten.
Wir standen mit Doppelposten oder auch zu mehreren an den Ecken des Gutshofes oder lagen an den Fenstern, die zu Schießscharten wurden und warteten auf den Befehl zum Absetzen. In ganz Balga herrschte ein riesiges Durcheinander, Unbarmherzig und grausam ging die Sichel des Todes um. Das Militär hatte jedes Haus mit Einquartierungen belegt und die Parole vom Endsieg machte auch noch in dieser hoffnungslosen Lage die Runde. Die Burg, die Kirche und die Jugendherberge war mit Verwundeten überfüllt und führungslos musste jeder für sich selbst sorgen. Balga war der einzige Weg, der noch aus diesem Kessel führte. Am Tage war wegen der sowjetischen Flieger keine Möglichkeit nach Neutief oder Pillau zu kommen.
Zunächst sahen wir vom Gutshof aus das Haff vor lauter Wagen nicht, die hier dicht gedrängt standen und es sah so aus, als kampierten die vielen Menschen hier schon seit längerer Zeit. Bis jetzt glaubten wir, mit unserer Hilfe sämtliche Flüchtlinge aus dem Kessel hinausgebracht zu haben? Aber bei uns geht es zunächst nicht weiter. Wir mussten die Stellung im Gutshof halten, bis alle Flüchtlinge am Haff waren. Alle Wege waren verstopft, Hausrat, Betten und Wäschestücke lagen im Gutshof herum, wohl um die Fahrzeuge leichter zu machen und um Platz für Flüchtende zu schaffen.
Befehl zum Absetzen: Am 27. März 1945 um 22.00 Uhr war es soweit! Fünf Mann vom Regimentsstab, die sich in Balga auskannten, blieben als letzte Nachhut zurück und schossen in einer Stunde ihre MG-Magazine leer, um unseren Rückzug vom Gutshof der Familie von Glasow bis zur Haffküste zu decken. Auf den ausgetretenen Pfaden des Hohlweges stolperten wir dicht an dicht immer dem Vordermann nach bis zur Anlegestelle, wo sich alles zusammendrängte. Die Russen waren jetzt dicht dran. Sie schossen mit Granatwerfern. Wir schlugen Haken wie die Hasen, nur weiter, weiter! Wir mussten an den Strand herankommen. |
Ein furchtbarer Anblick bot dass Frische Haff in seiner ganzen Ausdehnung zwischen Kahlholz und Follendorf. Neben- und hintereinander standen Tausende von Fahrzeugen am Ufer. Ununterbrochen fuhren Bomben und Granaten in die Ansammlungen hinein. Hier ging eine Armee unter! In der Nacht zum 28. März 1945 wurde der Ring der Verteidiger noch enger gezogen.
Wir wurden 2 km nach Norden in eine Stellung vor dem Walde südlich des Ortes Balga verschoben und nahmen in der Dunkelheit vorm Hohlweg den Stellungswechsel vor. Am Strand des Haffs und in der Burg bis zur Kirche lagen Tausende von Verwundeten auf Bahren und Decken in der Hoffnung, dass Fährboote kommen und sie abholen würden.
Im Laufe der Nacht - so gegen 23.00 Uhr - erhielt der Korps-Stab HG den Befehl, die Einschiffung der in aussichtslos gewordenem Kampf liegenden Reste früherer Divisionen zur Frischen Nehrung vorzubereiten und in der kommenden Stunde durchzuführen. Die 2. FschPzGrenDiv. HG, die 170 InfDiv., der noch Reste der 24. PzDiv. mit 100 Gewehren unterstellt wurden, sollten mit der 28. Jäger-Division die Einladestellen bei Balga sichern und bis zum Morgengrauen auf den letzten Schiffen folgen.
Während die Reste unserer 2. FschPzGrenDiv. in die befohlene Stellung an der Strandhalle zurückging, sammelten sich am Ufer die zum Abtransport bestimmten Truppen. Verwundete wurden herangetragen. In tiefem Schweigen standen viele tausend Soldaten am Wasser und harrten der Ankunft der Schiffe. Hunderte anderer Soldaten rannten am Strand entlang und suchten nach Rettung. Grässliche Szenen spielen sich ab. Zum erstenmal sah ich, dass sich deutsche Soldaten gegenseitig erschossen. Es war entsetzlich. Der ganze Stand von Balga bis Kahlholz war ein feuerspeiender Landstreifen.
Um 24.00 Uhr näherten sich die ersten Fährprahmen der Küste, der Abtrans- port begann. Er vollzog sich trotz der Spannung des Augenblicks in vorbild- licher Ruhe. Zuerst wurden die Verwundeten an Bord gebracht, die übrigen Soldaten folgten und ein Prahm nach dem anderen verließ mit Menschen dicht besetzt die Landungsstege.
Um 04.00 Uhr morgens verschwanden die letzten Fährprähmen im Dunklen auf dem offenen Wasser. Die Reste der 2. FschPzGrenDiv. HG. - nur noch wenige hundert Männer mit einigen Maschinengewehren und zwei 7,5-cm-Pak - blieben an Haffufer zurück. Hinter uns lag die Hölle. Tausendfach loderte es von Heiligenbeil bis Balga. weißlichgelb und blutigrot steigen Leuchtkugeln empor und fielen langsam ins Haffwasser. Die Russen hatten den Strand erreicht.
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Das Verbot von Gen.Lt. Müller, es dürfen keine schweren Waffen auf die Frische Nehrung übergesetzt werden, wird zum Todesurteil für die Truppe, die nun nur noch über Handfeuerwaffen verfügte. Wir sahen das Ende nahen. Die Nacht war still und ruhig, das feindliche Feuer auf den kleinen Kessel war schwach und verstummte zeitweise ganz. Wer von der Kompanie nicht gerade schlief, machte sich für den nächsten Tag bereit, der eigentlich nur zweierlei bringen konnte, den Tod oder die Gefangenschaft. Mit einem Zurückkommen der Schiffe konnte nicht mehr gerechnet werden.
Gegen 04.00 Uhr meldeten die am Haffufer aufgestellten Posten Motorengeräusche vom Wasser. Das Sturmboot unserer 14. Pi.-Kompanie fuhr in die Dunkelheit hinaus und brachte nach kurzer Zeit vier Fahrzeuge an die Landungsstege, zwei Landungsboote und zwei Marine-Fährprähmen. Inzwischen war es 04.30 Uhr geworden. Im Nordosten färbte sich der Himmel, die Dunkelheit der Nacht wich der Morgendämmerung. Dunkel hob sich die Silhouette der alten Ordensburg von Balga gegen den heller werdenden Horizont ab.
In aller Ruhe, geordnet wie bei einer Verladung, zogen die kümmerlichen Reste der Kompanien über die Landungsstege an Bord der Schiffe. Mit zunehmender Helligkeit kam dichter Nebel auf, der das Übersetzen auch vor der Luftwaffe des Gegners verbarg. Gegen 06.00 Uhr war die Verladung beendet. Spähtrupps suchten die Ufer nach Versprengten ab, holten noch einige in den Löchern eingeschlafene Kameraden an Bord, und um 06.30 Uhr legten die Schiffe ab.
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"Nationalkomitee Freies Deutschland" - keine Evakuierungs-Chance
Nicht erklären konnte man sich allerdings, dass deutsche Offiziere vom "Nationalkomitee Freies Deutschland" auf sowjetischer Seite kämpfend, deutsche Kriegsgefangene teilweise außerordentlich sadistisch behandelten und so zu Tode brachten. Möglicherweise dienten diese Quälereien wehrloser Gefangener dazu, den Makel vorheriger Zusammen- arbeit mit Hitler abzuwenden.
Wiederholt fanden wir bei Wiedereroberung eines vorher verloren gegangenen Dorfes, die in sowjetjsche Gefangenschaft geratenen deutschen Soldaten mit Seitengewehren erstochenen in irgend einem Schuppen vor. In einigen Fällen, so bei Friedland/Allenau, mussten sich deutsche Gefangene, auf Befehl von Offizieren vom "Nationalkomitee Freies Deutschland" ausziehen, um sie anschließend nackt dem qualvollen Tode des Erfrierens bei minus 18 Grad auszusetzen. Es handelte sich bei den Toten um eine Gruppe von deutschen Gefangenen des "Sturmbataillon Lehmann".
Wenn von der Truppe des "Nationalkomitee Bund Deutscher Offiziere" deutsche Gefangene eingebracht wurden, so wurden diese dem sowjetischen Rgt.-Stab je nach Wichtigkeit der Aussagen zugeführt. Die Vernehmungen wurden von der besonderen Abteilung der NKWD in Gegenwart des "National- komitee" durchgeführt! Hatte der deutsche Gefangene eine Aussage gemacht, die nicht von besonderer Bedeutung war, so wurde er nach der Vernehmung tot geschlagen oder erschossen! Die Russen sahen im Einsatz "Deutsche gegen Deutsche" in Ostpreußen keine Gefahr, weil niemand aus dem Kessel von Heiligenbeil entkommen konnte. Ebenso konnte man sich nicht vorstellen, oder man dachte jedenfalls nicht daran, dass ehemalige deutsche Offiziere sich bereit finden würden, nach Durchbruch der Russen durch die deutsche Front in Ostpreußen Marschkolonnen in falsche Richtungen zu weisen und damit in die Arme der Roten Armee. Viele deutsche Frauen und Kinder, ja ganze Einheiten, sind durch solche gewissenlose deutsche Offiziere in das Feuer sowjetischer Scharfschützen gelaufen, und somit in die Vernichtung. Man hielt es für völlig ausgeschlossen, dass ein dem gleichen Heer entstammender Offizier sich in den Dienst des Russen stellen und die eigene Truppe zum Landesverrat und Fahnenflucht auffordern könne. (Flugblatt) Mancher kannte die Unterzeichner der Aufrufe persönlich, so die früheren Artillerieoffiziere General Müller und Lattmann, die sich selbst als "100 % Hitler-hörig" bezeichneten. Solche Personen forderten uns zur Fahnenflucht auf. |
Verwundete und ihre Versorgung
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Die Flucht über das Frische Haff
An der Haffküste zwischen Kahlholz, Balga und Follendorf Floßbau zur nächtlichen Evakuierung |
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Unterhalb von Balga standen die Fischerbuden, an denen sich die Flüchtlingstrecks auflösten. Sie ließen ihre Wagen, die Pferde und überzähliges Gepäck zurück, da sie auf die Schiffe und Fährprahmen nur noch das Nötigste mitnehmen konnten. Die Hütten sind heute genauso verschwunden wie das ganze Ort Balga. Die Aufnahme unten stellte das Zentralarchiv der UdSSR zur Verfügung.
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Am Morgen des 29. März 1945 landeten alle Fahrzeuge bei Neutief. Teile der Resttruppen wurden in Pillau an Land gesetzt. Nach kurzer Ruhepause in Pillau und in den Dünenwäldern der Nehrung wurde im Rahmen der Neugliederung der 2. FschPzGrenDiv. HG die Reste zweier anderer zerschlagener Divisionen eingegliedert. Waffen und Gerät wurden neu zugeführt. Am Hafen, am Ufer und auf dem unmittelbar dahinter ansteigenden Höhenrücken wurden Stellungen angelegt. Der Flugplatz Neutief wurde in verteidigungsfähigen Zustand gebracht.
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Seenotgruppe 81. der deutschen Luftwaffe in Neutief/Pillau
Trotz der Notwendigkeit, weitere Flugboote Do-24 als Seenotmaschinen zum Einsatz zu bringen, wurden einzelne Seenotstaffeln an der deutschen Seefront auf dem Seefliegerhorst Neutief/Pillau in Bereitschaft gehalten. Zur Gewichtseinsparung wurden alle nicht benötigten Teile und Waffen ausgebaut. Bis zum 15. März 1945 wurden Evakuierungsflüge von Neutief durchgeführt. Der Kommodore der SNGr.81 hieß Schirmack.
An diesem letzte Tag stürzte der Flugzeugführer Ob.Fw. Schulz beim letzten Start aus etwa 80 Meter Höhe mit 53 Flüchtlingen ab. Die Do-24 von Schulz war zu schwanzlastig beladen, und es gelang ihm nicht, die Nase runterzu- drücken.
Bis zum 15. März 1945 wurden 14.600 Verwundete, Flüchtlinge und Kinder unter Gegnereinwirkung aus den Brückenköpfen an der deutsch-russischen Front herausgeholt.
Das Luftwaffengaukommando I. Königsberg wurde aufgelöst und aus ihm das Luftwaffen- Kommando Ostpreußen gebildet. Ihm unterstanden nur noch das Jagdgeschwader 51 "Mölders", (Oberst Lange) FW-l90. Das Jagdgeschwader unter dem Befehl von Major Losigkeit war noch der einzige tatkräftig eingesetzte fliegende Verband im Einsatz gegen die zahlenmäßig übermächtige, sowjetische Luftflotte. Auf dem Flugplatz Pillau-Neutief existierte nur noch eine Jagd- und Aufklärungsgruppe FW-190 und Ju-88.
Einige Sturzkampfflugzeuge und Reste von Jagdflugzeugen vom Typ Me-109 und FW-190 standen noch auf dem Flugplatz Brüsterort. Das war der Gesamtbestand der deutschen Luftwaffe in Ostpreußen. |
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Um 8.30 Uhr wurde im Hafenbecken 2 in Pillau festgemacht. Die Bilder in Pillau waren erschreckend. Es herrschte ein unbeschreib- liches Durcheinander. Neben den endlosen Flüchtlingszügen sind es vor allem Hunderte von leicht und mittelverwundeten Soldaten, die völlig führerlos in der Hafenstadt Pillau umher- stromerten. Zweifellos waren große Mengen Drückeberger unter ihnen. In Erinnerung ist mir die beginnende Unsauberkeit geblieben. Die Toiletten reichten für Tausende einfach nicht mehr aus. Zeitweise wurden sie gesperrt und unter Wasser gesetzt.
Da es an Unterbringung, Verpflegung und vor allem an Führung fehlte (die Führung war auf der Flucht), war es kein Wunder, wenn diese Haufen einen völlig demoralisierten Eindruck machten.
Die Mittel und Kräfte der Feldgendarmerie und des Marinestreifendienstes schienen, nach Mengen gemessen, völlig unzureichend. Diese waren uneinheitlich, vielfach überaltert, körper- lich nicht immer tauglich und mit Ausländern durchsetzt. Zusammengenommen war ihr Verhalten mehr als lobenswert. Sie taten, was sie konnten und noch viel mehr!
In Pillau flüchteten Fremdarbeiter und russische Kriegsgefangene vor den roten Befreiern und reichten der deutschen Zivilbevölkerung, ihren früheren Arbeitgebern und Bewachern, die helfende Hand. Das war die Wirklichkeit!
Der Krieg ging weiter. Nach vielen Strapazen und angstvollen Tagen und Nächten am Strand von Balga übernachtete ich in einem überschwemmten Kino, um am anderen Morgen selbst ein Schiff zu suchen. Ich war am Ende meiner Kräfte und in der Verzweiflung kamen wir zu dritt auf die Werftanlagen. Jedoch wollte uns ein Herr mit einem goldenen Parteiabzeichen den Durchgang nicht erlauben. Ich sagte ihm - auf das goldene Parteiabzeichen zeigend, - "Das Ding, das werden Ihnen wohl bald andere abreißen." Er überschlug sich in Drohungen und lief zum Telefon, um mich verhaften zu lassen. |
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In diesem Moment kam ein Seeoffizier hinzu, den hatte uns der liebe Gott gesandt. Er schleuste uns am Posten vorbei und riet uns, eine Schiffskarte zu besorgen, sonst komme keiner raus. Ein riesiger Menschenhaufen stand vor dem Gebäude, in welchem die Karten angeblich ausgegeben werden sollten und sie versuchten eine Schiffskarte zu bekommen - vergeblich. Am folgenden Morgen prangen an allen Litfasssäulen, an vielen Häusern die in Trümmer liegen große Plakate mit dem Aufruf: "Alle Männer von 16 bis 65 Jahren haben sich sofort im Seebahnhof (Parteidienststelle) zu melden, widrigenfalls sie als Deserteur u.s.w. ......." - und das am 29. März 1945!
Um unserer Meldepflicht zu genügen, meldeten wir uns am folgenden Tage bei der Parteidienststelle, anscheinend ein Auffangstab. Die schickten uns drei, trotz Verwundung, ohne Federlesen in das scheinbar Unvermeidliche über Neuhäuser bis zum Lochstädter-Wald zum Panzergraben I auf der Nehrung. Und das war gut so, denn so begegneten wir nicht den Feldstreifen, die im Auftrag der Sonderstandgerichte eingeführt wurden.
Doch angesichts dieser Flut wurden die Verhaltungsvorschriften und das Ausleseverfahren utopisch. Was jetzt folgte, waren die gleichen Bilder, wie sie in allen anderen Tagen auch zu sehen waren. Ein Kindertransport gelangte nur inmitten von Verwundeten, die an Bord wollten, aufs Schiff. Alleine gelassen würde man die Kinder zertrampeln. Alte Leute brachen zusammen, wurden zurück geworfen. Ein Herzschlag rührte hier kaum ein Herz. Wer fiel, der fiel und trieb beiseite. Die Angst saß ihnen im Nacken, der Russe kam stündlich näher.
Angehörige von Stäben tauchten mit hochbepackten Fahrzeugen auf und mischten sich unter die Flüchtlinge. Der Auffangstab "Heldenklau" siebte nach Kräften, konnte aber nicht überall zugleich sein. Eine schwerbewaffnete Gruppe von Offizieren der FschPzGrenDiv. HG, von der einzelne Leute unter Vorwänden abzuspringen versuchten, hielt sich im Hintergrund und das verhieß nichts Gutes. Eine "Rette-sich-wer-kann"-Stimmung kam auf. Das war die ungeschminkte Wirklichkeit.
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30. März 1945 im Hafen von Pillau
Was ich am Hafen erblickte, kann ich kaum schildern. Es war wohl das Grauenhafteste, was ich mit in meinen Leben gesehen habe. Über den tiefliegenden Wolken hörte man schon das dumpfe Dröhnen zahlreicher schwerer amerikani- scher Bomber B-17. Wir liefen bis zur Zitadelle durch und versuchten, dort Deckung zu finden. Eben hatten wir drei den Leuchtturm passiert, da rauschte der Bombenteppich auf Stadt und Hafen nieder. Gerade in unserem Punkt, den wir vor kurzem verlassen hatten, stand die hohe weiße Wand aus Rauch und Feuer. Mit Entsetzen sah ich, das der Bug eines Schiffes auseinander klaffte, Wasser kroch ins Innere. Ein Verzweiflungsschrei von Hunderten angsterfüllter Menschen ertönte, unmittelbar darauf eine unheimliche Stille. Das eisige Wasser war über die Menschen hinweggegangen.
In diesen Augenblick warf mich der Luftdruck einer Bombe zu Boden und mir schwanden die Sinne. Ich wachte einige Zeit später wieder auf und bemerkte, dass der Dampfer sank. Drei Bomben hatten die Schiffswand aufgerissen. Wer sich retten konnte, tauchte in irgendeinem Luftschutzkeller oder Splitter- graben unter, unbeschreibliche Zustände, Flammen überall, die ganze Stadt Pillau war ein Feuermeer. Die Tanks waren getroffen, und der Hafen lag unter dicken schwarzen Rauchwolken. Tausende waren zugrunde gegangen, der Hafen war voller Toter. Arme und Beine lagen herum, am Leuchtturm erhielt ein abfahrtbereiter Lkw einen Volltreffer, die Menschen flogen bis in die Baumkronen und so lagen neben den erschossenen Pferden fast nur tote und verwundete Frauen und Kinder.
Ich habe alle Phasen in Pillau erlebt. Diejenigen, die auf den Meeresgrund geschickt wurden, hatten ohnehin schon alles verloren und die waffenlosen verwundeten Soldaten, die dabei waren, waren genauso wehrlos. Als alles vorbei war, war Pillau nicht mehr wiederzuerkennen. Ganze Straßenzüge lagen in Trümmern oder wurden umgepflügt. Die schönen alten Bäume - nur noch zersplittertes Brennholz. Die, welche unter ihnen, halb von Sinnen, Schutz suchten, düngten den Boden mit ihrem Blut.
Der Befehlsbereich Ostpreußen umfasste gerade noch ein Stückchen Pillau-Küste und den Nehrungsstreifen. Kein Haus war mehr unbeschädigt, Großbrände wüteten, nur der Leucht- turm hat bisher alles heil überstanden. Ein Verkehr über das Tief war ohne weiteres kaum mehr möglich. Die schmale Pillauer Landzunge ist naturgeschützt und an zwei Seiten von Wasser umgeben, von der Ostsee und von Frischen Haff. Die von Norden heranmarschierenden Sowjets stießen zuerst auf den Sperrriegel Lochstädter-Wald und Neuhäuser. Wieder innerhalb dieser beiden befand sich die eigentliche Riegelstellung. Wir befanden uns am 6. April 1945 im Auffanglager Siebenhügel zwischen den beiden äußeren Verteidigungs- ringen.
Dazu der schwierigste Punkt: Das ganze Lager war mit fremden Soldaten aller Truppengattungen, auch HG-Soldaten, sowie mit Flüchtlingen überfüllt. Ein tolles Durcheinander, Frauen, Kinder, Mädchen, Alkohol. Es war nicht möglich, die eigenen Leute unserer Kompanie überhaupt im Lager zu finden. Eine Volkssturmkompanie, die infanteristisch eingesetzt werden sollte, bestand nur aus alten Leuten, erschütterndem Material.
Der Russe stand in Neuhäuser, etwa 5 Kilometer vor Pillau. In der Nacht vom 20./21. April sickerten die ersten sowj. Panzer durch die deutschen Linien.
Die Marinebatterien entwickelten sich zu Schwerpunkten der Abwehr im Erdkampf. Sie verschossen ihre gesamte Munition, wehrten sich erbittert mit Handfeuerwaffen weiter und fielen bis auf den letzten Mann. Der Neuhäuser Riegel war erledigt. Unablässig schob sich die russische Walze vor. In Pillau, wo sich nun alles zusammendrängte, brannte es vorne und bis hinten. Um das Gewühl aufzulockern, wurden mit Marine- schiffen und Fähren Flüchtlinge und Truppen über das Seetief zur Nehrung gebracht. (Neutief) Die Endphase des Kampfes um die Seestadt Pillau begann. Die Munition der deutschen Truppen wurde immer knapper, die Menschenverluste wurden immer größer.
Auch in der Luft war der Teufel los. In niedrigster Höhe flogen die Schlachtflieger den ganzen Tag über Pillau. Die noch vorhandenen Gebäude und Gebäudereste sanken in Trümmer. Die Kasematten der Zitadelle waren ein einziges umgepflügtes Trümmerfeld. Die Marinebatterie 10,5-cm auf der Nordmole jagte Schuss um Schuss auf den längs des Strandes von Neuhäuser mit Panzer und Infanterie vorrückenden Russen. Die Batterie wurde umzingelt und wehrte sich Stunde um Stunde gegen die erdrückende Übermacht. Die Einfahrt zum Pillauer Seekanal war der Eingang zur Hölle. Pausenloser sowj. Artilleriebeschuss lag über dem Hafen.
In den Schlachtenlärm mischten sich die Detonationen der Selbstzerstörungen, die Hafenmolen wurden gesprengt, die Seetief-Einfahrten durch versenkte Schiffen blockiert. Während im laufenden Pendelverkehr Truppen nach Neutief übersetzten, hielten die Batterien Kamstigall am Schwalben- berg und Nordmole noch aus. Zwischen der Zitadelle und Hafen kämpfte jeder gegen jeden, Freund und Feind gingen ineinander über, Marine und Heeressoldaten starben Seite an Seite.
Generalmajor WengIer, Chef der 21. Infanterie-Division fand am Leuchtturm inmitten seiner Soldaten den Tod.
In der folgenden Nacht holten Marinebrahmen noch ca. 19.000 Soldaten zur anderen Seite, 7.000 Verwundete brachten sie in der Nacht nach HeIa, zur Danziger Bucht. Die Einschiffung war nur noch mit Waffengewalt aufrecht zu erhalten. Die Panik der Menschen, die Szenen an den Anlegestellen kann man nicht schildern.
Viele sprangen ins Wasser der Ostsee und versuchten, schwimmend ein Schiff zu erreichen und ertranken. Die militärische Hafenstreife erschwerte aufs Äußerste die Arbeit der bisher mit der Verschiffung Beschäftigten. Sie fuchtelten den Flüchtlingen ständig mit der Maschinenpistole vor der Nase herum und beunruhigten, statt zu beruhigen. Sie kommandierten und schnauzten an der Anlegestelle herum, so dass es nur mit Mühe gelang, eine drohende Schießerei zwischen beiden zu verhindern. Die Hafenstreife wiederum schien nach meiner Ansicht irgendeiner Bewegung anzugehören, vermutlich kommunistischer Art, denn sie begrüßen sich untereinander - auch in aller Öffentlichkeit, mit "Frei Deutschland!".
Die Reede von Pillau/Neutief lag unter ständigem Beschuss. Es waren nur noch wenige Kilometer bis zur Kampflinie. Nachzügler flüchteten die Nordmole entlang, die davorlie- genden Schützengräben waren längst leer und alle Absetz- möglichkeiten erschöpft. Furchtbare Bilder, ein Feuermeer, Berge von toten Soldaten und Flüchtlingen mit Kindern, unendlich viele Wagen, noch viel mehr Flüchtlingsgepäck!
Pillau war gefallen. Es war die letzte ostpreußische Stadt, die sich verzweifelt gegen die gewaltige Übermacht der Roten Armee zur Wehr gesetzt hatte. Die Einwohner waren geflohen, ihre Häuser zum größten Teil zerstört. Ihr Hab und Gut mussten sie zurücklassen. Die Plätze für Bestattungen auf den Friedhöfen reichten nicht mehr aus. Deshalb ließ der Heeresgräberoffizier, der Militär- und Kriegspfarrer von Pillau, etwa 500 m nordöstlich der Nordmole auf einer Waldlichtung in unmittelbarer Nähe der Marinebatterie Nordmole und Batterie Plantage den neuen Heldenfriedhof anlegen. Ein großes Holzkreuz zierte dann den Appellplatz.
Die Friedhofskapelle, in der Chausseestraße am Rande der Plantage gelegen, bildete ein Bild des Grauens. Sie war angefüllt mit Leichen. Übereinandergestapelt bedeckten sie den ganzen Fußboden der Halle. Es konnte nicht mehr festgestellt werden, ob alle Sterbefälle registriert worden waren.
Der Friedhof reicht später bis fast an die Strandhalle. Etwa 8.000 tote Flüchtlinge und Soldaten fanden auf den Friedhöfen der Stadt Pillau ihre letzte Ruhe. Viele weitere Hundert Soldaten kamen bei den schweren Abwehrkämpfen auf der Pillauer Nehrung, zwischen Tenkitten und Neuhäuser ums Leben, ohne dass ihre Namen bekannt wurden. Ein hoher Blutzoll!
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Auf dem Marineprahm nach Fehmarn
Es ist der 25. April 1945. Um 21.00Uhr sollte je ein Fährprahm im Nebelschleier am äußersten Ende des Seefliegerhorstes Neutief Truppen aufnehmen, außerdem sollten alle verfügbaren Boote, die am Strand weiter östlich standen, die letzten Sicherungen abholen. Die Artillerie eines Zerstörers wollte mit starkem Feuerschlag östlich und westlich alles abschirmen und den nachdrängenden Russen aufhalten.
Uns fiel ein Stein vom Herzen als sich meine Hoffnung erfüllte und abends noch einmal zwei Schiffe erschie- nen - in ihrem Gefolge vier Flugsicherungsboote. Erst diese wieselflinken Schiffchen, die sofort und noch vor der verabredeten Zeit eingesetzt wurden, ermöglichten die Absetzbewegungen im Laufe der Nacht. Sie waren gewandter als die schwerfälligen Fährprähmen und standen untereinander in Funk- sprechverbindung. Es ging ruck-zuck!
Kaum hat eines abgelegt, ist das nächste schon wieder da. 1.100 Menschen wurden gerettet - und ich war dabei!
Seit dem späten Abend und vor allem von Mitternacht an standen wir unter ständigem Beschuss, bis 2.00 Uhr schien alles beendet zu sein. Draußen auf See stiegen wir alle auf einen Fährprahm über. Einige Nachhuten der kämpfenden Truppe hatten sich vom Russen nicht mehr lösen können.
Am 26. April 1945 lief dieses Landungsboot der Marine mit uns als letztem Schiff von Neutief unter schwerem sowjetischem Artilleriefeuer mit Flücht- lingen und Verwundeten aus. Die Fährprähmen wurden von Kiel hierher beordert und machten mit ihren 8,8-cm Kanonen und vielen Flakwaffen den Russen nicht wenig zu schaffen, denn es wurde mit allem gefahren, was die Maschine hergab. Dabei wurde so dicht aufgeschlossen, dass man trotzt des dichten Nebels die Hecklaterne des Vordermannes sehen konnte.
So jagten wir Stunde um Stunde, 2 Nächte und ein Tag und kamen heil durch. Aber man selbst war auch fertig, von Schlaf keine Rede. Erst auf See konnte die Zahl der Flüchtlinge mit etwa 231 Frauen und Kindern und 19 bis 21 kranken Männern festgestellt werden. |
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Unter den Flüchtlingen befanden sich 15 Schwerverwundete und zwar 5 Kinder und 10 Frauen. Diese waren von Fliegern während der Einschiffung verwundet worden, Becken-, Brust- und Beindurchschüsse. Ein Arzt war nicht an Bord, doch gelang es schon in der ersten Nacht mit den an Bord vorhandenen Mitteln, die Verwundeten zu behandeln und zu verbinden. Von diesem Zeitpunkt an durfte auch Swinemünde nicht mehr von Schiffen aus Pillau und Hela angelaufen werden, |
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da es schon der östlichen Feindeinwirkung ausgesetzt war. Die westliche Ostsee wurde völlig von der Royal Air Force kontrolliert, die vor allem die Kieler Bucht und die dort laufenden Schiffe bedrängte.
Das Wetter blieb am 26. April 1945 gut, bis wir die mecklenburgische Küste quer liegen hatten, dann fing es ziemlich hart aus Westen an aufzubriesen. Der Kapitän beschloss deshalb, wegen Landschutz durch den Fehmarnsund zu laufen. Wir standen alle an Deck, jeder wollte die Durchfahrt durch den Sund mit ansehen. Als wir gerade in den Sund einlaufen wollten, näherten sich uns schnell zwei Flugzeuge, es waren Engländer. Die beiden Flugzeuge umkreisten uns ziemlich niedrig und verschwanden dann nach Westen. Mir fiel der bewusste Stein vom Herzen.
Am 30. April 1945 konnten wir in Orth/Fehmarn festmachen. Mit dem Landen der Menschen gab es zunächst Schwierigkeiten, es sollten keine mehr aufgenommen werden. Es ist dann schließlich doch gelungen, wir konnten alle aussteigen und gingen in englische Gefangenschaft. Soweit mein Bericht über meine Reise mit einem Fährprahm von Pillau nach Fehmarn im Jahr 1945.
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nach 60 Jahren