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2.
Mai 2002 - Ruhestand von Klaus Klee
Der Mai ist gekommen...
Erster Mai - Tag der Arbeit - paradox!
Mein erster wirklich arbeitsfreier Tag im Leben! Wie ich mich
fühle? Irgendwie unsicher! Mein erster Gedanke galt Loriots satirischem Sketch
vom älterem Ehepaar, bei dem die Frau auf ihren Mann einredet: "Was machst
Du denn? Mach doch etwas, was dir Spaß macht!" ohne zu begreifen, dass man
einmal "Nichts - gar nichts" machen will. "Lese doch mal ein gutes
Buch!" Ach ja, im Ruhestand soll man sich ja der Muße widmen. Mein Griff geht in den Bücherschrank und ich halte ein Büchlein
aus dem Jahre 1910 in Händen mit dem Titel "Halt! Steh still mein
Freund!" aus der Schriftenreihe "Der Lebensfreude" von P. J.
Tonger. Hier spricht mich auf Seite 92 folgendes Gedicht an:
Nicht der Pflicht nur zu
genügen, was sie fordert und verlangt, |
nicht der Stunde nur zu
leben, was sie nimmt und was sie dankt - |
einem stolzer´n Wollen
gelte unseres Tages Ziel und Lauf: |
Über Sturm und über
Wolken - Sonn´ entgegen - trag´s uns auf! |
|
Sonn´ entgegen aus des
Alltags nebeldumpfem Sorgenspuk |
mit dem Siegtrotz froher
Jugend über Not und Last und Druck. |
Und wenn andere töricht
finden, was sie uns so "träumen" seh´n, |
unsre Losung sei und
bleibe: "Nie im Alltag aufzugeh´n!" |
|
Gib dem Menschen, was dem
Menschen, doch lass Gott, was Gott gehört; |
nicht im Kampf nur um
Dein Morgen, auch Dir selbst sei etwas wert! |
Auch Dir selbst, Freund,
und der Jugend, die so stolz die Stirn uns schirmt |
und auf Feuerflügeln
jauchzend unsere Seelen aufwärts türmt. |
|
Und noch heut, solang uns
frohe Zuversicht noch führt zum Sieg, |
lasst entscheiden uns und
wählen: mit wem Frieden, mit wem Krieg! |
Freunde gemeinsam lasst
uns werden, die da stolz im Kampfe steh´n, |
treu und furchtlos,
festverschworen: nie im Alltag aufzugeh´n! |
Mit diesen Zeilen bin ich automatisch bei denen, die - wie ich
selbst - immer nur einer Sache dienten, ohne an sich selbst zu denken. Wenn man
dann im Alltag aufgegangen ist und wegen seines Engagements in Turbulenzen
gerät, erkennt man, was das Umfeld wirklich wert ist.
Auf Seite 132 heißt es dazu:
Da steht ein Baum, vom
Blitz gerührt, |
doch nieder nicht
geschmettert, |
wen just der Weg
vorüberführt, |
sieht an ihm, wie´s
gewettert. |
Neugierde kommt und
schaut ihn an, |
Mitleid bedauert dann und
wann, |
doch die nicht helfen und
nicht stützen, |
die können alle ihm
nicht nützen! |
Ich legte das Lyrik-Bändchen weg und ging an den PC in der
Erwartung, eine e-mail als Antwort auf meine Abschiedsmails vorzufinden. Es war bezeichnend,
dass gerade der ehemalige Vorgesetzte zuerst reagiert hatte, dem ich heute noch
die allergrößte Hochachtung zolle. Seine Worte taten mir gut, ebenso die anderen
Mails, die man aber an einer Hand abzählen konnte. Einer der größten
Visionäre meiner jetzt ehemaligen Firma hatte mich bereits am vorherigen Abend
zu später Stunde angerufen und so auf seine Art Abschied von mir genommen.
2. Mai - der erste arbeitsfreie Arbeitstag
Wie ich es mir vorgenommen hatte, verließ ich um 7 Uhr das
Haus und fuhr in meinen Garten. Dort ließ ich mich zum Frühstück nieder und
schlug die Zeitung auf. Im Maintal Tagesanzeiger gibt es die Möglichkeit
"Guten Morgen Anzeigen" aufzugeben. Genau das war geschehen und ich
fand folgende Anzeige vor:
|
Mein Freund Bert hat hierbei
kräftig mitgeholfen und mich mal eben mit einem Bart versehen und meiner
Edith graue Haare wachsen lassen. So pessimistisch sehe ich meine nahe
Zukunft aber garnicht. Trotzdem musste ich lachen,
als ich die Anzeige sah. Es ist schön, wenn man von seinem Umfeld so
humorvoll getragen wird.
Von Bert bekam ich auch eine Musikkassette mit einem
eigens für diesen Tag komponierten und getexteten Lied sowie eine
satirische Anzeige, die als Nachruf meiner Firma auf mein berufliches
Wirken gedacht war.
Auch Vereinskameraden waren bei den ersten Gratulanten
für meinen Unruhestand. Hier überwiegt die Freude über mein neues
Betätigungsfeld, das auch dem Verein sehr zugute kommt.
Meine Eltern waren die Ersten, die meine Unterstützung
erfuhren, indem ich sofort einiger Wasserhähne reparierte, die mächtig
getropft hatten.
De Bub´ is endlich dehaam! |
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