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Impressum

 

Vermisst !

Das kurze Leben

des Soldaten Walter Michel

Eine Exkursion in die Vergangenheit

Der sinnlose verbrecherische Tod

Der Russlandfeldzug

Spurensuche zwischen Heiligenbeil und Balga

Fiktiver Abschiedsbrief

Briefe und Schriftwechsel

Gesuch an den russischen Oberst Memenko, Berlin

Schmerzliche Gewissheit und amtliche Benachrichtigung

 

Hinweis

Die Aufzeichnungen und Karten auf dieser Website werden leider von "Militaria-Suchern" benutzt, die nach Kriegsgerät graben. Hierbei werden auch menschliche Überreste und Erkennungsmarken gefunden. Es wäre zur Klärung ungeklärter Kriegs- schicksale gut, wenn der neben stehende Aufruf befolgt würde.

 

An alle Militaria-Sucher im Raum Königsberg: 

 

Gefundene Erkennungsmarken bitte melden!  

Die Telefonnummer des Leiters der Gefallenensucher vom Volksbund lautet 

+7 906 2302651 So können noch Schicksale geklärt werden!

 
Поисковики из Кёнигсберга, сообщайте пожалуйста о своих находках - опознавательные жетоны со всех солдат. До сих пор тысячи числятся пропавшими без вести!  

+7 906 2302651

 

 

 

 

FELDPOST-

Briefe

 

nach

60 Jahren

 

10.01.1942

21.03.1942

15.04.1942

30.11.1942

04.12.1942

16.12.1942

20.12.1942

24.12.1942

 

01.01.1943

15.01.1943

21.01.1943

27.01.1943

04.02.1943

09.02.1943

13.02.1943

27.02.1943

23.03.1943

24.03.1943

27.03.1943

30.03.1943

09.04.1943

18.04.1943

20.04.1943

23.04.1943

26.04.1943

30.04.1943

06.05.1943

09.05.1943

15.05.1943

18.05.1943

23.05.1943

28.05.1943

01.06.1943

05.06.1943

09.06.1943

15.06.1943

12.07.1943

30.07.1943

09.08.1943

14.08.1943

19.08.1943

29.08.1943

05.09.1943

08.09.1943

14.09.1943

18.09.1943

02.10.1943

15.10.1943

20.10.1943

24.10.1943

27.10.1943

31.10.1943

02.11.1943

05.11.1943

06.11.1943

07.11.1943

12.11.1943

20.11.1943

23.11.1943

26.11.1943

29.11.1943

03.12.1943

05.12.1943

06.12.1943

08.12.1943

09.12.1943

11.12.1943

14.12.1943

17.12.1943

18.12.1943

23.12.1943

27.12.1943

30.12.1943

 

02.01.1944

04.01.1944

08.02.1944

09.02.1944

15.02.1944

17.02.1944

22.02.1944

28.02.1944

08.03.1944

12.03.1944

18.03.1944

19.03.1944

24.03.1944

29.03.1944

31.03.1944

05.04.1944

13.04.1944

14.04.1944

16.04.1944

18.04.1944

22.04.1944

25.04.1944

27.04.1944

02.05.1944

09.05.1944

12.05.1944

15.05.1944

18.05.1944

25.05.1944

27.05.1944

02.06.1944

12.06.1944

19.06.1944

30.06.1944

07.07.1944

12.07.1944

20.07.1944

23.07.1944

30.07.1944

03.08.1944

10.08.1944

12.08.1944

19.08.1944

21.08.1944

23.08.1944

27.08.1944

01.09.1944

06.09.1944

13.09.1944

16.09.1944

18.09.1944

21.09.1944

25.09.1944

30.09.1944

01.10.1944

06.10.1944

09.10.1944

11.10.1944

15.10.1944

19.10.1944

21.10.1944

01.11.1944

06.11.1944

12.11.1944

15.11.1944

18.11.1944

26.11.1944

27.11.1944

29.11.1944

03.12.1944

14.12.1944

20.12.1944

26.12.1944

 

27.01.1945

01.02.1945

07.02.1945

15.02.1945

24.02.1945

02.03.1945

03.03.1945

10.03.1945

 

Dann blieben

die Briefe aus!

 

 

Achtung: Besuchen Sie auch KRIEGSBERICHTERSTATTUNG für eine spezielle Heimat-Klientel

 

Eine Exkursion in die Vergangenheit

 

Auf dieser Website möchte ich meine Leser mit einer Sache vertraut machen, die vielleicht etwas seltsam anmutet, aber sie bewegt mich, seitdem ich mich damit befasse. Beim Umzug meiner Eltern fielen mir 2006 mehr als 150 Feldpostbriefe eines nahen Verwandten in die Hände, der mit 18 Jahren zum Militär kam, mit 20 Jahren in den Russland-Feldzug geschickt wurde und im Alter von 23 Jahren wahrscheinlich in der Nähe von Königsberg - genauer gesagt in Groß Hoppenbruch bei Heiligenbeil sein Leben verlor. 

 

EUR 24,80 (D) / EUR 26,10 (A) / CHF 45,70 

ISBN 978-3-939856-48-1 

Das Buch ist erhältlich   

direkt beim Buchverlag König,  

unter klaus.klee@t-online.de  

beim Maintal Tagesanzeiger

im Online-Buchhandel oder beim Buchhändler Ihrer Wahl

 

Zunächst legte ich die Briefe zusammen mit einigen Bildern zur Seite, nahm sie mir aber dann doch vor, weil ich so gar nichts von meinem Verwandten wusste, denn er starb, als ich erst 1 Jahre alt war. Über Walter Michel wurde in unserer Familie nicht viel geredet, denn man vermied das Thema im Beisein seiner Eltern. Mir war nur bekannt, wie sehr sich seine Eltern jahrelang bemühten, etwas über den Verbleib ihres vermissten Sohnes zu erfahren, bis sie über den Vermisstensuchdienst des Roten Kreuzes die Nachricht erhielten, dass ihr Sohn vermutlich in der Nähe von Königsberg Kampfhandlungen zum Opfer fiel. So richtig daran geglaubt haben beide jedoch nicht und hofften bis an ihr Lebensende auf die Rückkehr ihres Sohnes. Die Feldpostbriefe waren für die Eltern die einzigen Lebenszeichen, bis die Kette der Feldpostbriefe am 10. März 1945 plötzlich abriss. Geklärt ist das Schicksal von Walter Michel bis heute definitiv nicht.

 

Walter Michel

geboren am 11.05.1922

vermisst seit März 1945

letzte Feldpost-Nummer 

L 19146 (A) Lg.PA Berlin

 

Die Briefsammlung führte mich zunächst in die Welt der Feldpostbriefe mit ihren Feldpostnummern, die als Vorläufer der Postleitzahlen angesehen werden können. Allerdings sind die zugeordneten Feldpoststellen derart weit von den Orten des Geschehens entfernt, dass ich annehmen muss, dass es sich um den jeweiligen zugewiesenen Heimatstandort der Einheit handeln muss. Die Feldpostnummern ändern sich mit dem Wechsel zu anderen Einheiten, auch wenn der Einsatzort unverändert blieb. Das galt es erst einmal zu klären.

Meine Recherchen führten mich auf die Website Feldpostsammlung, auf der der Aufbau und die Abläufe erklärt sind.

 

Nachdem ich die Briefe geöffnet und geordnet hatte, wollte ich natürlich auch wissen, was es zu berichten gab. Hierbei stieß ich auf ein erhebliches Hindernis - die Sütterlin-Schrift. Außerdem wechselte auch ständig - je nach Einsatzort und Versorgungslage - die Briefunterlage, die im obigen Bild sogar aus einem Stück grauer Pappe bestand. Auch konnte man feststellen, dass für manche Nachricht nur sehr wenig Zeit zur Verfügung stand, weil der Truppentransport gerade auf irgend einem Bahnhof in Russland hielt. Dabei wurde mit allem geschrieben, was man gerade zur Verfügung hatte. Selbst zusammengefaltete Zettel mit der Anschrift auf der Rückseite erreichten - wenn auch erst nach Wochen - ihr Ziel, um den Angehörigen zumindest ein Lebenszeichen zukommen zu lassen. 

 

Aus den Briefen - besonders den Briefen an Weihnachten und an Ostern - geht hervor, wie sehr die Trennung von der Familie schmerzte und wie sich junge Menschen inmitten des irrsinnigen Krieges fühlten, der nie zuende zu gehen schien. Nachdem ich mich in die außergewöhnliche Lektüre vertiefte, passierte etwas ganz seltsames. Über das Geschriebene nahm die Person Walter Michel, die mir bisher absolut fremd war, Gestalt an und ich nehme bis zum heutigen Tag Anteil an seinen Ängsten, Wünschen und Hoffnungen, die über 60 Jahre zurück liegen. Ich versetzte mich in einen jungen Mann, dem man erst die Jugend und dann das Leben raubte, weil er mit Millionen anderer Hoffnungsträger der damaligen Zeit in einen sinnlosen Krieg geschickt wurde. 

 

Aus dem farblosen schwarz/weißen Bild, das ich in Händen hielt, tritt jetzt immer stärker ein junger Mann heraus, der farbig und lebendig zu werden scheint, auch wenn nur noch eine Handvoll Briefe und eine schwer lesbare Handschrift von seinem Leben zeugen.

 

Viele seiner Briefe spiegelten den Angehörigen vor, es sei alles "in bester Ordnung" und "alles gehe seinen normalen Gang". Dabei ging aus den Lageberichten des OKW (Oberkommando der Wehrmacht) immer wieder hervor, dass die Front stets bedenklich nahe war und die Situationen ganz und gar nicht so harmlos waren, wie er sie in seinen Briefen schilderte. So sollte jedoch den Angehörigen zuhause die Sorge genommen werden. Das Nachhausesenden von Geld, um es aufs Sparbuch einzuzahlen, sollte signalisieren, dass er die Zuversicht eine gute Zeit nach dem Krieg habe. 

Paradox war in jener Zeit, dass sich zuhause die wichtigsten Lebensgüter wegen des Bedarfs an den Fronten immer stärker verknappten, die Frontsoldaten jedoch genau diese Materialien nach Hause schickten. Der Austausch von Päckchen in und aus entlegendsten Winkeln des Kontinents war eine der wichtigsten Brücken zwischen den Angehörigen und den Frontsoldaten, während beide einer ungewissen Zukunft entgegen gingen.

 

Ich veröffentliche die Briefe, damit unsere junge Generation erfährt, was das Leben - das der Großväter oder Urgroßväter - für die damalige Generation bereit hielt und wie dankbar man heute darüber sein muss, dass ein Teil der Menschheit wirklich aus dem Geschehenen gelernt hat. Dies ist umso wichtiger, da heute schon wieder große Kriege auf der Tagesordnung stehen, die ähnliches Leid wie damals über Menschen bringen. Das wird auch dadurch nicht abgemildert, dass diese Kampfhandlungen politisch als Kreuzzüge gegen den Terror getarnt werden. Die Auswirkungen und die Begleiterscheinungen sind für die Betroffenen die gleichen.

 

Sollte es nach so vielen Jahren noch Kameraden von Walter Michel oder deren Angehörige geben, die etwas über den Verbleib und sein Schicksal wissen, dessen letzte Feldpost-Nummer L 19146 (A) Lg.PA Berlin lautete, so würde sich endlich sein Schicksal klären. Dazu gehörten namentlich bekannt Alfred Gottschlich aus Herne, Fritz Schuhmann aus Gotha, Hans Schult aus Harrisleefeld, Gerhard Rohloff, 3 Rossin Post Ducherow, Vorpommern und Gottlob Burckhard aus Neidlingen.

 

Auf der Spurensuche nach Walter Michel konnte über die Zeitzeugen Hermann Lohmann und Karl-Heinz Schmeelke zumindest die Situation sehr plastisch rekonstruiert werden, in der sich Walter Michel in den letzten Tagen seines Lebens befand. Für die großzügige Unterstützung der beiden Herren mit Informationsmaterial bedanke ich mich ganz außerordentlich.

Inzwischen habe ich aus dem Kriegstagebuch von Karl-Heinz Schmeelke eine weitere Dokumentation erstellt, welche die letzten 100 Tage Ostpreußens als Deutsches Gebiet beschreibt. Auch wenn Walter Michel während seiner Zeit in Neutief bei Pillau stationiert war, so war er bereits zu diesem Zeitpunkt dem Kessel von Heiligenbeil sehr nahe. Die von ihm gewarteten Maschinen flogen vorwiegend Verwundete aus und führten Nachschub heran. Die Lage kann ihm nicht verborgen geblieben sein. 

 

Das nebenstehende Logo führt Sie zu den zeitlichen Querinformationen über die Kämpfe in Ostpreußen.

 

Die Feldpostbriefe von Walter Michel wirken auch nach 65 Jahren noch so lebendig, als sei alles erst gestern passiert. Was er in den letzten zwei Wochen seines Lebens erleben musste, ist nicht verbrieft. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass er dafür in Briefen auch keine Worte gefunden hätte, weil es alles sprengte, was er bis dahin erlebte. 

 

 

Der sinnlose, verbrecherische Tod

 

Betrachtungen zur Dokumentation der letzten dreieinhalb Jahre eines jungen Menschen, der für sein Land, für Macht und Reichtum, für Ehre und Stolz verblendeter Politiker völlig unsinnig sterben musste.

 

Auch über 65 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges sind die Wunden noch nicht verheilt, die den Menschen vieler Nationen zugefügt wurden. 50 bis 55 Millionen Menschen fanden in diesem Krieg den Tod. In den betroffenen Ländern rund um den Globus war in diesem Zusammenhang immer wieder von "vaterländischen Kriegen" die Rede, die jede Nation angeblich führte.

 

Was sind das nur für "Vaterländer", die ihre jungen Menschen an der Front und zuhause die Zivilbevölkerungen in sinnlosen Kriegen verheizen? 

  • Wie verhalten sich Menschen, die in solch extremen Situationen versuchen, daraus jeweils das Beste für sich zu machen? 

  • Was macht sie zu Menschen, die plötzlich andere Menschen umbringen? 

  • Wie ertragen sie es, wenn sie nur indirekt mit dem Kampfgeschehen zu tun haben aber dennoch zu Tod und Verderben beitragen? 

  • Wie kommt es, dass sie verwundete Kameraden zurück lassen? 

  • Warum ist es so schwer, später die ungeschminkte Wahrheit über derartige Ereignisse offen zu legen?

Die letzten zwei Fragen sind schnell beantwortet:

 

Es ist die Angst ums eigene Leben und die Scham, dass Andere ihr Leben ließen und man selbst unverschämtes "Glück" hatte.

 

"Das kurze Leben des Obergefreiten Walter Michel", das nachfolgend dokumentiert ist, muss um die Vorgeschichte ergänzt werden, damit begreifbar ist, was wirklich geschah und warum für die Eltern der Schmerz über den Ausgang so unermesslich war.

 

Die Eltern von Walter Michel

 

Walter Michel wurde 1922 in Frankfurt am Main geboren, nachdem zwei Jahre vorher das erste Kind von  Margarethe (30) und Wilhelm Michel (37) die Geburt nicht lange überlebt hatte. Zur gleichen Zeit starb die Schwester von Margarethe bei der Geburt ihres Sohnes. Beides brachte über die Familie großes Leid. 

Dementsprechend umsorgt und behütet wuchs deshalb Walter Michel auf. Seine schulische Ausbildung beendete er 1938 und es deutete alles darauf hin, dass sein Beruf einmal Maschinenbauingenieur sein sollte. Er begann ein berufsvorbereitendes Praktikum bei der Firma Heinrich Wörner in Frankfurt-Fechenheim, als ihn die Einberufung zum Wehrdienst erreichte. 

Nach seiner Grundausbildung wurde er dem technischen Personal der motorisierten leichten Feldwerft I./60 der Luftflotte 60 zugeteilt, in der er umfangreich ausgebildet wurde. Mit dem "Unternehmen Barbarossa" - dem Russlandfeldzug - veränderte sich schlagartig sein Leben und er diente ab Januar 1942 in Solzy/Nowgorod, von wo aus die Städte Leningrad und Moskau bombardiert wurden. Das weitere Geschehen ist nachfolgend beschrieben.

 

Welche Eindrücke erzeugten bei mir welches Bild?

 

Zunächst machten die Feldpostbriefe von Walter Michel auf mich den Eindruck, als handele es sich nicht um Post, die aus der Nähe der Frontlinie kam. Alles drehte sich um Briefe, Päckchen und Pakete, das Wetter, die Arbeit und die Verpflegung. Es roch nach "heiler Welt". Handelte es sich um wahrheitsgetreue Schilderungen oder sollten die Zeilen nur vermitteln "Seht - mir geht es gut"? und "Ich sorge mich um euch". Die Inhalte der Briefe, die er aus der Heimat erhielt, müssen den gleichen Tenor gehabt und darauf abgezielt haben, von den Schwierigkeiten in der Heimat abzulenken. Dort stand die Besorgnis um die Lage an der Front im Vordergrund. Auch hier die Reaktion: "Uns geht es gut" und "wir machen uns Sorgen um dich".

 

War es ein Wechselspiel unterdrückter Wahrheiten, eine Methode, um Hoffnung zu nähren oder einfach nur abhanden gekommener Realitätssinn für die eigene Gefahrensituation? Alles zusammen wird eine Rolle gespielt haben, denn beide Teile hörten ja im Radio gespannt die Wehrmachtsberichte und waren hinlänglich darüber informiert, was an den Fronten und in der Heimat geschah. Auch lernten die Menschen, aus den pathosgeschwängerten Nachrichten die wahren Botschaften herauszufiltern. Zugegeben wurde nur das, was ohnehin bekannt war.

 

Gelegentlich entsteht der Eindruck, dass Briefe auch verschwanden, wenn sie der Zensur zum Opfer fielen. Auch davon ist später noch die Rede. Zumindest durfte nicht alles geschrieben werden, was dem Feind hätte dienen können, wenn er in den Besitz der Feldpost gekommen wäre. Dazu gehören auch Berichte über die physische und psychische Verfassung der Truppe. Es sollte nur das bekannt sein, was das OKW im Rundfunk verbreitete.

 

Genau dieser Überblick fehlte mir bei meiner Aufarbeitung der Feldpostbriefe, weswegen ich mich erst einmal umfangreich über den Russlandfeldzug informierte. Anhand der dort festgehaltenen Daten und Handlungen erkannte ich schnell, wie nahe die Einheit von Walter Michel am jeweiligen Frontgeschehen war. Bei der technischen Betreuung der Kampfgeschwader, zu denen auch das legendäre Kampfgeschwader 55 "Greif" gehörte, war man stets in Frontnähe. Diese Geschwader waren meistens auf Feldflugplätzen stationiert, die nur 15 - 50 km hinter der Front lagen und die häufig mitsamt der angegliederten Feldwerft "verlegt" werden mussten, wenn es die Feindlage erforderte. Es war ein ständiges Rochieren und die Entfernungen, die bei der Verlegung zurückgelegt werden mussten, waren aus Sicherheitsgründen manchmal recht groß.

 

Neben den Alltagsgeschehnissen und den oft mitunter langweilig anmutenden Inhalten der Briefe blitzen immer wieder stark empfundene Erlebnisse auf, bei denen Walter Michel auch mal messerscharf folgerte, was geschehen wird oder was hier oder dort geschehen sein muss. Er hat aber auch einen Blick für die Kultur des Landes und wie der Krieg darauf einwirkte. So berichtet er begeistert über Stalino (heute Donezk) wie von einer Stadt mit südfranzösischem Charakter und einige Wochen später davon, wie es dort nun wahrscheinlich aussehen wird, weil er miterlebte, wie die Deutschen Truppen beim Rückzug die Städte und die Infrastruktur verwüsteten, damit der Feind nichts mehr damit anfangen konnte. Selbst war er aber ebenfalls betroffen, wenn seine Einheit nach eigenen Offensiven wieder an den alten Ort zurückkehrte. Dann stand kein Stein mehr auf dem anderen.

 

Das Ende naht

 

Als die Russen dann um Ostpreußen den Sack zu machten und die Soldaten darüber informiert wurden, wie weit die Amerikaner bereits ins Deutsche Reich eingedrungen waren, war nichts mehr von Zuversicht auf eine gutes Ende zu spüren. Immer öfter schrieb Walter Michel, dass er das, was er sah, nicht in Worte fassen und erst später darüber sprechen könne. Allzu schrecklich werden die Eindrücke gewesen sein, wie wir später noch erkennen müssen. 

 

Zuletzt erfüllte sich seine Hoffnung nicht, dass er als inzwischen qualifizierter Flugzeugmechaniker niemals im sogenannten Erdkampf eingesetzt werden würde. Genährt wurde dies lange Zeit durch die Fürsorge, die sein Flg. Ingenieur dem gesamten Zug zuteil werden ließ. Er verhinderte nicht nur, dass die erfolgssüchtigen jungen Soldaten als Begleitpersonal der Schlachtflugzeuge verheizt wurden, er sorgte bei allen Verlegungen auch immer wieder dafür, dass die Einheit gut am neuen Ort ankam und in keine der berüchtigten Partisanenfallen oder in unvorhergesehene Kampfhandlungen geriet. Bis auf wenige Ausnahmen ist ihm das auch gelungen.

 

Schließlich führte bei diesem Truppenteil die vermeintliche "Sicherheit" vor dem Erdeinsatz in der Hauptkampflinie dazu, dass die jungen Soldaten absolut unbedarft waren, was den soldatischen Fronteinsatz betraf. Als ihre Einheiten dann aufgelöst wurden, nachdem der Sprit ausgegangen war und die letzen Maschinen aus dem Kessel ausgeflogen waren, war der Erdkampfeinsatz unausweichlich gekommen. In den Wirren der letzten Tage musste Walter Michel auf vorgeschobenem Posten mit einer handvoll Kameraden einen kleinen Frontabschnitt halten, dem eine große russische Übermacht gegenüber stand. So war es dann auch der Kampf Mann gegen Mann, den er einfach verlieren musste. Es wird der kurze Moment gewesen sein, in dem man einfach schneller sein muss als der Gegner. Es galt zu töten um nicht selbst getötet zu werden. Hierbei war er vermutlich total überfordert. Bezeichnend ist - wenn man den Schilderungen Glauben schenkt - dass es nicht möglich gewesen sein soll, ihn verletzt aus seiner Lage herauszuholen um ihn verarzten zu lassen. Seine Kameraden müssen wie die Hasen gelaufen sein, um ihr Leben zu retten. Auch beim Tod des Flg. Ing. Kirschner ist davon die Rede, dass er schwerverletzt  zurückgelassen wurde.

 

Benutzten die Augenzeugen in ihren späteren Berichten die hoffnungslose Lage und die Schwere der Verwundung als Ausrede, warum sie den Kameraden ihre Hilfe versagten? Waren sie sich selbst die Nächsten?

 

In Kriegen verändern sich Menschen vornehmlich durch

  • die permanente Angst, 

  • das Gebot, schneller als der Gegner zu sein, 

  • die Eindrücke an der Front infolge von Grausamkeiten, 

  • die permanente Konfrontation mit dem Tod,

  • das Wissen um die fürchterliche Lage zuhause, 

  • schwere Verwundungen mit anschließender Genesung und Wiedereinsatz, 

  • durch die Propaganda, die dazu führt, dass man an eine gerechte Sache glaubt, 

  • das Besitzergreifen bisher unterdrückter Charakterzüge und Abarten, die selbst zu Grausamkeiten verleiten.

Für die Soldaten, die aus dem Krieg zurück kommen - auch in der Folgezeit aus Korea, Vietnam, dem Golfkrieg, aus dem Balkan-Einsatz oder aus Afghanistan - spielt die Entmenschlichung eine große Rolle und es ist für Frontkämpfer schwierig, später wieder ein normales Leben zu führen.

 

Die Dokumentation zeigt gleich mehrere Seiten des Krieges, die am Ende zu einem Ganzen verschmelzen, bei dem die Hinterbliebenen mit all ihren Empfindungen allein gelassen werden. Dies wieder zu thematisieren, das ist mein Anliegen.

 

Klaus Klee

 

 

Ausdehnung des Russlandfeldzuges 

zu Beginn der Feldpostbrief-Dokumentation

 

Zu Beginn des Unternehmens "Barbarossa" war die deutsche Armee praktisch nicht aufzuhalten. Russland hatte die Wehrmacht und die Luftwaffe gehörig unterschätzt. So blieb ihnen nur das mehr oder weniger kontrollierte Zurückweichen. Russland verlegte die gesamte Industrie hinter den Ural, so dass der Wehrmacht nur wenig brauchbare Technik in die Hände fiel. In großen raumgreifenden Bewegungen umschloss die Wehrmacht die russischen Truppenteile und rieb sie in den so gebildeten Kesseln auf. Die Heeresgruppe B wurde in Heeresgruppe Mitte umbenannt und trat  nordöstlich der Pripjet-Sümpfe als größte militärische Gruppe der Front zur Eroberung Moskaus an. Im Südosten strebte die Wehrmacht in Richtung Stalingrad und in die Kalmykensteppe mit der Stoßrichtung Baku bis der Winter die Kampfhandlungen erschwerte. Zu diesem Zeitpunkt war der Höhepunkt erreicht und es sollte mit Ausnahme verschiedener Gegenoffensiven anschließend nur noch rückwärts gehen.

 

Die Luftwaffe befasste sich im Nordosten mit Leningrad und Moskau und ihre Operationsbasen wurden bis in die Nähe von Nowgorod vorverlegt. Infolge der großen Entfernungen nutzte man verlassene russische Flugplätze zur Verlängerung der Operationszeiten der Flugzeuge oder man richtete Feldflugplätze ein. Dort wurde repariert, aufgetankt und aufmunitioniert. Die Unterstützung durch mobile technische Einheiten war dabei unerlässlich. Man stellte Einheiten auf, die man mobile Feldwerften nannte. Eine dieser Einheiten war die leichte motorisierte Feldwerft I./60, die der Luftflotte 60 zugeteilt wurde.

 

Die Stammeinheit war zum Zeitpunkt des Beginns der Feldpostbriefe in Königsberg zuhause. Der Operationsraum jedoch weit davon entfernt. Der Flieger Walter Michel wurde nach Beginn des Russlandfeldzuges nach Solzy / Oblast Nowgorod verlegt.

Die Oblast (Verwaltungsbezirk) liegt auf dem Gebiet der osteuropäischen Ebene südlich von Sankt Petersburg bzw. Leningrad nahe den baltischen Staaten. Sümpfe und hügelige Gegenden prägen das Gebiet, in dem auch der Ilmensee liegt. Im Südosten erstreckt sich die Oblast bis an die Waldaihöhen. Verkehrstechnisch liegt die Oblast gut, die Verbindung Moskau-Sankt Petersburg verläuft quer durch das Gebiet, und es bestehen auch Verbindungen in Richtung Westen (nach Pskow und in die baltischen Staaten) und Süden (Weißrussland).

 

 

 

 

Feldpostbriefe von Walter Michel

 

 

 

Die Sammlung der Feldpostbriefe beginnt am 10.01.1942 in Solzy bei Nowgorod. Auf der unten stehenden Karte markiert die schwarze Linie den Frontverlauf seit Dezember 1941, während die rote Linie die Veränderungen bis Mai 1942 verdeutlicht. Der mit der Fahne markierte Punkt ist Solzy. Hieraus ist ersichtlich, wie nahe der Front sich Walter Michels Einheit befand. Es ist davon auszugehen, dass der Flugplatz Solzy immer wieder Ziel heftiger Luftangriffe war.

 

 

1942

 

Nachdem Hitler im Winter 1941 einen Haltebefehl für alle Kräfte an der Ostfront gegeben hatte, stabilisierte sich die Lage etwas. Die Rote Armee hatte inzwischen gewaltige Kräfte aufgeboten, denen aber eine entscheidende Schwächung der Deutschen noch nicht gelang. Die Schlammzeit im Frühjahr 1942 führte zu einer relativen Ruhe an der Front, da sämtliche motorisierten Kräfte stillstanden. Hitler und das OKW kamen nun zu der Einsicht, dass der Gegner noch lange nicht besiegt sei und man begann Pläne für das weitere Vorgehen im Osten zu entwickeln. Der Plan, eine möglichst defensive Haltung einzuschlagen, wurde bald verworfen; einzig und allein eine weitere Offensive würde die Sowjets weiter schwächen können. Aufgrund des langen Frontverlaufes und wegen der bisherigen hohen personellen und materiellen Verluste der Wehrmacht war an eine Großoffensive, die sich über die gesamte Front erstreckte, nicht zu denken. Während im Bereich Mitte und Nord zur Verteidigung übergegangen wurde, sollte mit allen gepanzerten und motorisierten Kräften die Sommeroffensive mit Stoßrichtung in den Kaukasus durchgeführt werden. Besonders die reichen Ölquellen in dem Gebiet standen dabei im Mittelpunkt der deutschen Offensivbemühungen.

 

In den Frühjahrsschlachten des neuen Jahres konnte am 28. Mai unter enorm hohen Verlusten für die Rote Armee Charkow in einem Vernichtungssieg erobert werden.

 

Nachdem 1941 die Krim bis auf die Halbinsel Kertsch und das Belagerungsgebiet um Sewastopol in deutscher Hand war, sollte 1942 der restliche Raum als Vorbereitung der Offensive in Richtung Kaukasus in Besitz genommen werden. Vorbedingung war die Rückeroberung der Halbinsel Kertsch. Vom 15. bis 21. Mai fanden die Kämpfe ihr Ende. Die Parpatsch-Stellung war durchbrochen worden und Trümmer der zerschlagenen sowjetischen Verbände retteten sich über die Straße von Kertsch auf die Taman-Halbinsel. Insgesamt 170.000 Rotarmisten, etwa 21 Divisionen, gerieten in deutsche Gefangenschaft. 

 

Am 2. Juni begann die eigentliche Schlacht auf der Krim um Sewastopol, dessen Verteidiger sich erbittert wehrten und endete am 5. Juli. Hierbei wurde erstmals Dora, das größte Eisenbahngeschütz aller Zeiten mit einem Kaliber von 80 cm eingesetzt. Die Krim hatte knapp neun Monate lang eine ganze Armee gebunden, auf einem zwar nicht nebensächlichen, doch isolierten Kriegsschauplatz. Propagandistisch wurden mit diesem Sieg sowie der fast gleichzeitigen Einnahme Tobruks in Nordafrika erneut große Hoffnungen in der deutschen Bevölkerung geweckt.

 

Am 21. Juli überschritten deutsche Kräfte den Don, wodurch die ersten Schritte für den Vormarsch auf Stalingrad eingeleitet wurden. Zwei Tage später konnte Rostow am Don erobert werden. Nach der Teilung der Heeresgruppe Süd in die Heeresgruppen A (Generalfeldmar- schall List, ab November unter Generaloberst von Kleist) und B (Generaloberst Freiherr Maximilian von Weichs) begann die Heeresgruppe A am 26. Juli den konzentrischen Vormarsch in Richtung Kaukasus, während die Heeresgruppe B auf die Wegnahme Stalingrads angesetzt wurde. An den Kämpfen im Kaukasus beteiligten sich 20 von den späteren 90 Ostlegionen. Diese Aufstellungen nationaler Minderheiten unter deutschem Kommando waren Ausdruck einer seit dem Winter 1941/42 verstärkten Bemühung, die rein militärische Kriegsführung im Osten mit einer Form politischer Kriegsführung zu verbinden. Der Masseneintritt ehemaliger Rotarmisten in die deutschen Streitkräfte war die Stalin bewusste „Achillessehne“ der russischen Wehrkraft und wird in der Geschichtsschreibung des „Großen Vaterländischen Kriegs“ bis heute gerne übergangen. In der Roten Armee häuften sich Anzeichen von Disziplinlosigkeit, ganze Truppenverbände liefen zu den Deutschen über. Beim Vormarsch wurde von stark antibolschewistischer Einstellung russischer Bevölkerungsteile berichtet.

In dieser Krisensituation befahl Stalin „Rückzugsstimmung der Truppe“ bedingungslos zu unterbinden. Nun entstanden die berüchtigten Sperrverbände des NKWD. Unmittelbar hinter unzuverlässigen Divisionen sollten sie im Fall eines ungeordneten Rückzugs jeden Flüchtenden erschießen.

 

Insgesamt liefen die Operationen, was den Raumgewinn im Kaukasus betrifft, innerhalb weniger Wochen ab. Am 4. August wurde Stawropol eingenommen, am 9. August Krasnodar- und der Kuban überschritten. Den rumänischen Verbündeten gelang es die sowjetische Verteidigung an der Ostküste des Asowschen Meeres von Norden her aufzurollen und die Taman-Halbinsel von „rückwärts“ her zu öffnen. Maikop fiel am 9. August in deutsche Hand und die Zugänge zur Ossetischen- und Grusinischen Heerstraße wurden in Besitz gebracht. Auch das Elbrus-Massiv selbst wurde genommen, am 21. August wehte auf dem 5.633 m hohen Gipfel die Reichskriegsflagge. Ein am 26. August beginnender Angriff auf Tuapse wurde nach zwei Tagen angehalten, dafür wurden am 31. August und am 6. September nach schweren Kämpfen die Hafenstädte Anapa sowie Noworossijsk, wichtigster Stützpunkt der Schwarzmeerflotte, genommen. Im Hochgebirge hatten deutsche Truppen die wichtigsten Passübergänge eingenommen und vorübergehend auf breiter Front nach Süden überschritten – sie standen 20 km vor der Küste des Schwarzen Meeres bei Gudauta. Östlich des Elbrus standen die deutschen und rumänischen Truppen in den Flussabschnitten des Baksan und des Terek bis Naurskaja. Nördlich davon verlor sich die Front an der Kuma, in der Nogajer Steppe und in der Kalmykensteppe.

 

Am 9. September enthob Hitler Feldmarschall List seines Kommandos als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe A. Bis zum 22. November 1942 übernahm er die Führung der Heeresgruppe persönlich und beauftragte dann Generaloberst v. Kleist mit dem Oberbefehl. Die Offensivbewegungen der Heeresgruppe waren ohnehin bereits zum Abschluss gekommen, als durch die Einkreisung der 6. Armee bei Stalingrad eine ernste Gefahr für die südlich des Don stehenden Truppen heraufzog. Als die sowjetischen Truppen am 27. Dezember die Stalingrader Front durchstießen, mussten die besetzten Gebiete im Kaukasus von der Heeressgruppe A aufgegeben werden. Die am 31. Dezember eingeleitete Rückzugsbewegung vollzog sich in drei Etappen, wobei der Kuban-Brückenkopf trotz ständiger Einengung bis zum 9. Oktober 1943 behauptet werden konnte.

 

Zeitlich parallel zur Schlacht von Stalingrad fand unter dem Decknamen Operation Mars westlich von Moskau eine weitere Großoffensive gegen die deutsch Front statt. Diese sowjetische Offensive gegen die deutschen Verteidiger unter General Model geriet zu einem solchen Desaster, daß die Sowjets alle Aufzeichnungen darüber unter Verschluß hielten. Daher war diese Schlacht bis zur Veröffentlichung des Historikers David M. Glantz praktisch in Vergessenheit geraten.

 

Von dieser Zeit gibt es von Walter Michel nur wenige Briefe und es ist auch nicht bekannt, welche Dienste er nahe Nowgorod verrichtete. Man kann jedoch davon ausgehen, dass er in seiner Einheit Kraftfahrzeuge und Flugzeuge wartete. Am 29.12.1942 wurde er parallel zur zurückweichenden Front nach Stalino in die Ukraine verlegt.

 

 

Fahrt 

nach Solzy

 

 

10.01.1942    Feldpost-Nr. L 15987    L.G.P.A.: Königsberg 

 

Russland 10.01.42

 

Liebe Eltern!

Heute sind wir den 14. Tag auf der Bahn und immer noch nicht am Ziel. Wir haben bisher über 2500 km zurückgelegt. Kaum Menschen zu sehen. Es ist eine furchtbar langweilige Landschaft und wir sind immer im Güterwagen. Die Fahrt führt uns immer der Front entlang. Wie wir gefahren sind, kann ich Euch erst später einmal schreiben, damit genug.

 

Übrigens habe ich in Nowgorod b. Solzy auch einen Brief von Euch bekommen mit Neujahrsgrüßen. Nun zu Euch. Wie ist es zuhause? Alles noch in Ordnung? Nun muß ich schließen, denn wir fahren weiter.

 

Es grüßt Euch herzlich

Euer Walter.

 

 

Solzy

Oblast

Nowgorod

 

 

 

21.03.1942     Feldpost-Nr. L 15987(A)    L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 31.03.1942 Brief Nr. 52

 

Liebe Eltern!

Habe vor einigen Tagen Euren Brief vom 9.1. erhalten. Ferner zudem den Luftfeldpostbrief vom 10.3., dieser war nicht abgestempelt, so konnte ich fünf Mark für einen Luftfeldpostbrief bezahlen. Für beide Briefe meinen allerbesten Dank. Über den ersten Brief ist nicht viel zu schreiben, denn er ist sehr sehr veraltet. Pakete habe ich bis jetzt noch nicht erhalten. 

 

Im zweiten Brief seid Ihr der Meinung, dass durch die Kampfhandlungen der Flugbetrieb beeinträchtigt sei, aber dies ist nicht der Fall. Im Gegenteil, spürbarer als je. Es wird Großeinsatz geflogen. Nach Aussagen der Flugzeugführer sei der Russe schwer im Laufen. Ihr werdet in nächster Zeit im Wehrmachtsbericht hier unsren großen Erfolg feiern. Damit ende ich für heute.

 

Es grüßt Euch herzlich und hofft, dass bei euch alles in bester Ordnung und gesund ist.

Euer Walter

 

 

Solzy

Oblast

Nowgorod

 

 

15.04.1942 Feldpost-Nr. L 15987(A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 15.04.1942 Brief Nr. 58

 

Liebe Eltern!

Endlich habe ich gestern wieder nach 17 Tagen von Euch die letzte Post und heute wieder die zuerste erhalten. Für beide meinen sehr herzlichen Dank.

 

Erster Brief vom 2. d. M. :

Mit den Russen macht Euch mal keine Kopfschmerzen, denn vielen von uns ist es genauso ergangen. Und von denjenigen, die noch unterwegs sind, müssen auch welche entkommen. War eine Vermutung, die ich heute erhielt vom 10.1.42. Oder sie sind dem Russen in die Hände gefallen. Wir waren schließlich über ¾ - telst eingeschlossen. 

 

Anmerkung:

Mit letzterem Hinweis war der russische Vorstoß über die Waldai-Höhen gemeint, der südlich von Nowgorod durchgeführt wurde.

 

Ferner fragt Ihr wegen Urlaub. Urlaub? Ist bei uns groß geschrieben. Von uns ist bis jetzt noch niemand gefahren. Wie das so weiter gehen soll, ist fraglich. Die Verpflegung geht einigermaßen. Aber nur mit einem großen Nachteil und daher gibts jeden Tag Eintopf.

 

2. Brief vom 9. d.M.:

Mit Rauchereien ist es auch nicht gut für mich. Und von privat zu kaufen ist einfach zu teuer. Zigaretten kosten 30-35 Rpf. Schickt mir bitte Zigarettenpapier. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

 

Geschehen an anderen Frontabschnitten

 

 

Die Kämpfe um Charkow brachten für einige Einheiten Entlastung.

Der Russlandfeldzug war entweder von grenzenlosem Staub

oder knietiefem Schlamm gekennzeichnet

 

 

Solzy

Oblast

Nowgorod

 

 

30.11.1942 Feldpost-Nr. L 37824(W) L.G.P.A.: Königsberg

 

Russland, 30.11.1942 Brief Nr. 36

 

Liebe Eltern!

Habe heute den Brief Nr. 20 vom 22. d. M. erhalten, dafür meinen besten Dank. Ihr schreibt darin, dass Ihr 23 Obstbäume gepflanzt habt; ist das nicht etwas viel?

 

Habe ich heute noch Euer Paket vom 17. d.M. (Nr. 38) erhalten. Meinen besten Dank hierfür. 

Die Hausschuhe sehr gut. Kaffee prima. 

Neues gibt es hier nicht. Alles beim alten.

 

Es grüßt euch herzlich

Euer Walter

 

 

Solzy

Oblast

Nowgorod

 

 

04.12.1942 Feldpost-Nr. L 37824(W) L.G.P.A.: Königsberg

 

Russland, 4.12.1942

 

Liebe Eltern!

Habe gestern Abend Euren Brief vom 23.11. erhalten, wofür meine besten Dank. Entschuldigt bitte, dass ich euch ganze 10 Tage nicht geschrieben habe. Aber bei uns sind halt die hälfte Leute auf Schulung, sodass die einzigen Leute, die noch da sind, dafür viel Arbeit machen. Ich bin daher abends recht müde, dass ich nicht mehr Luft zum Schreiben habe. 

 

Dass in Stuttgart die Feindflieger waren, habe ich schon im Wehrmachtsbericht gehört. Ihr zuhause auch. Hoffentlich kommt etwas derartiges nicht in Frankfurt vor.

 

Heute sind wir auch durch Flieger überrascht worden, es war 10 Uhr 15. Wir arbeiteten an Maschinen. Auf einmal kommen 6 Flugzeuge im Tiefflug an. (Martin-Bomber und der eiserne Gustav). Ihre Bomben warfen sie auf das Rollfeld, und uns belegten die Kerle mit Bordwaffen. Wir waren im ersten Augenblick sehr überrascht und wussten nicht, was los ist. Aber als wir erst dem ersten Sturm entkamen, in den Gräben, da weinten wir, wie es noch nie der Fall war.

 

Es sind dies nur Augenblicke, aber das lässt uns Deckung suchen, so gut und so schlecht es geht. Unsere Jäger (die ganze Gruppe) starteten sofort im Alarmstart. Und schon nach ca. 20 Minuten wurde gemeldet, dass alle 6 Maschinen abgeschossen sind. Unsere Jäger jagten denen hinterher und am Abend hatte die Gruppe über 20 Abschüsse. Bei uns ist nichts passiert. 

 

Das mit dem Hunger habe ich zur Kenntnis genommen. Ich werde alles versuchen. 

Aber hier, wenn 14 Männer auf der Stube sind, kann man kaum Pakete packen.

Damit für heute genug. Morgen fahre ich auf Bergung. Wir sind ca. 3 Tage weg.

 

Es grüßt Euch herzlich

Euer Walter

 

 

Solzy

Oblast

Nowgorod

 

 

16.12.1942 Feldpost-Nr. L 37824(W) L.G.P.A.: Königsberg

 

Russland, 16.12.1942

 

Liebe Eltern,

Habe gestern Abend Euren Brief Nr. 22 vom 3. d.M. und gestern den Brief vom 1.12. erhalten. Ferner ist heute das nette Weihnachtspaket angekommen. Für alles miteinander meine allerbesten Dank. Über das Paket war ich sehr erstaunt. Ihr habt Euch damit sehr angestrengt. Hoffentlich habt Ihr Euch nicht weh getan. Im übrigen ist das Paket sehr gut angekommen.

 

Nun zum 1. Brief vom 1.12.:

Du schreibst hierin vom Metzger Bingemer mit Schwiegertochter ; so weit ist es doch noch nicht? 

Im übrigen Eure Hinweise und Anleitungen habe ich zur Kenntnis genommen. Ich werde mir die beste Mühe geben.

 

2. Brief vom 3.12.:

Dass meine 80 RM und mein Kaffee gut angekommen ist, freut mich. Onkel Fritz hat mir geschrieben. Ihr schreibt, dass Fräulein L. Ewald sich nach meiner Anschrift erkundigt hätte. Aus welchem Grund kommt sie dazu? Ist sie noch BDM-Führerin?

 

Überraschende Fliegerangriffe hatten wir in der letzten Zeit nicht mehr. Hoffentlich werden wir in Zukunft davon verschont.

Ich bitte Euch, meine gesamte Post jetzt - bis auf weiteres - auf die neue Feldpost-Nr. L 37824(W) zu schicken, da die Truppe den ganzen Winter bei uns bleibt.

 

Mit den aufgegebenen Zigarren muss ich sicher auch noch etwas warten, da uns im Augenblick schlecht geht. Drum es wird an Weihnacht wieder angespart. Damit schließe ich für heute und wünsche Euch ein recht frohes Weihnachtsfest.

 

Es grüßt Euch herzlich

Euer Walter

 

P.S. Zu Weihnachten kann ich Euch wieder nichts schenken.

 

 

Solzy

Oblast

Nowgorod

 

 

20.12.1942 Feldpost-Nr. L 37824(W) L.G.P.A.: Königsberg

 

Russland, 20.12.1942

 

Liebe Eltern,

Habe heute ein 2. Weihnachtspaket erhalten, wofür meinen besten Dank. Die Zigarettenspitze ist richtig, auch sind die übrigen Sachen zu gebrauchen. Hier ist noch alles beim alten. Das Wetter ist zur Zeit auch sehr mild. Wir haben nur 5-10° kalt. 

 

Morgen früh fahre ich wieder auf Bergung und zwar nach Starija-Rossa.

 

Liebe Eltern, nun möchte ich Euch noch ein recht glückliches "Neues Jahr" wünschen. 

Hoffentlich bringt uns dieses Jahr alles Gute und Frieden!? 

Ihr habt die 2. Weihnachten allein verbracht? Hoffentlich gut.

 

Es grüßt Euch herzlich

Euer Walter

 

 

Solzy

Oblast

Nowgorod

 

 

24.12.1942 Feldpost-Nr. L 15987 L.G.P.A.: Königsberg

 

Russland, 24.12.1942 Brief Nr. ? (nicht mitgezählt)

 

Liebe Eltern,

Da ich gerade heute am "Heiligen Abend" Wache habe, kann ich so richtig über alles nachdenken. Wie schön es war, zuhause zusammen Weihnachten zu feiern. Jetzt seid Ihr die ganzen Weihnachten allein zuhause und ich stehe jetzt im 2. Jahr hier draußen. Hoffentlich sind wir 1943 beisammen. 

 

Wir hier haben es uns auch etwas gemütlich gemacht und eine kleine Feier und ein fröhliches Schneemann bauen auf den Bunkern veranstaltet. Es ist sehr schön. Auch ist für das Nötigste gesorgt. So hat jeder 1 Flasche Branntwein, 1 Flasche Likör, 1 Sekt. Ferner 114 Zigaretten, 7 Zigarren, 12 Zigarillos, 1 Stollen (1 ½ Pfund schwer) und ein Teller Gebäck bekommen. Auch sind ein Teil Beförderungen heraus gekommen. Hierbei war ich endlich auch dabei. Aber trotz allem - Weihnachten zuhause ist doch schöner.

 

Hierzu kommen noch die Pakete von zuhause. Das letzte Paket mit den Handschuhen ist jetzt auch eingetroffen. Für all die schönen Pakete mit dem wertvollen Inhalt meinen allerbesten Dank.

 

An den beiden Feiertagen arbeiten wir bis 13 Uhr. Wir haben sehr viel Arbeit. 

Und zwar stehen wir vor einer Verlegung ins Unbekannte. 

Ich bin zur Zeit bei den Kraftfahrern und helfe mit, die Fahrzeuge in Ordnung zu bringen. 

Vielleicht bleibe ich dabei. 

 

Nun bitte ich Euch aus diesem Grund meine ganze Post nurmehr auf die alte Nummer L 15987 zu schicken.

Damit für heute genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht Euch ein glückliches "Neues Jahr"

Euer Walter

 

 

 

Am 27. Dezember 1942 wurde die motorisierte leichte Feldwerft I.60 von Solzy/Nowgorod nach Stalino verlegt und kam am 21. Januar 1943 dort an. Die schwarze Linie zeigt den Frontverlauf Ende Dezember 1942. Die rote Linie verdeutlicht die Geländegewinne der russischen Winteroffensive 1943, wobei Stalino beinahe eingeschlossen worden wäre. Mit der blauen Linie wurde die Fahrtroute gekennzeichnet, die kurz nach unserer Passage teilweise wieder im Feindgebiet lag. Es ist davon auszugehen, dass es auf dem Flugplatz STALINO sehr hektisch zuging, auch wenn Walter Michel stets "Normalität" vermittelte. 

 

 

1943

 

Die Schlacht um Stalingrad markierte einen psychologischen Wendepunkt im Krieg. Ab diesem Zeitpunkt war der Glauben an den „Endsieg“ in der deutschen Bevölkerung kaum noch vorhanden.

Die Stärke der nicht-deutschen Truppen betrug Anfang 1943 rund 176 Verbände mit rund 150.000 Mann. Hinzugekommen waren Anfang 1943 noch zwei Infanteriedivisionen.

 

Auf dem Südflügel entwickelte sich im Raum Charkow-Belgorod die Lage sehr kritisch. Am 9. Februar musste die Gebietshauptstadt Belgorod geräumt werden.

 

Am Morgen des 16. Februar musste die Stadt Charkow aufgegeben werden, um der drohenden Einkesselung zu entgehen – die spektakulärste Niederlage in den Wochen nach Stalingrad. Am 21. Februar begann die deutsche Gegenoffensive. Manstein verfügte lediglich über 354 Panzer, wobei ihm etwa 1.800 sowjetische Panzer gegenüberstanden. Bis zum 5. März wurde das Gebiet bis zum mittleren Donec zurückerobert. Es wurden erhebliche Geländegewinne erzielt, einem völlig irritierten Gegner hohe Verluste beigebracht und wieder eine geschlossene Front hergestellt, wodurch der völlige Zusammenbruch der Ostfront im Frühjahr 1943 verhindert wurde. Charkow wurde am 14. März zurückerobert. 

 

Eine weitere Offensive im Sommer, die Operation Zitadelle, sollte den Frontbalkon bei Kursk ausräumen, musste jedoch auf dem Höhepunkt der Schlacht wegen der Landung der Alliierten auf Sizilien abgebrochen werden. Die Rote Armee konnte die Offensive unter hohen Verlusten zum Stehen bringen (Panzerschlacht bei Kursk, genauer: Prochorowka).

 

Nach mehreren sowjetischen Gegenoffensiven in den folgenden Monaten musste die Wehrmacht an der ganzen Front den Rückzug antreten, wobei auch die Halbinsel Krim bis April 1944 geräumt werden musste. Bis November 1943 war Kiew wieder in der Hand der Sowjets, Deutschland lief Gefahr, seine Verbündeten zu verlieren und in Italien errichteten die Alliierten eine zweite Front.

 

 

Fahrt

von Solzy

nach

Stalino

Donezk

 

 

01.01.1943 Feldpost-Nr. L 15987 L.G.P.A.: Königsberg

 

Russland, 01.01.43

 

Liebe Eltern!

Heute, seitdem wir seit Tagen unterwegs sind, komme ich endlich einmal dazu, euch ein Paar Zeilen zu schreiben. Wir sind auf großer Fahrt. Fahren kreuz und quer. Aber wohin wir fahren, wissen wir nicht. Jetzt sind wir nahe der deutschen Grenze. Wohin wird es gehen? 

 

Seid bitte nicht unglücklich, wenn ich längere Zeit nicht schreibe, denn wir werden noch lange unterwegs sein.

Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch herzlich

Euer Walter

 

 

 

Auf der Bahn von Solzy (Nowgorod) nach Stalino

Bilder von Walter Michel

 

 

2000 Km auf offenen und in geschlossenen Wagen unterwegs

Die Fahrt wird immer wieder unterbrochen...

...weil die Strecke geräumt werden muss

Sturmgeschütze auf dem Nebengleis

Bahnhof Kursk

Soldatenfriedhof an der Strecke

Fabrikgebäude an der Bahnline

Großstadtbahnhof

Zerstörtes Bahnhofsgebäude in Kramatorskaya

Bahnhofsgebäude Kramatorskaya

Zerstörter Lokschuppen an der Strecke

Bahnhof Slawjansk (heute Slovians´k südl.Isjum)

 

 

 

Die 1. und 3. KG 40 Stalino beginnt am 9.  Januar 1943

von Stalino aus mit ihren Versorgungsflügen nach Stalingrad

 

Die Einheit bestand aus 18 Maschinen des Typs FW 200. Beim ersten Flug transportierte Major Hans-Jürgen Williers 36 Tonnen Versorgungsgüter (Treibstoff, Munition, Verpflegung, Medikamente) in den Kessel und brachte 156 verwundete Soldaten mit zurück. Als der russische Druck auf den Kessel zu stark wurde, wurde die Last mit dem Fallschirm abgeworfen, das in vier Behältern unter den Flügeln angebracht war. Die Flüge wurden später mit dem Zusammenbruch der Versorgung Stalingrads eingestellt. Anschließend wurden 35 Einsätze über der Halbinsel Krim geflogen, ehe die Einheit wieder nach Berlin/Staaken zurückverlegt wurde. Neun Maschinen gingen in Russland verloren.

 

 

Focke-Wulf Langstreckentransporter FW 200

 

 

Ferner waren in Stalino Schlachtflugzeuge vom Typ HE 111 stationiert, die zusammen mit anderen Kampfflugzeugen Stalingrad und andere Frontabschnitte anflogen. Auch dieser Maschinentyp, der in Stalino wartete, war für die motorisierte leichte Feldwerft I./60 völlig neu und verlangte der Wartungstruppe alles ab.

 

 

Schlachtflugzeug HE 111

 

 

Fahrt

von Solzy

nach

Stalino

Donezk

 

 

 

15.01.1943 Feldpost-Nr. L 15987 L.G.P.A.: Königsberg

 

Liebe Eltern!

Heute sind wir glücklich nach dem 19. Tag auf der Bahn und noch immer nicht am Ziel. Zwar ja mehr wir uns der Front näher führen, geht es langsamer. Wir mussten in den letzten Tagen auch öfter auf Bahnhöfen längere Zeit stehen und warten auf Lok.- Wechsel und bis die Strecke frei ist. Zur Zeit stehen wir in einer größeren Industriestadt. Hier ist mir auf einem kleinen Heldenfriedhof in der Stadt ein Name aufgefallen.

 

Schütze Hans Kirchhof

Geb. 31.1.23

Gest. 21.5.42

F.P.N. 42908 D.

 

Sucht bitte im Adressbuch nach, ob dies der Fechenheimer ist. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

 

21.01.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 21.01.1943

 

Liebe Eltern,

Heute sind wir nach 24 Tagen endlich am Ziel angelangt. Dort sind wir mit unserem Stab und den andern Zügen zusammen getroffen. Wir arbeiten zusammen auf einem Platz. Es ist etwas neues:  He 111. Dafür haben wir gute Unterkünfte. Steinbauten. Aber ich glaube, wir bleiben nicht lange hier. 

 

Den Namen Kirchhof fand ich in der Stadt Kromsomskaja. 

Für heute genug. Dass nächste mal schreibe ich mehr von der Fahrt.

 

Es grüßt euch herzlich

Euer Walter

 

19, 20, 1, 12, 9, 14, 15                 (= STALINO nach durchnummeriertem Alphabet)

 

 

Stalino heißt heute Donezk und liegt in der Ukraine.

 

Die Truppenverlegung erfolgte praktisch von der Grenze zu Estland bis in die Nähe des Schwarzen Meeres.

 

Stalino

Donezk

 

 

27.01.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 27.01.43

 

Liebe Eltern!

Nachdem wir schon eine Woche hier sind, haben wir unsere Unterkünfte wohlig eingerichtet. Wir haben uns Betten und Tische gebaut, sodass es jetzt etwas gemütlicher ist.

 

Die Landschaft hier im Süden ist schöner als im Norden. Das Gelände ist hügelig. Es gibt Berge und Täler. Allerdings Wald gibt es hier fast keinen. Auch die Häuser der Bevölkerung sind besser. Man hat hier Steinhäuser. Die Bevölkerung ist auch freundlicher. Die Felder sehen gepflegt aus. Man findet sogar richtige Obstgärten.

 

Wir waren sehr erstaunt (hatten uns verwundert) als wir her kamen, denn wir dachten nicht daran, dass der Winter hier doch auch sehr kalt ist. Es ist alles mit Schnee bedeckt. In den letzten Tagen hatten wir 30 -37° unter 0.

Arbeit haben wir in Hülle und Fülle, das könnt Ihr Euch ja denken. Die Arbeitszeit ist von 5 Uhr bis 18 Uhr. Dabei sind ½ stunde Mittag. 

Damit für heute genug.

 

Wie ist es zuhause? Hoffentlich alles gesund und munter. 

Wie klappt es mit dem Radio? Ist er fertig. Wie hat Du ihn hingeschickt? 

Und der Füllfederhalter? Wie ist es unterwegs? Über Königsberg oder Breslau?

 

Briefmarken kann ich im Augenblick nicht schicken. 

Wir bekommen zur Zeit nur drei Zigaretten pro Tag. 

Ich habe Euch eine Luftpostmarke und zwei Paketmarken beigelegt. 

 

Nun bitte ich Euch, mir verschiedenes zu schicken. 

Und zwar: 1. Marmelade, 2. Zigarettenmaschine, 3. Wund-Salbe, 4. Russland-Karte,  5. Tinte,  6. Drehbleistift mit Minen 1,2 mm.

Wenn ihr keine zu kaufen bekommt, dann schickt mir Silberdrehstift.

Das wäre für heute alles.

 

Es grüßt Euch herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

04.02.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 04.02.43

 

Liebe Eltern!

Seit Tagen wartete ich sehr auf Post von Euch, aber vergebens. Es kommt keine.

 

In diesen ernsten Tagen ist man besonders auf Post eingestellt. Bei uns ist noch alles in bester Ordnung. Wir gehen unserer Arbeit in Ruhe und Frieden nach. Hier haben wir furchtbar viel Arbeit. Es wird gearbeitet von früh morgens bis spät in die Nacht hinein. 

 

Nun zu etwas anderes. Hat Karlheinz B. in der letzten Zeit nach Hause geschrieben. Ich habe sehr lange von ihm wie auch von ..... keine Post mehr erhalten. Wie ist es zuhause. Noch alles in Ordnung. Hoffentlich ja.

 

Es grüßt euch herzlich

Euer Walter

 

Anbei eine Luftfeldpostmarke

 

 

Stalino

Donezk

 

 

09.02.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 09.02.43

 

Liebe Eltern!

Gestern habe ich Euren Brief Nr. 31 erhalten (vom 29.01.43), wofür meinen allerbesten Dank. Die Briefe Nr. 25-30 sowie die Päckchen Nr. 42-44 habe ich noch nicht erhalten. Hoffe sehr, dass ich sie noch bekomme. Auf die Fahrt noch einmal zurück zu kommen: In den Güterwagen haben wir sehr wenig gefroren, denn wir hatten uns einen Waggon Kohlen mitgenommen. Die Knochen hat sich niemand verfroren.

 

Nun zu Eurem Brief: 

Wir sollten weiter nach Kuban, aber es ging nicht mehr. Im übrigen hat sich die Lage hier gebessert. Der Russe geht weiter zurück. Auch sind von uns wieder Kessel gebildet worden. Ich bin der Meinung, dass in diesem Frühjahr und Sommer hier die Entscheidung fällt. Denn es sind mächtige Verstärkungen eingetroffen. Also hoffen wir das Beste. 

 

Bei uns ist es zur Zeit toll mit Arbeit. Wir stehen um 4 Uhr auf, um 4 Uhr 45 beginnt die Arbeit und endet um 18 Uhr. Oft geht es auch durch bis 22 Uhr. Damit genug für heute. Nun bitte ich euch noch, schickt mir eine neue Taschenlampe; meine ist nämlich bei der Fahrt kaputt gegangen. Damit schließe ich für heute. Hoffentlich geht es Euch noch gut.

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

13.02.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 13.02.43

 

Liebe Eltern!

Habe vor einigen Tagen Euere Briefe vom 2.1. und 2.2. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. 

Robert, Wilhelm, Heinrich, Hans, ferner Richard Ewald zur Kenntnis genommen. 

 

Im 2. Brief betrifft Radio: 

Diesen benötige ich im Augenblick nicht, weil wir auf der Stube jetzt einen Lautsprecher haben, der an einem Apparat vom Feldwebel angeschlossen ist (Wehrbetreuungsgerät). Die Lage hier ist immer noch ernst. Aber um uns geht es noch. Im Übrigen werden wir in den nächsten Tagen verlegen. Seid bitte nicht beunruhigt, wenn ich längere Zeit nicht schreibe, aber ich kann nicht. 

Damit genug für heute. Ich hoffe, dass zuhause alles in Ordnung ist.

 

Ich bitte Euch, geht bei Fliegeralarm in den Keller und in Deckung. *

 

Es grüßt Euch herzlich

Euer Walter

 

 

 

 *An dieser Stelle ist eine Anmerkung angebracht. 

Am 29.04.2010 wurde ich von einem Leser angesprochen, der berichtete, dass es am 10.02.1943 einen Luftangriff auf den Flugplatz Stalino gab, bei dem es Todesopfer gab. Eines der Opfer war sein Onkel. Auf einem der nachfolgenden Bilder sind die Gräber der Opfer zu sehen. Im Vordergrund ein Kreuz auf dem das Todesdatum 10.02.1943 ersichtlich ist. Nur drei Tage später schrieb Walter Michel an seine Eltern recht belanglose Dinge, wie man oben lesen kann. Kein Wort schrieb er über die Luftangriffe, die sich über den ganzen Tag erstreckten, sicher, weil er seine Eltern nicht beunruhigen wollte. Vielleicht wurde aber auch ein Brief von der Zensur abgefangen. Erst am 15.06.1943 erwähnte er den Tod von Feldwebel Wedler, der am 10.02.43 ums Leben kam. Interessant ist aber der Satz, dass die Einheit in den nächsten Tagen verlegen würde und er längere Zeit nicht schreiben könne. Entweder wurde die Einheit kurzfristig in Sicherheit gebracht oder er war leicht verwundet. Den nächsten Brief schrieb er erst 2 Wochen später. Am Ende des Briefes befand sich allerdings ein Satz, der aus dem erlebten Bombenangriff resultieren könnte und - in Sorge um die Angehörigen - den Luftangriffen der Alliierten im Raum Frankfurt galt.

 

Der Leser dieser Website stellte mir die Abschrift eines Briefes zur Verfügung, aus dem hervorgeht, wie dessen Onkel ums Leben kam und in welcher Gefahr sich auch Walter Michel befand. Im Gegensatz zu den handschriftlichen Briefen von Walter Michel wurde den Angehörigen eine Abschrift in Schreibmaschinenschrift ausgehändigt. Das lässt den Schluss zu, dass eine Zensur im heimatlichen Amt im Kreis Bigge stattgefunden hatte. Vermutlicht handelt es sich um stark reduzierte Schilderungen, um den Grauen des Krieges zu kaschieren und um eine Anreicherung mit Pathos zur Heldenverehrung. Aus dem Brief geht indirekt hervor, dass die zuvor übermittelte amtliche Todesnachricht ebenfalls nicht exakt der Wahrheit entsprach, weil die ganze Wahrheit damals wahrscheinlich nicht ins Bild passte.

 

Hier ist der Text des Briefes:

 

 

 

 

A b s c h r i f t

 

Osten, 1.6.43

 

                                Liebe Familie Spiekermann

 

Ihren Brief, den ich heute erhielt, möchte ich gleich beantworten. Die Annahme der Partei, dass Heinz durch Beschuss vom Flugzeuge aus den Tod erlitt, ist irrig. Ich will versuchen, Ihnen einigermaßen einen Bericht darüber zu geben. Am 10. Februar 1943 hatte der Russe seit 6 Uhr früh fast ununterbrochen mit zahlreichen Bombern angegriffen. Um 13.15 Uhr erfolgte ein besonders heftiger Angriff, der vor allem dem Liegeplatz unserer Staffel galt. Heinz und sein Kamerad Arno waren vor der Unterkunft, vor der sich ein Splittergraben zog, und versuchten die Geräte in Gang zu bekommen. Als die erste Bombe ein Haus nahe unserer Unterkunft zerstörte, sprangen die Beiden, Heinz und Arno, mit noch 20 anderen Kameraden in den Graben. Die zweite Bombe schlug 5 m vor mir ein und ich hatte keine Zeit mehr, in den Graben zu laufen, doch da ich im toten Winkel lag, gingen die Splitter über mich hinweg. Kurz darauf erfolgte ein weiterer Einschlag und als ich mich aufrichtete, sah ich, dass diese Unglücksbombe als Volltreffer direkt in den Graben gehauen war, in dem Heinz und Arno lagen. Sie waren sofort tot. Mit zwei anderen Kameraden habe ich Heinz unter den anderen Toten hervorgezogen und wir konnten ihm leider nur noch die Augen zudrücken. Mit allen militärischen Ehren haben wir die Beiden auf dem Heldenfriedhof von Stalino begraben. Den Stahlhelm, der ihn vielleicht geschützt hätte, wenn er ihn aufgesetzt hätte, und seinen geschnitzten Stock habe ich an das Holzkreuz genagelt. Da Stalino eingeschlossen wurde, mussten wir rausfliegen und sind woanders hingekommen. In Kürze kommen wir wieder nach vorn und es ist selbstverständlich, dass wir einen Blumengruß ihm bringen, wenn wir durch Stalino kommen sollten. 

 

Ich bedauere, dass Sie noch nicht den vollen Geldbetrag erhalten haben, aber es war in den Wirren des Rückzuges schon ein Kunststück, dass wir überhaupt Heinz seine Sachen wegschicken konnten.

 

                                       Es grüßt Sie

                                                    Ihr

                                                      gez. Jochen Matthies

 

 

Beglaubigungsstempel

Datum: 25. August 1943

 

 

 

 

Die Passage mit dem schützenden Stahlhelm dürfte kaum so im Originalbrief gestanden haben, denn die Wartungseinheiten arbeiteten nur mit einfachen Kopfbedeckungen. Hier wurde Logik mit Unwissenheit gepaart zur freien Dichtung, um Erklärungen für den ungeschützten Tod zu finden. Auf dem Bild des gefallenen Wachoffiziers (weiter unten) schmückt ein Stahlhelm das Kreuz, während auf allen anderen Kreuzen keine Stahlhelme zu sehen sind. Der Leser besitzt offensichtlich ebenfalls ein Bild mit Stahlhelm auf dem Kreuz. Es ist davon auszugehen, dass hunderttausende Bilder von Soldatengräbern so dekoriert wurden und es sich ganz selten um authentische Stahlhelme handelte. 

 

Am Ende der "Abschrift" unterliefen der Zensur meiner Meinung nach weitere grobe Fehler, als man die spätere militärische Lage zum Zeitpunkt der Abschrift (Ende August 1943) mit der Schilderung vom 1.6.43 verwob. Die Einheit wurde tatsächlich erst Ende Juli 1943 von Stalino nach Smolensk verlegt. Zu diesem Zeitpunkt bestand kaum mehr die Aussicht, das verlorene Donezbecken noch einmal zurück zu erobern. Es gab also am 1.6.43 noch keinen Grund für derartige Schilderungen und Annahmen. Es handelt sich also um reine Trauer-Prosa. 

 

Die erste russische Offensive im Bereich des Donez-Beckens war nach Berichten des OKW am 23. Februar 43 endgültig gescheitert, weshalb bis Ende Juni 43 in Stalino wieder Normalbetrieb herrschte und die Frontlinie über 120 Kilometer weit weg war. Die Einheit wurde also keineswegs ausgeflogen. Bis auf eine einzige Verlegung benutzte die motorisierte leichte Feldwerft I./60 generell den Straßentransport oder die Bahn. "Ausfliegen" und "Entsatz" stand für Rettung in größter Not sowie wiedererlangte Sicherheit und absolute Kontrolle. Der Kriegsjargon schlug also sogar im Trauerfall durch.

 

Aus heutiger Sicht kann man nur schwer verstehen, dass trauernde Angehörige derart falsch benachrichtigt wurden, zumal die jungen Männer für Volk und Vaterland gefallen sind. Im Trauerfall ist Zensur absolut fehl am Platz. So wird aus einem tristen Friedhof am Flugplatzrand kurzerhand ein "Heldenfriedhof" und man drückte angeblich Augen von Toten zu, die von einem Volltreffer getroffen wahrscheinlich nahezu zur Unkenntlichkeit zugerichtet waren. Man kann nur erahnen, wie realitätsnah der Originalbrief an die Eltern des Toten geschrieben war, wenn man ihn bei der Abschrift derart zensierte und kaschierte. Scheinbar blühte in manchen Schreibstuben der Heimatfront die Phantasie im Dienste des Nationalsozialismus. 

Für die Angehörigen ist diese späte Erkenntnis jetzt sicherlich erschütternd und nur schwer zu verstehen..

 

 

 

 

Bilder von Walter Michel aufgenommen

 

Ju90 und zwei HE 111

 

Ju90 in Wartung

 

Jagdflugzeug vor dem Start

Grab von Wachoffizier Horst Weller

HE 177 Greif bei der Abnahme

 

Lastensegler Gotha Go 242-0

Trümmer eines Jagdflugzeuges Fw 190

 

Zugmaschine und Werkstattwagen

 

Motorwartung eines Kampfflugzeuges

Flieger-AS bei Übernahme der Maschine

Hauptmann Corall

 

 

Stalino

Donezk

 

 

27.02.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 27.02.43

 

Liebe Eltern!

Da ich heute gerade Wache habe, komme ich endlich wieder einmal dazu, zu schreiben. Ich habe zwar am 23.2. einen Brief ohne Luftfeldpost geschrieben, aber den werdet Ihr noch nicht haben, denn in der letzten Zeit wurde nur Luftfeldpost befördert. Die beiden Briefe vom 22.1 und 24.2. habe ich erhalten und im Brief vom 23.2. beantwortet. Für beide Briefe meinen herzlichen Dank. 

 

Hier hat sich die Lage sehr gebessert. Die Eisenbahn ist wieder frei und verkehrt planmäßig. Die Alarmstufen sind ganz aufgehoben. Wir hatten hier sogar nochmal Alarmstufe 3. Die Panzer waren bis 20 km vor der Stadt durchgestoßen. Aber die Luftwaffe zerschlug sie. Jetzt ist die Front wieder 120 - 150 km abgerückt. Natürlich lässt die Arbeit bei uns nicht nach, wir haben mehr zu tun als je. Damit ist mein Bericht zur Lage zu Ende.

 

Wie sieht es zuhause aus mit Luftangriffen? Hoffentlich seid Ihr davon verschont. Aber geht bei Fliegeralarm in Deckung. Denn bei Euch wird rechtzeitig gewarnt. Und es ist nicht überraschend. Damit für heute genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

23.03.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 23.03.43

 

Liebe Eltern!

Habe heute 3 Päckchen Nr. 51, 52 und 53 vom 9.2. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Nach langer Zeit ist endlich das erste Päckchen eingetroffen. Die andern werden hoffentlich auch noch eintreffen. Bei uns ist alles in bester Ordnung.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

24.03.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 24.03.43

 

Liebe Eltern!

Habe heute Euren Brief vom 16. d.M. erhalten. Ferner habe ich heute einen Brief durch unser Nachkommando vom 27.12.1942 erhalten. Für beide Briefe meinen allerbesten Dank. Weihnachts- und Neujahrsgrüße habe ich von allen Bekannten und Freunden erhalten mit denen ich mich schreibe. Nur von Onkel Reinhardt nicht. Auch hat er mir bis jetzt noch nicht geschrieben. Warum? Weiß ich nicht. Über H. Arnold bin ich informiert. Und kann mir nicht erklären was ein solch festes Verhältnis bedeuten soll.

 

Über das Pakt vom 7.1.43 das zurück gegangen ist, bin ich beruhigt. Es ist glücklicherweise nicht verloren gegangen. 

Du sollst wieder zum Ernährungsamt? Wer weiß, für was es gut ist!? 

 

Ja, das Wetter macht uns Sorgen, denn es will und will nicht Sommer werden. Gerade taut es mittags sehr gut, aber nachts friert es immer noch. Auch pfeift ständig ein sehr scharfer Wind. Unter Fliegerangriffen haben wir jetzt nicht mehr zu leiden. Es ist jetzt gut zu ertragen. Damit für heute genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

27.03.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 27.03.43

 

Liebe Eltern!

Habe gestern Euer Päckchen Nr. 50 vom 6.3. mit Druckbleistift und Bonbons erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Es ist sehr gut angekommen. 

 

Liebe Eltern, heute habe ich wieder einmal Wache. Es ist heute ganz gut zu ertragen. Wir haben Windstille und die Sonne scheint. Aber immer noch nicht so warm, dass man den Mantel aus lassen kann.

 

Auf den Brief vom 16.3. zurückzukommen. Soll Papa die alte Rolle im Ernährungsamt wieder übernehmen oder weiter suchen?

Nun habe ich noch eine Bitte an Euch. Und zwar bitte ich Euch, mir im nächsten Brief einige Briefumschläge beizulegen. 

Im Dienst gibt es nichts neues. Auch ist alles in bester Ordnung.

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

30.03.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 30.03.43

 

Liebe Eltern,

Habe gestern Euren Brief vom 24. d.M. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Ferner habe ich heute Euer Päckchen Nr. 54 vom 11.3. erhalten, auch hierfür meinen allerbesten Dank.

 

Das mit Christine Mi. ist mir wieder ein typischer Fall vom Fechenheimer Bauamt. Größere Sachen zu bauen ohne Baugenehmigung. Wie wird unser neuer Zaun. Wie arbeiten die Belgier? Und von wem und von welchem Unternehmer? Mit Willi Fröhlich ist zwar auch bedauerlich, aber doch noch gut.

 

Mit dem Radio ist weiter nicht schlimm, denn, wie ich Euch schon geschrieben habe, haben wir einen auf der Stube. Die Zigarettenmaschine, wie auch der Druckbleistift ist schön und gut. Die Maschine ist wie die französische. 

Hier ist noch alles beim alten und in bester Ordnung.

 

Nun bitte ich Euch noch, mir Kopierminen 1,2 mm und Klebstoff zu schicken.

Anbei 1 Luftfeldpostmarke.

 

Es grüßt Euch herzlich

Euer Walter

 

 

Wehrmachts-

bericht

vom 7.4.1943

 

 

Das Oberkommando der Wehrmacht berichtete am 7. April 1943 wie folgt: 

(Aus dokumentarischer Sicht wurde der Originaltext belassen, um die damalige offizielle Sicht der Führung zu verdeutlichen)

 

Die Wende des Winterkrieges

 

Als der winterliche Oststurm die Horden der Steppe gegen die deutschen Stellungen im Osten trieb, die deutsche Front am Donbogen eingedrückt und Stalingrad abgeschnitten war, als deutsche Verbände sich planmäßig vom Feinde absetzen mussten und es den Sowjets in der Winterschlacht 1942/43 gelang, an anderen Abschnitten in die deutschen Fronten und Stellungen einzudringen, glaubte der Herr dieser Horden, den entscheidenden Sieg in der Tasche zu haben, und in den Metropolen seiner Hilfsvölker in London und Washington sprach man von der endgültigen Wende des Krieges im Osten. 

 

Mit dem Winteranfang begann dieser Steppensturm. Aber schon acht Wochen später, am 23. Februar, konnte die Führung der Wehrmacht feststellen: In der großen Winterschlacht im Südteil der Ostfront hat der Feind seine weitgesteckten Ziele nicht erreicht; da es ihm nicht gelang, die am Ostrand des Donez-Industriegebietes festgefügte Front der deutschen Truppen zu durchbrechen, versuchte er sie, nordwestlich ausholend, im Rücken zu fassen. Verbände, denen es gelang, in den Rücken der deutschen Front zu kommen, wurden gefaßt, eingeschlossen und vernichtet. Diesem Schicksal erlagen vor allem die sowjetischen Verbände, die aus der Gegend südlich von Charkow gegen den Dnjepr vorgetrieben wurden, also den Verbänden des Feindes, die am weitesten nach Westen gelangt waren, den "Vorposten auf dem Marsch zur Entscheidung". 

 

Die Feststellung des Oberkommandos der Wehrmacht bedeutete keineswegs das Ende der Winterschlacht, und noch nicht einmal ihre Wende. In bisher kaum erlebter Härte gingen die Kämpfe weiter. Aber zunächst war wenigstens an den wichtigsten Teilen der Front der Feind zum Stehen gebracht. Die Menschenwalze aus den Steppen des Ostens hatte Ihre Schwungkraft verloren und war auf eine Bremsbahn gestoßen, hinter der sich ihre endgültigen Ziele in den Schleiern der Schneestürme verloren. Unsere Kartenskizze stellt in großen Zügen den Ablauf der Kämpfe seit dem Fall Stalingrads, also seit Anfang Februar dieses Jahres, dar. Die großen Kampfräume sind, da sich die Feind- und Eigenbewegungen nicht im einzelnen wiedergeben lassen, in Vierecke zusammengefaßt, die ständigen Brennpunkte des Winterkampfes durch Kreise gekennzeichnet. 

 

Wenn man die Skizze vom Süden nach Norden betrachtet, hat man zunächst das Kaukasusgebiet vor sich. Die Pfeile, die die Bewegungen deutscher und feindlicher Kräfte skizzenhaft wiedergeben, zeigen, daß sich die östliche deutsche Kaukasusfront, die rerekfront, planmäßig vom Feinde absetzen konnte und das der Feind den naheliegenden Versuch machte, die sich nach Westen bewegenden deutschen Truppen zu umfassen. Das mißlang. 

 

Die Deutschen bildeten zunächst einen Brückenkopf, der Krasnodar einschloß, gaben die Stadt aber etwa um die Mitte Februar auf, als der Feind mit verstärkten und schwer überlegenen Kräften seine Umfassungsversuche fortsetzte. Es entstand der vielgenannte Kuban- brückenkopf, der die Mündung des Kubans und die Stadt Noworossijsk ausholend umfaßte und den der Feind, nachdem der Wettlauf mit den Deutschen zu seinen Ungunsten geendet hatte, vergeblich von Norden her eindrücken zu können glaubte. Von Süden her hatte er bereits in den Wochen vorher Noworossijsk angegriffen, in dessen Hafen er auch immer wieder ohne Erfolg zu landen versuchte. 

 

Nach dem Einbruch in den Donbogen und der westlichen Bewegung der deutschen Verbände drückte der Feind sowohl frontal wie auch von Süden her (aus dem Kaukasus-Vorgebiet) gegen unsere Fronten. Er erreichte den unteren Don, überschritt ihn, scheiterte jedoch mit jedem Durchbruchsversuch, nachdem die deutschen Verbände sich von dem gefährdeten Rostow abgesetzt und am Mius eine festgefügte Front errichtet hatten. Aber schon Mitte Februar setzten im Raum von Charkow schwungvolle deutsche Gegenstöße ein. Das Gesicht des Winterkampfes begann sich zu ändern. Der Feind setzte an die Stelle des direkten Angriffs und Durchbruchs den Versuch, durch Umfassung zur Entscheidung zu kommen. Die Kämpfe nördlich von Charkow und Kursk hatten zunächst keine andere als diese Bedeutung, und daneben sollte der Druck auf die Räume von Orel, Gchatsk, südlich des Ilmensees, südlich des Ladogasees, vor Leningrad usw. vor allem die Abziehung von Kräften zur Stärkung der deutschen Südfront und der möglichen Umfassungs- und Durchbruchsstellen verhindern. An diesen Brennpunkten (siehe die Kampfräume auf den Karten) kämpften die deutschen Verbände teils elastisch, teils in erbitterter Abwehr. Wie jähe Feuersbrünste loderten die Schlachten in den Räumen von Orel und Kursk, vor dem Ladogasee, bei Staraja Rußja auf, um nach einiger Zeit zu scheinbar ruhiger Glut zuzusammenzusinken und dann wieder emporzuflammen, sich jeweils in den Charakter der Gesamtoperationen der Ostfront fügend. 

 

Dort, wo die deutschen Verbände elastisch kämpften, wurden vor allem ungünstige Frontziehungen (wie die "Grafschaft" von Demjansk) korrigiert. Hier und an anderen Stellen, wie im Raume von Rschew, Sytschewka und Gshatsk, setzten unsere Truppen sich zum Teil sogar ohne Zwang vom Gegner ab. 

Der schwere Druck des Feindes führte am 17. Februar zur Räumung von Charkow, der sowjetischen Hauptstadt der Ukraine. Aber nur scheinbar hatte der Feind hier einen Erfolg erzielt, der ihn der erstrebten Entscheidung näher brachte. 

 

Die deutschen Truppen verstärkten ihre eigenen Angriffe, vor allem am mittleren Donez, im Raum südwestlich von Isjum. Während zwischen Charkow und Kursk der Kampf elastisch weitergeführt wurde, mußte der Feind dem deutschen Gegenstoß im Raum von Isjum nach Norden und Nordwesten ausweichen. 

 

Zum erstenmal wieder konnte der deutsche Wehrmachtsbericht von der Erstürmung verlorengegangener sowjetischer Städte und Ortschaffen im Donezraum berichtenn. So wurden Kramatorskaja und Lossowaja Ende Februar genommen. 

 

Während der Feind Anfang März an der Miusfront wiederum zum Angriff antrat, wurde der deutsche Gegenstoß erfolgreich weitergetragen und weiterer Geländegewinn erzielt, bis in den ersten Märztagen der mittlere Donez wieder deutsche Soldaten und Waffen an seinem Ufer sah. In Richtung Slawjansk und nordwestlich an Charkow vorbei wich der Feind zurück. 

Trotz Schlamm und Regen erreichten die deutschen Verbände auf einer Frontbreite von 250 Kilometer den Donez, nahmen Slawjansk und schlossen die Masse der 3. sowjetischen Panzerarmee südlich Charkow ein. 

 

Damit begann ein Kampfabschnitt, der sogar Charkow selbst wieder in unsere Hand zurückbrachte. Die Eroberung der Städte Walki und Ljubotin sind Stationen unseres Marsches auf Charkow, auf das der Feind am 10. März zurückgedrückt wurde. Am Ende der ersten Märzhälfte drangen deutsche Soldaten in Charkow ein und eroberten es in wenigen Tagen zurück, während westlich Bjelgorod deutsche Truppen auf breiter Front angriffen und trotz heftiger Gegenangriffe Raum gewannen. Das Blatt hatte sich also gewendet, und an großen Teilen der Front, insbesondere der Südfront, war aus der Abwehr ein Angriff geworden. Noch vorhandene Lücken schlossen sich, fester fügten sich unsere Fronten, hinter uns lag die schwere Krise, und als Herren der Lage nahmen wir dem Feind die Initiative aus der Hand. Diese Entwicklung versuchen unsere Karten unter Verzicht auf alle Einzelheiten wiederzugeben.

 

............................. soweit der Bericht es Oberkommandos der Wehrmacht vom 7.4.1943 ..........................

 

Wie man sieht, war Stalino ebenfalls gewaltig in Bedrängnis gekommen. Die Flurzeuginstandhaltungseinheiten waren jedoch gezwungen, die Schlacht- und Kampfflugzeuge aktiv in Frontnähe zu unterstützen und abgestürzte oder notgelandete Maschinen zu bergen und wenn möglich teilweise zu retten. Von alledem berichtete Walter Michel nur sehr zögerlich. Es ist anzunehmen, dass er nur das nach Hause berichtete, was ohnehin durch die Wehrmachtsberichte bekannt wurde. Dass die Winteroffensive nur ein kurzes Zwischenspiel war, belegen die ständigen Verlegungen der Einheit in der Folgezeit nach Westen und Südwesten.

 

 

Stalino

Donezk

 

 

09.04.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 9.4.43

 

Liebe Eltern!

Heute bin ich wieder von großer Fahrt zurück gekommen. Aber als ich nach Hause kam, fand ich leider wieder keine Post vor. 

Da ich nur 5 Tage unterwegs mit dem LKW war. Ich fahre mit als Beifahrer. Wir mussten einen Wagen, der unterwegs war und Motorschaden und Kühlerdefekt hatte, Ersatzteile bringen und reparieren. Er war ca. 30 Km vorn Stalino entfernt. Also nur etwas über 150 km zu fahren. Aber die Straßen! Keine Wege und ....! Denn kurz hinter Stalino hört die Straße auf. Und es ging über Felder und Steppe. Man fährt einfach den Spuren von anderen Fahrzeugen nach. Fahren kann man nur im 1. ab und zu im 2. Gang . Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt ungefähr 20 - 22 km/h. 

 

Unterwegs, nachdem wir ca. 50 km gefahren waren, mussten wir Gleisketten auflegen (Schlamm), damit man überhaupt noch weiter kam. Nachdem wir uns außerdem verfahren hatten, fanden wir endlich gegen Abend den Wagen. Man kann hier wenig fragen. Denn 1. ist nur alle 15 - 20 km ein Dorf, 2. gibt es wenig deutsche Soldaten. 3. wissen noch viel weniger Menschen, wie die Wege verlaufen.

 

Quartier fanden wir sehr schnell bei einem Bauer. Natürlich unter russischen Verhältnissen. Hier haben die Häuser eine Größe von 15 x 5 m. Und das ist noch in drei Teilen unterteilt. Stall, Abstellraum (Futter, Getreide und Essen) und Schlafraum. Im Stall befanden sich 2 Kühe und ca. 15 Hühner. Im Nebenraum schliefen 3 Russen (2 Frauen, 1 Mann) und 3 Kinder. Die Frauen und die Kinder auf dem Herd, der Mann im Bett. Wir haben uns auf den Boden gelegt und darauf gepennt. 

 

In den nächsten Tagen reparierten wir den Wagen und am 5. Tag begann die furchtbare Rückfahrt. Der andere Wagen setzte seine befohlene Fahrt fort. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch herzlich

Euer Walter

 

Anbei 2 Paketmarken und 1 Luftfeldpostmarke

Schickt bitte eine Schachtel schwarze Schuhcreme

 

 

Stalino

Donezk

 

 

18.04.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 18.04.43

 

Liebe Eltern,

Habe heute Euch nach Hause auf Feldpostanweisung 150 RM geschickt. Lasst diese bitte auf mein Sparbuch zu schreiben. Ferner habe ich heute ein Päckchen mit 8 Zigarren abgeschickt. Diese habe ich von der Marketenderei gekauft (2 RM). Hoffentlich kommen sie gut an. Sonst alles beim alten.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht Euch "Frohe Ostern"

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

20.04.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 20.04.43

 

Liebe Eltern!

Schicke Euch hiermit ein Paket mit dem Pullover, Nasenschützer, Rasier- und Kernseife, Zahn- und Hautcreme, 2 Filme. Und für Inge ein Päckchen Tabak. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

23.04.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 23.04.43

 

Liebe Eltern!

Habe gestern Euer großes Paket vom 5. d.M. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Es kam sehr gut an. Nun da ich jetzt eine Karte habe, möchte ich Euch endlich einmal unseren Weg nach dem Süden beschreiben.

 

Die Strecke war:

Solzy (bei Nowgorod südlich von Leningrad), Dno, Porchow (heute Burkau), Valka, Riga, Mitau (heute Jelgava), Schaulen (heute Siauliai), Wilna (heute Vilnius), Minsk, Gormel, Brjansk, Charkow (heute Charkiw), Slawiansk, Kramatorowka (heute Kramatosk), Stalino (heute Donezk).

 

Auf der Strecke Brjansk - Charkow wurden wir durch Partisanen beschossen und hatten dadurch einen Verletzten. 

Sonst ging damals alles gut. Hier gibt es nichts neues, alles in bester Ordnung.

 

Sind meine beiden Päckchen und die 150 RM gut angekommen?

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

P.S. Wir haben jetzt herrliches Sommerwetter. Die Sonne brennt herunter. Und wir sind sehr sehr schön braun.

 

 

Stalino

Donezk

 

 

26.04.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 26.04.43

 

Liebe Eltern!

Habe am Ostersonntag das Päckchen Nr. 60 vom 12.4. und am ersten Feiertag den Brief Nr. 42 vom 14.4. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Das Päckchen ist sehr gut angekommen. Mit Luftangriffen ist zu Hause immer das alte Lied. Angriff auf Städte. Hoffentlich bleibt bei Euch alles in bester Ordnung.

 

Liebe Eltern - Ostern! 

Davon hat man hier nicht viel gemerkt. Bei uns hatte die eine Hälfte am 2. Feiertagmittag frei. Ich habe erst heute frei. Am 20. April hatten wir einen ganzen Tag dienstfrei. Daher war ich in Stalino und habe mir die Stadt angesehen. Sonst ist hier noch alles in bester Ordnung.

 

Es grüßt Euch herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

30.04.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 30.04.43

 

Liebe Eltern!

Habe gestern Euren Brief Nr. 43 vom 23. d. M. erhalten, wofür meine allerbesten Dank. Besten Dank für Eure Ostergrüße, die ausdrücklich ankamen.

 

Lb. Eltern, 

gestern, den 29.4. habe ich Euch ein Paket geschickt. Und zwar ist darin enthalten: Ein Paar Strümpfe, ein Nasenschützer, ein Paar Pulswärmer, ein Kopfschützer, meine Taschenuhr (die nicht mehr funktioniert. Wenn meine Armbanduhr schon in Ordnung ist, dann schickt mir diese.), 2 Stück Seife, 1 Stück Rasierseife, 8 Zigarren.

 

Wie steht es um die anderen Pakete? Sind die gut angekommen? Und die 150 RM? Hoffentlich kommt alles gut an. 

Ist das Paket mit dem Füllhalter auch schon zurückgekommen? Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

06.05.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 06.05.43

 

Liebe Eltern!

Habe heute Eure 2 Päckchen (ein großes vom 24.4. und ein kleines vom 19.4.) erhalten, wofür meine allerbesten Dank. Beide sind sehr gut angekommen. Von Onkel Fritz habe ich auch schon mein Geburtstagspaket erhalten. Meine besten Dank für die Geburtstagsgrüße.

Habe Euch am 3.5. wieder 100 RM geschickt. Der Grund für die beiden Geldsendungen ist, dass wir in den letzten Tagen unsere Frontzulagen von Dezember bis jetzt auf einmal ausgezahlt bekommen haben. 

 

Bei uns ist alles noch in bester Ordnung. Nur haben wir furchtbar viel Arbeit. In der Hauptsache motorenmäßig. Aber mein Gebiet!

Wir arbeiten jetzt von 5 Uhr bis abends 16 Uhr. Dabei ist nur eine Stunde Mittag. Es ist dies eine sehr lange Zeit, aber es ist nicht zu ändern, die Maschinen müssen fertig werden. Es ist nur gut, dass wir eine schöne Montagehalle haben, in der man auch an der größten Maschine arbeiten kann. Die Halle ist ca. 3 mal so groß, wie die der Firma Heinrich Wörner. Sechs H 111 haben darin bequem Platz.

 

Das Wetter ist jetzt sehr schön. Sehr warm. Nur ganz anders wie zu hause. Frühling ist es nicht. Genau wie der Übergang von Tag zu Nacht plötzlich vorgeht. Ist die Sonne da, dann ist es gleich drückend heiß. Ist sie weg, ist es gleich wieder kalt. 

 

Heute haben wir unsere Sommeruniformen bekommen. Blaues Leinenzeug. Blauer Grund. Das trägt man nur abends und bei kühlen Tagen. Im allgemeinen wird nur getragen: Lange Hose und Blauhemd (offen getragen). Eine sehr sportliche Uniform.

 

Zum Schluss möchte ich noch Mama zu ihrem kommenden Ehrentag gratulieren und alles gute wünschen.

 

Es grüßt Euch herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

15.05.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 15.05.43

 

Liebe Eltern!

 

Habe vorgestern Euren Brief Nr. 45 vom 4. d.M. erhalten, wofür allerbesten Dank. Dass die beiden offenen Päckchen gut angekommen sind, freut mich sehr. Hoffentlich kommen die andern Pakete und das Geld gut an. Im übrigen habe ich bereits wieder ein Paket abgeschickt. Am 14.5. Nr. 12. Es ist darin enthalten: 12 Zigarillos, 2 Zigarren, 2 Päckchen Tabak (allerdings Krullschnitt, wenn Du ihn selber vielleicht nicht magst, kannst Du ihn umtauschen), eine Tube Zahnpasta, ein Stück Feinseife und 10 Rasierklingen. Hoffentlich kommt auch dieses wertvolle Paket gut an. Gebt mir bitte die Nummern der angekommenen Pakete bzw. Päckchen an. Diese Sachen habe ich wieder von der Marketenderei gekauft.

 

Ferner hat es dabei Zigaretten (180 Stück) gegeben, die ich natürlich für mich behalten habe.

 

Die 12 Zigarillos kosten 2,40 RM
2 Päckchen Tabak 1,00 RM
10 Rasierklingen 1,00 RM
1 Tube Zahnpasta 0,70 RM
5,10 RM

 

Also unter uns ist das nicht teuer. Anbei schicke ich eine Luftfeldpostmarke und 2 Paketmarken.

Bei uns gibt es hier nichts Neues. Es geht alles seine alten, gewohnten Gang. Ein Tag wie er andere.

 

Es grüßt Euch herzlich 

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

09.05.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 09.05.43

 

Liebe Eltern!

Habe heute euren Brief vom 28.4. erhalten. Wofür meine allerbesten Dank. Besonders für die Geburtstagsgrüße.

Mit Geschenke machen, dürft Ihr euch keine Gedanken machen. Wir sind schließlich im 4. Kriegsjahr und man kann nicht mehr wie man gern möchte.

 

Mama wünsche ich nochmals zu ihrem Ehrentag alles Gute. Schicken kann auch ihr ich im Augenblick nichts. 

Hier bei uns ist noch alles in Ordnung. Nur viel Arbeit.

 

Es grüßt euch herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

18.05.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 18.05.43

 

Liebe Eltern!

Habe gestern Euer Päckchen vom 3. d.M. erhalten, wofür meine allerbesten Dank. Das Paket ist sehr gut angekommen. Einmal Pudding habe ich mir davon schon gekocht. Er war sehr gut.

 

Wir machen jetzt alle eine Kur gegen Malaria. Pro Tag eine Tablette ALTROPIN. Die Kur dauert 6 Wochen. 

Ferner wurden wir zwei mal geimpft. Und zwar gegen Typhus und gegen Cholera.

Sonst weiß ich im Augenblick nichts Neues um zu berichten.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

23.05.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 23.05.43

 

Liebe Eltern!

Habe Euren Brief vom 11.5. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Besonders für die Geburtstagsgrüße. Das Paket ist ja rechtzeitig angekommen. Meinen besten Dank. 

 

Den Geburtstag haben wir hier auf der Stube am Abend mit 10 Mann sehr gut verbracht. Ich habe am Nachmittag dienstfrei gehabt. Habe vom Ingenieur eine Flasche Weinbrand bekommen. Ferner gab es an diesem Tag gerade Marketenderware. Genügend Saufwaren (wenige haben auch etwas abbekommen). Ferner bekam ich auch 2 Flaschen Schnaps zusätzlich. Wie dann gefeiert wurde bis 24 Uhr, könnt Ihr euch ja denken.

 

Liebe Eltern!

Jetzt haben wir zur Zeit auf Arbeit etwas Ruhe. Wir haben dafür drei freie Tage zur Erholung und Ausspannung bekommen. Tage der Ruhe. Dienstfrei! Dazu gibt es auch eine Sonderverpflegung. Das, was es sonst in 10 Tagen an Verpflegung gab, gibt es in diesen 3 Tagen. Morgens kann jeder so lange schlafen, wie er will. Mittags fahren Wagen nach Stalino.

 

Zunächst haben wir die Stadt besichtigt. Die Stadt ist überhaupt nicht zerstört. Hier spürt man nichts vom Krieg. Nur das einzige ist, dass jetzt Militär zu sehen ist. Die Stadt zählte im Frieden ca. 750 Tausend Einwohner. Auch jetzt ist noch sehr sehr viel Zivilbevölkerung da. Außerhalb der Stadt befinden sich die großen Fabriken und Zechen (Kohlebergwerke). Rüstungsbetriebe - wofür noch. Und überall wird feste gearbeitet. 

 

Wenn man durch die Straßen von Stalino geht, fühlt man sich fast nicht mehr in Russland. Man könnte annehmen, man sei in einer westlichen Stadt, vielleicht wie in Frankreich. Die Stadt ist überhaupt nach westländischem Muster gebaut. Jetzt fahren wieder Straßenbahn und Trollibus (Elektrischer Autobus). Die Straßenbahn allerdings etwas veraltet, dagegen die Trollibusse neu, aus Deutschland sehr wahrscheinlich.

 

Man kann in Gastwirtschaften gehen, allerdings sehr teuer. Ferner sind hier für Soldaten 3 Kinos, eine "Bunte Bühne", ein Theater und eine Oper. Außerdem schöne große Anlagen, mitten in der Stadt. Am ersten Tag war ich mit ein paar Kameraden erst im Soldatenheim, dort spielte eine Kapelle und ein Ballett machte Vorführungen. Am Abend waren wir in der "Bunten Bühne". Es spielte eine K.D.F.-Gruppe. Es war sehr schön. Es wurde gespielt "Zigeunerliebe" von Franz Lehar.

 

Am nächsten Abend war ich in der Oper, und zwar wurde der "Zigeunerbaron" von Johann Strauss gespielt. Ich war sehr überrascht über die wunderbare Ausstattung der Bühne und die schönen prunkvollen Kostüme. Auch das Gebäude ist innen, wie auch alle Nebenräume gut und prunkvoll ausgebaut. Die Bühne ist sehr groß und drehbar. Das Theater wird schätzungsweise 2000 - 2500 Besucher aufnehmen.

 

 

Nun zum Stück: Die Darsteller - , Sänger und Sängerinnen, Chöre und Kapellen spielten sehr sehr gut. Nur eines ist schade, dass fast alles in ukrainischer Sprache gesprochen und gesungen wird. Das Theater mitsamt Ausstattung und Künstlern kann sich mit den meisten Theatern in Deutschland bestimmt messen.

 

Heute bekam ich einen Brief aus Herne von Gottschlich. Er hat Urlaub. Glück gehabt. Bei uns sieht es noch nicht so gut aus. 

 

Heute am dritten Tag findet zum Abschluss noch ein großer Kameradschaftsabend von unserer Abteilung statt. Es werden von uns zunächst Vorträge sein. Aber dazu kommt noch eine K. D. F.-Gruppe. 

Per Mann sind bereitgestellt: 3 l Bier und je 2 Mann eine Flasche Schnaps. Es wird wieder ein toller Abend. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

Anbei eine Luftfeldpostbriefmarke.

 

 

 

 

Die Maschinen wurden teilweise in der Halle, aber auch unter freiem Himmel gewartet und repariert.

 

Auf den Bildern sind Arbeiten an Stukas zu sehen, die in den vordersten Kampflinien eine sehr große Rolle spielten.

 

Die Arbeiten waren richtige Knochenarbeiten, denn oft standen kaum Hebezeuge zur Verfügung und ein Motorwechsel war schon eine kräftezehrende Angelegenheit.

 

 

Stalino

Donezk

 

 

28.05.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 28.05.43

 

Liebe Eltern!

Habe heute Euren Brief Nr. 48 vom 21. d.M. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Es freut mich, dass bis jetzt alle Päckchen, wie auch das Geld, alles gut angekommen ist. Ich hoffe, dass Papa das Geld gut und vor allem sicher angelegt hat. Das müsst Ihr ja am besten selber wissen, denn Ihr habt ja vom letzten Krieg genug Erfahrung. 

 

Dass ich den Brief an Onkel Fritz an euch geschickt habe, ist ein Versehen meinerseits, was ich mir nicht ganz erklären kann. Dieser Brief wurde von einem Urlauber mitgenommen, der aus Kassel ist und durch die Katastrophe der Edertalsperre fast alles verloren hat. Er ist verheiratet. Der Betreffende liegt bei mir auf der Stube. Wenn eine derartige Katastrophe oder etwas Ähnliches einmal zuhause vorkommen sollte, was ich ja nicht hoffe, und ich nach hause kommen soll, so müsst Ihr Euch dies von der Partei und Polizei und einer Behörde bestätigen lassen.

 

Mit den Rauchwaren zuhause steht es ja sehr schlecht. Da ich werde auch immer von Zeit zu Zeit etwas schicken, soweit es in meine Kräften steht.

 

Mit Urlaub steht es noch immer bei uns sehr schlecht. Wenn ich auf Urlaub einmal komme, kann ich überhaupt nicht sagen. Bei uns ist noch alles beim alten. Mit Arbeit geht es. Wir haben zwar zur Zeit laufend Arbeit. Aber so, dass man es ertragen kann. Damit für heute genug.

 

Ich hoffe, dass zuhause alles gesund, wie auch ich bin, ist.

 

Es grüßt euch herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

01.06.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 1.6.43

 

Liebe Eltern!

Gestern erhielt ich Euer Päckchen Nr. 65 vom 20.5., wofür meinen allerbesten Dank. Es kam sehr gut an. Für alles gute Verwendung, bzw. gut geschmeckt.

 

Liebe Eltern,

gestern habe ich meinen ersten Werkstattflug mit einer HE 111 gemacht. Besatzung war ein Flugzeugführer-Oberleutnant, ein Prüfmeister von uns und ich. Es war ein Höhenflug. Wir flogen sofort auf 3500 m. Dort oben wurde die Maschine auf alles geprüft. Steile Messerflüge, Sturz, Abfangen, wieder schneller steigen und zum Abschluss stürzten wir auf ein Haus zu. Erst dicht über dem Boden riss er die Maschine hoch und ging im Tiefflug über ein Wald- und Wiesenstück weg. Dann eine glatte Landung mit nur einem Motor. (einer stehenden Latte). 

 

Ein ganz toller Flieger! 

Der Flug dauerte eine gute Stunde. Mit gefiel es sehr gut und vor allem war es interessant. Erstens konnte ich einmal genau den Ausschlag der Instrumente beobachten. Zweitens konnte ich mir von oben die Stadt und die weitere Umgebung ersehen. Es war sehr schön. Das Wetter war auch gut. Vor allem klar und mit ganz wenigen Wolken. 

 

Ein schönes Bild ist das, wenn man über den Wolken ist und sieht tief unten die Landschaft. Das Fliegen an und für sich ist in einer solchen Maschine überhaupt nicht gefährlich. Besonders auch, wenn ein guter bewährter Pilot mit Deutschem Kreuz am Steuer sitzt. Wie überhaupt es alle sind, die Maschinen einfliegen. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch herzlich

Euer Walter

 

 

 

 

 

HE 111

 

 

 

 

Stalino

Donezk

 

 

05.06.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 05.06.43

 

Liebe Eltern!

Habe Euren Brief Nr. 49 vom 28.5. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Dass das wertvolle Paket Nr. 12 gut angekommen ist, freut mich sehr. Dass derartige Sachen zuhause sehr knapp sind, glaube ich gern.

 

Bei uns hat die Arbeit wieder derart zugenommen, dass man einfach nicht weiß, wo man anfangen soll. Das noch auf allen Gebieten. Wir arbeiten jetzt pro Tag 12 Stunden. Sonst geht es im allgemeinen. An die Sonne gewöhnt man sich. Auch die Fliegerangriffe haben nachgelassen. Damit genug für heute. 

 

Ich wünsche euch noch recht frohe Pfingsten.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

09.06.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 09.06.43

 

Liebe Eltern!

Da ich heute mal wieder meinen dienstfreien Tag habe, möchte ich Euch auch ein paar Zeilen schreiben. Dienstfreien Tag habe ich bekommen mit noch 2 Kameraden zusammen, als Belohnung für geleistete Arbeit. Wir haben bei dem starken Arbeitsanfall eine Reihe von Maschinen sehr schnell wieder einsatzklar gemacht. Es war dies nicht gerade immer leicht, aber wenn man stärker dafür entsprechend belohnt wird, freut es einem doch.

 

Nun zu Euch. Hat Papa immer noch so viel zu tun? 

Wie steht es mit Fliegerangriffen und was ist zuhause beschädigt? Hoffentlich bleibt unser Haus heil.

 

Anbei noch 4 Luftfeldpostmarken und 2 Paketmarken.

 

Heute erhielt ich noch einen Brief (Nr. 50 vom 1.6.) von Euch. Meinen besten Dank. Ihr fragt an, wie weit unser Platz von der Stadt entfernt ist. Es sind ca. 12 km.

 

Dass ich die 100 RM geschickt habe, bereue ich keinesfalls. Denn wenn ich Geld wegschicke, so habe ich immer noch genug Geld für mich. Karlheinz habe ich bis jetzt nicht getroffen. Wie soll auch dies geschehen? Es besteht nur die Möglichkeit, dass er nie wieder von Haus und Basis einmal den Platz und besonders unsren großen Hangar besichtigt. 

 

Dass es mit der Kirschenernte schlecht steht, bedauere ich sehr. Hoffentlich steht es mit dem anderen Obst besser. Du schreibst vom Urlaub. Viel Glück. Hoffentlich erholst Du Dich gut. Bei uns steht es damit immer noch schlecht. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Stalino

Donezk

 

 

 

15.06.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Breslau

 

Russland, 15.06.43

 

Liebe Eltern!

 

Habe heute euer Paket mit Kuchen usw. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Dass die Bilder von den beiden Filmen zum größten Teil gut sind, freut mich. Zumal wertvolle Aufnahmen dabei sind. Außerdem 2 Aufnahmen von unserem Feldwebel Wedler, der hier am 10.2. gefallen ist. Das sind die letzten Aufnahmen von ihm. Ich habe hier zwar noch 2 Filme, aber wenn Du noch welche bekommen kannst, dann kaufe diese.

 

 

Pfingsten haben wir gut verbracht. Sonst gibt es nichts neues.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Auf

Heimaturlaub

 

 

12.07.1943 Brief von H. Puth, Warschau C1 an Walter Michel

 

Warschau, den 12.7.43

 

Lieber Walter,

Für Deine Zeilen vom 9.7. besten Dank. Wie ich daraus ersehe, war Dir das Glück hold und hast Du Urlaub bekommen. Nach 13 Monaten hat man es auch verdient.

 

Wir sind hier nach Warschau gekommen, um nochmals einen 28-tätigen Lehrgang mitzunehmen. Hier sollen wir nochmals, bzw. bekommen wir nochmals eine Geländeausbildung sowohl im Fahren als auch infanteristisch. Ferner haben wir noch Unterricht und Störungssuchen am Kraftfahrzeug. Das Gelände ist hier dem Osten angepasst, sodass es nicht so einfach ist, hier zu fahren ( Sand, Schlamm, schlechte Straße u.s.w.) . Man wird also wie Du hieraus ersiehst, für den Osten vorbereitet.

Bis jetzt sind wir hierher kommandiert worden und wir sollen dann wieder nach Berlin zurückkommen, um dann von da aus versetzt zu werden. Das wäre fein. Aber ich glaube nicht daran. Von hier ist es doch näher nach dem Osten. Ja, es sind noch 20 Tage jetzt und dann werden wir es ja sehen, wie alles kommt.

 

Sonst gibt es hier nichts neues. Für heute nun genug.

Ich wünsche dir recht viel Spaß in Deinem Urlaub und hoffe bald wieder etwas von Dir zu hören.

 

Es grüßt Dich recht herzlich sowie Deine Eltern

Dein Freund Hermann

 

Was macht eigentlich Karlheinz? Habe ihm vor 14 Tagen geschrieben, aber noch keine Post von ihm bekommen.

 

 

Verlegung

nach

Smolensk

Weißrussland

 

 

30.07.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 30.07.43

 

Liebe Eltern!

Heute am Freitag bin ich bei meiner Einheit eingetroffen. Die Stadt ist wie Frau K. meinte. Es war eine tolle Fahrerei. Ich fuhr bis Kaschau, dort traf ich einen Uffz. von uns. Dieser kam von der Grenze und wusste über Fahrtstrecke und Ziel genau bescheid. Wir fuhren dann zusammen weiter nach Warschau, dann Brest-Lit., Minsk, Zielstadt (Smolensk)

Aus diesem Grunde bin ich sehr schnell hier gewesen.

Die Fahrt ging immer sehr gut und flott, bis auf eins, das sehr traurig ist. Mir wurde im Fronturlauberzug hinter Brest mein Foto gestohlen. Alles Suchen und Aufspüren blieb erfolglos. Er ist weg.

 

Wir wohnen hier mitten in der Stadt in einer Baracke, die weiteren Züge außerhalb. Haufen Arbeit ist auch hier. Wir sind nämlich hier nur zur Aufrüstung. An Fugzeugen wird nicht gearbeitet. Wir überholen unsere Fahrzeuge gründlich. Und wenn dies fertig ist, geht es weiter. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

Anbei 2 Luftfeldpostmarken

 

 

bei

Smolensk

Weißrussland

 

 

09.08.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 09.08.43

 

Liebe Eltern!

Nachdem ich in "S" 5 Tage war, verlegte ich mit meinem Zug nach vorn. Wir jetzt 70 km nordöstlich auf einem Feldflugplatz. Wohnen in Russenhäusern. Arbeiten unter freiem Himmel. Es ist wieder ein neues Gebiet. Wieder müssen wir uns umstellen, neu hinzu gekommen sind FW Jäger. Diese sind sehr gut. Vor allem die Piloten.

 

Täglich werden viele Russen abgeschossen. Schon in der ersten halben Stunde, als wir hier waren, kamen 13 Russen. Aber sofort starteten die Jäger und schon 7 - 8 Minuten später hatten sie 11 Maschinen abgeschossen. Es ist schön und sehr spannend, wenn man den Iwan kommen sieht und wie er abgeschossen wird. Ja, dies geht alles sehr rasch.

 

Die Hauptkampflinie ist ca. 8-10 km entfernt. Den ganzen Tag über hört man die Artillerie schießen. Damit genug für heute.

Wir haben noch kein Licht und ich sehe bald nichts mehr. Das übrige werde ich morgen berichten.

 

Es grüßt euch herzlich

Euer Walter

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

14.08.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 14.08.43

 

Liebe Eltern!

Etwas ganz besonderes ist vorgekommen. Und zwar sind heute die beiden Weihnachtspäckchen (v. 8.12.42 und 28.12.42) angekommen. Kleines ist sehr gut, unversehrt angelangt. Aber das 2. große ist kaputt und vielleicht aufgebrochen worden. Denn der Stollen ist unversehrt, gut und noch genießbar angekommen ( nur sehr hart, trocken, schmeckt aber noch). Aber Begleitschreiben, Füllfederhalter u.s.w. fehlen. Schade. Meinen besten Dank. Es war für den Zug ein großer Sack Weihnachtspost da. Auch hatte ich noch 4 Briefe. Unter anderem einen von Ewald. Ferner ist heute auch der Luftfeldpostbrief vom 7.8.43 angekommen. Vielen Dank.

 

Einen Bericht über S. kann ich heute nicht geben, da ich zu müde bin., denn wir arbeiten von morgens 4 Uhr bis abends 20 Uhr. Den Namen des Mittels gegen Halsschmerzen kann ich Euch nicht mitteilen, da ich alles noch nicht angepackt habe, da wir bald wieder verlegen müssen.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

19.08.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 19.08.43

 

Liebe Eltern!

Heute erhielt ich Euren Brief vom 14. d.M. . Meinen allerbesten Dank. Eure Vermutung über Verlegung stimmt. Das habe ich Euch ja schon im letzten Brief geschrieben. Wir sind jetzt in der Nähe von Hagenow (ca. 20 km entfernt) . An der Front sind sehr schwere Kämpfe. Gestern haben wir vom Platz aus einen Angriff unserer Stukas mitangesehen. Man konnte sehr gut die Einschläge mitbekommen. Es war auf ganz kurzem Abschnitt Einschlag auf Einschlag. Ca. 50 Maschinen waren daran beteiligt. Auf unserem Platz haben wir auf keinen Angriff gesetzt. Wir können in aller Ruhe arbeiten.

 

Über Nix und Kopp zur Kenntnis genommen. Immer noch besser als in russischer Gefangenschaft.

Schlechtes Wetter haben wir. kalt, Regen. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

 

29.08.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 29.08.43

 

Liebe Eltern!

Wir haben heute wieder verlegt und zwar wieder zurück auf S. Was hier werden soll, ist bis zur Stunde unbekannt. Man hofft, dass wieder die ganze Abteilung verlegt. Wollen wir abwarten.

 

Euren Brief vom 22.8. habe ich kurz vor unserer Abfahrt erhalten. Meinen allerbesten Dank. Aber ich bin der Meinung, dass Eure Besorgnis um mich etwas übertrieben ist. Daß Ihr Euch bei Frau K. erkundigt habt, habe ich vom Zugführer erfahren. Frau Ewald soll es bloß nicht zu sehr übertreiben. Lasst Euch nur nicht auch noch verrückt machen. Was wollen wir denn sagen. Von dem Platz aus, auf dem wir waren, konnte man Tag und Nacht die Ari hören, oft sehr nahe.

 

Mein schlechtes Papier und meine schlechte Schrift bitte ich zu entschuldigen. Wir sind nur notdürftig untergebracht. Ich habe daher auch nichts ausgepackt. Auf der Stube sind nur 70 Mann. Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch sehr herzlich

Euer Walter

 

Anbei 4 Luftfeldpostbriefmarken und 2 Paketmarken

 

 

 

Im Zeitraum von September bis Dezember 1943 lief die russische Offensive auf vollen Touren. Im Mittelabschnitt wurde heftigst gekämpft und im Dezember wurde Smolensk von den Russen endgültig eingenommen. Zwar rochierte die Feldwerft einige Male zwischen Minsk und Smolensk hin und her, Ende November 1943 wurde sie nach Minsk zurückverlegt. Die rote Linie zeigt die von Russland diktierten Frontverläufe. Erstaunlicherweise hielt die Front um Leningrad. Die Stadt war über 900 Tage belagert.

 

 

 

 

Smolensk heute

Bericht von Kriegberichter Bernd E.H. Overhues

(Originaltext "Die Wehrmacht")

 

Als wir im Rundfunk die Sondermeldungen von der Beendigung der Schlacht im Raume von Smolensk hören,  sind wir - es ist der 6. August - wieder bei der motorisierten Infanterie-Division, mit der wir am 16. Juli in Smolensk eindrangen. Die Aufklärungsabteilung dieser Division hatte am äußersten südöstlichen Rande dieses vielgenannten Kessels ihren Gefechtsstand bezogen. Sechs Sicherungen hielten an diesem Kesselabschnitt den Ring um den eingeschlossenen Feind. Sie wehrten Tag und Nacht die ununterbrochenen Ausbruchs- versuche der Bolschewisten in diesem Kampfabschnitt erfolgreich ab und machten täglich mehr und mehr Gefangene. Die Kämpfe im Kessel von Smolensk sind zum Abschluß gekommen. Sie waren hart, verbissen und blutig. Blutig vor allem für die Sowjets. Doch zeigen auch die frischen Gräber mit dem Kreuz und dem grauen Stahlhelm, wo so mancher tapfere deutsche Soldat den ewigen Schlaf in russischer Erde schläft. 

 

Als der Ring um die feindlichen Divisionen im Raume von Smolensk geschlossen war, setzte die Sowjetführung alles auf eine Karte, um die Umklammerung zu durchbrechen. Verbissen spielte sie diese Karte aus. Die brutalsten Methoden ihrer politischen Kommissare taten das übrige. War der Sowjetsoldat schon wankelmütig oder im Feuer unserer Maschinengewehre mürbe geworden, dann zwangen ihn die Kommissare zu hoffnungslosem Ansturm. Als wir zum ersten Male davon hörten, die Besatzungen sowjetischer Panzerkampfwagen würden vor dem Angriff von ihren Kommissaren eingeschlossen, hielten wir das für eine Legende. Im Kessel von Smolensk haben wir dann solche Panzer, die nur von außen zu verschließen sind, selbst gesehen. Diese Panzer versuchten vergeblich, aus den unmöglichsten Situationen heraus, ihrem Schicksal zu entgehen. 

 

 

Russische Truppen, die sich ergeben hatten

 

Drei Wochen lang wiederholte der Gegner an den verschiedensten Punkten seine Durchbruchsversuche. Es blieb alles vergebens. Die deutsche Zange hatte zu fest zugepackt. Sturzkampf-, Kampf- und Zerstörerflugzeuge, Artillerie und Infanterie verengten den Raum der in der Falle sitzenden Bolschewiken von Tag zu Tag mehr. Dann kam die Stunde, da der Feind nicht mehr aus noch ein noch aus wußte. Seine Kolonnen fuhren plan- und ziellos von rechts nach links, von Nord nach Süd, auseinander und durcheinander. In dieses Chaos warfen unsere Bomber ihre todbringende Last, dazwischen krepierten die Granaten unserer Artilleriegeschütze. 

 

 

Ein Wirrwarr von Kriegmaterial, das unbrauchbar war

 

Der Kommandeur der Aufklärungsabteilung, dessen Männer einen Teil des Kesselrandes zu halten hatten, führt uns zu seinen tapferen Soldaten, die in Badehosen am Ufer des Dnjepr die letzten Tage des russischen Hochsommers nach all den Strapazen in vollen Zügen auskosten wollen. Der Kommandeur und seine Männer waren auch bei Dünkirchen dabei. Ein z e h n f a c h e s Dünkirchen, hören wir, bedeute diese Vernichtung, diese Zahl an Gefangenen, erbeuteten Fahrzeugen, Geschützen, Panzern, Fähren, Wagen und überhaupt an all dem, womit keine Divisionen, womit, ganze Armeen ausgerüstet sind.

 

Im Kampf um Smolensk 

kamen auch Frauenbataillone zum Einsatz

 

 

 

links Gefangene mit ihrem Kommandeur, 

die von einem deutschen Fahrer 

ins Gefangenenlager abtransportiert wurden

 

 

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

 

05.09.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 05.09.43

 

Liebe Eltern!

Wir haben wieder einmal verlegt und zwar von S. wieder 70 km südlich. Auf einen großen Flugplatz. Hier haben wir wieder sehr viel Arbeit. Alle Sorten von Maschinen. Wir haben hier wieder wie in Stalino eine große Halle. Untergebracht sind wir in einer Baracke. Alle Mann in einem Raum.

 

Liebe Eltern, ich wollte zwar schon früher schreiben, aber ich wartete auf Post von Euch, aber es kam keine. Aus diesem Grund bitte ich das Ausbleiben der Post zu entschuldigen . Im übrigen weiß ich nicht, was ich schreiben soll. Hier wird es bereits kalt. Wenn man morgens aufsteht, ist es weiß (Rauhreif). Damit genug für heute.

 

Heute habe ich 100 RM abgeschickt. Mir geht es gut, was ich von Euch auch hoffe.

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

P.S. Liebe Eltern, heute am Sonntag haben wir ein wunderbares Mittagessen gehabt. Und zwar Hase, Salzkartoffeln und Kompott.

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

08.09.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 08.09.43

 

Liebe Eltern! 

Habe Euren Brief vom 29.8. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. 

 

Über die Kämpfe kann ich nicht viel berichten, denke, Ihr wisst ja besser darüber Bescheid, wie wir. 

 

Damit Papa nicht den ganzen d. Tabak von Mama verbraucht, habe ich ein Päckchen Tabak und ca. 10 Stumpen geschickt. (6.9.) . Lass ihn Dir gut schmecken. Leider kann ich dir im Augenblick nicht mehr schicken, denn bei uns sieht es damit auch schlecht aus. 

 

Nun seid bitte nicht beunruhigt zuhause, wenn Ihr einige Tage keine Post bekommt, denn wir werden bald wieder verlegen. 

Damit für heute genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

14.09.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 14.09.43

 

Liebe Eltern! 

Habe gestern Euren Brief vom 7. d,M. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. 

 

Wir sind wieder nach S. zurück verlegt. Jetzt haben wir hier die Werft. Unsere Unterkunft ist unmittelbar dabei. Die Unterkunft ist gut. Fester Steinbau. Aber, wie lange werden wir hier wieder bleiben? 

 

Wir haben am Freitag verlegt und ich fuhr am Sonnabend wieder als Beifahrer im Büssing 4 Tage weg, um Teile von einem andern Flugplatz zu holen, der geräumt wird. Es war ca. 160 km südlich, aber gute Straßen.

 

Dass mich mein Ing. besucht hat, wundert mich sehr. Nun seid Ihr ja über alles im genauesten informiert. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch sehr herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

18.09.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 18.09.43

 

Liebe Eltern! 

Habe heute Euren Brief Nr. 6 vom 14.9. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. So muss es mit der Post jetzt auch nach meiner Ansicht klappen.

 

Ja, von Stalino wird nicht mehr viel stehen. Die Stadt ist heute bestimmt nur noch ein Trümmerfeld. Denn da wo wir planmäßig zurückgehen, steht nichts mehr. Nicht einmal ein einzelnes Haus. Nichts wie Schutt findet man mehr. Nur ödes totes Land, das dem Feind auch gar nichts nützen kann. 

 

Über die Verhältnisse in Italien sind wir im genauesten orientiert.

 

Die doch noch verhältnismäßig gute Birnenernte freut mich. Nur bisher habe ich nichts davon. Zum Schluss möchte ich noch Papa recht herzlich zu seinem Geburtstag gratulieren und ihm für die kommende Zeit alles Gute wünschen.

 

Auch habe ich ihm zu seinem Geburtstag ein Paket geschickt. Nur leider etwas zu früh. Aber Du wirst es auch so noch gern entgegen nehmen. (10 Zigarillos, 1 Paket Tabak, 15 Zigarren, 3 Tuben Zahnpasta). Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch sehr herzlich 

Euer Walter.

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

02.10.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 02.10.43

 

Liebe Eltern! 

Habe Euch heute ein Paket (Nr. 4) geschickt. Es betrifft in der Hauptsache Papa. Und zwar ist der Inhalt: 6 Päckchen Tabak, 10 Zigarillos und 4 Tuben Zahnpasta. Ich bitte nur hierzu Mama, mir 2 Päckchen für den kommenden Urlaub und für schlechte Zeiten aufzuheben. Ich hoffe, dass Papa hiermit wieder eine Zeit lang auskommt.

 

Wir haben jetzt nochmals reichlich Kaufwaren zu kaufen bekommen, da in Smolensk die Lager geräumt werden mussten. Ich werde euch in nächster Zeit wieder ein Paket schicken. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

15.10.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 15.10.43

 

Liebe Eltern! 

Gestern habe ich Eure beiden Karten vom 5. u. 7.10. und heute Euren Brief Nr. 11 vom 7.10. erhalten, wofür meine besten Dank.

Es freut mich, dass Euch und unserem Haus nichts passiert ist. Ich hatte die ganze Zeit schwere Befürchtungen. Hoffentlich folgen nicht noch mehrere Luftangriffe.

 

Dass die Kaufwaren gut angekommen sind, freut mich. Aber warum schreibt Ihr nicht die Nummer und das Datum dabei? 

Nun hat Karlheinz glücklich Urlaub bekommen. 

Habe die beiden .... erhalten. Zum Abschluss möchte ich Mama noch zum kommenden Geburtstag gratulieren und alles Gute wünschen.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

20.10.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 20.10.43

 

Liebe Eltern! 

Habe heute Euren Brief vom 12.10. erhalten, wofür meine recht herzlichen Dank.

 

Der Angriff auf Frankfurt ist sehr bedauerlich. Das was Du schreibst vom Osturlauber, mag schon stimmen. Wir sind ja auch froh, dass der Iwan nicht so gut wirft wie der Tommy.

 

Habe Euch heute ein Paket mit 3 Päckchen Tabak und etwas Seife geschickt. Ich bitte Euch, mir einige Hosenträger zu schicken (mit Bändern).

 

Gotschlich ist zur Zeit in Deutschland in einem Lazarett. Er wird an einem Bruch operiert.

Adresse: Rus. Laz. Bad ........... Teil Laz. Hauensburg/ K……. Zimmer 23

 

Macht bitte Alfred eine Freude durch Brief und vielleicht mit Obst u. etwas Saft, denn ich habe erst von ihm Kaufwaren bekommen. So z.B. habe ich heute ein Paket von ihm bekommen mit 600 Zigaretten. Ich werde Dir natürlich beizeiten etwas schicken. Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

24.10.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 24.10.43

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Eure beiden Päckchen Nr. 3 u. 4 vom 6.10. u. 30.9., sie sind beide sehr gut angekommen. Meinen allerbesten Dank dafür.

Ich habe heute 2 Päckchen an Papa abgeschickt. Im Päckchen Nr, 7 sind 60 Zigaretten enthalten. Im Päckchen Nr. 8 sind 200 Zigaretten und ca. 10-12 Zigarren. Ich bitte Euch darum, mir 100 Stück davon zurück zu behalten. Ferner habe ich am 20.10. ein Päckchen (Nr.6) mit 100 Zigaretten abgeschickt.

 

Ich hoffe dass Dir diese Kaufwarensendungen über eine Zeit hinweghelfen werden. 

Hier ist noch alles beim alten und in bester Ordnung, was ich von Euch auch hoffe. 

Anbei 4 Luftfeldpostmarken und 2 Paketmarken.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

27.10.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 27.10.43

 

Liebe Eltern!

Heute erhielt ich Euren Brief vom 17. d.M. Meinen allerbesten Dank dafür.

 

Nun die Antwort auf Deine Fragen im Brief Nr. 13: Die zwei Winkel sind natürlich für mich, da ich sehr stark mit Beförderung am 1.11. oder 9.11. rechne. Die übrigen sind für Kameraden. Man bekommt nicht überall solche Sachen zu kaufen.

 

Zu dem Fliegerangriff auf Frankfurt kann ich nicht viel sagen. Aber ich kann mir ungefähr vorstellen, wie es dort aussieht. Na, ich werde es mir im nächsten Urlaub ansehen. Mit Drescher, das kann ich eigentlich weniger verstehen, denn als Mann darf man doch nicht gleich den Kopf verlieren. Dass ihr jetzt sehr lange arbeiten müsst, kann ich mir denken. Aber auch dieses ist nur vorübergehend.

 

Bei uns ist es im Augenblick ruhig mit Arbeit und Fliegerangriffen. Aber ich glaube, dies ist nur die Ruhe vor dem Sturm. 

Damit genug für heute.

 

Ich hoffe, dass ihr beide Mamas Geburtstag gut verlebt und auch gefeiert habt.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und hofft, dass Ihr splitterfreie Nächte habt und gesund und munter seid 

Euer Walter

 

 

 

Die Vielfalt der Maschinen war groß

und es benötigte schon sehr großer Erfahrung

  

 

 

bei

Smolensk

Russland

 

 

 

31.10.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 31.10.43

 

Liebe Eltern!

Heute erhielt ich Euren Brief Nr. 14 vom 20.10., wofür meinen herzlichsten Dank.

 

Zu Eurer Frage, ob wir im nächsten Winter im Einsatz sind oder ob ich zu einem anderen Truppenteil versetzt werde, möchte ich Euch antworten. Im Winter werden wir nach wie vor im Einsatz bleiben. Aber es besteht immerhin die Möglichkeit, dass wir bei genug kritischer Lage, wie es oft hier zur Zeit ist, einmal im Erdkampf eingesetzt werden.

 

Zur zweiten Frage "besteht die Möglichkeit, dass ich versetzt werde":

Und zwar habe ich mich mit 12 Mann zusammen zum fliegenden Personal gemeldet.

Diesem meinem Entschluss liegen verschieden Gründe vor.

 

1. besteht hier überhaupt keine Beförderungsmöglichkeit. Was Dir in dieser Hinsicht Ing. K. erzählt hat, ist mir unerklärlich. Wenn wirklich mal einer zum Uffz.-Lg. geschickt wird, dann hat er mindestens 3 - 4 Dienstjahre. Und dazu muss man noch ein ¼ jährige Frontbewährung machen (in der HKL).

 

2. Wird bei uns, gegen andere Einheiten, die Arbeit überhaupt nicht anerkannt. Man arbeitet von morgens bis abends und dann wird man auch noch angeschissen. Zur Zeit hat Gottschlich mit 3 Kameraden, die zusammen mit in Wiesbaden waren, am 1.9. das K.V.K. II. Klasse bekommen. Außerdem wurden sie planmäßig zu Obergefreiten befördert. Und bei uns haben jetzt diese Auszeichnung noch 7 Mann, obwohl alle schon über 2 Jahre hier draußen im Einsatz sind.

 

3. Wird bei uns alle Schlag der Einheitsführer gewechselt, könnt Ihr Euch auch denken.

 

4. Dauert der Krieg bestimmt noch eine ganze Zeit und ich möchte nicht ewig diese Arbeit machen.

 

Aus diesen Gründen werdet Ihr mein Melden zum Fliegenden verstehen. Bis ich dies endgültig bin, dauert das auch eine Zeit. Ich muss zunächst nach Deutschland auf Schule. Die Ausbildung dauert ca. ein ¼ - ½ Jahr. Und bis wir hier wegkommen, wird noch eine Zeit dauern. Nun damit genug - abwarten!

 

Mit Heinz Willi Weil ist sehr bedauerlich. Aber, wo ist er gestorben?

 

Bei uns ist noch alles in Ordnung, hoffentlich bei euch auch.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

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02.11.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 02.11.43

 

Liebe Eltern!

Habe heute Euren Brief Nr. 15 vom 25.10. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Es freut mich, dass das Paket mit den Kaufsachen gut angekommen ist.

 

Was habt Ihr nur für eine Angst vor der L-Feldeinheit. Diese befindet sich doch in der Auflösung. Und ein dortiger Einsatz kommt nur in den äußersten Fällen vor.

 

Schicke Euch hiermit 20 RM mit. Werde Hampel noch etwas mitgeben. Aber allzu viel kann ich im Augenblick nicht abtreten, da ich durch die größeren Marketenderwaren sehr geschröpft bin.

 

Der wiederholte Angriff auf Frankfurt ist sehr bedauerlich. Aber ich hoffe, in Aussicht der neuen Waffen der Luftwaffe, dass dem Engländer bald das Gehirn ausgebombt wird. Bei uns ist alles in Ordnung.

 

Walter Hampel fährt in den nächsten Tagen auf Urlaub. Dann werde ich ihm eine Kiste mit Zigarren und 100 Zigaretten mitgeben. Die Zigaretten gehen wieder halbe-halbe. Die Zigarren sind eigentlich für Weihnachten bestimmt.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

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05.11.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 05.11.43

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Euren Brief Nr. 16 vom 30.10. (abgest. 2.11.). Dass Papa sofort Alfred geschrieben hat, freut mich. Dass Ihr ihm nichts zukommen lassen könnt, ist sehr bedauerlich, aber nicht zu ändern.

 

Dass Du abends sehr fertig bist, kann ich mir lebhaft vorstellen. Dass die Kaufwarensendungen jetzt endlich eintreffen, freut mich. Solange ich über habe, werde ich Euch mit Kaufwaren versorgen. Beigefügt sind 4 Paketmarken. Aber ich weiß nicht, was Ihr mir schicken sollt. Möglichst ein Paar Äpfel. Wintersachen benötige ich keine, da ich hier genug bekomme. 

 

Hampel fährt hier voraussichtlich am 7.11. ab. Ich habe ihm außer den 41 Zigarren und 100 Zigaretten noch 30 Mark mir gegeben. Hier ist noch alles in Ordnung. Mit Arbeit geht es. Damit genug.

 

Es grüßt euch sehr herzlich 

Euer Walter

 

 

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06.11.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 06.11.43

 

Liebe Eltern!

Da morgen Walter Hampel in Urlaub fährt, muss ich euch kurz noch einige Zeilen schreiben und diesem mitgeben.

Euren Brief Nr. 16 habe ich gestern erhalten und im Brief Nr. 22 beantwortet.

 

Für Papa habe ich ihm 41 Zigarren und 50 + 50 = 100 Zigaretten mitgegeben. Die Zigaretten hatte ich eigentlich für Weihnachten bestimmt. Aber nun konnte ich sie gerade mitgeben. Und so soll es ein vernünftiges Weihnachtsgeschenk sein. Ferner habe ich 30 Mark mit beigelegt.

 

Was hier los ist und wie es mir geht, könnt Ihr am besten von ihm erfahren. Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

 

07.11.1943 Obgfr. M. Gottschlich, Petersberg

 

Lazarett Waldschlösschen, 07.11.1943

 

Liebe Familie Michel! 

Ihren Brief habe ich dankend gestern erhalten. Ja Sie werden erstaunt gewesen sein, wie Walter Ihnen meinen Lazarettaufenthalt mitteilte. Aber es ist nicht so schlimm, denn es war schon ein älteres Leiden, was sich nur in letzter Zeit arg verschlimmert hatte. Die Operation habe ich nun schon gut überstanden und darf schon wieder aufstehen, mache nun noch täglich zwei Liegekuren, da bei größeren Anstrengungen noch Schmerzen auftreten, aber sonst geht es mir schon wieder sehr gut. 

 

Habe auch schon das Lazarett wechseln müssen und liege jetzt im Lazarett unmittelbar im Rsgb. in dem wir aufstehen dürfen. Meinen Eltern und meiner Schwester geht es noch gut. Sie sind bis jetzt von größeren Fliegerschäden bewahrt worden. Ja, es ist ein furchtbares Kreuz, oftmals schlimmer als im Osten. Uns alle bewegt nur der eine Wunsch, dass es recht bald ein Ende nehme.

 

Sonst darf ich ja auch annehmen, dass es Ihnen noch gut geht, mit Walter stehe ich ja noch in laufendem Briefkontakt, ich bedauere nur immer wieder, dass man uns auseinandergerissen hat. Aber das mit dem Paket ist doch wirklich nicht nötig. Ich weiß sehr gut, wie wenig ein jeder jetzt hat. Ich hatte meinen Eltern auch gleich geschrieben, dass ich nichts brauche und dass ich sogar bei jeder Löhnung einige Kuchenmarken bekomme. Also Sie sehen, dass für den Soldaten schon gesorgt wird.

Nochmals für Ihren Brief besten Dank. 

 

Es grüßt sie vielmals

Alfred Gottschlich

 

 

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12.11.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 12.11.43

 

Liebe Eltern! 

Habe heute Euer Paket vom 26. d.M. Nr. 7 erhalten. Es ist sehr gut angekommen. Meinen allerbesten Dank.

Viel weiß ich nicht zu berichten. Wir haben zur Zeit sehr viel Arbeit. Die Lage ist sehr ernst. Wir werden wieder bald verlegen. Darum seid nicht beunruhigt, wenn Ihr mehrere Tage keine Post bekommt.

 

Wie ist es eigentlich? Ist der Verpflegungssatz erhöht worden? Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

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20.11.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 20.11.43

 

Liebe Eltern! 

Habe heute Euer Paket Nr. 8 vom 3. d.M. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Es kam sehr gut an. Die Handschuhe sind schön und gut. Die Äpfel schmecken gut und auch sehr. An Wintersachen benötige ich nichts.

 

Wir sind noch immer in W. , werden aber nicht sehr lange hier sein. Die meisten Maschinen sind schon weg. Wir haben fast überhaupt keine Arbeit. Mich haben sie jetzt zum ersten Wart vom Chef einer Maschine (Fieseler Storch) gemacht. Bin daher natürlich immer beschäftigt.

 

Mit Beförderung wird es möglicherweise erst am 1.12. etwas werden. Wir haben einen neuen Chef (Olt. Fähner) bekommen. Dieser konnte am 1.11. auch keine Beförderung aussprechen, da er noch keine 4 Wochen da war.

 

Was ist denn eigentlich los? Ich habe die letzten 14 Tage überhaupt keine Briefpost mehr bekommen. Geht die Post so schlecht? Oder schreibt Ihr nicht? Damit für heute genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht Euch alles Gute 

Euer Walter

 

 

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23.11.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 23.11.43

 

Liebe Eltern! 

Habe vorgestern Eure beiden Briefe Nr. 17 und 18 vom 8. und 14. d.M. erhalten. Ferner das Päckchen Nr. 9 vom 9. d.M. erhalten. Für alles meine allerbesten Dank.

 

Ich habe heute ein Paket für Weihnachten an Papa abgesandt. Es ist darin enthalten: 4 ½ Pakete Tabak (325 g, 225 g Krollschnitt, das übrige Feinschnitt), ca. 75 Zigaretten, 10 Zigarren und 4 Päckchen Zigarettenpapier.

 

Nun zur Beantwortung Eurer Schreiben: 

Ihr habt mein Schreiben vom 31.10. erhalten, ich bin über Eure Antwort erstaunt. Ob es mir gelingen wird, ist allerdings eine 2. Frage. Herr K. hat den Brief erhalten. Anmerken hat er sich noch nichts lassen.. Der Brief, den Papa geschrieben hat, ist richtig. Ganz nach meinem Wunsch. Damit genug. 

 

Anbei schicke ich Euch 6 Paketmarken.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

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26.11.1943 Fl.Ing.aK Clemens Kirschner Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Im Osten, 26.11,43

 

Sehr geehrter Herr Michel! 

 

Vor einigen Tagen erhielt ich Ihre Zeilen. Haben Sie Dank für die offene Berichterstattung.

 

Zunächst will ich Ihnen mitteilen, was Sie am meisten interessieren dürfte. Wenn die Männer, die sich freiwillig melden, abberufen werden, so haben wir keine Möglichkeit, die Männer zurück zu halten. Nach meiner Ansicht werden diese Männer auch irgendwie zum Einsatz kommen.

 

Wenn nun dieser oder jener entbehrlich ist, so hat er vielleicht Glück. Mich hat es geärgert, dass sich der ganze Verein während meiner Kommandierung meldete. Eine telefonische Rücksprache hätte über manches Klarheit gebracht. Die Beweggründe zur Meldung waren mir bekannt, auch um die Beseitigung dieser ungünstigen Umstände setze ich mich dauern ein. Teils mit mehr, teils mit weniger Erfolg. So hatte ich vor kurzem erreicht, dass sich jeder freiwillig zum Uffz.-Lehrgang melden könne. Das Ergebnis dieser freiwilligen Meldungen war erschütternd. Es meldete sich sage und schreibe ein (1) Mann.

 

Bei solchen Ergebnissen könnte man verzweifeln. Meine Behauptung war vorher, es würden sich mindestens 10 Mann melden. Zuvor hatte man mir immer die Ohren vorgeheult. Die Sache mit der Frontbewährung in der HKL stimmt nicht. Durch die gegebene Kriegslage hat man solche Lehrgänge vorübergehend eingesetzt, aber es ist nicht die Regel.

 

Leider glückte eine Kommandierung zum Wintersemester 1943 für Walter nicht mehr. Doch hätte ich ihn zum Wintersemester 1944 bestimmt frei bekommen. Ich würde lieber 10 Jahre Obergefreiter sein und könnte im Winter pausieren, als dass ich die Leiden ertragen würde. Mir sind heile Knochen lieber als große Kriegsauszeichnungen.

 

Letztenendes kommt es auf die Leistungen an. Mit Stolz kann ich behaupten, dass mein Zug einer der besten im Osten eingesetzten Züge ist. Nur wenige meiner Männer haben eine Kriegsauszeichnung! Der im Kampfe stehende Soldat kann seine Leistung augenfälliger nachweisen, als der Techniker, der still seine Pflicht tut. Mit seinen Leistungen macht man auch nicht gern Geschrei und Reklame machen, wir sollen kämpfen wenn es sein muss und ansonsten still und leise unsere Pflicht erfüllen, damit unsere Wehrmacht den Endsieg erringen kann.

 

Der letzte Abteilungsführerwechsel war für die ganze Abteilung nur ein Vorteil. Ein Wechsel ist für mich viel unangenehmer als für den einzelnen Mann. Es geht ja schlecht, an jeden Landser meine Sorgen mitzuteilen. Leider muss man bei einem Haufen von 70 bis 80 Mann immer mal mit dem Knüppel dazwischen schlagen. Mir wäre es viel lieber, es gäbe keine Drückeberger und jeder würde so arbeiten, wie es sich gehört. Dann könnte man manches überflüssiges Aufsichtpersonal einsparen. Es gibt eben im Leben nicht nur Engel. Ein Schlechter versaut mehr, als 10 Gute aufbauen können.

 

Im Radio hörte ich eben die erschütternde Nachricht von einem erneuten -angriff auf Frankfurt. Ich hoffe, Sie sind ohne Schaden zu nehmen mit dem Leben davon gekommen. Jetzt wartet man voll banger Sorgen auf die Post der Lieben. Möge bald die Vergeltung kommen, damit man die Heimat in Sicherheit weiß.

 

Im Glauben an den Endsieg grüße ich Sie auch und allerbester Dank nochmals für Ihre Zeilen.

 

Heil Hitler! 

Ihr Clemens Kirschner

 

 

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29.11.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 29.11.43

 

Liebe Eltern! 

Da ich wieder 7 Tage keine Post von Euch erhalten habe, musste ich schreiben. Die Postverbindung hier nach W. ist sehr schlecht. Für Papa habe ich am. 25.11. ein Päckchen mit 60 franz. Zigaretten und heute eines mit 14 französischen Zigaretten und 3 Zigarillos losgeschickt.

 

Mit unserer Verlegung zieht es sich noch einige Tage hin. Unser Stab und 2. Zug hat bereits verlegt. Unser Zug ist nur noch hier als Nachkommando. Viel haben wir nicht zu tun.

 

Die Wetterlage ist für die Jahreszeit noch gut. Bisher haben wir schon 15 - 20 cm Schnee, aber vom Winter abgesehen, ist es noch mild (0° bis - 2°). Ich habe durch den Rundfunk erfahren, dass wieder ein schwerer Angriff auf Frankfurt war. Was ist dort wieder passiert? Hoffentlich nichts bei Euch zu Hause! Damit Schluss für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

P.S. Karlheinz ist nur 14 km von uns entfernt. Leider können wir uns nicht treffen!

 

 

 

Smolensk wird geräumt - zurück bleiben zerstörte Häuser, 

Fabriken, Brücken, Eisenbahngleise und Rollbahnen

 

Die Taktik der "verbrannten Erde" wurde auf beiden Seiten angewandt, um den Gegner am schnellen Nachrücken zu hindern und ihm jede Unterkunftsmöglichkeit zu nehmen. Vielfach wandte sich diese Taktik auch gegen die eigenen Truppen, die bei Offensiven ebenso behindert waren. In allen Teilen Europas erlebten die wenigen verblieben Bürger, dass ihre Städte mehrmals den Besitzer wechselte. Die Sinnlosigkeit des Krieges kannte keine Grenzen.

 

 

Sprengbomben warten darauf, 

"scharf" gemacht und gezündet zu werden

 

 

Eisenbahngleise werden 

in kurzen Abständen gesprengt

 

rechts: 

Die Rollbahnen des Fugplatzes Smolensk 

werden zur Sprengung vorbereitet

 

 

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Minsk

Weißrussland

 

 

03.12.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 03.12.43

 

Liebe Eltern!

Wir sind jetzt endlich auf Verlegung. Wohin es geht, ist noch nicht genau raus. Auf alle Fälle kommen wir ein schönes Stück zurück. Ich fahre allerdings nicht mit dem Auto, sondern ich fliege mit dem Storch. Wir konnten nicht bis zum vorläufigen Ziel durchfliegen, da es das Wetter nicht zuließ. So warten wir hier im Osten halt zuerst ab und warten auf besser Wetter. Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

 

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Minsk

Weißrussland

 

 

05.12.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 05.12.43

 

Liebe Eltern! 

Nachdem wir am Freitag einen Pausentag durch schlechtes Wetter einlegen mussten, sind wir am Samstag bei gutem Wetter weiter geflogen. Nach einer Flugzeit von 2 Stunden und 25 Minuten (insgesamt sind wir 280 km in 2 3/4 Stunden geflogen) hatten wir unser Ziel erreicht.. Ca. 230 Km hinter Minsk (der Heimat zu). 

 

Hier sind wir ca. 250 km hinter der HKL. Aber dafür in Bandengebieten.

 

Hier auf dem Platz ist überhaupt nichts los. Auch nicht mal eine Halle ist da. Was wir hier machen sollen, ist einfach rätselhaft. Furchtbar eng zusammen. Gegen unseren letzten Platz ist das ein schlechter Tausch. Wollen wir abwarten, was kommt. Damit genug für heute.

Schreibt bitte, wie lange dieser Brief unterwegs war. Eigentlich soll unsere ganze Post mit der Maschine transportiert werden.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

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Minsk

Weißrussland

 

 

06.12.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 6.12.43

 

Liebe Eltern! 

Heute ist hier bei uns Walter Hampel eingetroffen. Ich habe jetzt durch ihn das Paket wie auch den Brief mit Geld erhalten. Hierfür meine allerbesten Dank. Das Paket mit Obst und Stollen ist sehr schön. Zu Deinem Brief ist nicht viel zu sagen. Über die Schäden hat mich Hampel eingehend unterrichtet. Auch über das, über was Ihr Euch mit ihm unterhalten habt.

 

Die Spielzeuge, wenn sie anderweitig gut gebraucht werden, könnt ihr ruhig weiter geben. Auch andere Sachen wie z.B. Spielsachen - außer Metallbaukästen - könnt Ihr weitergeben. Sonst habe ich im Augenblick nichts Beunruhigendes.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

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Minsk

Weißrussland

 

 

08.12.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 08.12.43

 

Liebe Eltern! 

Habe gestern Euren Brief Nr. 21 vom 26.11. mit Nasenschützer erhalten, wofür meine allerbesten Dank. Dass die Zigarren gerade im rechten Augenblick angekommen sind, kann ich mir denken. Hoffentlich haben sie Papa gut geschmeckt. Ich werde in den nächsten Tagen wieder 8 Zigarren und einen Film schicken.

 

Gestern Abend sind wir wieder von Bergung zurück gekommen. Es war eine schwere Arbeit. Wir waren 2 Tage unterwegs. Die Maschine lag in der Nähe von Schinsk. Es sind ungefähr 50 km zu fahren gewesen. Durch die ständigen Schneeverwehungen wird eine solche Fahrt furchtbar erschwert. Auf der Rückfahrt sind wir unterwegs im Schnee stecken geblieben. Sonst gibt es nichts neues.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Minsk

Weißrussland

 

 

09.12.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 09.12.43

 

Liebe Eltern!

Nachdem wir uns hier ungefähr in unser neues Quartier zurecht gefunden haben, möchte ich Euch einen kurzen Bericht geben. Wir wohnen hier in einem Dorf. Sind einquartiert bei Russen. In jedem Haus 6 - 10 Mann. Ich wohne zur Zeit mit 8 Mann zusammen bei einem alten Ehepaar. Alles in einem Raum. Wir 8 schlafen auf dem Fußboden (auf Stroh). Der Mann im Bett, die Frau auf dem Herd. Es ist furchtbar eng. Der Raum ist nur 7 - 8 m groß. Die nötigen Haustiere werden hier auch versorgt.

 

Technische Arbeit haben wir zur Zeit keine. Wir bauen uns eine große Baracke in der Nähe des Flugplatzes, damit wir eine vernünftige Unterkunft bekommen. Der Flugplatz wird noch ausgebaut. Das dauert noch einige Zeit.

 

Anbei schicke ich Euch noch 3 Luftfeldpostbriefmarken.

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

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Minsk

Weißrussland

 

 

11.12.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 11.12.43

 

Liebe Eltern! 

Habe heute Euren Brief vom 4. d.M. erhalten. Wofür meinen allerbesten Dank. Es freut mich, dass das Paket Nr. 8 angekommen ist. Jetzt fehlen noch die Luftsendungen Nr. 7 und 9 bis 11.

 

Mit der Beförderung ist bis jetzt noch nichts raus. Allerdings ist der Abteilungsbefehl von diesem Monat noch nicht raus. An das fliegende Personal glaube ich bald nicht mehr, denn man hört nichts mehr.

 

Über Walter Bingemer bin ich erstaunt. Aber dies sind ja andere Verhältnisse wie bei mir. Bei uns gibt es zur Zeit nichts Neues.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Minsk

Weißrussland

 

 

14.12.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 14.12.43

 

Liebe Eltern! 

Habe heute Euren Brief vom 1.12. und 23.11. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank.

 

Der Brief Nr. 20 vom 23.11. ist bereits veraltet. Hampel ist bereits wieder da. Das Geld habe ich von ihm erhalten, ebenfalls das Paket. Ferner haben wir uns über alles unterhalten.

 

Der andere Brief Nr. 22 vom 1.12. ist auch bereits reichlich veraltet. Mit der Post hoffe ich, dass es jetzt besser klappt. Aber ich nehme an, dass wir nicht mehr allzu lange hier sind, denn gewisse Anzeichen dazu haben wir dafür.

 

Dass in Frankreich kein Frontgeld mehr gilt, habe ich zur Kenntnis genommen. Über Fritz bin ich erstaunt. Ich werde ihm Weihnachtsgrüße zukommen lassen. Über Karlheinz und Alfred bin ich genau unterrichtet.

 

Dass das Paket Nr. 9 gut und schnell angekommen ist, freut mich. Aber über das 2. Päckchen Nr. 7 vom 24.11. habe ich noch keine Bestätigung. Ich glaube es waren ca. 100 Zigaretten drin. Damit genug für heute. Bei uns ist noch alles in Ordnung.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

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Minsk

Weißrussland

 

 

17.12.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 17.12.43

 

Liebe Eltern!

Habe heute Euren Brief vom 10. d.M. erhalten, wofür meine allerbesten Dank. Winter haben wir hier auch. Aber es ist noch nicht toll. Wir haben hier sehr wenig Schnee. Auch haben wir nur wenige Grad C unter 0.

 

Über Hermann bin ich erstaunt, dass er gerade an Weinachten zuhause ist. Dies Glück habe ich bisher noch nicht. Aber weit bin ich vom Urlaub nicht mehr entfernt. Daher bitt ich Euch im neuen Jahr vorerst kein Paket mehr zu schicken.

Ferner habe ich heute Euer Paket vom 23.11. erhalten. Meinen allerbesten Dank hierfür. Es kam sehr gut an. Und die Äpfel und das übrige habe ich mich gefreut.

 

Hier gehrt es immer seine alten Trott. Aber Gott sei Dank habe ich mit Holzfällen und Buddeln nichts zu tun, denn ich habe ja immer am Storch zu tun.

 

Ich bitte Euch, im nächsten Brief, wenn es möglich ist, mir zwei Tätigkeitsabzeichen zu schicken (das eine gewöhnlich, das andere mit einer Goldkordel). Ferner mir 2 ½ m Goldkordel zu schicken. Damit genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht Euch "Frohe Weihnacht" und ein glückliches "Neues Jahr". 

Wollen wir hoffen dies uns mehr Glück bringt.

 

Euer Walter

 

 

 

Der Fieseler Storch des Einheitsführers wurde stets gut bewacht

 

,

 

 

bei

Minsk

Weißrussland

 

 

18.12.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 18.12.43

 

Liebe Eltern!

Heute wurde mit Wirkung vom 1.12. meine Beförderung zum Obergefreiten ausgesprochen. Damit habe ich es endlich erreicht.

Ich bitte euch, aus diesem Anlass mir meine Steuerkarte zu schicken. Diese wird für den Gehalt benötigt. Ferner bitte ich Euch, die Nummer und Anschrift meines Sparbuches anzugeben. Wegen der Gehaltsüberweisung. Diese beträgt soweit mir bekannt ist 75,50 RM monatlich. Damit genug

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Minsk

Weißrussland

 

 

23.12.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 23.12.43

 

Liebe Eltern! 

Habe heute Euren Luftfeldpostbrief vom 15. d.M. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank.

Heute haben wir einen Tag vor Weihnachten. Ich möchte Euch daher noch einmal schreiben. Es ist die dritte Weihnacht, die wir nicht zusammen sind. Hoffentlich ist die vierte anders.

 

Wir werden morgen Weihnachten feiern. Wie diese natürlich unter Soldaten gefeiert wird, besonders wenn es eine vernünftige Marketenderware gerade gab, kann sich Papa ja bestimmt vorstellen.

Ferner habe ich eich zu berichten, dass das Paket von Onkel Fritz gut angekommen ist. Außerdem ist das Paket von Heinrich Wörner gut angekommen. Es war drin: Ein Kuchen (ca. 250-300 g), Schachspiel, Fußpuder, Tabletten gegen Husten und Hals, Hansaplast, Briefpapier und ein Buch. War der Firma anzuerkennen.

Anbei 6 Luftfeldpostmarken.

 

Der Winter ist bis jetzt noch nicht toll. Wir haben Schnee (ca. 20 - 25 cm) und 5 bis 10 ° unter O. Damit genug für heute.

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht euch ein gutes "Neues Jahr" . 

Hoffentlich bringt es uns mehr Glück

 

Euer Walter

 

 

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Minsk

Weißrussland

 

 

27.12.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 27.12.43

 

Liebe Eltern! 

Habe gestern Euren Brief Nr. 19 vom 19.11. erhalten. Er hat scheinbar lange irgendwo gelegen. Meinen besten Dank. Der Brief ist zwar schon sehr veraltet, denn Hampel ist schon wieder 3 Wochen aus dem Urlaub zurück. Aber sag bloß mal, wie viel Bäume willst du noch in den kleinen Garten pflanzen? Ich schätze, wenn Du noch Gemüse ziehen willst, musst Du diesen bald vergrößern.

 

Die Feiertage haben wir gut und ruhig verlebt, hoffentlich Ihr auch. Am 24. hatten wir noch eine Weihnachtsfeier. Anschließend vernünftiges Essen. Und darauf Geschenkverteilung durch den Weihnachtsmann. (dies machte der spieß). Es hat gegeben 2 Fl. Sekt, 320 Zigaretten, 5 Zigarillos, 2 Pakete Tabak, 1 Tafel Schokolade, 10 Rollen Drops, Briefpapier, Tube Zahnpasta, 10 Rasierklingen, 1 Paar ...., 20 Schachtel Streichhölzer und ca. 2 Pfund Lebkuchen. Dann feierten wir auf Stube bis 24 Uhr. Am 1. Feiertag hatten wir dienstfrei. 

 

Nun habe ich geschrieben, wie es hier war. Aber, wie war es bei Euch? Habt Ihr mit Bekannten wieder zusammen gefeiert? Nun damit genug für heute.

 

Es grüßt Eich recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Minsk

Weißrussland

 

 

30.12.1943 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 30.12.43

 

Liebe Eltern! 

Gestern erhielt ich noch ein Weihnachtspaket von Euch, vom 30.11.. Meinen allerbesten Dank. Es kam sehr gut an. Kuchen und Gebäck schmeckt einfach prima.

 

Ferner erhielt ich heute Euren langersehnten Brief vom 2.. d.M. (Nr. 27). Meinen allerbesten Dank. Vor allem freut es mich, dass Euch und dem hause nichts passiert ist. Auf diese Nachricht, was in Frankfurt passiert ist, waren wir alle drei sehr gespannt wie ein Regenschirm. Dass die Schäden sehr groß sind und das Unheil, das angerichtet wurde, furchtbar war, glaube ich gern. Es gibt einfach nichts furchtbareres als Fliegerbomben, dies haben wir hier schon sehr oft festgestellt. Selbst Artillerie ist nicht so schlimm. Dies stellte ich fest, als uns diese in Witebsk mehrmals beharkte.

 

Wir sind daher hier froh, dass wir im Augenblick Ruhe haben. Aber wie lange wird dies sein? Ich bin ja mal gespannt, was von Frankfurt noch steht, wenn ich demnächst auf Urlaub komme. Dann können wir uns über alles auch mal wieder richtig aussprechen.

Wollen wir hoffen, dass es auch weiterhin gut für uns abgeht. Anbei noch 4 Luftfeldpostbriefmarken.

Bei uns gibt es zur Zeit nichts Neues. Alles unverändert. Morgen ist Silvester. Da wird wieder mal bei uns ordentlich gefeiert. "Prost Neujahr!" Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich und wünscht euch alles Gute und viel Glück 

Euer Walter

 

 

 

1944

 

Am 14. Januar begann der sowjetische Angriff auf den deutschen Belagerungsring um Leningrad. 900 Tage hatte die Stadt ausgeharrt und konnte nur im Winter über den zugefrorenen Ladogasee mit Nachschub versorgt werden. Die Sowjets setzten nach: ihre Frühjahrsoffensive brachte weitere Gebietsgewinne, und die Wehrmacht musste sich weiter zurückziehen bis zum Peipus-See. Hitler befahl wie Stalin zu Beginn des Krieges die Taktik der verbrannten Erde, durch die den Sowjets keine kriegswichtigen Einrichtungen hinterlassen werden sollte.

Vom 9. April an konzentrierten sich die sowjetischen Anstrengungen auf die Rückeroberung der Halbinsel Krim, die am 12. Mai wieder fest in sowjetischer Hand war. Die deutschen und rumänischen Einheiten retteten sich großenteils über das Schwarze Meer.

 

Nach einer kurzen Ruhephase während der schlammigen Frühjahrszeit griffen die Rotarmisten im Juni wieder an. Am 9. Juni begann die Offensive an der finnischen Front auf der karelischen Landenge. Ende Juni kam dieser Angriff auf Höhe der alten Grenze von 1940 zum Stehen.

 

Ziel der Sowjets war die Zerschlagung der Heeresgruppe Mitte. Am 23. Juni (Operation Bagration) brachen die Angreifer durch die Verteidigungsfront und kesselten große deutsche Verbände bei Witebsk und Bobruisk ein. Am 29. Juni kapitulierten diese Truppen, worauf die Heeresgruppe Mitte praktisch aufgelöst war und die Rote Armee bis kurz vor Warschau und an die Grenzen von Ostpreußen vorstoßen konnte. Diese Niederlage der Deutschen Wehrmacht war verheerender und folgenreicher als die Schlacht um Stalingrad eineinhalb Jahre vorher: denn die Wehrmacht verlor mehr Soldaten (schätzungsweise 500.000 Tote und 400.000 Gefangene) und Gerät, die ganze Ostfront geriet ins Wanken.

 

Am 3. Juli eroberte die Rote Armee Minsk zurück und kesselte die Reste der deutschen 4. Armee ein, die bald kapitulierte. Weiter südlich drang ab dem 13. Juli in Galizien eine weitere sowjetische Offensive bis Lemberg zur Weichsel vor.

 

Am 20. Juli 1944 versuchten deutsche Widerständler im Hauptquartier in Ostpreußen ein Attentat auf Hitler, das aber ebenso scheitert wie der anschließende Versuch eines Staatsstreiches in Berlin. Die Attentäter wurden hingerichtet.

 

Am 1. August begann der Warschauer Aufstand der Polnischen Heimatarmee. Die traditionelle Sicht der sowjetischen Haltung zu diesem Aufstand (die unter anderem von Churchill selbst vermittelt wurde) wirft Stalins Regierung vor, mit Absicht die Zerschlagung des Aufstands durch die Wehrmacht nicht verhindert zu haben um antikommunistische Kräfte zu schwächen. Demgegenüber weist etwa der britische Historiker Richard Overy (Russlands Krieg. Rowohlt 2003. ISBN 349805032X) jüngst darauf hin, dass die Möglichkeiten der Roten Armee zu diesem Zeitpunkt (nach einer umfangreichen und raumgreifenden Offensive gegen die Heeresgruppe Mitte) begrenzt waren, Entlastungsangriffe am deutschen Widerstand scheiterten und die polnische Heimatarmee es ablehnte ihre Aktivitäten mit sowjetischen und polnisch-kommunistischen Einheiten zu koordinieren.

 

Mit dem Beginn der Operation Jassy-Kischinew im August marschierte die Rote Armee in Rumänien ein und vernichtete die (neue) deutsche 6. Armee bei Chisina(u. Am 23. August wechselte König Michael von Rumänien die Fronten und erklärte Deutschland den Krieg. Die Erfolge der Sowjets zwangen die Wehrmacht zum Rückzug aus Griechenland, am 13. Oktober rückten britische Einheiten in Athen ein.

 

Am 5. September nahm die Rote Armee Bulgarien ein; dort inszenierten die Sowjets am 9. September einen kommunistischen Staatsstreich und marschierten am 19. September in Sofia ein. Ein weiterer Verbündeter Deutschlands fiel an diesem 19. September weg, als Finnland einen Waffenstillstand mit der Sowjetunion schloss.

 

Am 20. Oktober eroberten sowjetische Einheiten und jugoslawische Partisanen unter Tito die Hauptstadt Belgrad und zwangen die deutsche Heeresgruppe E zum Rückzug bis zur Drina.

 

Im Norden zog sich die Heeresgruppe Nord am 13. Oktober aus Riga nach Kurland zurück. Ab dem 20. Oktober, als die Rote Armee zur Mündung der Memel vorstieß, war sie vom Rest der Ostfront abgeschnitten, konnte aber von der Roten Armee in zahlreichen Kämpfen nicht vernichtet werden.

 

Auch in Ostpreußen kam die Offensive der Sowjets im Oktober nach anfänglichen Erfolgen zum Erliegen. Punktuell konnte die Wehrmacht Boden gutmachen.

 

In der ungarischen Hauptstadt Budapest wurden am 24. Dezember 70.000 deutsche und ungarische Soldaten eingeschlossen, die Stadt konnte am 11. Februar 1945 von der Roten Armee eingenommen werden.

 

 

 

bei

Minsk

Weißrussland

 

 

02.01.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 02.01.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Euren Brief vom 26.12., wofür meinen allerbesten Dank. Nun schreiben wir 1944. Wieder liegt ein Jahr schweren Kampfes hinter uns. Was wird uns dieses Jahr bringen? Hoffentlich den lang ersehnten Frieden!

 

Wir haben hier auch wieder sehr schön und gut Neujahr gefeiert. Wir hatten vor allem Ruhe. Hoffentlich hattet Ihr das auch!

Dass Ihr den Heiligabend zu viert gut verlebt habt, freut mich. Was das Hauptgespräch war, habe ich mir schon gedacht. Auch bei uns wurde darüber gesprochen. Dies könnt Ihr Euch wohl denken, zumal wir verschieden Familienväter unter uns haben. Man verbringt natürlich nicht den ganzen Abend damit, denn dann gäbe es überhaupt keine Stimmung.

 

Dass Ihr Euch gegenseitig kleine Geschenke machen konntet, freut mich. Bei uns ist alles unverändert.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht euch alles Gute 

Euer Walter

 

Auch soll ich Euch Grüße von Walter Hampel ausrichten

 

 

bei

Minsk

Weißrussland

 

 

04.01.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland 04.01.44

 

Liebe Eltern! 

Gestern erhielt ich Eure beiden Briefe Nr. 26 und 29 vom 21.12. (von Mama) und vom 28.12. . Für beide Briefe meinen besten Dank.

Der Brief von Mama über den Terrorangriff auf Frankfurt ist durch die beiden letzten Briefe von Papa bereits erledigt. Dass der Brief Nr. 32 vom 14.12. noch nicht angekommen ist, ist bedauerlich. Ich weiß leider nicht mehr, was ich darin geschrieben habe. Aber ich hoffe, dass es durch die letzten Briefe erledigt ist. Aber noch viel mehr würde es mich ärgern, wenn das Päckchen nicht ankäme. Es ist das Nr. 11 vom 29.11.. Ihr müsst also im letzten Jahr mit diesem 11 Päckchen erhalten haben (das heißt, von meinem Urlaub ab).

 

Die Schnur und die beiden Abzeichen sind richtig. Hier bei uns herrscht im Moment Tauwetter und dazu noch starker Wind und Regen. Sonst nichts Neues.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Rückreise

vom

Heimaturlaub

 

 

08.02.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Insterburg, 08.02.44

 

Liebe Eltern! 

Bin hier am Montag kurz nach 13 Uhr gut angekommen. Habe mich dann auf dem Fliegerhorst gemeldet. Alles gut gegangen. Die Übrigen sind gegen 17 Uhr eingetroffen. Wir werden voraussichtlich am Mittag im Transport weiterfahren. Hier in Insterburg merkt man noch nichts, außer den üblichen Einschränkungen, vom Krieg. Man kann hier noch in Kino und Cafe gehen ohne durch Alarm gestört zu werden. Das genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Rückreise

vom

Heimaturlaub

 

 

09.02.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Insterburg, 09.02.44

 

Liebe Eltern! 

Da wir heute nun von hier aus losfahren, möchte ich Euch noch die Marken schicken. 

Sonst habe ich für heute nichts zu berichten.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

15.02.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 15.02.44

 

Liebe Eltern! 

Gestern Abend bei Dunkelheit kam ich bei meiner Einheit an. In Insterburg sind wir erst am 11.2. weggefahren. Und waren in nur 22 Stunden in Minsk. Es war ein Eiltransport mit Kraftfahrzeugen. Von dort sind wir dann zu unserem Haufen gefahren. Er siegt dort wie Rohloff geschrieben hatte. Wir wohnen in Russenhäusern. Es geht aber einigermaßen. Auf dem Platz ist wieder viel Arbeit. Wir haben eine Halle.

 

Was ist bei den letzten Angriffen wieder alles passiert? Es ist einfach furchtbar, kaum ist man von zuhause weg und schon ist wieder der Teufel dazwischen. Hoffentlich ist zuhause alles gut abgegangen.

 

Das Wetter geht einigermaßen. Wir haben einige Grad unter 0. Auch liegt hier noch Schnee. 

Anbei 4 Luftfeldpostbriefmarken und 2 Paketmarken.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

17.02.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 17.02.44

 

Liebe Eltern, 

Heute erhielt ich euren Brief Nr. 1 vom 8.2., wofür meinen allerbesten Dank. Es beruhigte mich schon sehr, dass Ihr beim 6. Großangriff gut davon gekommen seid. Hoffentlich habt Ihr auch beim 7. Glück gehabt.

 

Liebe Eltern! 

Mit meinem Urlaub habe ich sehr sehr viel Glück gehabt. Und zwar sind nach mir noch 5 Mann gefahren. Jetzt soll sogar eine neue Urlaubsregelung herausgekommen sein, wonach man jetzt nur noch einmal im Jahr in Urlaub fahren soll. Dies wäre gerade nicht schön. Sonst habe ich heute nichts.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

22.02.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 22.02.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Euren Brief vom 13. , wofür meinen allerbesten Dank. Habe euch heute ein Paket mit 3 Päckchen Tabak, 4 Zigarren, Zigarettenpapier und eine Zahnbürste mit einer Tube Zahncreme abgeschickt. Hoffentlich kommt es an.

 

Es freut und beruhigt mich, dass bei Euch zuhause nichts passiert ist. Dass die Leute immer unsicherer werden, kann ich mir denken. Hoffentlich hat das alles bald ein Ende. Bei uns gibt es nichts besonderes. Über Alfred weiß ich bescheid. 

 

Anbei 2 Bilder und ein Negativ, das eine ist auf der Verlegung nach P., das andere ist an einer Maschine FW 190. 

Das 3. ist eine Großbildaufnahme. Genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

28.02.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 28.02.44

 

Liebe Eltern! 

Habe Euren Brief Nr. 3 vom 18.2. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank.

Bei uns ist es noch einmal Winter geworden. Es sind noch einmal 10 cm Schnee und nachts ist es 10 - 12 ° unter Null. Am Tag ist es oft sehr schön. Die Sonne hat schon wieder etwas Kraft.

 

Hier auf dem Platz haben wir nicht sehr viel zu tun. Wir sehen es bald wieder rollen. Hier auf dem Platz ist ein Kino, in das wir jede Woche 2-3 mal gehen. Ferner haben wir jetzt, wo wenig zu tun ist, 2 x in der Woche Sport. Dieser besteht aus Fußballspielen. Heute haben wir ein Spiel gegen den 2. Zug gehabt. 4 zu 5 für uns. Es ging feste zu. Damit für heute genug.

 

Es grüßt Euch herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

08.03.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 08.03.44

 

Liebe Eltern! 

Habe heute Euren Brief Nr. 6 vom 22.3. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Zwar habe ich diesen Brief erst mit einem kl. Schreck gelesen. Aber zum Glück musste ich feststellen, dass ihr noch gut durchgekommen seid. Hoffentlich steht unser Haus noch und ihr seid gesund, wenn ich wieder in einem halben Jahr nach Hause komme.

 

Von hier ist wenig zu berichten. Der Sturm mit der Arbeit hat wieder nachgelassen und wir haben wieder unsere normale Arbeitszeit.

Nun habe ich noch eine Bitte, dass Ihr mir im nächsten Paket ein Schnapsglas schickt. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

12.03.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 12.03.44

 

Liebe Eltern! 

Habe heute Euren Brief Nr. 7 vom 8.3. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank.

Nach Euren Schilderungen über den Fliegerangriff auf Frankfurt zu folgen, muss dieser furchtbar gewesen sein. Hoffentlich habt Ihr weiterhin großes Glück.

 

Die Wetterlage ist zur Zeit hier sehr mild. Wir haben regelrechtes Tauwetter. Arbeit haben wir sehr wenig. Heute, am Sonntag, hatten wir Heldengedenkfeier mit der Horstkompanie zu feiern. Der Horstkommandeur hielt eine Ansprache. Er ist von Beruf Pfarrer. Kann daher natürlich gut reden.

 

Nun habe ich Euch wegen dem Füllhalter noch etwas zu schreiben. Schickt diesen in einem Päckchen an Fritz Schuhmann. Dieser ist vorgestern in Urlaub gefahren und will mir ein Paket mitbringen. Schickt es aber bald los, da er nur 14 Tage zuhause ist.

Ferner bitte ich Euch um ein Schnapsglas, denn unser Glas ist kaputt und aus der Flasche schmeckt das Zeug nicht so. Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich und wünscht euch alles Gute 

Euer Walter

 

 

 

Luftabwehr in der Heimat

 

Währenddem die Soldaten an der Front auf ganz andere Art gefordert wurden, ertrug die Bevölkerung die immer stärker werdenden Luftangriffe der Alliierten, die all das wieder zurück zahlten, was die Deutsche Luftwaffe angerichtet hatte. In den Briefen von Walter Michel ist immer öfters die Sorge um die Bombenangriffe auf Frankfurt am Main die Rede. Hier muss man sagen, dass Frankfurt-Fechenheim nur zwei nennenswerte Angriffe zu verzeichnen hatte, die allerdings auch starke Verwüstungen hinterließen. Über die Flugleitzentralen hatte dei Bevölkerung jedoch ausreichend Zeit, die Bunker aufzusuchen. 

 

Für Menschen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad täglich nach Frankfurt mussten, war die Situation ungleich gefährlicher, denn sie erreichten nicht immer den rettenden Schutz. Viele junge Frauen waren zudem in den Flugüberwachungen beschäftigt, die ständig mit den Luftbeobachtungsposten, den Flakstellungen und den Jagdflugzeugstaffeln verbunden waren. Ihre aufopfernde Arbeit wird heute mit keinem Wort mehr erwähnt. Dennoch konnten alle Flugabwehrmaßnahmen nicht verhindern, dass dei Bomberverbände ihre Ziele erreichten.

 

Für die Frontsoldaten war der Zeitraum zwischen Wehrmachtsbericht und der nächsten Post aus der Heimat eine bange Hängepartie und Fronturlauber standen nicht selten vor einem Trümmerhaufen und mussten erst ihre Angehörigen suchen - wenn sie überhaupt noch lebten.

Die Fahrt zurück zur Front glich oft einer Fahrt "nach Hause", denn das wirkliche Zuhause gab es oft nicht mehr.

 

 

Flugleitzentrale zur Organisierung der Fliegerabwehr

 

 

Nachtjäger greifen ein

rechts dei Flakabwehr

 

Dennoch waren die Bombenangriffe wesentlich erfolgreicher als deren Abwehr

 

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

18.03.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 18.03.44

 

Liebe Eltern!

Habe heute euren Brief vom 13.3. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Ich bin sehr froh, dass unser Haus wieder in Ordnung ist. Hoffentlich passiert nichts mehr.

 

Mit der Urlaubsfrage hat es sich sehr geändert. Und zwar ist es jetzt auf 7 Monate zurückgesetzt worden. Aber es ist durchaus möglich, dass ich vor der Zeit zu Hause einige Tage bin. Zu der Frage mit dem Kriegsende kann ich nur sagen, dass der Zeitpunkt etwas zu früh ist. Schön wäre es, aber ich glaube nicht daran. Aber mit Bestimmtheit sage ich, dass der Krieg in diesem Jahr entschieden wird.

 

Ich bin sehr erstaunt, dass Du noch gemustert wurdest. Aber es freut mich, dass Du NK gestellt bist, denn ich wünsche dir nicht, noch zu dieser Zeit eingezogen zu werden. Dass Hans überhaupt noch einmal nach Frankfurt gekommen ist, wundert mich.

Ich muss nun Schluss machen, denn wir haben heute eine kleine Feier. Es wünschen Euch alle Kameraden der Stube alles Gute.

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

19.03.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 19.03.44

 

Liebe Eltern! 

Der Brief ist leider heute morgen liegen geblieben, geht daher einen Tag zu spät los.

 

Liebe Eltern! 

Gerade habe ich durch den Wehrmachtsbericht vernommen, dass Frankfurt schon wieder angegriffen wurde. Einfach furchtbar. Hoffentlich ist nichts bei Euch passiert. Damit genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

24.03.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 24.03.44

 

Liebe Eltern! 

Habe heute Euren Brief vom 20.3. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Seit Tagen warte ich mit großer Spannung auf Post und frage mich immer wieder, was ist passiert. Heute der Brief war für mich eine kleine Beruhigung. Aber leider habt Ihr schon wieder zwei Angriffe gehabt. Alle Stunde höre ich mit Spannung die Luftlagemeldung. Und immer wenn wieder feindliche Maschinen über dem Reichsgebiet gemeldet sind, fängt alles an zu schimpfen und hofft, dass recht viele abgeschossen werden.

 

Aber nun zum Angriff vom 18. auf den 19.; dabei seid Ihr mit einem blauen Auge davon gekommen. Hoffentlich geht es immer gut ab. In Frankfurt und den Vororten muss es jetzt furchtbar aussehen. Ich glaube, man kennt Frankfurt nicht mehr. Sollte doch einmal etwas Schlimmeres bei euch vorkommen, so schickt außer einem Telegramm auch ein Einschreiben, vielleicht geht auch ein Fernschreiben schneller. Nun damit Schluss.

 

Habt Ihr den Füllhalter an Fritz Schuhmann abgeschickt? Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich und wünscht euch alles Gute 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

29.03.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 29.03.44

 

Liebe Eltern! 

Heute habe ich euren Brief vom 24. d.M. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Er beruhigte mich in großem Maße, dass Euch nichts passiert ist. Aber umso mehr bedauere ich das Schicksal, das Frankfurt getroffen hat. Was ist denn überhaupt noch heil? Oder, was steht noch? Da bin ich mal gespannt, wenn ich mal nach Hause komme, was überhaupt übrig geblieben ist. Hoffentlich passiert Euch und unserem Haus nichts. Walter Hampel hat vom 24. noch keine Nachricht. Er ist auch in schwerer Sorge. Wir liegen nämlich in einem Haus und unterhalten uns oft abends.

 

Unser Ing. Kirchner ist vom Urlaub noch nicht zurück. Er wird aber ende des Monats zurück kommen. Von ihm werden wir ja Näheres hören.

 

Mit Urlaub geht es jetzt planmäßig nach 7 Monaten. Arbeit haben wir immer laufend, aber nicht übermäßig. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich und wünscht euch alles Gute 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

31.03.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 31.03.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Euren Brief vom 22. d.M. , wofür meinen allerbesten Dank. Aber sagt mal, ist in Frankfurt kein Postamt mehr ganz, denn dieser Brief wurde am 25.3. in Gießen abgestempelt.

 

Es freut mich, dass das Paket mit Kaufsachen gut angekommen ist.

Wie ich aus Eurem Schreiben und dem Zeitungsausschnitt ersehe, muss dieser Angriff furchtbar gewesen sein. Da hat sich Frankfurt seit meinem Urlaub leider schwer verändert. Hoffentlich passiert Euch nichts.

 

Wo arbeitest du jetzt, Papa? Noch im Rathaus?

 

Bei uns ist alles unverändert. Damit genug. 

Zum Schluß wünsche ich euch noch frohe Ostern.

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

05.04.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 05.04.44

 

Liebe Eltern! 

Habe heute euer Paket Nr. 1 erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Das Paket ist sehr gut angekommen. Ich hatte noch Glück es gerade heute noch zu bekommen, denn morgen verlegt mal wieder unser Zug. Wir gehen mal wieder 50 km südlich. Den Ort hatte ich schon einmal in meinem Urlaub erwähnt.

 

Ich bin wieder mal Beifahrer in einem schweren Skoda. Der Ing. ist bis jetzt noch nicht hier. Haben sie ihm vielleicht auch die Möbel entstaubt? Denn er müsste schon längst hier sein. Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

13.04.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 13.04.44

 

Liebe Eltern! 

Da jetzt zu uns hier ein furchtbar schlechter Postverkehr herrscht, muss ich Euch trotz allem wieder einmal schreiben. Mit der Post das kommt daher, 1. dass wir jetzt vom Stab weg sind und 2. dass auch unser Stab woanders hin verlegt hat. Wir sind jetzt von unserem Stab über 500 km entfernt. Daher bekommen wir noch alle 8 - 10 Tage, manchmal noch länger, keine Post. Auch die Post zu euch wird länger unterwegs sein, da wir jetzt keine Post mehr auf dem Luftweg abschicken können. Denn durch die Schlammverhältnisse können hier keine Maschinen mehr starten und landen.

 

Liebe Eltern! 

Ich war wieder mal drei tage wegkommandiert zu einem anderen Platz um dort einen Motorwechsel zu machen. Wir waren vier Mann. Der Platz lag nur 30 km weg. Aber 60 km mussten wir fahren. Wir hatten einen schweren Büssing und Werkzeug und Kran mit. Die Straße dorthin war furchtbar schlecht. Auf der Hinfahrt ging es noch einigermaßen, weil der Lehm gefroren war und man durch die Gräben durch kam. Ich schreibe Gräben, das wird Euch sehr wundern, wie auf eine Straße Gräben kommen. Auf einer Strecke von ca. 15 km ist alle 40 - 50 m ein Graben von 2 m breit von den Partisanen gezogen worden. Dadurch konnte man natürlich nur im Schritttempo fahren. Die Hinfahrt dauerte 3 Stunden. Auf dem Flugplatz angekommen war es nicht viel besser. Flugplatz ist auch übertrieben zu sagen, denn es ist eine Wiese mit 2 Kraftwagen, in dem sich die Flugleitung befindet. Eine Startbahn konnte man in dem Morast nicht erkennen. Wenn man sich über den Platz bewegte, musste man acht geben, dass einem nicht die Stiefel verloren gingen.

 

Der Motorwechsel an der Ju ging einigermaßen. Nur wenn wir den Kran schicken wollten, mussten wir erst die Flugleitung fortfahren, um das Ding mit 10 - 12 Mann vorwärts zu bekommen. Nachdem wir die Maschine fertig gemacht hatten, haben wir auch einen schönen Werkstattflug von 25 Min. mitgemacht. Kurz darauf startete die Maschine mit einem alten Motor und 10 Urlaubern. Aber bei diesem Start hatte der Flugzeugführer zu würgen, bis die Maschine wegkam. Sekundenlang sah man die Maschine nicht vor Dreck.

 

Als wir dann am 3. Tag wieder zurück fuhren, war die Straße aufgetaut. Die ersten 35 km gingen einigermaßen. Aber dann wurde es furchtbar. Kaum hatte man den Wagen mit 15 - 20 Mann frei bekommen, saß er wenigen Minuten später schon wieder fest. Bis wir von der Stelle kamen, wo wir angehalten wurden. Hier ging es mit eigener Kraft nicht mehr. Alle Fahrzeuge wurden auf einer Strecke von 1,5 km von ZKW (Raupenschlepper) durchgeschleppt. Hier war der Schlamm 50 - 60 cm tief. Oft bleib ein ZKW selber stecken, dann musste ihm erst wieder ein anderer helfen. Als wir dann wieder mit eigener Kraft fahren mussten, ging es dann bis auf einige Schwierigkeiten ganz gut. 

 

Nach einer Fahrt von über 6 Stunden sind wir dann schließlich in unserer Unterkunft angekommen. 

Die Strecke, die wir mit dem Auto in 6 stunden gefahren sind, sind wir beim Werkstattflug in 8 Minuten geflogen.

Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

 

Die einfachen Feldflugplätze bestanden aus eingetarnten Zelten für die Piloten und die Mannschaften, mehreren Flugabwehrstellungen und die Maschinen waren auf dem freien Feld so abgestellt, dass man sie bei einem Luftangriff nicht in direkter Linie vernichten konnte.

 

In den "nassen" Monaten verwandelten sich diese Plätze in morastige Landschaften, auf denen keine Maschinen mehr starten und landen konnten. 

 

Sobald wieder Flugbetrieb möglich war, wurde oft mehr als 14 Stunden pro Tag gearbeitet. Bei "Verlegung" galt es, den Platz innerhalb kürzester Zeit zu räumen und alle Werkzeuge und Ersatzteile an den neuen Einsatzort zu überführen.

Befehlsstand einer Nahaufklärertruppe

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

14.04.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 14.04.44

 

Liebe Eltern! 

Heute, nachdem wir hier jetzt wieder eingeräumt haben, will ich noch kurz einige Zeilen schreiben. Wir sind jetzt in Ulla. Haben prima Unterkünfte. Das Essen ist auch gut. Wir leben mit 12 Mann auf einer Stube. Arbeit haben wir hier genug. In der Hauptsache motormäßige Arbeit. Aber wollen wir heute nicht von der Arbeit sprechen.

 

Was ist zuhause los? Wie steht es mit Alarm? Habt Ihr schon Gehalt überwiesen bekommen? Habt Ihr damals den Füllfederhalter auch abgeschickt? Denn Schumann ist schon wieder aus dem Urlaub zurück. Wenn nicht, so lasst ihn zuhause. Ferner habt Ihr schon den Wecker von Schuhmann erhalten?

Damit für heute genug. 

 

Habt Ihr die Feiertage gut verbracht?

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

16.04.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 16.04.44

 

Liebe Eltern! 

Wie immer, so ist es auch hier, wenn es einem gefällt, bleibt man nicht lange. Nach der langen Ruhezeit von 14 Tage verlegen wir morgen schon wieder. Und zwar weiter südlich. Bleiben glücklicherweise aber im Reichsgebiet. 

 

Mit dem Paket ist es auch wieder so einen Sache. Ist es schon unterwegs? Wenn ja, was ich sowieso mache. Ich lasse hier den Leuten meine Anschrift da und werde ferner von meinem neuen Standort den Leuten sofort schreiben, damit sie es nachschicken können.

Heute war unser Stabsing. M. da und hat 8 Männern das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse ausgehändigt. Bei dem Akt bin ich auch dabei gewesen. Das KVK haben wir besonders für den Einsatz auf dem Flughafen Wilna bekommen. Und zwar war ich dort mit einem Kamerad hingeflogen, als W. schon eingekesselt war. Wir haben dort in knapp 2 Tagen reihenweise Maschinen repariert und sind dann als eine der letzten mit einer Hu 52 gestartet. Damit für heute genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

18.04.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 18.04.44

 

Liebe Eltern! 

Heute am Sonntag erhielt ich Euren Brief Nr. 12 vom 2. d.M., wofür meinen allerbesten Dank. Dass in Frankfurt furchtbare Zustände herrschen, habe ich jetzt von meinem Ing. erfahren. Denn dieser ist gestern vom Urlaub zurück gekommen. Er hatte 21 Tage Fronturlaub, denn er wurde auch total bombengeschädigt. Jetzt, wie ich im Wehrmachtsbericht gehört habe, sind die Feindflieger schon wieder bei euch gewesen. Einfach furchtbar, hoffentlich ist das bald zuende. Wie ist es denn jetzt, muss Papa mit dem Fahrrad zum Dienst fahren?

Bei uns gibt es nichts mehr zu berichten.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

22.04.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 22.04.44

 

Liebe Eltern! 

Zwar haben wir heute wieder Post bekommen, aber wieder war von Euch kein Brief dabei. Ich hatte nur einen Brief von Herrmann aus Athen. Trotz allem möchte ich Euch doch wieder einige Zeilen zukommen lassen.

 

Bei uns ist nun auch der Frühling eingetreten und damit aber leider auch die Schlammperiode. Wir stehen jetzt wieder vor einer Verlegung. Können aber wegen den schlechten Straßenverhältnissen nicht, sodass wir warten müssen. Die Arbeit muss aber weitergehen. Uns so werden wir mit der Hälfte der Jungens mit der alten Tante Ju verlegen. Wenn dann die Straßen passierbar sind, kommen die Wagen und Fahrzeuge nach. Bei dem Vorkommando bin ich auch dabei. Damit für heute genug.

 

Wie geht es Euch? Doch hoffentlich noch gut. Ist mein Gehalt von Insterburg schon überwiesen worden? 

Habt Ihr das Seifenpäckchen vom 17.3. erhalten? Sonst weiß ich heute nichts mehr.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

 

 

Verlegung mit der Ju 52

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

25.04.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 25.04.44

 

Liebe Eltern! 

Habe heute Euren Brief vom 28.3. erst erhalten, wofür meinen allerbesten Dank.

 

Die Ansicht über Frankfurt ist für mich alles andere als erfreulich. Auch habe ich heute einen Zeitungsausschnitt von Walter Hampel gelesen, in dem alle Einzelheiten, was in Frankfurt zerstört ist, aufgeführt. Wie lange soll das so weiter gehen?

Ich bin einmal gespannt, wenn ich auf Urlaub komme, was überhaupt noch steht. Hoffentlich passiert Euch und dem Haus nichts.

 

Liebe Eltern! 

Heute haben wir mit dem Verband Ju zurück nach P. verlegt. Die Flugzeit war nur 20 Min. Ein schöner Flug. Morgen geht die Arbeit wieder los. Hier könne wir ständig Fische fangen in der ... . Dazu bitte ich Euch, mir im Brief einige Gramm .... schicken. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

27.04.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 27.04.44

 

Liebe Eltern!

Heute erhielt ich eure Briefe Nr. 13 und 14 vom 9.4. u. 14.4.. Für beide Briefe meinen allerbesten Dank. Dass von Fritz Schuhmann der Wecker angekommen ist, freut mich. Wenn erhalt nicht mehr gemacht werden kann, ist auch nicht so schlimm. Schuhmann hat auch einen Brief von Papa von seinen Eltern geschickt bekommen. Er bedankt sich vielmals und grüßt Euch recht herzlich.

Mama kann ich leider keine Paketmarken schicken, da wir schon lange keine mehr bekommen haben. Im übrigen sind die Marken für min. 100 g Päckchen auch zu schade. Den Füllhalter lasst bitte einmal zuhause, bis ich einmal komme.

 

Alfred Gottschlich befindet sich bereits wieder in .... . Und zwar ist er mit seiner Einheit dort zur Aufrüstung. Seine Anschrift ist F.W.A. I/40 19 Eschwege (Werra) Flg. Horst

 

Hier gibt es zur Zeit nichts Neues. Wir haben furchtbar viel Arbeit. Arbeiten am Tag 13 - 14 Stunden. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

02.05.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 02.05.44

 

Liebe Eltern!

Heute erhielt ich Euren Brief Nr. 18 vom 21.4., wofür meinen allerbesten Dank. Dass meine Briefe bis auf den vom 8.4 angekommen sind, freut mich. Nun seht Ihr wenigstens, dass es nicht an mir gelegen hat. Auch bin ich froh, dass das Päckchen mit Seife gut angekommen ist. Dass Ing. Kirchner total ausgebombt ist, habe ich Euch schon berichtet. Bei Hampels ist noch alles in Ordnung. Dass Wolfgang Kuhl gefallen ist, habe ich zur Kenntnis genommen. Schade um ihn. Wo Alfred jetzt ist, habe ich euch bereits geschrieben. Der Karl hat das Glück schon wieder, in Deutschland (Erholung) zu sein. Wir haben leider solches Glück nicht. Wir haben nur die Auszeichnung für den ganzen Zug bekommen und zwar lautet diese, dass wir der beste Zug im ganzen Osten sind.

 

Na, Du scheinst wieder viel Arbeit im Garten zu haben. Hoffentlich ist auch der Ertrag entsprechend. Dass unsere Obstbäume schweren Schaden durch die Fliederangriffe erlitten haben, ist schade.

 

Wir sind jetzt wieder in Polozk. Habe fast alles mit der Ju her gebracht. Tolle Verlegung. Hier auf dem Platz haben wir furchtbar viel zu tun. Es erinnert mit der Arbeit an Winter im Januar und Februar. Aber auch diese Zeit geht vorüber. Nun muss ich für heute schließen, denn ich weiß einfach nichts mehr.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

09.05.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 09.05.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich euren Brief vom 27.4., wofür meine allerbesten Dank. Meinen allerbesten Dank auch für Eure Geburtstagsgrüße. Schön wäre es, wenn ich meinen Geburtstag mit Euch zuhause feiern könnte.

 

Ja, wie lange wird das noch dauern? Dass Ihr mir nichts schicken könnt, ist nicht schlimm. Aber das angekündigte 2 kg Paket ist noch nicht angekommen. Die Schlammverhältnisse haben sich bis jetzt noch nicht gebessert, dadurch, dass es jeden Tag regnet.

 

Das über die Frankfurter Sparkasse habe ich zur Kenntnis genommen. Mit dem Gehalt wird es schon ins rollen kommen. Dass jetzt der 2.Garten Freude macht, kann ich mir sehr wohl denken. Hier gibt es so etwas nicht. Es ist immer noch kalt und Nebel, wie im November. Leider gibt es hier keinen Frühling. Ein furchtbares Land.

 

Dass in den letzten Tagen keine Angriffe mehr auf Frankfurt waren, freut mich.

 

Nun möchte ich Euch kurz noch eine Mitteilung machen, bevor Euch mein Ing. K. wieder einmal schreibt. Und zwar ist die Sache mit dem fliegenden Personal wieder ins rollen gekommen. In den nächsten Tagen sollen wir zur Hauptuntersuchung nach Minsk fahren. Dort wird es sich entscheiden.

Damit genug für heute. 

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

Anbei 2 Paketmarken, 6 Luftfeldpostmarken

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

12.05.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 12.5.44

 

Liebe Mama! 

Zu Deinem kommenden Ehrentag möchte ich Dir kurz noch gratulieren und Dir alles, alles Gute wünschen.

Meinen Geburtstag habe ich gestern im Kreise meiner Kameraden gründlich gefeiert. 

 

Bei uns gibt es im Augenblick nichts Neues. Das Wetter wird jetzt allmählich besser.

 

Es grüßt Dich und Papa recht herzlich 

Euer Walter

 

 

in

Minsk

 

 

15.05.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 15.05.44

 

Liebe Eltern! 

Heute möchte ich Euch kurz einige Zeilen von Minsk, von meiner Hauptuntersuchung auf Fliegertauglichkeit schreiben. Ich bin hier her mit 3 Mann zusammen geschickt worden. Von Pelozk bis hier her waren wir 2 Tage unterwegs. Wir mussten fahren Polozk - Dunaburg - Wilna - Minsk. In Wilna waren wir am Sonntag. Hatte dort einen ganzen Nachmittag Aufenthalt. Haben uns die Stadt angesehen und dabei noch Bier im Soldatenheim getrunken.

 

Hier bei der Untersuchung musste ich schon beim ersten Teil ausscheiden. Und zwar wurde festgestellt, dass ich einen leichten Herzfehler habe und daher für Höhenflüge vollkommen ungeeignet bin. Also Schlussergebnis: Wehrfluguntauglich.

Der Arzt sagte aber, dass dies weiter nicht schlimm sei und ich trotz allem noch sehr alt werden könne.

Da kann man nichts dran ändern. Lassen wir uns auch darüber keine grauen Haare wachsen. Wer weiß, für was es gut ist.

Morgen fahren wir wieder zurück. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Polozk

Witebsk

 

 

18.05.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 18.05.44

 

Liebe Eltern! 

Habe gestern, als ich von Minsk zurück kam, Euren lieben Brief vom 4. d.M. erhalten, wofür meine allerbesten Dank. Es freut mich, dass bis jetzt alle Briefe gut angekommen sind.

 

Liebe Eltern! 

In Minsk haben wir 2 schöne Tage verlebt. Wir waren wieder einmal nach sehr langer Zeit in einem anständigen Kino, Theater und Soldatenheim. Dass ich nicht für das fliegende Personal infrage komme, habe ich Euch ja schon im letzten Brief mitgeteilt. Bleiben wir eben bei der Feldwerft. Hoffentlich ist der Krieg bald zuende.

 

Ihr wundert euch, dass wir schon wieder verlegt haben. Na da werdet Ihr Euch auch nicht wundern, wenn ich Euch schon wieder schreibe, dass wir in den nächsten Tagen verlegen. Und zwar wieder ca. 120 km zurück (westwärts). Ja hier in diesem Abschnitt wird in nächster Zeit schwer was los sein. Wohin wir verlegen, werde ich euch später einmal mitteilen.

 

Es freut mich, wenn sich Papa einmal wegen meiner Gehaltsfrage bei der Sparkasse erkundigt. Aber gebe acht, dass kein Fehler unterläuft, denn bei anderen haben sie schon oft einen Monat übersprungen.

 

Schön ist es von Mama, dass sie mir wieder einmal nach längerer zeit einen Kuchen gebacken hat. Dass es in Frankfurt furchtbar aussieht, weiß ich genau. Hoffentlich passiert bei uns zu Hause nichts mehr.

 

Aber nun etwas ganz anderes: 

Papa, erkundige Dich bitte einmal, wie es ist mit dem Beginn eines Studiums im Herbst. Wenn es auch nicht in Frankfurt geht, so dann vielleicht in Friedberg. Ob es aber mit Studienurlaub so einfach geht, weiß ich nicht, denn es soll, wie ich etwas gehört habe, für das erste Semester kein Urlaub gewährt werden. Aber man kann es ja mal versuchen. Mehr wie abgelehnt werden, kann es ja nicht. Damit für heute genug.

 

Mir geht es noch gut, hoffentlich Euch auch.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Lublin

Polen

 

 

25.05.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 25.05.44

 

Liebe Eltern! 

Heute ist G.K. wieder vom Urlaub zurück gekommen. Von ihm habe ich das schöne Päckchen von Euch erhalten. Es sind ja sehr viel gute Sachen drin. Meinen allerbesten Dank. Den Kuchen werde ich mir in den nächsten Tagen bei Kaffee gut schmecken lassen.

Liebe Eltern! Wir wurden wieder einmal verlegt. Und zwar sind wir jetzt im ehemaligen Polen und zwar in Lublin. Wir haben hier prima Unterkünfte mitten im Ort. Hier sieht es schon ganz anders aus. Die Häuser sind besser gebaut und vor allem ist es hier viel sicherer. Wie es hier im großen und ganzen ist, müssen wir erst selber feststellen.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Lublin

Polen

 

Im Frühjahr 1944 mussten die Deutschen Truppen immer stärker zurückweichen, so dass die Flugzeuginstandsetzungseinheiten immer mehr nach Südwesten verlegt werden mussten. 

 

So ging die Rückverlegung Zug um Zug von Smolensk bis nach Lublin, wobei wegen der Kampfhandlungen gewaltige Umwege in Kauf genommen werden mussten.

 

Wo die Deutschen Truppen zurückwichen, hinterließen sie nur verbrannte Erde. Wo dies nicht der Fall war, fuhren sie durch die Spuren, die sie auf dem Vormarsch hinterlassen hatten.

 

 

 

 

bei

Lublin

Polen

 

 

27.05.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 27.05.44

Liebe Eltern! Heute erhielt ich Eure beiden Briefe Nr. 18 und 19 vom 11. und 15. Mai. Meinen allerbesten Dank. Im 22. Jahr bin ich schon und schon fast 3 ½ Jahre von zuhause weg. Wie lange wird dieser Krieg noch dauern? Hoffentlich hast Du recht, dass es dieses Jahr zu einem guten Ende kommt. Aber wie dies so schnell zustande kommen soll, kann ich mir nicht denken. Wenn nur wenigstens einmal der Luftterror ein Ende hätte, dann wäre uns schon viel geholfen. Aber wir können nichts ändern, können nur das Beste hoffen.

 

Aber mit Onkel Christian ist es auf einmal sehr schnell gegangen. Es war aber auch so für ihn und alle Anderen gut. Wie steht es eigentlich mit unserer Großmutter?

 

Dass Karlheinz Bennecker auf Urlaub kommt, weiß ich von ihm. Aber, dass er sich an Pfingsten verloben will, davon hat er mir noch nichts geschrieben. Mit wem beabsichtigt er denn, sein Glück zu machen??

 

Der Walter Klee hat Glück gehabt, wie man es nimmt. Und kann dadurch auf Schule weiter gehen. Aber lieber will ich auf ein oder zwei Jahre beim Militär sein und dann gesund abgehen, als so.

 

Herbert Prasse? Habt Ihr von ihm wieder einmal etwas gehört?

 

Dass die Frankfurter Ingenieursschule wieder auf dem schnellsten Weg hergestellt werden soll, ist sehr schön. Aber hoffentlich glückt es mir auch, dass ich im Herbst auf Schule gehen kann.

 

Dass ich das Paket von Gerhard Rohloff erhalten habe, habe ich Euch schon berichtet. Nur bitte ich Euch, mir jetzt im Sommer keine Birnenmarmelade mehr zu schicken, denn diese ist vollkommen schlecht geworden. Aber die übrigen Sachen sind gut angekommen. Das Paket war bis zu Gerhard 14 Tage unterwegs. Er erhielt es am zweitletzten Urlaubstag.

 

Wenn zur Zeit keine Fliegerangriffe auf Frankfurt sind, so seid froh, ich bin es auch. Fliegeralarm ist ja schließlich nicht so schlimm.

Dass die Innenstadt furchtbar aussieht, weiß ich genau. Ich bin mal gespannt, wenn ich nach hause komme, was überhaupt noch übrig geblieben ist.

 

Alfred ist zur Zeit in Warschau. Macht dort einen Einweisungslehrgang mit. Dieser dauert 14 Tage.

Über meine Gehaltsüberweisung werde ich in den nächsten Tagen mit meinem Abteilungsführer sprechen.

 

Was wollen sie denn mit einem alten Knaben, wie mit Onkel Reinhardt anfangen?

Wenn jetzt wieder ein Teil der Straßenbahnen in der Stadt fährt, so ist es doch schon wieder etwas besser. Hoffentlich wird nicht wieder alles kaputt geworfen. So, nun komme ich zum Schluss.

 

Bei uns wird das Wetter allmählich wieder besser und wärmer. Na, es muss ja doch einmal Sommer werden. Mir geht es recht gut, hoffentlich Euch auch.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

 

Zwischen Juni und August 1944 kamen die Russen soweit voran, dass sie Ostpreußen erreichten. Die Feldwerft wurde immer weiter zurückgezogen, war zwischenzeitlich sogar in Lublin stationiert. Kurzzeitig setzte man die Feldwerft aber nochmals in Sluzk bei Minsk ein, als kurzzeitig noch einmal Hoffnung aufkam. Am 7.7.1944 kam die Einheit dann in Sudauen an, nachdem die Offensive wieder an Stärke zunahm. Das Ende war damit zwar eingeläutet, aber die Soldaten konnten noch einmal durchatmen, weil der Russe vor Ostpreußen zunächst Halt machte.

 

 

 

bei

Lublin

Polen

 

 

02.06.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen

 

Russland, 02.06.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Euren Brief Nr. 20 vom 20.5.. Meinen allerbesten Dank. Dieser Brief war, obwohl er per Luftpost geschickt worden ist, sehr lange unterwegs. Es ist einfach komisch mit der Post. Heute erhielt ich außerdem noch einen Brief aus Hamm. Dieser war vom 27.5. und noch dazu mit normaler Post. Also nur 6 Tage und Euer Brief war dagegen 12 Tage unterwegs. Daraus könnt Ihr mal sehen, wie unregelmäßig die Post hierher geht.

 

Nun zu Eurem Brief: 

Geschenke kann man heute leider überhaupt nicht mehr senden. Auch ich konnte Mama leider nichts schicken. Zwar haben wir an Ostern auch einmal eine Tafel Schokolade bekommen, aber diese habe ich nach langer Zeit selbst einmal gegessen. Dass es mit dem Paket ein Irrtum war, ist nicht schlimm. Ja, es beruhigt mich wenigstens, dass nichts verloren ging.

 

Übrigens, da fällt mir gerade ein, dass ich Euch ein Päckchen (eigentlich in der Hauptsache für Papa) geschickt habe. Ich weiß nur nicht, ob ich Euch das schon mitgeteilt habe. Und zwar habe ich dies am 27.5. abgeschickt. Es befindet sich darin: 2 Päckchen Tabak, 25 R6, 3 Tuben Zahnpasta, Rasierklingen und Feinseife. Noch ein Päckchen Mahorka - russischer Tabak., kein Tee, wie verschiedene Frauen schon geglaubt haben. Diesen habe ich als Marketenderware bekommen und Papa einmal geschickt zum Versuchen, da er in meinem letzten Urlaub so neugierig darauf war. Wir sagen zu dem Zeug: "Ein Mann raucht, 3 Mann fallen um!" Daraus könnt Ihr schon ersehen, dass es ein furchtbares Kraut ist. Ich rate Papa, diesen nicht in der Stube zu rauchen, denn sonst stinkt die ganze Stube danach und Mama fängt furchtbar an zu schimpfen.

 

So - über das Ergebnis der Untersuchung könnt Ihr jetzt beruhigt sein. Aber das eine kann ich Euch sagen, mir gefällt das überhaupt nicht. Ich bin vollkommen geschlagen gewesen, als der Arzt sagte, dass ich einen Herzfehler habe, denn ich fühlte mich doch kerngesund. Und dies glaubte ich dadurch noch besonders sicher, da mir noch niemand vor der Untersuchung etwas gesagt hatte, und ich auch tropen- dienstfähig war. Der Arzt sagte mir, der Herzfehler sei nicht schlimm, ich könnte damit trotz allem sehr alt werden. Aber zum Fliegen sei ich vollkommen ungeeignet, denn auf Höhen über 6-Tausend Meter würde ich sofort versagen. Und wenn ich dazu käme, würde ich das nur zwei Jahre mitmachen und dann wäre ich fertig. Daher bleibt mir nichts mehr anderes übrig, als bei der Feldwerft zu bleiben.

 

Dass die Mutter wieder in Ordnung ist, freut mich. Aber sagt mal, was macht die Bandsäge von Papa? Ist die wieder heil? 

Damit möchte ich für heute schließen.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Sluzk

Russland

 

 

12.06.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Nähe Sluzk

 

Russland, 12.06.44

 

Liebe Eltern!

Gestern beim Ausladen an unserem neuen Ziel, erhielt ich Euren Brief vom 3. d.M.. Meinen allerbesten Dank dafür.

 

Ja, Ihr werdet staunen, dass wir schon wieder verlegt haben. Die Zeit in Lublin war schön, aber nur kurz. Keine Arbeit. Nur etwas die Kraftfahrzeuge in Ordnung gebracht. Es war wie eine Sommerfrische in Polen. Aber jetzt sind wir wieder in Russland. Ca. 100 km südlich Minsk. Hier werden wir wieder viel Arbeit haben, denn dies ist hier ein Einsatzhafen. Unsere Unterkunft ist auch gut. Wir leben alle in einer großen Baracke.

 

Dass Ihr an den Feiertagen keine Ruhe gehabt habt, ist für euch weniger schön gewesen. Aber glücklicherweise seid Ihr auch gut darüber hinweg gekommen. Dass Ihr mit Benneckers am 1. Feiertag einige gemütliche Stunden verbracht habt, freut mich. Über die plötzliche Verlobung von Karlheinz bin ich direkt überrascht gewesen. Übrigens, wann ist sein Urlaub zu Ende?

 

Mit dem Wetter ist es dieses Jahr eine reine Katastrophe. Es wird überhaupt nicht richtig warm. Und dazu immer noch der eisige Wind hier in R. Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Sluzk

Russland

 

 

19.06.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Nähe Sluzk

 

Russland, 19.06.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich euren Brief vom 9. d.M., wofür meinen allerbesten Dank. Ja, mit der Post ist es furchtbar. Einmal geht es schnell, das andere mal dauert es wieder sehr lange.

 

Am Kanal spitzt sich die Lage immer mehr zu. Durch die Anwendung der neuen Waffen hat man ja wieder etwas mehr Hoffnung bekommen. Hoffentlich ist England bald soweit, dass es den Geist aufgibt.

 

Mit der Großmutter scheint es ja immer mehr aufwärts zu gehen. Obwohl, es kann schon noch eine ganze Zeit lang dauern.

 

Herbert Prasse hat ja Pech gehabt. Ja, der Junge hat sich sein späteres Leben auch bestimmt anders vorgestellt. Na er kann froh sein, wenn sein Fuß wieder in Ordnung kommt.

 

Zwecks Studienurlaub habe ich noch nichts unternommen.. auch hat es keinen Zweck, denn Urlaub bekomme ich keinen. Urlaub ist bis auf weiteres gänzlich gesperrt.

 

Die Schlechtwetterperiode hatten wir hier auch. Ich glaube, dieses Jahr will es überhaupt keinen Sommer werden. Wir haben noch sehr viel bedeckten Himmel, Wind und nachts noch sehr kühl.

 

Zu dem Fall Oskar Kusnis kann ich nur sagen, er hat sich sicher nicht geändert. Sein Maul ist bestimmt immer noch sehr lose. Aber eines muss ich doch dazu sagen: Wenn er 10 Wochen bekommen hat, ist er dann noch beim fliegenden Personal oder ist er schon abgelöst? Hat er seine alten Dienstgrad noch behalten?

 

Mit Karlheinz ist es eine Vorausverfügung. Wenn wir erfahren, wo wir liegen, dann sind wir schon längst woanders. So ist es auch jetzt wieder. Sicher ist er nur einen Luftsprung von mir entfernt. Wenn wir uns einmal treffen, ist es ein reiner Zufall.

 

Nun hätte ich noch eine Bitte an Euch. Lasst doch, und erlaubt wenigstens die Taschenuhr reparieren zu lassen. Denn es ist ja furchtbar ohne Uhr. Und Dienstuhren bekommen wir nicht mehr. Wenn sie dann heil ist, müsst Ihr sie dann auf irgend einem Weg schicken, wenn bis dahin kein Urlauber fährt. Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

bei

Sluzk

Russland

 

 

30.06.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Nähe Sluzk

 

Russland, 30.06.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Euren Brief vom 26. Mai. Meinen allerbesten Dank hierfür.

 

Wie ich aus Euren Zeilen ersehe, seid Ihr über das Ereignis von Minsk etwas beruhigt. Vielleicht auch gut so. Na, der Krieg ist ja sowieso bald aus. Aber, dass Kirchner irgend einen Einfluss auf das Ereignis hatte, halte ich für ausgeschlossen. Das wäre für ihn viel zu gewagt. Übrigens ist heute Gerhard Rohloff von der Untersuchung in Minsk zurückgekehrt. Er ist auch untauglich und hat auch einen Herzfehler.

 

Unter Kameraden (Walter Michel in der Mitte)

 

In unserem augenblicklichen Aufenthaltsort gefällt es uns ganz gut. Vor allen dingen ist es hier sehr sauber. Die Bevölkerung ist hier sehr fromm. Hier gehen sie noch viel mehr in die Kirche als bei uns zuhause. Der hiesige Ort hat eine große Kirche. Hat zwei Pfarrer. Sehr viel Vieh gibt es hier. Uns geht es hier verpflegungsmäßig sehr gut. Arbeit haben wir hier fast keine, das heißt, an Maschinen. Wir bringen unsere Kraftfahrzeuge in Ordnung. Ich habe natürlich auch wieder so einen Schlitten in Ordnung zu bringen.

 

Aber, wie es immer ist, wenn es einem an einem Ort gefällt, dann ist man nicht lange da. So ist es auch bei uns. Wir werden schon wieder in nächster Zeit verlegen. Wohin ist noch nicht ganz klar. Aber eines steht fest, aus dem Osten kommen wir nicht raus.

 

Wegen meiner Gehaltsüberweisung warte ich noch einig Zeit, weil es oft 6-7 Monate dauert. Netto-Gehalt beträgt 75 RM.

 

Na, was sagt Ihr zum Kampf am Kanal? Endlich ist es los gegangen. Dies wird bestimmt die Entscheidung geben. Hoffentlich geht es zu einem kurzen, schnellen Ende. Wollen wir erst mal abwarten, was uns die nächsten Wochen bringen. Himmlisch wäre, wenn Weihnachten 44 Frieden wäre. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Lublin

Polen

 

 

 

 

07.07.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Nähe Lublin

 

Russland, 07.07.44

 

Liebe Eltern! 

Nach langer Zeit ist es mir wieder einmal möglich an Euch zu schreiben. Was hier im Osten los ist, darüber werdet Ihr ja durch den Wehrmachtsbericht unterrichtet sein. Viel möchte ich euch nicht schreiben. Ich will euch das lieber einmal erzählen, wenn wir beisammen sind. Das eine kann ich Euch aber nur sagen, es waren schwere Tage für uns. Aber jetzt sind wir Gott sei Dank aus dem Dreck raus. Wir befinden uns jetzt bei Gr.... im Generalgouvernement. 

 

Habe hier z.Zt. keine Arbeit. Wohnen mitten im Walde. Schlafen in Zelten. 100 km weg fließt die Memel. Man fühlt sich hier wie in einer Sommerfrische. Die schlechte Schrift müsst Ihr entschuldigen, denn Tisch und Stuhl gibt es bei uns nicht mehr. Aber macht Euch keine Sorgen, mir geht es noch sehr gut. Hoffentlich Euch auch.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

in 

Sudauen

Südostpreußen

 

 

12.07.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Sudauen

 

Sudauen, 12.07.44

 

Liebe Eltern! 

Heute, nachdem wir uns schon einige Tage auf deutschem Reichsgebiet befinden, möchte ich Euch Euch wieder einmal einmal einige Zeilen zukommen lassen. Wir befinden uns jetzt in Südostpreußen. Und zwar in Sudauen . S. ist eine Kleinstadt, die erst am 1.1.40 zu Deutschland gekommen ist. Die Bevölkerung spricht noch durchweg polnisch. Wir sind in einem kleinen Dorf in der Nähe der Stadt untergebracht. Auch hier wohnen wir in Zelten. Die Bevölkerung ist sehr freundlich. Ich wohne mit Rohloff und noch einem Kameraden auf einem Hofe. Von den Bauern bekommen wir morgens und abends jeder kostenlos 1 l Milch. Ferner hat er uns bis jetzt jeden Abend Schinken und Speck gebracht. Auch die Stadt liegt ganz gegenüber uns.

 

Auf dem Platz fehlt es aber auch nicht an Arbeit. Es gibt noch für jetzt viel neues und interessantes. Und zwar haben wir hier neue Maschinen.

 

Wie sieht es zuhause aus. Ihr müsst dort in der letzten Zeit viel Alarm haben. Hoffentlich geht zuhause alles gut. Wie es hier im Osten ausgeht, bin ich einmal gespannt. Für heute möchte ich nun schließen.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

in 

Sudauen

Südostpreußen

 

 

 

 

20.07.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Sudauen

 

Sudauen, 20.07.44

 

Liebe Eltern! 

Heute, nachdem ich Euch schon wieder 8 Tage nicht geschrieben habe, möchte ich Euch wieder einige Zeilen zukommen lassen. Hierher kommt leider keine Post. Wir haben seit dem 25.6. keine Post mehr erhalten. Na hoffentlich bekommt Ihr wenigstens meine Post. Ich habe allerdings nicht viel Zeit zum Schreiben, denn wir müssen zur Zeit sehr schwer arbeiten. Von morgens 4 Uhr bis abends 9 bis 10 Uhr. Es ist sehr anstrengend. Aber trotz allem geht es mir noch sehr gut, was ich von Euch auch hoffe.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

in 

Sudauen

Südostpreußen

 

 

23.07.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Sudauen

 

Sudauen, 23.07.44

 

Liebe Eltern! 

Heute möchte ich Euch wieder einmal einige Zeilen zukommen lassen. Mit der Post ist es hier eine fürchterliche Sache. Wie ich euch schon im letzten Brief geschrieben habe, haben wir jetzt schon einen ganzen Monat keine Post mehr erhalten. Ich konnte zwar einmal 14 Tage nicht schreiben, da hier keine Post mehr angenommen wurde. Aber das ist ja schließlich alles nicht schlimm, die Hauptsache ist, dass wir überall gut durchgekommen sind. Mir geht es noch sehr gut, hoffentlich Euch auch.

 

Wie steht es in der letzten Zeit mit Alarm? Ihr habt scheinbar sehr viel gehabt. Hoffentlich hat der Tommy Frankfurt nicht zu sehr aufs Maß genommen. Was sagt Ihr denn zu dem verbrecherischen Akt der Offiziersclique?

Das kann man sich weder hier im Osten, wie nach Süden und Westen erklären. Hoffentlich geht noch alles gut für uns aus.

 

Wie ist bei euch das Wetter? Hier haben wir zur Zeit eine fürchterliche Hitze. Von morgens bis abends haben wir nur die Sporthose an. Zum Glück gibt's hier genug zu trinken. Für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

in 

Sudauen

Südostpreußen

 

 

30.07.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Lötzen

 

Sudauen, 30.07.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielten wir endlich nach einer langen Zeit von 5 Wochen wieder einmal Post. Die Freude darüber war sehr groß. Von euch erhielt ich 3 Briefe und zwar Nr. 26 vom 29.6., Nr. 38 vom 12.7. und 29 vom 20,7, . Für alle drei Briefe meinen allerbesten Dank.

 

Das Paket von Karlheinz habe ich erhalten. Und zwar gerade am letzten Tage in Poswitsche (60 km v. Minsk). Glück gehabt. Es ist sehr gut angekommen. Nochmal meinen besten Dank. Euch kann ich leider z. Zeit nichts schicken, denn die Post ist jetzt nicht sicher. Und es wäre sehr schade, wenn ein wertvolles Paket verloren ginge.

 

Dass wir in der Offensivengegend stecken, stimmt. Über Arbeitsmangel kann ich auch nicht klagen. Wir arbeiten von morgens 4 Uhr bis zum Dunkelwerden. Wie lange wir dies durchhalten, ist eine zweite Frage. Ich hatte mich auch heute krank gemeldet und bin vom Arzt zu Bettruhe verurteilt. Krankheitsgrund ist Durchfall und magen- und Kopfschmerzen. Es ist auf eine starke Erkältung zurück zu führen. Auch mag das unregelmäßige Essen eine Rolle mit spielen. Nachdem ich mich heute schon einmal richtig ausgeschlafen habe, ist es mir schon um 50% wohler.

 

Aber bei Euch zuhause scheint es nicht viel besser zu sein. Arbeiten und Arbeiten, bis es nicht mehr geht. Wollen wir hoffen, dass es wenigstens einen Zweck hat und der furchtbare Krieg bald zu einem guten Ende kommt. Ich glaube, bis ich in Urlaub komme, kannst Du noch eine zeitlang warten. Ich glaube, dass es in diesem Krieg keinen Urlaub mehr gibt.

 

Zur Zeit stehen wir mit dem Krieg in einer furchtbaren Krise. Ich bin bloß einmal gespannt, wo und wann wir den Russen zum Stehen kriegen, denn das kann nicht mehr so weiter gehen. Aber es ist ja schließlich schwer, wenn einmal etwas versaut ist, dies wieder gut zu machen.

 

Der Brief über meine Gehaltsangaben habe ich erhalten. Habt Ihr die Antwort darauf nicht erhalten? Schade, dass ich bei der Obsternte nicht daheim sein kann. Wie gern würde ich jetzt einmal in einen Apfel oder eine Birne beißen. So ist es ja gerade nicht, dass wir alles verloren haben, wir haben immer noch unser Werkzeug zum Arbeiten. Bis jetzt fehlen mir 2 Briefe von euch. Damit für heute genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

in 

Lötzen

Ostpreußen

 

 

03.08.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Lötzen

 

Lötzen, 03.08.44

 

Liebe Eltern, 

Nach meiner dreiwöchentlichen Gastspielzeit in Sudauen mussten wir wieder einmal woanders hin, um dort wieder neue Vorstellungen zu geben. Diesmal führte es uns 120 km nordwestlich. Und zwar, wie oben schon steht, nach Lötzen in Ostpreußen. Die Stadt liegt am größten See in den Masuren, dem Spirdingsee. Die Stadt hat eine wunderbare Lage. Hier diese Gegend gehört zu den schönsten Teilen Ostpreußens. Wir sind teils sehr froh, aber auch teils sehr traurig, dass wir bis hierher gekommen sind. Und zwar wollten wir ja nicht unter solchen Umständen nach Deutschland kommen. Das, was uns hier nur freut, ist, dass hier wenigstens Deutsch gesprochen wird. Man kann wenigstens jeden hier fragen und sich mit jedem unterhalten. Es ist etwas ganz anders, als wenn man jemand fragt und bekommt zur Antwort: "Nix panimaisch" (nicht verstanden). Und vor allem, was man erwähnen muss, es ist überall sehr sauber. Nicht so dreckig und mistig wie in dem verfluchten Russland.

 

Untergebracht sind wir in der Nähe des Flugplatzes, in einem kleinen Dorf. Und zwar teils in der Schule, teils in einer Gastwirtschaft und teils in Privat. Ich liege mit 3 Mann zusammen in privat und zwar beim Schustermeister. Wir haben hier ein schönes kleines Zimmer. Unsere Wirtsleute sind ein älteres Ehepaar. Sehr freundliche Leute, wie alle hier in dem Ort. Die Frau ist schätzungsweise 60, wogegen ich den Mann auf 65 schätze. Von ihnen ist selber ein Sohn beim Militär. Er ist auch schon 5 Jahre Soldat. In der Bewirtung bringt sich die alte Dame fast um. Sie glaubt immer, wir bekommen nicht genug zu essen und bringt uns daher alles mögliche. Auf der anderen Seite natürlich lehnen die Beiden auch nicht ein Glas guten Wein, Sekt und Schnaps ab. Ferner raucht der alte Herr auch ganz gern mal eine gute Zigarre. So wäscht eine Hand die andere.

 

Wir halten es hier bis Kriegsende gut aus. Hoffentlich bleiben wir hier wenigstens einmal längere Zeit.

Wie es hier mit der Arbeit steht, ist noch nicht ganz zu übersehen. Werft noch wenig. Aber wenn hier viel Einsatz geflogen wird, was der Fall ist, dann werden wir auch viel Arbeit bekommen. Aber das ist nicht schlimm, wollen wir gern machen, denn die Hauptsache ist, dass der Russe nicht ins Reich kommt.

 

Nun noch etwas ganz anders: Ich bitte euch, mir jetzt meine neue Uhr, entweder meine Armbanduhr oder wenn meine Taschenuhr wieder in Ordnung ist, diese zu schicken. Auch könnt Ihr, wenn es möglich ist, ein Päckchen mit Obst oder einen kleinen Kuchen schicken. Aber dies nicht auf Feldpost, sondern auf privat. Und zwar an meine Hauswirt

 

Herrn Franz Kratzat 

5b Schwiddern 

Lötzen-Land (Ostpreußen)

 

Für wen? Bekommen wir vom Absender.

 

Auf diese Art und Weise kann ich doch einmal etwas schnell und sicher bekommen. Papa werde ich auch in den nächsten Tagen etwas schicken. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

in 

Lötzen

Ostpreußen

 

 

10.08.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Lötzen

 

Lötzen, 10.08.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich wieder zwei Briefe von Euch. Und zwar die Briefe vom 5.7. und 27.7. , wofür meinen allerbesten Dank. Der Brief vom 5.7. ist natürlich schon weit überholt. Haben Benneckers wie Post von Karlheinz erhalten?

 

Wie ich aus dem Brief vom 27.7. erfuhr, ist Großmutter gestorben. Nun, ich wünsche ihr auch eine angenehme Ruhe. Ich glaube, wir erreichen ein solch hohes Alter nicht, denn dazu ist unser Leben viel zu aufregend und nervenaufreibend.

 

Das von Alfred habe ich zur Kenntnis genommen. Sehr bedauerlich. 

 

Heute habe ich einen dienstfreien Tag erhalten. Da werde ich einmal in die Stadt gehen und diese mir einmal genau ansehen. Mit Alarm haben wir hier Ruhe. In dieser Beziehung direkt Erholung.

Ich glaube, Ihr wärt Gott auch dankbar, wenn Ihr eine solche Ruhe hättet. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

in 

Lötzen

Ostpreußen

 

 

12.08.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Lötzen

 

Lötzen, 12.08.44

 

Liebe Eltern! 

Habe heute Euren Brief vom 3. d.M. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank.

Seid bitte nicht gleich immer besorgt, wenn Ihr mal einige Tage keine Post von mir erhaltet. Ich bin schließlich jetzt in Deutschland und dazu noch ein schönes Stück hinter der Front. Zum Schreiben habe ich nicht immer Zeit. Teils muss man sehr lange arbeiten, teils hat man abends auch mal etwas anderes vor. Aber alle 6 - 7 Tage schreibe ich Euch bestimmt. Und das dürfte doch reichen.

 

Mit der totalen Paket- und Päckchensperre bin ich nicht ganz einverstanden. Ich hatte für Euch schon vor einiger Zeit 2 Päckchen fertig gemacht und wurde sie an der Post nicht los, weil keine Waggons vorhanden waren. Und jetzt nimmt mir die Post überhaupt keine mehr ab. Das eine enthielt Seifenpulver und Seife, das andere war mit 5 Päckchen Tabak gefüllt. Nichts zu ändern, muss ich sie eben mitschleppen.

 

Über Alarm hatten wir Gott sei Dank nicht zu klagen. Hoffentlich herrscht bei Euch auch bald so eine göttliche Ruhe. Da wir zur Zeit wenig Arbeit haben, machen wir teil Erntehilfe. Ich bin heute bei einem Gut von 500 Morgen gewesen, mit 4 Mann zusammen. Wir haben dort Roggen aufgestellt. Die Arbeit ist auch eine schöne Abwechslung. Übers Essen braucht man sich nicht zu beklagen. Wir haben dort vor Arbeitsbeginn erst jeder 2 Butterbrote gegessen und Milch getrunken. Milch (Melkmilch) kann man hier so viel trinken, wie man will. Dort sind nur 25 Kühe, 25 Rinder, 16 große Schweine, 26 kleine und ca. 60 Gänse und ein Haufen Hühner. Zum Frühstück gab es Schinkenbrot mit Milch. Zum Mittag Schweinebraten mit Salzkartoffeln.(eine volle Portion Fleisch pro Mann). Zum Vesper Butterbrot mit Milchkaffee. Und zum Abend Bratkartoffeln mit Rühreier und Tee (wir bestellten uns allerdings Tee). Ich habe heute ca. 2,5 l Milch getrunken, schmeckt prima. Bei einer solchen Verpflegung hält man es schon gut aus. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Tilsit

Ostpreußen

 

 

19.08.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Tilsit

 

Tilsit, 19.8.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Euren Brief vom 8. d.M., wofür meinen allerbesten Dank.

 

Wir haben schon wieder verlegt, wie Ihr feststellen müsst. Und zwar jetzt in die Nähe von Tilsit (ca. 30 Km). Hier wohnen wir wieder in Privat. Haben sehr gute Unterkunft. Mit zwei Mann, möbiliertes Zimmer. Gerhard Rohlofff hat es wieder mal wunderbar getroffen. Seine Schwester wohnt von hier nur 5 km von hier weg. Er gehe jeden natürlich jeden Abend hin und er schläft auch dort. Sie ist hier mit einem ....... verheiratet. Dieser verwaltet ein Gut von 5000 Morgen. Ich war schon dort und werde noch öfter hingehen, denn dort kann man noch friedensmäßig essen.

Damit genug für heute. 

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Tilsit

Ostpreußen

 

 

21.08.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Tilsit

 

Tilsit, 21.08.44

 

Liebe Eltern! 

Da ich heute am Sonntag Bereitschaft habe und wir augenblicklich nichts zu tun haben, möchte ich Euch wieder ein paar Zeilen zukommen lassen.

 

Da wir jetzt, wie Euch schon gestern geschrieben, ganz in der Nähe von Rohloffs Schwester waren, möchte ich Euch ihre Anschrift mitteilen, damit die Briefe nicht zu lang unterwegs sind. Die Anschrift lautet:

 

Herr Fritz Fachtner 

5 b Gorslinden (Ostpreußen) 

Post Neusiedel

 

Denn die Briefe auf dem Feldpostweg sind auch hier über 10 Tage unterwegs.

 

Hier in der Gegend gefällt es uns auch allen sehr gut. Dadurch, dass wir alle in Privat wohnen, fühlt man sich viel wohler. Wir wohnen alle ganz verstreut. Vom Feldflugplatz teils 2 km entfernt. Ich wohne 1,5 km weg. UvD gibt es bei uns nicht. Um wie viel Uhr morgens antreten ist, wird am Abend vorher bekannt gegeben. Wecken lassen wir uns von unserer Hauswirtin. So lässt es sich aushalten.

 

Nun jetzt etwas ganz anders: Da Großmutter gestorben ist, ist doch eine Teilung des Zurückgebliebenen eines Tages nötig. Hierzu möchte ich einen Vorschlag machen. Und zwar Papa, wenn es möglich ist, das Haus zu bekommen, nehme es. Über die Bezahlung denke ich folgendermaßen. Und zwar von meinem und Eurem Sparkassenbuch den größten Teil zu nehmen. Den restlichen Teil von einer Bank zu leihen und damit die Anderen auszuzahlen. Auf diese Art würde wenigstens das Haus unser und unser Geld gut und sicher angelegt.

 

Wie ich gerade erfahren habe, sind wir auch hier schon wieder die längste Zeit gewesen. Wir sollen in den nächsten Tagen schon wieder verlegen. Wohin, weiß ich noch nicht. Demzufolge hat es keine Zweck, etwas nach Großlinden zu schicken. Damit genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

 

Verlegungen der Feldwerft zwischen dem 25.5. und 23.8.1944

 

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

23.08.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Posen Trakehnen

 

Trakehnen, 23.08.44

 

Liebe Eltern! 

Gestern haben wir schon wieder verlegt. Und zwar nach Trakehnen. Das liegt ca. 25 km von der Grenze entfernt. Und 15 km von Gumbinnen. Diese Verlegung sagte uns überhaupt nicht zu. Dies hier ist eine ganz blöde Gegend. Häuser gibt es hier nur ganz wenig. Hier gibt es nur ein größeres Gestüt. Wir wohnen hier in einem Raum. Ich schlafe allerdings im Skoda, da es mir in meinem Wagen besser gefällt als im Horch. Vor allen Dingen liege ich auf den Polstern genau so weich und noch viel sauberer. Aber, was wir hier sollen, ist uns nicht ganz klar. Denn hier auf dem Platz sind bereits schon Werkstattzüge. Wir rechnen daher mit einer baldigen Verlegung. Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

 

27.08.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg Trakehnen

 

Trakehnen, 27.08.44

 

Liebe Eltern! 

Heute am Sonntag erhielten wir wieder einmal Post nach langer Zeit. Von Euch bekam ich 3 Briefe. Ferner noch 2 Pakete. Und zwar ist heute unser Nachkommando aus Lützen angekommen. Dies brachte mir die Pakete mit. Die Pakete sind natürlich gut angekommen. Am allermeisten freut es mich, dass ich jetzt wieder eine Uhr besitze. Man lebt ja sonst wie auf dem Mond. Der Kuchen und die Äpfel kamen auch sehr gut an. Aber die ....... waren leider nicht mehr genießbar. Nicht zu ändern. Sind eben zu lange unterwegs gewesen. Meinen allerbesten Dank für die beiden Pakete. Besonders für die Uhr. Hoffentlich hält sie sehr lange. Ein Paket mit Seife und Seifenpulver habe ich Rohloffs Schwester gegeben, diese wird versuchen, es Euch zu schicken.

 

Nun zu den 3 Briefen: 

Und zwar sind diese Nr. 25 vom 22.6., Nr. 33 vom 13.8. und Nr. 34 vom 17.8.

Der erste Brief Nr. 25 ist bereits sehr überholt, sodass nicht mehr viel dazu zu sagen ist. Nur dies, Urlaubssperre ist aufgehoben. Aber!! Man muss erst 12 Monate = 1 Jahr voll haben. Also könnt Ihr Euch ausrechnen, wann ich an Urlaub denken kann.

Dass ich dieses Jahr wieder nicht an der Obsternte teilnehmen kann, ist Pech. Nicht zu ändern, hoffentlich nächstes Jahr.

 

Wie Du schon schreibst über die neuen Kriegsverordnungen, werden noch mache arbeiten müssen, die nicht damit gerechnet haben oder es nicht nötig hatten. Hoffentlich wird auch richtig durchgegriffen, dass sich nicht wieder verschiedene aus den sogenannten besseren Kreisen vor der Arbeit drücken. Unter die Arbeitspflicht werden auch diesmal fallen: Elfi Glaser, H. Ewald, Diefenbach und andere. Wie alt ist eigentlich Frau Bennecker? Doch schon 50?

Dass Papa nicht damit nicht zu rechnen braucht, glaube ich. Es ist auch bestimmt besser. 

 

Dass Karlheinz bereits schon wieder in Litauen ist, habe ich schon durch einen Brief von ihm erfahren. Er hat es nicht lange auf deutschem Boden ausgehalten. Wie lange wir noch in Deutschland (Ostpreußen) sind, wissen wir noch nicht. Aber wir hoffen, noch recht lang da zu bleiben, wo Deutsch gesprochen wird.

 

Wenn wir verlegen oder wenn ein größerer Luftangriff in unserer Nähe war oder ist, werde ich euch sofort davon unterrichten. Seitdem wir in Ostpreußen sind, haben wir keinen Angriff gehabt. Der Iwan überfliegt nur in ganz großer Höhe täglich unser Gebiet. Aber daran stören wir uns überhaupt nicht mehr.

 

Das 3. Paket habe ich bis jetzt noch nicht erhalten, aber ich hoffe, dass unser Ing. K. dies noch mitbringt, denn er siegt noch dort im Raume. Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

Lg.Pa, Königsberg jetzt wieder schreiben

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

 

01.09.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg Trakehnen

 

Trakehnen, 01.09.44

 

Liebe Eltern! 

Gestern erhielt ich Euren lieben Brief vom 25.8., wofür meinen allerbesten Dank.

Wie ich aus euren Zeilen ersehe, herrscht zuhause große Trockenheit. Einfach furchtbar. Hier ist es nicht so schlimm gewesen. Sehr oft Gewitterregen.

 

Über Eure abgeschickten Pakete habe ich euch schon im letzten Brief geschrieben.

 

Hier in Trakehnen haben wir augenblicklich keine Arbeit. Kraftfahrer und Beifahrer müssen die Fahrzeuge wieder in Ordnung bringen. Die Übrigen helfen bei der Ernte mit. Wie immer, bin ich auch jetzt wieder bei den Fahrzeugen. Aber bei der Arbeit hat man sehr viel Abwechslung, denn die Kinder des ganzen Dorfes sind den ganzen Tag dabei. Manchmal wird es einigen ja zu viel, denn die Bälge können einen verrückt machen. Aber, dann hat man auch seinen Spaß dabei.

Über die militärische Lage seid Ihr ja genau so gut orientiert, wie wir. Damit für heute genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

 

06.09.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg Trakehnen

 

Trakehnen, 06.09.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Euren lieben Brief vom 30.8., meinen allerbesten Dank.

 

Bevor ich Euch diesen Brief beantworte, möchte ich Euch erst einmal über den Erhalt des 3. Paketes unterrichten. Leider war das Obst nicht mehr genießbar. Es ist eben zu lange unterwegs gewesen. Schade, aber nichts zu ändern!

 

Unsere häufigen Verlegungen sagen uns keinesfalls zu. Aber ich denke, dass wir bald wieder einen festen Platz haben.

 

Nun zur Teilung: Wenn Ihr es vorerst zusammen behalten wollt, so ist es auch nicht schlecht. Das Andere, das Du im Auge hast, ist auch nicht schlecht. Vor allen Dingen könnte man dadurch auch einen guten Bauplatz erwerben. Ich hatte ja nur den Vorschlag gemacht, dass Du mein Geld möglichst gut und friedensmäßig betrachtet, sicher anlegst. Sollte dir eine besonders gute Sache in die Finger kommen, so greife zu ohne lange zu fragen.

 

Ich staune, dass Karlheinz nur wenige km (ca. 42-44 km) von mir entfernt ist. Aber, ob wir uns einmal sehen, ist fraglich.

Die Vermisstenmeldung von Theo Beck habe ich zur Kenntnis genommen. Sehr bedauerlich! Wo war er? Doch sicher in Russland. Leider Glaube ich, dass jetzt noch mehr Vermisstenmeldungen ankommen. Und sind dies alle von den Rückzügen. Wir haben dabei wenigstens Glück gehabt. Von unserem Verband sind auch zwar welche aus Russland nicht rausgekommen. Von er einen Werft sind nur 6 Mann umgekommen. Von der anderen fehlt jede Spur. Da bei einem solchen Rückzug, wie dieser war, muss man Glück haben und vor allen Dingen einen sehr guten und umsichtigen Zug- und Einheitsführer haben. Dies war bei uns der Fall und dadurch sind wir überall so gut durchgekommen. Aber das alles kann ich Euch einmal besser erzählen. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

 

13.09.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg Trakehnen

 

Trakehnen, 13.09.44

 

Liebe Eltern! 

Heute nach 7 Tagen möchte ich Euch wieder einmal schreiben. Wir haben zwar zur Zeit nicht viel zu tun, aber wenn man sehr wenig Post bekommt, vergisst man bald, zu schreiben, zumal man oft nicht weiß, was man schreiben soll.

 

Wie ich durch den Rudi erfahren habe, ist Frankfurt durch den Tommy wieder heimgesucht worden. Einfach furchtbar. Hoffentlich seid auch Ihr diesmal wieder gut durchgekommen.

 

Heute habe ich für euch ein Paket fertig gemacht, das ich in den nächsten Tagen als Expressgut abschicken werde. Hoffentlich kommt es gut an. Es sind darin folgende Sachen enthalten: 1. Backhefe, 2. 1 Paar Strümpfe, 3. 1 Taschenlampe, 4. 1 Büchse Fleisch 5. 1 Pfund Käse 6. 7 Päckchen Tabak 7. 35 Zigaretten 8. 1 Kiste Zigarren, Zahnpasta u.s.w.

Habt Ihr das letzte Paket erhalten? Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

 

16.09.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg Trakehnen

 

Trakehnen, 16.09.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Euren lieben Brief vom 3. d.M., meinen allerbesten Dank dafür.

Wie ich aus Euren Zeilen feststellen muss, scheint die Ortsgruppe Wesl überhaupt nicht mit der Zeit zu gehen. Die sind ja sehr gut über die Einzelnen orientiert.

 

Das angekündigte Paket habe ich noch nicht abgeschickt. Ich hatte bis jetzt dazu noch keine Gelegenheit, es zum Bahnhof zu bringen. Werde aber in den nächsten Tagen alles versuchen, es dorthin zu bringen.

 

Wir hier haben zur Zeit keine Arbeit. Wir bringen zum Teil unsere Fahrzeuge in Ordnung. Zum Teil helfen wir auch in der Landwirtschaft.

Über die jetzige Kriegslage kann ich nicht viel schreiben. Ihr seht es ja selber. Vielleicht noch besser, als wir. Hoffentlich geht dies noch zu einem guten Ende.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

 

18.09.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg Trakehnen

 

Trakehnen, 18.09.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Euren lieben Brief vom 8. d.M., meinen allerbesten Dank dafür.

Es freut mich, dass jetzt das Paket mit Seife gut angekommen ist. Aber ganz besonders freut es mich, dass Ihr Euch über die Sendung sehr gefreut habt und es gut gebrauchen könnt.

 

Die Lage im Westen spitzt sich jetzt von Tag zu Tag zu. Man will eben von Feindseite aus mit aller Gewalt den Krieg vor dem Winter beenden. Hoffentlich können wir ihn an der Grenze halten, denn sonst wären die Folgen furchtbar für uns.

Von uns wurden auch verschieden Leute versetzt und zwar zur kämpfenden Truppe (Infanterie). Unter anderem auch Walter Hampel. Wohin sie kommen, ist uns bis jetzt noch unbekannt. Ich rechne vorerst mit einer solchen Versetzung nicht, denn es werden ja immer erst solche abgeschoben, die nicht gebraucht wurden, nichts leisten oder verschiedenes haben.

 

Dass auch von Frankfurt Leute zum Stellungsbau weg sind, wundert mich keinesfalls. Auch nicht über Onkel Karl. Hier im Osten müssten vor einiger Zeit auch alle Männer weg zum Stellungsbau.

 

Von Karlheinz habe ich auch schon längere Zeit keine Post erhalten. Wundere mich daher, dass er schon wieder im Frontgebiet ist.

 

Dass Alfred Euch immer wieder von Zeit zu Zeit schreibt, wundert mich direkt.

Wir müssen jetzt auch an der Kartoffelernte teilnehmen. Allerdings ist es nicht toll, denn es war im Sommer einfach zu trocken. Wie steht es bei euch mit der Ernte? Das Einzige, was hier gut war, war die Getreideernte. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

 

21.09.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg   Trakehnen

 

Trakehnen, 21.09.44

 

Lieber Papa, 

Ich möchte Dir hiermit zu Deinem 59. Geburtstag recht herzlich gratulieren und Dir weiterhin alles Gute wünschen.

Dein Geburtstagsgeschenk wird allerdings einige Zeit später ankommen. Aber die Hauptsache ist, es kommt an.

Mir geht es gut, was ich auch von Dir und Mama erhoffe.

 

Es grüßt Dich und Mama recht herzlich 

Dein Walter

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

 

25.09.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg     Trakehnen

 

Trakehnen, 25.09.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Euren lieben Brief vom 13. d.M., meinen allerbesten Dank hierfür.

 

Eure Zeilen haben mich sichtlich erleichtert und beruhigt. Auch dieses Mal habt Ihr Gott sei Dank wieder Glück gehabt und seid bei dem schweren Angriff verschont geblieben. Hoffentlich geht es auch weiterhin gut ab.

 

Wir hier haben glücklicherweise nichts zu tun. Hier merkt man kaum etwas vom Krieg. Wenn erst einmal wieder bei Euch zu Hause wieder eine solche Ruhe herrscht, dann ist es bestimmt besser.

 

Anbei 2 Bilder. Von was? Seht Ihr ja deutlich genug. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

 

30.09.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg     Trakehnen

 

Trakehnen, 30.09.44

 

Liebe Eltern! 

Ich möchte Euch heute wieder einmal einige Zeilen zukommen lassen. Post bekommen wir erst wieder am Montag, da erst heute unser Kurier weggefahren ist.

 

Am meisten interessiert die Frage, was ist in Frankfurt los? Wie geht es Euch? Hoffentlich noch gut.

 

Das Paket an Euch ist am 28. d.M. abgegangen. Und zwar als Dienstpost. (Kommt also mit der Post). Hoffentlich kommt die Kiste gut an.

 

Anbei noch einige Bilder von der 2000. Maschine. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

 

01.10.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg      Trakehnen

 

Trakehnen, 01.10.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich Euer Schreiben vom 20. d.M., meinen allerbesten Dank dafür. Das, was Ihr angenommen habt, ist bis jetzt noch nicht zugetroffen. Wir sind noch immer hier in Trakehnen, haben uns auch jetzt hier sehr gut eingelebt. Im übrigen kommen wir als technische Einheit für einen solchen Fall nur in den äußersten Fällen erst infrage. Letzten Endes sind wir dafür ja gar nicht ausgebildet.

Da jetzt hier der größte Teil der Bevölkerung rückwärtig gekommen ist, haben wir gute Unterkünfte bekommen. Ich wohne mit 4 Mann zusammen in einer schönen Zweizimmerwohnung, nur sehr einfach ist es jetzt hier. Im Übrigen ist hier die Front ruhig. Wie lange noch, ist allerdings nur eine Frage der Zeit.

 

Mit Alarm und Angriffen ist es ja in Eurer Ecke furchtbar und hoffentlich geht alles gut aus.

Wie ich feststellen musste, hat Dein altes Leiden schon wieder begonnen. So schone Dich etwas.

Dass Onkel Karl nicht lange fort ist, habe ich mir gleich gedacht, denn so ein so Vorsichtiger hält es bei einer solchen Einheit nicht lange aus.

 

Von G. zur Kenntnis genommen. Über Heinz Arnold wundere ich mich. Schon verheiratet! Ist er immer noch so viel zu Hause?

Ich staune, dass Frau Bennecker ausgerechnet bei Wörner arbeitet. Wie gefällt es ihr dort? Sie kann mal meine alten Bekannten grüßen (Wörner, Rheul, Maisch, u.s.w.) Damit genug für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich und Papa wünsche ich baldige Gesundheit 

Euer Walter

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

 

06.10.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg     Trakehnen

 

Trakehnen, 06.10.44

 

Liebe Eltern! 

Da wir nun schon über 8 Tage keine Post bekommen haben, möchte ich Euch wieder einmal einige Zeilen zukommen lassen.

Mir geht es noch sehr gut, was ich von Euch auch erhoffe. Um dem Übel mit der Post abzuhelfen, bitte ich Euch, mir die Post wieder auf Privat zu schicken.

Und zwar an:

Herrn Spielmann Schreifershof 

(5b) Post Trakehnen / Kreis Eberrode

 

Ferner bitte ich Euch, mir ein Paket mit Marmelade oder Gelee und vielleicht etwas haltbares Obst zu schicken. Ferner bitte ich Euch, mir meinen braunen ärmellosen Pullover zu schicken. Sonst werde ich nichts an Wintersachen benötigen.

 

Ich bitte Euch aber, das Paket sofort abzuschicken. Anbei noch die Urkunden vom KVK II.Kl. - bitte gut aufheben. Habt Ihr mein Paket schon erhalten? Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Trakehnen

Ostpreußen

 

 

 

09.10.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg       Trakehnen

 

Trakehenen, 09.10.44

 

Liebe Eltern! 

 

Heute kam plötzlich ein Verlegungsbefehl. Und heute fahren wir schon ab. Es hat daher keinen Zweck, etwas auf Privat zu schicken.

Wir haben wieder auf den letzten Platz in die Nähe von Rohloffs Schwester verlegt. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Tilsit

 

 

 

11.10.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg       nähe Tilsit

 

O.M., 11.10.44

 

Lieben Eltern! 

Wie ihr schon aus dem letzten Brief entnommen habt, haben wir schon wieder einmal verlegt. Wir sind jetzt wieder auf dem Platz, auf dem wir 7 Wochen waren. Also wieder ganz in der Nähe von Rohloffs Schwester. Geben ganz gutes Quartier. Nur zum Teil kein elektrisches Licht. Dies kennt man hier in Ostpreußen stellenweise noch nicht.

 

Hier auf dem Platz haben wir wieder einmal viel Arbeit, denn der Flugbetrieb ist hier beiderseits sehr lebhaft. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

 

 

Nähe

Tilsit

 

 

15.10.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg      nähe Tilsit

 

O.M., 15.10.44

 

Liebe Eltern! 

Heute erhielt ich von Euch wieder zwei Briefe. Und zwar die Briefe Nr. 41 vom 27.9. und Nr. 42 vom 3. d.M., für beide Schreiben meinen allerbesten Dank.

 

Ich bin wirklich froh, dass Ihr bei den letzten Großangriffen gut durchgekommen seid. Hoffentlich geht es auch weiterhin so gut ab.

Das glaube ich gern, dass ein fremder Mann nie so gefühlvoll Obst abmacht als man selber. Na, vielleicht kann ich nächstes Jahr das Zeug selber abmachen.

 

Mir geht es gut. Hoffentlich Papa auch bald wieder.

Hier auf dem Platz haben wir wieder sehr viel Arbeit. Damit für heute genug.

 

Es grüßt euch recht herzlich 

Euer Walter

 

 

Nähe

Tilsit

 

 

19.10.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg       nähe Tilsit

 

O.M., 19.10.44

 

Liebe Eltern!

Gestern erhielt ich Euren lieben Brief vom 9. d.M., wofür meinen allerbesten Dank.

 

Wie ich aus diesem Schreiben ersehe, ist Papa leider immer noch krank, was ich sehr bedauere. Na ich wünsche Dir alles Gute. Hoffentlich bist Du bald wieder gesund. Sehr bedauerlich sind die dauernden Einflüge. Hoffentlich hat dies bald ein Ende. Hoffentlich geht dies alles noch gut.

 

Euren Brief vom 3. d.M. konnte ich leider noch nicht beantworten, da wir arbeitsmäßig zu sehr überlastet sind. Wir fangen morgens um 4 Uhr an und arbeiten bis spät in die Nacht hinein. Ihr müsst daher meine kurzen Briefe entschuldigen. Zum Schluss möchte ich nun noch Mama zu ihrem kommenden Geburtstag gratulieren und ihr weiterhin alles Gute wünschen.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

Papa wünsche ich noch eine recht baldige Gesundung.

Papa, schreibe mir doch bitte einmal, wo Du jetzt arbeitest. (Straße, Haus, Nr.)

 

 

Insterburg

 

 

21.10.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg      Insterburg

 

Insterburg, 21.10.44

 

Liebe Eltern!

Nachdem wir wieder einmal eine Verlegung hinter uns haben, möchte ich Euch einige Zeilen zukommen lassen.

Ja, wir mussten mal wieder verlegen. Aber seid unbesorgt, wir kommen immer gut durch. Denn was hier im Augenblick los ist, kann man kaum begreifen. Hoffentlich bekommen wir den Russen recht bald zum Stoppen. Es ist ja fürchterlich, was uns sonst alles verloren geht. Na, vielleicht können wir uns einmal während der nächsten Monate darüber aussprechen. Einen großen Zoo haben wir mitgebracht. Ich selber besitze 3 Gänse. Davon sind zwei für Euch bestimmt. Bei der passenden Gelegenheit werde ich sie Euch dann schicken. Aber bis dahin werde ich sie noch erheblich füttern. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht Euch alles Gute, besonders dass Papa recht bald wieder gesund ist

Euer Walter

 

 

Gumbinnen

 

 

 

 

 

01.11.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg      Gumbinnen

 

Gumbinnen, 01.11.44

 

Liebe Mama!

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 24. d.M., wofür meinen allerbesten Dank. Wie aus Deinen Zeilen bedauerlich ersehen muss, ist Papa doch so sehr schwer krank, dass er ins Krankenhaus gehen musste. Hoffentlich geht alles gut ab, sodass er recht bald wieder gesund ist. Achte bitte in Zukunft darauf, dass er sich an die ärztlichen Vorschriften hält und etwas mehr auf seine Gesundheit achtet als auf andere Sachen. Den Brief von Papa habe ich bis jetzt noch nicht erhalten. Dass ich das Paket bekomme, das Du an mich abgeschickt hast, glaube ich kaum. Nichts zu ändern. Hoffentlich kommt aber noch mein Paket an. Ich würde mich sonst furchtbar sorgen. In unserem Abschnitt ist zur Zeit Ruhe. Die Front ist auch noch ziemlich weit weg. Arbeit haben wir laufend. Anbei noch zwei Bilder vom 20. April. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Dich recht herzlich und wünscht Papa alles Gute und baldige Gesundung

Dein Walter

 

 

Gumbinnen

 

 

06.11.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg      Gumbinnen

 

Gumbinnen, 6.11.44

 

Liebe Mutter!

Ich will Dir wieder einmal einige kurze Zeilen zukommen lassen. Post haben wir in den letzten Tagen keine erhalten. Es ist bei uns einfach furchtbar schlecht mit der Post. Bei uns ist noch alles in bester Ordnung. Mir geht es noch gut.

 

Wie geht es Papa? Wird es bei ihm besser? Richte ihm bitte die besten Grüße aus. Ich wünsche ihm alles, alles Gute. Und hoffentlich wird er bald wieder gesund. Damit für heute genug, denn mir fehlt die Post zum Schreiben.

 

Es grüßt dich recht herzlich und wünscht nochmals alles Gute Dir und Papa

Dein Walter

 

 

Gumbinnen

 

 

12.11.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg       Gumbinnen

 

Gumbinnen, 12.11.44

 

Liebe Eltern!

Mit unserer Post ist es einfach ein Jammer. Gestern war ein Ing. vom Stab bei uns und hat es noch nicht einmal für nötig gehalten, für uns Post mitzubringen. Was ich schreiben soll, weiß ich einfach nicht mehr.

Mir geht es noch gut. Hoffentlich geht es auch Euch noch gut. Wie geht es überhaupt Papa?

 

Anbei noch die Paketmarken. Grün je 1 Kg, braun je 100 g.

 

Es grüßt euch recht herzlich und wünscht Euch, besonders Papa alles Gute.

Euer Walter

 

 

Gumbinnen

 

 

15.11.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg      Gumbinnen

 

Gumbinnen, 15.11.44

 

Liebe Eltern!

Heute erhielten wir mal wieder nach langer Zeit Post. Von Euch hatte ich gleich drei Briefe auf einmal. Und zwar die Briefe vom 18.10., 30.10. und vom 31.10. . für alle drei Briefe meinen allerbesten Dank. Wie ich aus den Briefen ersehe, ist mein Paket immer noch nicht angekommen. Es würde mich wirklich ärgern, wenn es überhaupt nicht ankommt. Ich werde auch nie mehr ein Paket schicken.

Ebenso schade ist es, wenn das Paket von Euch verloren geht. Aber von Rechts wegen müsste das Paket, wenn es nicht Spielmann erreicht, zurückgeschickt werden. Trakehnen ist noch immer in deutscher Hand.

 

Wie ich aus Deinen Zeilen ersehe, vom Krankenhaus, ist Deine Krankheit zwar nicht so einfach, aber auch diese Sache wirst Du schon wieder machen und bald wieder gesund sein.

 

Die Leute aus den Gebieten, wie z.B. Rohloffs Schwester waren, sind alle zurück gekommen. Das Getreide und Korn wurde dann von Kommandos zurück transportiert. Aber leider kommt bei solchen Sachen auch sehr viel um. Auf dem Hof von Rohloffs Schwester mussten allein 12.000 Zentner ausgedroschenes Getreide abtransportiert werden. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht Euch alles Gute

Euer Walter

 

 

Gumbinnen

 

 

18.11.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg      Gumbinnen

 

Gumbinnen, 18.11.44

 

Liebe Eltern!

Heute erhielt ich Eure beiden Briefe, den von Mama vom 6.d.M. und von Papa vom 4. d.M. . Für beide Schreiben meinen allerbesten Dank

Wie ich aus beiden Schreiben ersehe, ist mein Paket endlich angekommen. Um die Büchse Fleisch ist es ja schade, denn auch die hätte Mama gut gebrauchen können. Aber die Hauptsache ist, dass die Kiste auch gut angekommen ist.

 

Wenn auch Papa die Kaufsachen im Augenblick nicht gebraucht, so wird er es nach seiner Genesung doppelt schätzen. Aber eines sage ich ihm im voraus, dass er sparsam umgehen muss, denn auch wir bekommen hier in Deutschland nicht mehr so viel, als wir in Russland bekommen haben.

 

In unserem Abschnitt herrscht somit z.Z. Ruhe. Aber man befürchtet, dass das nur die Ruhe vor dem Sturm ist. Hoffentlich halten wir den Russen weiterhin.

 

Die Anschrift von Papas Büro habe ich im letzten Brief bereits erhalten. Die Gänse werde ich weiterhin halten, bis es erst richtig kalt ist und Euch dann schicken.

 

Wie ich aus dem Brief von Mama bedauerlich feststellen musste, ist wieder ein Terrorangriff auf Frankfurt gewesen. Zum Glück ist zuhause nichts passiert.

 

Dass es Papa schon bedeutend besser geht, freut mich. Aber ich habe das Gefühl, dass sich die Sache in die Länge zieht. Na, die Hauptsache ist, er wird wieder richtig gesund.

 

Unser Ing. Kirchner ist auch noch immer krank. Er ist im Lazarett, hat Nierenbluten.

 

Es grüßt euch recht herzlich und wünscht Papa alles Gute

Euer Walter

 

 

Gumbinnen

 

 

26.11.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg       Gumbinnen

 

Gumbinnen, 26.11.44

 

Liebe Eltern!

Ich möchte Euch heute wieder einmal einige Zeilen zukommen lassen. Ich habe ja leider in den letzten 8 Tagen keine Post erhalten und weiß daher auch nicht mehr, was ich schreiben soll.

 

Wie geht es Papa? Bist Du immer noch im Krankenhaus? Mir geht es noch gut, hoffentlich Euch auch.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht Papa alles Gute

Euer Walter

 

 

Gumbinnen

 

 

27.11.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg      Gumbinnen

 

O.M., 27.11.44

 

Liebe Eltern!

Schicke Euch hiermit ein Paket mit einer der versprochenen Gänse. Ferner eine kleine Flasche Branntwein, ein kl. Fläschchen 4711 für Mama zu Weihnachten, KVK und Resierklingen.

 

Lasst Euch den Branntwein gut schmecken. Papa wird ja bis dahin wieder gesund sein.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Gumbinnen

 

 

29.11.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg      Gumbinnen

 

Gumbinnen, 29.11.44

 

Liebe Eltern!

Heute erhielt ich den Brief von Mama, wofür meinen allerbesten Dank. Wie ich daraus feststellen muss, ist Papa leider immer noch nicht hergestellt. Hoffentlich kommt es noch in der nächsten Zeit in die Reihe.

 

Ich habe Euch heute ein Paket abgeschickt und zwar das mit dem versprochenen Braten. Allerdings muss ich Euch etwas mitteilen. Und zwar kann ich Euch nur eine Gans schicken, da ich die 2. vor einigen Tagen aus Futtermangel schlachten musste. Ich hoffe aber, dass Ihr mir das nicht übel nehmt. Mir hat sie auf alle Fälle gut geschmeckt. Hoffentlich schmeckt Euch das genauso gut. In dem Paket sind enthalten: Eine Gans, ein 3/10 l Flasche Branntwein, ein Fläschchen 4711 und KVK.

 

Die Gans ist ausgenommen und einige Tage im Kalten gehangen. Hoffentlich kommt sie gut an und ist nicht so lange unterwegs, als das letzte Paket. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht euch alles Gute

Euer Walter

 

 

Gumbinnen

 

 

03.12.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg      Gumbinnen

 

Gumbinnen, 03.12.44

 

Liebe Eltern!

Habe heute Euren Brief vom 20.11. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Wie ich aus Euren Zeilen ersehen muss, ist Papa jetzt aus dem Krankenhaus Köppern entlassen und in das Städtische Krankenhaus gegangen. Hoffentlich wird er dort jetzt endlich wieder hergestellt.

Ferner freute es mich, dass sich Papa über die übersandten Rauchsachen gefreut hat. Hoffentlich kommt das Paket mit der Gans gut und schnell an. Und wenn Ihr die kleine Flasche Branntwein dann in gemeinsam leert, könnt Ihr sehr gut schlafen. Damit für heute genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht Euch alles Gute

Euer Walter

 

 

Gumbinnen

 

 

14.12.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg     Gumbinnen

 

Gumbinnen, 14.12.44

 

Liebe Eltern!

Habe heute Euren Brief vom 5.d.M. erhalten, wofür meinen allerbesten Dank. Ferner erhielt ich die Weihnachtspäckchen. Hierfür auch meinen allerbesten Dank. Sind alle hier sehr gut angekommen. Hoffentlich kommt mein Paket auch sehr gut an. Dann werdet Ihr ebenso große Freude daran haben, wie ich an den vier Päckchen.

 

Zu der Frage nach Urlaub muss ich Euch leider enttäuschen, denn Urlaub ist zur Zeit gänzlich gesperrt. Es besteht daher keine Möglichkeit, dass wir Weihnachten zusammen sein können. Ich hatte zwar einmal gehofft, durch Einweisung nach Hause zu kommen, aber daraus ist nichts geworden. Über den verhältnismäßig guten Ausgang von Papas Krankheit bin ich beruhigt und teilweise befriedigt. Aber lieber wäre es mir, wenn er wieder kerngesund wäre. Hoffentlich rauchst Du weiterhin nicht mehr so viel Zigaretten.

 

Zur Zeit arbeite ich hier in der Stadt. Und zwar überhole ich einen Wagen mit 2 Mann hart in einem größeren Reparaturwerk. Es ist mal eine kleine Abwechslung. Damit genug für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht Euch alles Gute. Ferner wünsche ich Euch recht frohe Weihnachten. Und lasst Euch Euren Braten gut schmecken. Leider kann ich nicht dabei sein.

 

Euer Walter

 

 

 

Posen

 

 

20.12.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg     Posen

 

Posen, 20.12.44

 

Liebe Eltern!

Wir sind zur Zeit hier in Posen. Und zwar zu einem Einweisungslehrgang kommandiert. Dieser dauert vom 20.12. bis 08.01.45. Ich bin daher auch leider an Weihnachten nicht bei meinem Haufen. Wie ich hier die Feiertage verlebe, weiß ich noch nicht. Auf alle Fälle werde ich nach Posen rein gehen.

 

Meine Anschrift ist:

Obergefreiter .....

Posen 6 Postamt 15

Werftabteilung 18/I Nord

 

Luftpost soll zirka 3-5 Tage unterwegs sein. Da es offene Anschrift ist, kann man auch Pakete schicken. Diese sollen nach Angaben von Kameraden 4 - 10 Tage dauern. Damit für heute genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht Euch alles Gute und "Frohe Weihnachten"

Euer Walter

 

 

Posen

 

 

 

 

 

26.12.1944 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg       Posen

 

Posen, 26.12.44

 

Liebe Eltern!

Heute am zweiten Feiertag möchte ich Euch wieder einmal einige Zeilen zukommen lassen. Die Weihnachten sind sozusagen zuende. Aber nach Weihnachten war es mit diesmal nicht zu mute. Ich muss sagen, dass ich in diesem Jahr die schlechtesten Weihnachten verlebt habe. Erstens einmal bei einem ganz faulen Haufen, zweitens keinen Radio auf der Stube und drittens nichts zu rauchen. Ich bin wirklich froh, wenn ich nach Gumbinnen zurück fahren kann.

 

Und wie habt Ihr die Feiertage verlebt? Hoffentlich etwas gemütlicher! Und hoffentlich können wir im nächsten Jahr Weihnachten zusammen feiern. In dieser Hoffnung möchte ich für heute schließen.

 

Es grüßt Euch recht herzlich und wünscht Euch ein glückliches "Neujahr"

Euer Walter

 

 

 

1945

 

Am 12. Januar 1945 begann die Rote Armee vom Baranow-Brückenkopf aus mit einer breit angelegten Großoffensive. Die Wehrmacht war zu diesem Zeitpunkt zusätzlich geschwächt, weil bedeutende Kräfte für die Ardennen-Offensive nach Westen abgezogen waren.

Die Rote Armee stieß von Warschau (Befreiung am 17. Januar) aus nach Norden vor und schnitt damit Ostpreußen vom Rest des Reiches ab. Die deutsche Bevölkerung floh in Scharen, verbreiteten die Rotarmisten durch Plünderungen, Morde, Brandschatzungen und Vergewaltigungen Angst und Schrecken unter den Zivilisten. Insgesamt gelangten über 2 Millionen Flüchtlinge über das Meer nach Westen. Das KdF-Schiff Wilhelm Gustloff, das Flüchtlinge und deutsche Soldaten aus Ostpreußen evakuierte, wurde von sowjetischen Torpedos versenkt. Bis zum Kriegsende kamen Menschen über die Ostsee nach Westen: Der letzte Evakuierungskonvoi von der Halbinsel Hela (die bis zum Kriegsende von deutschen Truppen gehalten wurde) nach Dänemark mit insgesamt über 40.000 Menschen dauerte vom 5. bis zum 9. Mai 1945.

 

Die 4. Armee, die Ostpreußen verteidigen sollte, wurde bis Ende März vernichtend geschlagen. Irgendwo im Raum Groß Hoppenbruch verliert sich im März 1945 die Spur von Walter Michel, der nur 23 Jahre alt wurde und davon 5 Jahre seines Lebens als Soldat verbrachte. 

Königsberg wurde am 30. Januar eingekesselt, kurzzeitig von deutschen Einheiten entsetzt, fiel aber am 9. April endgültig an die Sowjets.

 

Am 27. Januar erreichte die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, das aber von der SS zuvor schon aufgegeben worden war. Am selben Tag erreichten erste sowjetische Einheiten Küstrin und damit die Oder.

 

Nach der sowjetischen Winteroffensive stand die Rote Armee Ende Januar 1945 entlang der Oder und Neiße von Stettin bis Görlitz knapp 80 Kilometer vor Berlin. Im Februar und März brachten die Sowjets rund 2,5 Millionen Soldaten mit über 6.000 Panzern sowie 7.500 Flugzeugen für den Angriff auf Berlin in Stellung. Ihnen gegenüber standen rund eine Million deutsche Soldaten mit knapp 800 Panzern sowie Verbände der Wlassow-Armee.

 

Die Hauptangriffsrichtung aus vorbereiteten Brückenköpfen folgte der Reichsstraße 1 (heute Bundesstraße 1) über Seelow direkt nach Berlin. Die Höhen von Seelow bildeten dabei ein steil aufsteigendes, natürliches Hindernis, und um diese Höhen wurde eine der größten Schlachten des 2. Weltkrieges geschlagen. Die Schlacht um die Seelower Höhen begann am 16. April mit einem der stärksten Artilleriebombardements der Geschichte: rund 18.000 Artilleriegeschütze und Raketenwerfer konzentrierten ihr Feuer auf gerade einmal 4 km Frontlinie. Im Laufe des 18. April errang die zahlenmäßig weit überlegene Rote Armee die Oberhand und entschied nach gewaltigen Verlusten die Schlacht für sich.

 

Unterdessen wurde im Süden der sowjetische Belagerungsring um Breslau am 15. Februar geschlossen, welches allerdings erst am 6. Mai in die Hände der Roten Armee fiel. Am 6. März versuchte die 6. SS-Panzerarmee einen Gegenstoß in Ungarn, wurde aber zurückgeschlagen. Am 16. März begann die sowjetische Gegenoffensive, die bis zum 4. April ganz Ungarn eroberte. Wien fiel am 13. April in die Hände der Sowjets, die von Osten aus auch Niederösterreich, das Burgenland und die Steiermark eroberten. Am 8. Mai erreichte die Rote Armee Graz.

 

Am 25. April schloss sich der Belagerungsring um Berlin und in Torgau begegneten sich erstmals sowjetische und US-amerikanische Kampfeinheiten. Auf deutscher Seite kämpfte neben Einheiten der Wehrmacht und der Waffen-SS auch der Volkssturm und Einheiten der Hitler-Jugend. Am Morgen des 26. April fand der letzte größere und erfolgreiche deutsche Panzerangriff statt, Bautzen wurde zurückerobert (Schlacht um Bautzen). Am 28. April scheiterte der Versuch der 12. Armee unter General Walther Wenck, die Hauptstadt zu entsetzen, am 30. April tötete Adolf Hitler sich selbst im Bunker unter der Reichskanzlei. Am 2. Mai kapitulierten die letzten Verteidiger von Berlin vor der Roten Armee.

 

Am 8. Mai, dem Tag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht, besetzte die Rote Armee Dresden, am 10. Mai rückten sowjetische Einheiten auch in Prag ein.

 

 

 

Brüsterort

östlich

Königsberg

 

 

 

 

27.01.1945 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg

 

O.M., 27.01.45

 

Liebe Eltern!

Ich möchte Euch heute, nach den letzten aufregenden Tagen wieder einmal schreiben. Von Gumbinnen sind wir abgehauen und östlich Königsberg. Dort mussten wir gestern wieder weiter. Also macht Euch keine Sorgen, mir geht es noch gut. Hoffentlich Euch auch.

Über die Lage hier in Ostpreußen brauche ich Euch ja nichts zu schreiben, den dies wisst Ihr noch besser durch den Wehrmachtsbericht.

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Brüsterort

östlich

Königsberg

 

 

 

 

01.02.1945 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg

 

O.M., 01.02.45

 

Liebe Eltern!

Heute möchte ich Euch wieder einmal einige Zeilen zukommen lassen. Das Abschicken der Post ist hier immer mit Schwierigkeiten verbunden, denn die Post kann man nur einer Ju mitgeben. Aber dies ist ja nicht das schlimmste. Viel schlimmer ist dies, was wir in den letzten Tagen mitgemacht bzw. gesehen haben. Das kann man aber gar nicht schreiben. Das kann ich Euch nur einmal erzählen. Hoffentlich hat das bald ein Ende und die Front ist wieder stabil.

 

Nun etwas anders: Gestern hatte ich sehr großes Glück im Unglück. Und zwar wurde ich bei einem Tiefangriff russischer Schlachtflieger leicht verwundet. Und zwar an der linken Seite des Hinterkopfes durch einen Streifschuss oder Splitter eines Explosivgeschosses.

Das geschah, als ich an einer Ju 52 arbeitete. Als wir die Maschine hörten und sahen, rannten wir ganz deckungslos. Aber die Zeit war zu kurz. Mein Kamerad, der unter der Maschine arbeitete, hatte einen Vorsprung und erreichte das schützende Loch. Aber ich schaffte es nicht mehr und musste mich ganze 5 Meter vorher hinwerfen, da mir 3 Maschinen schon zu dicht ankamen. Im Hinwerfen sah ich noch, wie es in den Maschinen aufblitzte. Und schon krachte und blitzte es um mich, dass es furchtbar war. Ich merkte daher zwar einen Schlag, aber da auch Holz, Eis und Erde herum flog, dachte ich noch an nichts. Ich konnte aber nicht gleich weiterlaufen, da schon wieder 3 Maschinen herankamen. Als der Angriff vorbei war, merkte ich erst, dass ich blutete. Ich begab mich sofort mit einem Kameraden zu unserem Sanitäter, der mich dann nach Untersuchung des Arztes der Staffel verband.

 

Da es hier draußen kein Revier mehr gibt, bin ich nach wie vor bei der Einheit, mache aber keinen Dienst. Fühle mich ganz wohl. Außer leichten Kopfschmerzen habe ich keine Beschwerden. Als ich beim Arzt war, gab es schon wieder einen Tiefangriff und traf die Maschine dann so, dass sie restlos verbrannte.

 

Und wie geht es Euch? Hoffentlich noch gut. Und gebt acht, dass Ihr nicht noch etwas auf den Kopf geworfen bekommt. Es ist eine verdammt unangenehme Angelegenheit. Damit für heute genug.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Brüsterort

östlich

Königsberg

 

 

 

 

07.02.1945 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg

 

O.M., 07.02.45

 

Liebe Eltern!

Da heute hier vermutlich eine Ju wegfliegt, will ich Euch schnell noch ein paar Zeilen schreiben. Viel weiß ich allerdings nicht zu berichten.

Wir befinden uns z.Z., wie ich Euch schon im letzten Brief geschrieben habe, in Brüsterort in der äußersten Ecke Samlands, direkt an der Küste. Hier haben wir eine hohe Steilküste, an die Wellen der Ostsee schlagen. Eine sehr schöne Landschaft.

Mir geht es noch gut. Die Wunde am Kopf ist bald wieder zu. Habe damit Glück, heilt sehr gut und schnell.

 

Ich bin einmal gespannt, wann ich wieder Post von Euch bekomme. Vorerst ist überhaupt nicht daran zu denken. Wie die Front hier oben im Samland steht, werdet Ihr ja schon im Radio gehört haben. Ihr werdet erstaunt sein, dass dieser Brief mit einer Maschine geschrieben ist. Ja, ich habe jetzt eine kleine Reiseschreibmaschine und lerne darauf für meinen Bedarf Maschinenschreiben.

In der Hoffnung, dass es Euch noch gut geht, schließe ich für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Pillau

bei

Königsberg

 

15.02.1945 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg      Pillau

 

O.M., 15.02.45

 

Liebe Eltern!

Heute möchte ich Euch wieder einmal einige Zeilen zukommen lassen. Wir haben wieder einmal verlegt. Aus Samland sind wir jetzt weg und befinden uns hier in Pillau. Wir arbeiten hier in der Werft. Mir geht es noch ganz gut. Bin wieder voll und ganz gesund. Hoffentlich Ihr auch.

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Pillau

bei

Königsberg

 

24.02.1945 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg       Pillau

 

O.M., 24.02.45

 

Liebe Eltern!

Heute möchte ich Euch wieder einmal einige Zeilen zukommen lassen. Die Lage hat sich hier in der letzten Zeit wesentlich gebessert, denn wie es heute im Wehrmachtsbericht durchkam, ist der Angriff auf Pillau zurück geschlagen worden. Wieder hatten wir einmal schweres Glück. Man hat zwar schon vor kurzem nicht mehr mit uns gerechnet und war daher überrascht, als wir in Pillau auftauchten. Hier haben wir sehr sehr viel Arbeit. Es geht Tag und Nacht durch. Wollen wir auch gern tun, die Hauptsache ist, dass der Russe zurückgeschlagen wird.

In der Hoffnung, das es Euch noch gut geht, schließe ich für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich und wünscht euch alles Gute

Euer Walter

 

 

Pillau

bei

Königsberg

 

 

02.03.1945 Feldpost-Nr. L 15987 (A) L.G.P.A.: Königsberg     Pillau

 

O.M., 02.03.45

 

Liebe Eltern!

Heute möchte ich Euch wieder einmal ein paar Zeilen zukommen lassen.

Jetzt sind mittlerweile schon 7 Wochen vergangen, dass wir keine Post erhalten haben. Es ist einfach furchtbar, dass wir hierher keine Post bekommen. Hoffentlich geht es Euch noch gut. Wir haben hier in Pillau immer noch sehr sehr viel Arbeit. Wir arbeiten von 6 Uhr 30 bis 20 Uhr. Die Front ist jetzt wider etwas weiter weggerückt. Den Kriegslärm hört man glücklicherweise nicht mehr. Hoffentlich gelingt es uns, die Front zu halten und zurückzudrängen.

 

In der Hoffnung, dass es Euch noch so gut geht wie mir, schließe ich für heute.

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Pillau

bei

Königsberg

 

 

03.03.1945 Feldpost-Nr. L 19146 (A) L.G.P.A.: Berlin      Pillau

 

O.M., 03.03.45

 

Liebe Eltern!

Da es zu schwierig ist, auf unserer alten Feldpostnummer Post zu bekommen, haben wir eine andere Nummer angenommen. Ja, unser Stab befindet sich in der Nähe von Lublin und da könnt Ihr Euch auch denken, dass es mit der Post nicht hinhaut. Es ist allerdings eine Nummer von einem anderen Werkstattzug.

 

Die Nr. lautet L 19146(A) Lg.Pa. Berlin.

 

Ich hoffe, dass ich dadurch in Kürze einmal Nachricht von Euch bekomme.

 

Es grüßt euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

Pillau

bei

Königsberg

 

 

10.03.1945 Feldpost-Nr. L 19146 (A) L.G.P.A.: Berlin Pillau

 

Letzter Brief von Walter Michel

 

O.M., 10.03.45

 

Liebe Eltern!

Heute erhielt ich nach langer Zeit wieder mal einen Brief von Euch. Und zwar vom 07.01. Vielen Dank hierfür. Der Brief ist zwar schon sehr veraltet, aber ich hoffe, in Kürze auch die Post auf der neuen Nummer zu erhalten.

 

Ja, ich hatte sehr großes Glück, aus Posen zu kommen, denn heute ist Posen weit zurück.

Dass das Paket nach Trakehnen wieder zurück gekommen ist, freut mich. Ihr braucht Euch auch keine Sorgen zu machen, dass ich gefroren hätte. Dann hätte ich mir das Nötige besorgt. Für die kalte Zeit hatte ich eine Flieger-Pelzkappe. Ferner habe ich zwei Flieger-Pullover, Flieger-Stiefel und Trainingsanzug.

 

Heute habe ich mit Bedauern schon wieder im Wehrmachtsbericht vernommen, dass Frankfurt das Ziel der Tommies war. Einfach furchtbar. Hoffentlich ist bei Euch noch alles in Ordnung.

 

In der Hoffnung, dass es Euch noch so gut geht wie mir, schließe ich für heute.

 

Es grüßt Euch recht herzlich

Euer Walter

 

 

 

SPURENSUCHE

 

Situation nach dem 10. März 1945 im Bereich südwestlich von Königsberg

 

In der Endphase des Kampfes um Ostpreußen bildete sich der Kessel von Heiligenbeil. Hier wurden die Reste der 4. Armee und anderer Einheiten zusammengedrängt und waren dem konzentrierten Feuer der 3. Weißrussischen Armee ausgesetzt. Noch heute gelten weite Bereiche um Heiligenbeil als militärisches Sperrgebiet, das nur mit besonderer Genehmigung betreten werden kann. Hier wurde vor einiger Zeit unter Unmengen von verschüttetem Kriegsschrott der Tresor der 4. Armee mit allen Aufzeichnungen der Einheit gefunden. Aus gutem Grund ist das Gebiet vor Militaria-Schatzgräbern geschützt. Auch heute noch liegen unzählige gefallene Soldaten im Boden, die nie geborgen wurden. Um einen Eindruck vom Kriegsmaterial zu bekommen, das auf dem schmalen Landstreifen entlang des Frischen Haffs zusammengezogen war, sei ein Blick in die militärhistorischen Aufzeichnungen der russischen Armee gestattet:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

RIA Novosti Archiv

 

26. März 1945 

On March 26, the 3rd Belarussian Front forces finished mopping up the enemy on the Frisches Haff Bay coast, southwest of the city of Königsberg and took the settlements of Gross Hoppenbruch, Reinschenhof, and Deutsch Bahnau and the Rosenberg port and flung the remainder of the defeated enemy back to Cape Kahlholzer Haken. 

According to preliminary reports, the Front's troops captured more than 21,000 prisoners in the area on March 26. 

On March 26, our forces captured eight aircraft, 113 tanks, 66 armored personnel carriers, 594 field guns, 350 mortars, 1,100 machineguns, 30 radios, 200 tractors and prime movers... 

 

Am 26. März beendeten 3. weißrussischen Frontkräfte die Säuberungsaktionen  auf der Frischen Haffs Küste, südwestlich von der Stadt Königsberg und nahm die Siedlungen Gross Hoppenbruch, Reinschenhof und English Bahnau und den Hafen von Rosenberg und warf den Rest der besiegten Feinde zurück nach Cape Kahlholzer Haken

Nach vorläufigen Berichten machten die Front Truppen  am 26. März mehr als 21.000 Gefangene in der Gegend.

Am 26. März eroberten unsere Kräfte acht Flugzeuge, 113 Panzer, 66 gepanzerte Mannschaftswagen, 594 Geschütze, 350 Granatwerfer, 1100 Maschinengewehre, 30 Radios, 200 Traktoren und Zugmaschinen ...

 

27. März 1945

March 27th, 1945 27. März 1945 On March 27, the 3rd Belarussian Front troops were mopping up the enemy southwest of Konigsberg in the vicinity of the cape and took the settlements of Wolittnick, Schnakenberg, Follendorf and Lindenberg. 

On March 27, the Front's forces captured 222 field guns, 223 mortars, 430 machineguns, 22 armored personnel carriers, 35 radios and 1,500 wheeled vehicles. 

 

Am 27. März führten die 3. weißrussischen Fronttruppen die Säuberungsaktionen südwestlich von Königsberg in der Nähe des Kaps durch und nahm die Siedlungen Wolittnick, Schnakenberg, Follendorf und Lindenberg. 

Am 27. März eroberten die Fronttruppen 222 Geschütze, 223 Granatwerfer, 430 Maschinengewehre, 22 gepanzerte Mannschaftswagen, 35 Radios und 1.500 Radfahrzeuge.

 

28. März 1945 

On March 28, the 3rd Belarussian Front troops continued mopping up the remainder of the defeated enemy in the vicinity of Cape Kalholzer Haken southwest of Konigsberg. 

 

Am 28. März setzten 3. weißrussischen Front-Truppen die Säuberung der Reste des besiegten Feindes in der Nähe von Cape Kalholzer Haken südwestlich von Königsberg fort. 

 

 

Mitte Juni 2010 hatte ich Kontakt zu Hermann Lohmann, Jahrgang 1925, der exakt am vermutlichen Todestag in unmittelbarer Nähe von Walter Michel Nahe Gut Groß Hoppenbruch war. Seine Schilderungen im Internet geben einen Eindruck wieder, in welche Situation sich Walter Michel befand. Mit seiner freundlichen Genehmigung habe ich die Textpassagen übernommen.

 

 

Kämpfe bei Balga am Frischen Haff 1945

von Hermann Lohmann (*1925) aus Deutsch Evern, Februar 2010:

 

Unsere "Panzer-Division Hermann Göring" hatte noch zu Jahresbeginn 1945 Einsätze in Ostpreußen, wo bald eine sowjetische Großoffensive begann. Am 14.1.1945 schrieb ich denn schon: 

 

  

Liebe Eltern! 

Ihr meint, dass ich vielleicht in Kürze Urlaub bekomme. Nein, daran glaube ich nicht mehr, denn gestern hat der Iwan wieder 4 Std. getrommelt (Artillerietrommelfeuer) und wer weiß, ob es ihm doch noch gelingt durchzubrechen. Dann ist wieder Urlaubssperre.

 

 

Und fünf Tage später: 

 

 

....Urlaub werde ich wohl sobald nicht bekommen, denn der Iwan greift von allen Seiten an und wer weiß ob er uns nicht noch eines Tages abschneidet, denn wir liegen gerade in einem Sack.

 

 

Zu diesem Zeitpunkt waren die russischen Armeen bereits im Norden bei Schloßberg und im Süden bei Goldap durchgebrochen und hatten die mit Waffen sehr gut ausgerüstete 2. Division des Fallschirmpanzerkorps H.G. einfach liegen lassen, um sie einzuschließen und so kampflos zum Rückzug zu zwingen. Das war eine kluge Taktik der Russen.

 

Mein Brief an meine Eltern vom 1.2.1945 lässt dann, wenn auch mehr zwischen den Zeilen, auf katastrophale Zustände in Ostpreußen schließen. Ich erinnere mich an das Flüchtlingselend auf den schneeverwehten, eisglatten Straßen bei bis zu 30° Kälte. Ich schrieb: 

 

 

Liebe Eltern! 

Heute ist endlich mal wieder Gelegenheit, dass ich Euch eine Nachricht von mir senden kann. Es muss ziemlich schnell gehen, denn um 9 Uhr geht die Post mit dem Sanitätsflugzeug weg und das ist die einzige Gelegenheit. Hier ist jetzt allerhand los, wie Ihr Euch wohl vorstellen könnt, wenn Ihr den Wehrmachtsbericht gehört habt. Ihr wisst wohl sicher, dass wir hier eingeschlossen sind, jedenfalls so fast bis auf einen kleinen Küstenstreifen. Mit dem Essen ist es noch immer recht gut. Nur das Brot wird etwas knapper, aber sitzt nicht zu Hause und macht Euch Sorgen, denn mir geht es immer noch sehr gut. Mit dem Wetter geht es auch sehr gut. Vor ein paar Tagen hatten wir fast 30° Kälte, dann gewaltiges Schneetreiben, so dass man schon gar nichts mehr sehen konnte und heute, am 1. Februar fängt es an zu tauen. Hoffentlich gibt es Matschwetter, dann kann der Iwan nicht so schnell voran. 

Nun wünsche ich Euch alles, alles erdenklich Gute und bleibt alle gesund und munter. 

 

Herzliche Grüße Euer Sohn Hermann. 

Gott sei mit uns in aller Not und Gefahr!

 

 

Dieser Brief war damals wohl eine Art Abschiedsbrief, denn wir befanden uns an der Front in Ostpreußen in einer sehr gefährlichen Lage. Wir waren in Schneesturm und Kälte auf vereisten Straßen auf dem Rückzug. Unser Lkw wurden wegen Benzinmangels zu mehreren hintereinander gehängt und so von Dieselfahrzeugen weitergeschleppt. So bewegten wir uns mühsam in Richtung Zinten. Wir wussten damals nicht, welches Schicksal uns erwarten würde.

 

Unterwegs irgendwo in Ostpreußen auf einer verschneiten, eisglatten Straße entdeckte Fritz Speckmann aus Schulzenhof bei Insterburg in einem Flüchtlingstreck plötzlich seinen Vater. Er zog in dem Elendszug bei Schneetreiben und Eiseskälte einen Kinderschlitten hinter sich her, auf dem er seine letzte Habe verstaut hatte. Es war wirklich ein Wunder, dass der Sohn seinen Vater in diesem winterlichen Chaos zigtausender von Flüchtlingen, die sich in riesigen Trecks in Richtung Küste des Frischen Haffs und Ostsee bewegten, zufällig gefunden hat. Die Familie war bereits früher geflüchtet. Der Vater musste noch beim Volkssturm bleiben und war dadurch ganz alleine auf der Flucht. Dem Sohn Fritz gelang es nun, seinen Vater erst einmal bei uns aufzunehmen. Als an der Front etwas Ruhe eintrat, konnte Fritz seinen Vater, nachdem Tauwetter eingesetzt hatte, an der Küste auf ein Schiff bringen. Die gesamte Familie konnte sich retten.

 

Am 21.2.45 schrieb ich an meine Eltern eine so genannte "Ostpreußen-Feldpost"-Karte: 

 

Muster einer Ostpreußen-Feldpostkarte

 

 

Liebe Eltern! 

Gestern bekamen wir diese Karten, um Euch in der Heimat möglichst schnell ein Lebenszeichen zu senden. Ihr braucht Euch um mich keine Sorgen zu machen, denn es geht mir sehr gut! 

 

Herzliche Grüße 

Euer Sohn Hermann.

 

 

Diese Karte mit einem markigen Spruch von Hitler und der Parole "Tapfer und Treu!" wird wohl besonders meine Mutter sehr traurig gemacht haben. Meine Mutter wird bitterlich geweint haben, als sie die Karte erhielt. Die Tränenspuren sind heute noch zu erkennen.

 

In Folge der Großoffensive der Russen am 13. März 1945 und der gewaltigen Übermacht des Gegners an Menschen (fast 1:10) und Material wurden wir immer weiter in Richtung Frisches Haff und Ostsee zurückgedrängt. Ich kann mich daran erinnern, dass wir im Bereich Ludwigsort lagen und uns dort aus Baumstämmen einen Bunker gebaut haben. In diesem Bunker bekamen wir alle vorbeugend eine Tetanusspritze gegen Wundstarrkrampf.

 

Ich sah irgendwann vom Haffufer aus die Elendszüge der Flüchtlingstrecks über das trügerische Eis des Frischen Haffs ziehen. Jeden Tag und auch nachts kamen russische Flugzeuge und warfen Bomben auf die Zivilbevölkerung und beschossen sie mit Bordwaffen. Auf dem Eis waren die Menschen den Angriffen schutzlos ausgeliefert. Das Eis war übersät mit toten Menschen, toten Pferden, zerbombten Fluchtwagen und verstreutem Hausrat. Es war ein furchtbarer Anblick.

 

Irgendwann im März 1945 taute das Eis auf dem Haff plötzlich auf und eines Morgens war das ganze schreckliche Elend verschwunden. Die Fluten des Haffs deckten es "gnädig" zu. Das Wasser des Haffs vermittelte fast einen friedlichen Anblick. Wenn wir nicht mit Grauen hätten daran denken müssen, was darunter verborgen war. 

 

Aus dem Raum Ludwigsort kamen wir irgendwann innerhalb des Kessels nach Heiligenbeil. Dort auf dem Flughafen haben wir uns eingegraben. Von Heiligenbeil aus haben wir uns damals über Gr. Hoppenbruch schließlich nach Balga zurückgezogen. Das war unsere letzte Frontstellung in Ostpreußen. Links und rechts eines Hohlweges zum Frischen Haff südlich Balga lag unsere Einheit. Schnell gruben wir uns ein, um uns vor dem dauernden Beschuss durch Artillerie und Stalinorgeln (Raketengeschosse) sowie den Bomben der russischen Schlachtflieger zu schützen.

 

 

Die sowjetische Artillerie war in der Lage, Punktfeuer auf jedes einzelne Ziel zu richten. Die Straße von Gr. Hoppenbruch und Keimkallen war bei Tage überhaupt nicht mehr passierbar und war ständig mit Wehrmachtsfahrzeugen verstopft. Der Frontverlauf war etwa folgender: 

 

Am 24. und 25. März 1945 drangen die sowjetischen Truppen von Heiligenbeil bis nach Rosenberg vor, und besetzten die Haffküste bis nach Follendorf. Der Küstenstreifen von Balga bis Kahlholz blieb zunächst noch in deutscher Hand. Die Zerstörung von Balga begann am 24. März 1945 nachmittags. Durch den Beschuss mit Brandgranaten und Phosphorbomben gerieten alle Gebäude in Brand, den der starke Weststurm zu einer Riesenfeuersbrunst anfachte. Was noch stehen blieb, wurde am 25.März 1945 durch Flieger- und Artilleriebeschuss vernichtet. 

 

Am 26. März schwieg die feindliche Artillerie, dafür griffen den ganze Tag Bomberverbände unsere Stellungen an und verwandelten den letzten kleinen, von uns besetzten Geländestreifen in eine Mondlandschaft. Als der Abend nahte, gab es keine organisierte Abwehr mehr. Es gab keine Einheit, nur noch Überlebende, die versuchten ein Deckungsloch zu finden oder zu graben.

 

Mit der Dunkelheit kamen die Nachtflugzeuge, die Rollbahnkrähen, wie sie genannt wurden und belegten mit gut gezielten Bomben die Haffküste. Als ich mein Deckungsloch westlich von Gr. Hoppenbruch verließ, um in Richtung Balga nach etwaigen Überlebenden der 14. Pionier-Kompanie HG zu suchen, rauscht eine Lawine von Granaten heran (Stalinorgel) und ließ die Erde wie bei einem Erdbeben erzittern. Ein schwarzgelber Qualm, in dem für Sekunden taumelnde Menschen sichtbar wurden. Vier der taumelnden Menschen kamen auf mich zu, ich schnellte hoch und zerrte sie zu mir in die Deckung. Es waren Flüchtlinge aus Zinten, die mich mit leeren Augen anstarrten, unverständliche Worte murmelten und ehe ich es verhindern konnte, aufsprangen und in Richtung Balga davonliefen. Sie hatten die nervliche Belastung nicht ausgehalten. Die ganze Gegend am Haff, die von den russischen Batterien wie auf einem Übungsgelände unter genaues Feuer genommen werden konnte, wurde zum Massengrab. Die vielen Toten sie wirkten wie Steine und niemand dachte an eine Bestattung.

 

Ich habe mein Deckungsloch damals rechts des Hohlweges unmittelbar an der oberen Kante des Steilufers gegraben. Ich hatte mir damals trotz aller Hektik überlegt, dass ich dort am sichersten wäre. Alle Artilleriegeschosse und Bomben, die unmittelbar links von mir oder direkt vor mir einschlagen würden, könnten mir nicht gefährlich werden, denn sie würden vor der Explosion die Steilhänge hinabstürzen. Nur unmittelbar hinter mir auf etwa 70° des Umkreises, also knapp ¼ des umgebenden Geländes konnten mir Artilleriegranaten, Stalinorgelgeschosse und Fliegerbomben gefährlich werden. Die von See her anfliegenden russischen Schlachtflieger konnte ich rechtzeitig sehen und vor den Bordwaffen schnell in Deckung gehen. Dieser strategisch gut gelegene Punkt im Gelände hat mir sicherlich geholfen, mein Leben zu retten.

 


Reminiszenzen

 

Am 7.7.1996 habe ich mein altes Deckungsloch am Frischen Haff in Nordostpreußen noch einmal aufgesucht. Es war aufgrund der strategisch einmaligen Lage schnell gefunden. Es ist zwar zugewachsen und etwas zusammengefallen, aber es existiert noch und war noch 50 Jahren etwa knietief.

 

Ein weiterer Besuch meines Deckungsloches erfolgte am 22.8.2000 gemeinsam mit dem Redakteur des Deutschlandfunks Herrn Dr. Henning von Löwis of Menar nach der Einweihung des Deutschen Soldatenfriedhofes in Pillau. Darüber erschien im November 2000 ein Bericht im "Rheinischen Merkur" (Siehe auch das Hörbuch: "Der weite Weg zurück nach Balga).

 

Besuch im Kessel von Heiligenbeil

65 Jahre nach Kriegsende

 

von links nach rechts:

Hermann Lohmann

Dr. Henning von Löwis of Menar (DLF)

Karl Heinz Schmeelke


 

Am 25.3.1945 wurde durch die Heeresführung endlich erlaubt, den völlig sinnlos gewordenen Kampf gegen die riesige Übermacht des russischen Gegners in Balga aufzugeben. Es wurde die Rettung über das Frische Haff erlaubt. Es hieß schließlich: "Rette sich wer kann!"

 

In der Nacht vom 27. auf den 28.3.1945 gelang es mir, mich über das Haff zu retten. Es herrschte totales Chaos am Strand. Der Russe schoss mit allem was ihm an Artillerie und Stalinorgeln zur Verfügung stand in die Menschenmassen am Strand hinein und auf die über das Haff mittels Booten und Flößen flüchtenden Soldaten. Verwundete schrieen überall. Sie wurden kaum oder gar nicht mehr versorgt. Ich dachte in diesem furchtbaren nächtlichen Chaos nur: Hoffentlich wirst du nicht verwundet, hoffentlich bist du gleich tot, wenn es dich treffen sollte.

 

Am 27.3.1945, es war eine dunkle, mondlose, aber sternklare Nacht, gespenstisch erleuchtet vom Feuer der Granateinschläge und der Brände am Haffufer. Das Krachen, Bersten und Heulen der Geschosse, das Schreien der Menschen, das Angstgewieher der Pferde war grausam - es war die Hölle. Trotz allem gelang es mir, auf einem Floß dem Inferno zu entkommen.

 

Als es dunkel wurde, stiegen wir auf ein selbstgebautes Floß, welches aus einer Scheunentür bestand. Darunter waren leere Benzinkanister mittels Telefondrähten und Nägeln befestigt. Als wir mit etwa zehn Mann und unseren Gewehren und Rucksäcken auf dem Floß standen, sprang vom flachen Strand noch ein junger Soldat einer fremden Einheit auf unser Floß. Das Floß trug uns nicht. Es ging am Strand unter. Als wir alles Gepäck weggeworfen hatten, trug das Floß noch immer nicht. Ein Mann musste von Bord gehen. Der junge fremde Soldat wurde aufgefordert zu gehen und als er nicht freiwillig ging, vom Floß gestoßen. Ich sehe ihn noch heute durch das seichte Wasser zum Strand zurückwaten. Er schrie: "Mama, hilf mir doch, hilf mir."

 

Das Floß hielt uns nur mühsam über Wasser. Auch mich wären die sich auf dem Floß befindenden Unteroffiziere und Wachmeister wohl am liebsten noch los gewesen. Aber sie hatten wohl Angst, sich alleine nicht orientieren zu können. Ich erklärte ihnen jedenfalls sehr schnell anhand der Sterne, die in dieser dunklen, mondlosen Nacht gut zu sehen waren, wo der Polarstern stehe und wo deshalb Norden sei. Ich weiß bis heute nicht, ob sich wirklich keiner auf dem Floß am Sternenhimmel auskannte. Ich blieb jedenfalls auf dem Floß. Vielleicht hat mir ja die in der Schule und als Hobbyastronom erworbene Kenntnis des Sternhimmels damals das Leben gerettet.

 

 

Im Gespräch mit Hermann Lohmann wurde deutlich, wie grausam die Kämpfe waren. Wer verletzt wurde, war sich selbst überlassen. Verwundete wurden von russischen Soldaten "erlöst", indem man sie erschoss oder mit einem Flammenwerfer umbrachte. Im Feuer der Artillerie und der Raketenwerfer wurde der Boden immer wieder umgepflügt, sodass viele Verletzte auch lebendig von den Erdmassen begraben wurden.

Eine Chance hatte man nur, wenn man gesund und fronterfahren war und natürlich die Portion Glück hatte, die man zum Überleben braucht.

 

Hermann Lohmann stellte mir einen Bericht seines Kameraden Karl Heinz Schmeelke zur Verfügung, der besonders drastisch schildert, was im Kessel von Heiligenbeil in den letzten Tagen bis zur Räumung geschah.

 

 

Von Panzern umringt

 

Als nun feststand, dass der Hauptangriffs-Abschnitt der russischen 28. Armee nur zwischen Gr. Hoppenbruch und Keimkallen liegt und sich in Richtung Follendorf und Balga fortsetzen könnte, wurden hier verstärkte Verteidigungsvorbereitungen getroffen. 

 

Gefreiter K-H SchmeeIke, von der 14. Pionier-Kompanie der 2. FschPzGrenDiv. HG, während der Kämpfe im Raum Gr. Hoppenbruch-Keimkallen im März 1945, erinnert sich: 

 

Der Stab und eine weitere Kompanie lagen in dem nicht weit entfernten Gutshof Rensegut, deren Einwohner zum größten Teil bereits evakuiert waren. Ein kleines neben der Straße nach Balga befindliches Bauernhaus, das auch schon Schäden durch Feindeinwirkung trug und dessen Besitzer A. Rommel wahrscheinlich geflüchtet war , hatte sich unsere Kompanie als Unterkunft für die Trossstellung ausgesucht. Die Schützenpanzerwagen (SPW) wurden in dem etwa 100 Meter entfernten Wald in Deckung gefahren. Mit jedem noch vergehenden Tag hatte die Spannung vor dem erwarteten Großangriff eine Atmosphäre erreicht, die bis auf den letzten Grenadier übergesprungen war. In unermüdlichen Vorbereitungen und Schanzarbeiten waren die paar Stunden im Angriffsraum Gr. Hoppenbruch- Keimkallen schnell vergangen.

 

 

Wir schrieben Donnerstag, den 22. März 1945. Schon längst war an diesem lauen Frühlingstag die Sonne hinter den westlichen Baumwipfeln verschwunden, als plötzlich alle Pioniere unserer Kompanie zum Chef befohlen wurden. In der kleinen notdürftig eingerichteten Schreibstube (Schule) standen wir nun alle verSan1lnelt und warteten auf das Eintreffen unseres Kompaniechefs, der von einer Lagebesprechung (Keimkallen) jeden Augenblick zurückkommen musste. Es verging doch eine geraume Zeit, als der Oberleutnant mit seinem VW-Kübelwagen ankam. Anschließend standen wir in einem, von einigen Kerzen erhellten Rau im Halbkreis. In kurzen Sätzen gab er uns einen Bericht über die derzeitige Lage.

 

Funkspruch aufgefangen

 

"Dass man einen Funkspruch des Feindes aufgefangen hatte, aus dem hervorging, dass der Russe noch diese Nacht zum erwarteten Angriff antreten werde." Dazu waren in der vordersten Linie manche dies bestätigende Beobachtungen gemacht worden. Bei einem vorn am Gutshof Ritterthal eingesetztem Grenadierbataillon seien in der vergangenen Nacht zwei Gefangene eingebracht worden, deren Aussagen ebenfalls bestätigten, dass mit dem russischen Angriff stündlich gerechnet werden musste. Nach einigen besonderen Anweisungen an unsere Kampfgruppe bemerkte der Chef abschließend: "Meine Herren, Sie kennen nun die Lage, und ich hoffe von jedem Einzelnen von Ihnen eiserne Disziplin und Pflichterfüllung, denn mit dem Ausgang dieses Kampfes wird die Front hier stehen oder fallen. Entweder es gelingt uns, den Russen noch einmal die Stirn zu bieten, oder die deutsche Front hat hier au der Haffküste bei Balga aufgehört zu bestehen."

 

 

Bei den Kampftruppen befanden sich auch Zivilisten, die zwischen die Fronten geraten waren, aber den sowjetischen Soldaten um keinen Preis in die Hände fallen wollten. Unvergesslich sind bis heute die Plakate, die überall hingen, darauf zwei Reihen von Namen, links die wegen angeblicher Feigheit vor dem Feind zum Tode Verurteilten, rechts die wegen besonderer Tapferkeit Ausgezeichneten. Unter den zum Tode verurteilten waren auch zwei Soldaten unserer Kompanie, dessen Vergehen darin bestand, dass sie russische Gefangene laufen ließen. Die Verpflegungsstelle war die Schule. "Auf dem Schulhof waren fünf Tote aufgereiht, an denen die Essenholer vorbeigehen mussten, Männer, die aus nichtigen Gründen erschossen worden waren. Überall lagen tote Menschen und tote Tiere, die Straße nach Balga war fast unpassierbar. Überall türmten sich zerschossene Fahrzeuge, Kriegsgerät, Pferdefuhrwerke und Handwagen, dazwischen Leichen".

 

 

Als wir uns im Jahr 1992 nach so langen Jahren noch einmal auf den Weg nach Gr. Hoppenbruch und Keimkallen machten, waren wir zunächst ganz gelassen gewesen. Das änderte sich am Bahnübergang vor dem Dorf Gr. Hoppenbruch wo früher das Ortsschild stand. Als wir das Dorf und die Wege wiedererkannten, sahen wir nur Trümmerreste und Gerümpel der Russen, da hat es mich noch mal richtig erwischt, da waren die Gefühle von damals alle wieder da. Dennoch soll heute nach 60 Jahren noch einmal an diese Tage erinnert werden. Geht man auf Spurensuche, dann gibt es nicht mehr viele Zeitzeugen, und es ist aus jener Zeit nicht mehr viel zu finden. Aber auf beiden Seiten der Bahnstrecke Berlin -Königsberg zeichnen sich noch heute ehemalige Schützengräben und Stellungen ab, an der Bahnlinie besonders deutlich. 

 

Vom 22. bis zum 25. März 1945 lagen sich sowjetische Truppen mit deutschen Verbänden gegenüber und lieferten sich immer wieder Gefechte. Für vier Tage war hier die Hauptkampflinie. Es war erstaunlich, dass verhältnismäßig schwache deutsche Einheiten standgehalten und das Vordringen der Angreifer zum Haff verhindert haben. Dadurch erreichten sowjetische Truppen erst am 28. März 1945 Balga.

 

Um 22.00 Uhr des 22. März 1945 begann ein unvorstellbares Trommelfeuer bis 24.00 Uhr. Noch heute sind die dichten Granattrichter um das Dorf herum zu erkennen. Dabei wurden auch Geschosswerfer (Katjuschas bzw . Stalinorgeln) eingesetzt, die in alle Häuser Gr . Hoppenbruch einschlugen. Am 23. März 1945 gab es noch ein Trommelfeuer von einer Stunde, ehe um 4.14 Uhr der Großangriff der sowjetischen Truppen erfolgte. Zu gleicher Zeit erfolgte ein zweieinhalbstündiges Artilleriefeuer auf Keimkallen und auf die hinteren deutschen Stellungen am Haff bei Follendorf, Balga und Kahlholz. Fast jedes Haus wurde verteidigt. Gr .Hoppenbruch war für uns eine unvorstellbare Trümmerwüste - es war ein Geisterdorf. Auf dem Schlachtfeld in und um Gr. Hoppenbruch sind 62 sowjetische Soldaten gefallen, darunter ein Major, ein Hauptmann und vier Leutnants. Wie viele Tote es am Mühlenteich bei der Mühle Hartmann gab, konnten ich nicht herausfinden.

 

 

Auf deutscher Seite fielen über 100 Soldaten. Der Dorfkommandant ein Oberstleutnant war schon bei einem Stoßtruppunternehmen gefallen. Von den deutschen Soldaten unserer Einheit sind 51 bis heute unbenannt geblieben. Es muss dazu erklärt werden, dass die feindlichen Truppen deutsche Soldaten nicht bestatteten oder registrierten, auch an der Haffküste von Follendorf, Balga und KahlhoIz nicht. Sie lagen zum Teil noch bis Ende September 1945 in den Schützengräben und Unterständen und wurden dann erst auf Befehl des sowjetischen Kommandanten von deutschen Zurückgekehrten oder Flüchtlingen geborgen und bestattet. 

Ursula S. erinnert sich: 

"Wir mussten die toten Soldaten aus den Autos holen, manche mit Kopfschuss. Die haben wir in Schützenlöchern begraben." Mit Stahlhelmen seien die Gräber markiert worden. Es lagen ja genug davon herum. Die Gegend lag voller Leichen, deutsche und russische Soldaten, Volkssturmleute, Zivilisten".

 

Zum Schluss wurden "Panzervernichtungstrupps" aufgestellt. Fünf Jugendliche mit auf zwei Fahrrädern montierte Panzerfäusten, alle wurden erschossen. Ende Mai 1945 mussten sich fünf Mädchen beim örtlichen sowjetischen Kommandeur in Heiligenbeil melden. "Der hat uns verhört, wollte wissen, wer im Ort Nazi war und hat dabei immer Schnaps getrunken. Als er einschlief, sind wir abgehauen." Ursula S. berichtete, dass die Sache damit nicht ausgestanden war. Sie fand Unterschlupf in Rosenberg, wo ein provisorisches Lazarett eingerichtet worden war. Etwa 150 Verwundete lagen dort auf Stroh, über das Säcke und Teppiche gebreitet waren. Sehr viele starben. "Die Russen haben sich nicht hineingetraut, ich weiß nicht warum". - Soweit der Bericht von Ursula S., siebzehneinhalb Jahre alt als sie im März 1945 zusammen mit ihrer Mutter vor der anrückenden Front bis nach Heiligenbeil kam. "Wir saßen im Keller und hatten Angst." Die ersten Rotarmisten, die ankamen, haben die Frauen nicht belästigt sagt Ursula S. - "Das mit den Vergewaltigungen ist erst später passiert." Dann schweigt sie einen Moment, und wechselt das Thema.

 

Das Ende im Dorf Keimkallen

 

Der Rückzug in die vor Balga liegenden Sümpfe wurde angeordnet und in den Nachtstunden durchgeführt. Hierbei verloren die Reste der FschPzGrenDiv. HG in dem Sumpfgelände alle Geschütze und die Masse ihrer Fahrzeuge. Am 26. März drangen die sowjetischen Truppen bis nach Keimkallen vor und besetzten die Haffküste bis FolIendorf. Der Küstenstreifen von Balga bis Kahlholz blieb zunächst noch in deutscher Hand. Nachts gab es nur geringe Störfeuer und einige Störflüge. In zerrissenen Uniformen gehen wir zurück. Kein Schuss Munition mehr! 

Generäle und Offiziere mit Karabiner und dem Arm rennen ohne Sinn umher. Nur hier und da noch einige Tapferen hinter den MGs. Das sowjetische Trommelfeuer steigert sich. Unsere MGs schweigen. Es gibt in diesem Kessel eine einsamste Einsamkeit, wie können Menschen so etwas aushalten? Mein Körper wird von den Stößen und vom Luftdruck hin und her gerissen. Die Luft wird knapp, der Feind greift an, fast aus dem Rücken, so klein ist der Brückenkopf bei Balga schon.

 

Karte gezeichnet von Karl Heinz Schmeelke

 

Es ist Mittag geworden. Grüngelbe Wolken liegen über dem Schlachtfeld, das völlig von Trichtern und Kratern übersäte Gelände ist buchstäblich verbrannt. Fahrzeuge und Gerät ganzer Divisionen sind hier zusammengefahren und werden im Feuer der sowjetischen Granaten zerschlagen. Leiber und Körperfetzen werden in die Luft geschleudert. Entsetzlicher Anblick. Menschen jagen hin und her, suchen Deckung, jede Granate, jede Bombe findet ihr Ziel. Hier und dort ragt eine Hand oder ein Fuß aus dem Sand. Zwischen Follendorf und Balga gibt es keine Kampflinie mehr. Hinter einer Düne an der Mündung des Mühlenfließ stehen noch einige Raketenwerfer. (DO-Werfer) die ihre letzten Geschosse unter schaurigem Geheul auf kürzeste Entfernung gegen den Feind verschießen. Ich sehe die Menschen beten, andere fluchen. Noch 150 Meter bis zum Wasser, aber der schmale Streifen ist wie ein Schmelzofen. Fünf Stunden hält nun schon das Trommelfeuer an. Es ist entsetzlich.

 

Der Kampf um Groß Hoppenbruch

 

Wenn ich an Groß Hoppenbruch denke, dann tritt mir immer zuerst das Grauen und Entsetzen entgegen von all den furchtbaren Erlebnissen im Kessel von Heiligenbeil. Es kann uns Soldaten noch nachträglich Angst und Bange werden, wenn man an all das Schreckliche denkt: An die furchtbaren Züge der Trecks mit den entsetzlichen Fliegerangriffen, an die grausigen Luftangriffe auf Gr . Hoppenbruch und Rensegut, von den mehr als hundert sowjetische Flugzeugen, an die vielen Todesnöte im Dorf Gr. Hoppenbruch und an Vergewaltigungen und Misshandlungen bis zum Zusammenbrechen im Dorf. Und all das viele Sterben der Flüchtlinge und Kameraden. Man fühlt richtig - wie beim Schreiben der Berichte - jetzt noch immer wieder das Herz aufschluchzt bei der Erinnerung. Wie könnte man das je vergessen! 

 

 

Man schreibt es so hin, doch es ist auch heute noch schwer zu beschreiben. Der Kreis Heiligenbeil ist wohl das zweite Stalingrad gewesen. Sagt man! Zinten hat bis zum 25. Februar 1945  21 mal den Besitzer gewechselt, bis es am 25. Februar 1945 endgültig verloren ging. So ging Gr. Hoppenbruch in der Nacht zum 26. März 1945 verloren. Ein Brief von Frau Krause aus Gr. Hoppenbruch (Lehrerfrau in Balga): 

 

 

...Will Dir auch mal wieder schreiben, obwohl ich nicht weiß, ob ich den Brief loswerden kann. 

 

Gestern hatten wir zwischen 14.00 und 16.00 Uhr einen schweren Luftangriff. Groß Hoppenbruch sieht trostlos aus. Wieviel Bomben gefallen sind, kann ich nicht sagen. Auf Rommels Gehöft 7 Bomben, eine Scheune brannte ab und die Ställe sind eingestürzt. Das Wohnhaus steht. Kahlfeld's Leiterhaus gegenüber Müllers ist eingestürzt, die Leute (Bohl's , Lemkes und Gehrmanns)) konnten durch die Fenster raus. Gestern war auf dem Sandberg die Bestattung. Es waren 36 Tote, 11 Zivilisten und 25 Soldaten. 

 

Hauptmann Stolpmann ist Ortskommandant von Gr. Hoppenbruch geworden. 

 

Letzter Brief aus Gr .Hoppenbruch"

 

 

Gestorben wurde hauptsächlich nachts, denn nachts wurde attackiert, von hier nach dort, von dort nach hier. Also starb es sich im Niemandsland fürs Vaterland, fürs Mutterland, oder wie das aussah. Jedenfalls konnten die Überlebenden an der Haffküste im Raum Balga, FolIendorf jeweils am Morgen danach betrachten, wer noch da war, oder wer noch im Niemandsland lag bis auch er tot war. 

 

 

Mitunter hatten wir mit den Russen abgemacht, bei den Vorbereitungen zu nächtlichen Angriffen, unter sich und auf Zuruf so laut zu sprechen, dass die jeweils andere Seite rechtzeitig gewarnt war. Man musste sich immer zuvor versichernd, dass kein Offizier in der Nähe mithören konnte. Das ging in Groß Hoppenbruch so lange gut, bis wir abgelöst wurden, unsere Nachfolger wussten ja nichts von den heimlichen Absprachen. Gefangene wurden auf beiden Seiten ab ca. 20. März nicht mehr gemacht. Alle die in Gefangenschaft gerieten bei Freund und Feind, konnten zu ihrer Truppe zurück gehen, wie ich auch. 

 

 

Es gab auch Ausnahmen von dieser, nicht immer tödlichen Regel, das waren die Offiziere in ihren sauber ausgeschanzten Höhlen - durch Stahltüren geschützt, die einem gewissen Beschuss standhalten würden. Doch bei Volltreffer im Graben half ihnen das nichts, da teilten sie das Schicksal mit uns. Es war aber fast kein Stabsoffizier mehr da! Wo waren sie denn? Auf der Frischen Nehrung bei ihren Generälen? In sicheren Hauptquartieren im Raum Kahlberg, in denen Tausende von Flüchtlingen keine Unterkunft hatten? 

Es waren die gleichen Generäle und Offiziere, die den Tod befohlen hatten. Das gibt Sicherheit!

 

Kriegsmüde Russen?

 

Gern wurde die These verbreitet, wie kriegsmüde inzwischen die andere Seite, "die Russen", waren, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein konnte, bis der Feind aufgeben würde? Das war ein offizieller Bericht von der Front am 24. März 1945. Es war ein typischer Frontbericht, in denen nichts weiter stand. 

 

Doch es gibt handfeste Beweise! Soldaten aller Nationen hatten trotz der für alle geltende Verbote - wie ich - Kameras mitgenommen an die Front und machten sich bei Gelegenheit ihr eigenes Bild vom Krieg. In deutschen Blättern wurde die Apparate der "Franca Camera Werke" in Bayreuth unter der fett gedruckten Zeile - "Mit Bubi in den Krieg" - angepriesen. Hier richtete sich die Aufforderung zum Kauf der "Bubi" genannten Fotoapparate eher an Offiziere, denn der gemeine Soldat konnte sich bei der Höhe seines Solds - fünfundzwanzig Mark pro Monat - eine Kamera für neunzig Mark nicht leisten. Ich hatte meine Kamera eine Balda aus Bünde (Westf) schon 1940 für Familienidylle und Urlaub. 

 

Anfangs beschränkte ich mich auf Fotografien in Uniform auf die so genannten lustigen Seiten des Kampfes in der Etappe, beim Essen fassen, beim Drill, beim siegreichen Vormarsch. Das änderte sich nach den ersten Erfahrungen mit dem echtem Krieg. Denn den Bildern, die uns per Zeitung an die Front geliefert wurden, traute bald keiner mehr .Wir Soldaten hatten täglich ganz andere Bilder vor Augen. 

 

 

Die unentwickelten Filme nahmen die Verwundeten mit, die nach Hause fahren durften oder per Feldpost. Deutsche Zensoren, die Herren Offiziere in ihren noch maßgeschneiderten Uniformen, konnten allenfalls in Stichproben den Inhalt einzelner Briefe prüfen. es waren täglich Tausende. Ich fotografierte noch 1943 fürs Regimentsalbum, doch ab Oktober 1944 nicht nur die Lebenden. Fotos von toten Soldaten in verlassenen Gräben, ein trauriges Bild. Der Tod ist einsam. Solche Bilder haben die Soldaten an der Front täglich vor Augen. Verschließen sie vor den Toten, sehen über sie hinweg, aber bekommen sie nicht aus dem Kopf. Sie bleiben im Bewusstsein derer, die es erlebt haben, aber da von denen so viele nicht überlebten, verschwand die Erinnerung mehr und mehr im Dunkel des tatsächlich stattfindenden Horrors, bis die Geschichte vergessen wurde, und von ihr allenfalls noch Legende, als handele es sich um eines der üblichen Märchen aus dem Krieg, die erzählt wurde. 

 

Verwundete wurden mit dem Wundzettel ausgestattet

 

Vor allem Fotos aus Lazaretten. Es war kaum zu ertragen, diesen "zerbrochenen Gesichtern" ins Gesicht zu sehen. Die Menschen selbst hätten es nicht ertragen, sich anzuschauen. In den Lazaretten gab es aus diesem Grund keine Spiegel.

 

Kommen wir zum Krieg im Raum Balga zurück: Das System im Kampf sah im Prinzip so aus: Beim ersten Morgengrauen standen die Kampftruppen hier wie dort eine halbe Stunde lang wachsam Gewehr bei Fuß, um auf einen eventuellen Angriff vorbereitet zu sein. Da alle von diesem Ritual wussten und sich lauernd auf Hörweite gegenüber standen, gab es in der Morgendämmerung selten einen Angriff. Der bei solchen Attacken nötige Überraschungseffekt entfiel. Deshalb blieben alle lieber da, wo sie waren. Hinter der vordersten Linie, lag im Zickzackkurz der Versorgungsgraben durch die der Nachschub und die Verpflegung geschleppt werden musste, um der Artillerie das Zielfeuer zu erschweren, damit nicht bei Beschuss der ganze Graben in die Luft flog, wie in Groß Hoppenbruch. Hier blieb nicht nur warme dünne Graupensuppe auf der Strecke, sondern auch die Träger. Ab Groß Hoppenbruch gab es jeden Morgen nur noch einen Zählappell vor Anbruch der Dämmerung. Wer sich nicht mehr meldete, hatte sich für immer abgemeldet. Doch die dabei entstandenen Aufnahmen gingen leider verloren.

 

 

Eine umfangreiche Dokumentation von Karl-Heinz Schmeelke steht auf dieser Homepage zur Verfügung. Mit ihr kann der Untergang Ostpreußens und der der 4. Armee noch detaillierter  nachvollzogen werden. 

 

 

 

 

 

Folgegeschehen nach Informationen, die später bei den Eltern eintrafen

 

Die Einheit wurde am 18.3.45 aufgelöst und einer Einheit zugeteilt, die in Heiligenbeil den Kessel verteidigte. Dazu wurden sie in Neutief auf Transportboote einer Pioniereinheit verladen und nach Rosenberg gebracht - dem Hafen von Heiligenbeil. Die teilweise wieder eisfreie Nehrung wird dabei einige Schwierigkeiten bereitet haben. 

 

 

Im Kessel von Heiligenbeil wurden mit ihm und seinen Kameraden wahrscheinlich Einheiten aufgefüllt, die völlig ausgeblutet waren. Dabei müssen die völlig kampfunerprobten jungen Männer hoffnungslos überfordert gewesen sein. Als der Kessel von Heiligenbeil zerschlagen wurde, bildete sich ei  neuer Kessel zwischen Groß Hoppenbruch und Balga. In Groß Hoppenbruch nahe der Küste hatten sie mit 12 Mann Stellung bezogen, als ein Angriff der Russen erfolgte. Augenzeugen zufolge soll Walter Michel hierbei mehrfach von einer Salve getroffen worden sein. Seine Kameraden mussten ihn verwundet zurück lassen. Danach verliert sich die Spur von Walter Michel.... !

 

Fünfundsechzig Jahre nach Kriegsende ist es mit Hilfe von Aufzeichnungen von Hermann Lohmann und Karl Heinz Schmeelke sowie anderen Quellen gelungen, das Geschehen der letzten Tage rund um das Ableben von Walter Michel zu klären. Was lange Jahre völlig im Dunklen lag, erscheint plötzlich nahezu glasklar und wird sehr greifbar. Aus diesem Grund wage ich in der Annahme, dass Walter Michel an den Folgen seiner schweren Verletzungen starb, den Versuch, ihm einen Abschiedsbrief in den Mund zu legen, wie er ihn vermutlich seinen Eltern geschrieben hätte, wenn es ihm in seinen letzten Stunden vergönnt gewesen wäre. Möglicherweise hat er sogar einige Zeilen hinterlassen, die aber nie zuhause ankamen. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass ich mit dem fiktiven Abschiedsbrief nicht zu weit gegangen bin.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fiktiver Abschiedsbrief an die Eltern

(In Anlehnung an authentische Schilderungen von Zeitzeugen)

 

Groß Hoppenbruch, den 26. März 1945

 

Liebe Eltern,

 

heute heißt es, von Euch Abschied zu nehmen. Seit meinem letzten Brief, als wir noch in Pillau waren, hat sich das Glück gründlich von mir abgewandt. Heute, wo ich diesen Brief schreibe, sitze ich in einer Deckung, die mir etwas Schutz vor den herumfliegenden Granatsplittern, Steinen und Metallteilen gibt. Das Heulen der Stalinorgeln und der Lärm der Geschütze durchdringt den ganzen Körper. Viele Einschläge sitzen in unmittelbarer Nähe. Ich wurde gestern Abend im Nahkampf schwer verwundet und bin jetzt mutterseelenallein. Meine Kameraden mussten sich zurückziehen. Niemand holt mich hier heraus und meine Kräfte schwinden. Es wird mit mir zuende gehen und es gäbe doch noch so viel zu sagen. Ich hoffe, dass Euch irgendwann diese Zeilen erreichen, denn Ihr sollt wissen, in welcher Hölle ich hier gelandet bin und warum ich nicht mehr nach Hause kommen werde. Hoffentlich seid Ihr zuhause davon gekommen. Alles erinnert an den Weltuntergang. Es bleibt die Frage: Warum und für was das alles?

 

Ich bemühe mich, einigermaßen zusammen zu fassen, was seit meinen letzten Zeilen an Euch passierte, auch wenn es mir sehr schwer fällt.

 

Der Druck der Russen im Raum Königsberg wurde Mitte März immer heftiger und wir hatten auf dem Flugplatz zum Schluss keinen Tropfen Benzin mehr. Eine völlig überladene Ju 52 hob als letztes Flugzeug am 16. März ab und Fl. Ing. Kirchner teilte uns anschließend mit, dass wir alles zusammenpacken sollen. Das war es nun - all die Jahre und die Arbeit, die wir diesem Krieg opferten und nun so ein jämmerliches Ende.

 

Am 17. März kam der Befehl, dass die Einheit Zug um Zug zum Erdkampf abkommandiert wird. Dabei hätten wir uns zusammen mit den vielen Flüchtlingen und Teileinheiten übers Frische Haff retten können. 

 

Ich war als einer der Jüngsten gleich bei der ersten Gruppe. Wir wurden mit Infanteriewaffen ausgerüstet. Mitnehmen durften wir nur militärisches Zeug und ich musste all meine privaten Sachen gepackt zurücklassen und mit der Heimatadresse versehen. Ich nehme an, sie stehen heute noch auf dem Flugplatz. 

 

2

 

 

Nur mit dem Notwendigsten ausgerüstet marschierten wir zur Landungsbrücke von Neutief und mussten auf ein Landungsboot umsteigen, das uns nach Rosenberg brachte. Dort waren bereits Soldaten anderer versprengter Einheiten, mit denen wir nach Heiligenbeil marschierten. Zunächst kam bei uns noch Hoffnung auf, weil in Richtung Steindorf der Flugplatz von Heiligenbeil lag. Wir wussten allerdings nicht, dass auch dort kein Flugbetrieb mehr herrschte. Dadurch waren wir endgültig zum Erdkampf verurteilt. Fl. Ing. Kirchner war jetzt unser Zugführer. 

 

Auf den Straßen wimmelte es nur so von Flüchtlingen, die mit ihren Pferdefuhrwerken und Handwagen in Richtung Haff unterwegs waren, weil inzwischen die Landverbindung nach Elbing in russischer Hand war. Viele Flüchtlinge, die erst nach Königsberg und Pillau unterwegs waren, mussten vor den Russen nach Süden ausweichen. Über die freien Flächen zogen herrenlose Pferde und Kühe parallel zu den Flüchtlingen. Wahrscheinlich spürten sie die kommende Gefahr besser als wir Menschen. Fuhren unsere eigenen Panzerkolonnen zum Einsatz in Richtung HKL, mussten die Flüchtlingskolonnen in den Graben ausweichen. Überall herrschte ein großes Durcheinander und die vielen toten Menschen und Tiere, die achtlos im Dreck und im verdreckten Schnee lagen, waren ein grauenhafter Anblick. Dazu das Sauwetter, das seit Tagen herrschte. 

 

Überall Schlamm und Matsch. Wir haben seitdem kein sauberes Kleidungsstück mehr am Leib. Die Verpflegung kam in allen möglichen Behältnissen in die vorderste Line und war kalt und pappig. Kommissbrote sind in den letzten Tagen Mangelware und wir freuten uns über jeden Bissen, den wir bekommen konnten. Wer verwundet wird, kann nur noch notdürftig versorgt werden. Für sie steht praktisch kein Verbandsmaterial mehr zur Verfügung. Es wird mit jeder Art von Stofffetzen verbunden, sogar mit Gardinen. Schmerzmittel fehlen inzwischen ganz. Hinter den Linien lauern die Kettenhunde von der Feldgendarmerie. Wer ohne Wundzettel oder Marschbefehl angetroffen wird, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Sie reißen sogar Verbände ab, um Verletzungen zu kontrollieren. Sie exekutieren ohne eine Verhandlung. Auch das Recht hat uns verlassen. Immer wieder treffen wir Soldaten an, die stumpfsinnig dasitzen und Fotos ihrer Lieben betrachten oder wirr durch die Gegend laufen als wären sie in einer anderen Welt. Ich glaube, viele haben den Verstand verloren.

 

Hier sind starke Verbände der 4. Armee in einem immer kleiner werdenden Kessel zusammengedrängt, dazwischen auch Luftwaffeneinheiten mit Panzern. Pausenlos sind Stoßtrupps unterwegs. Auch wir müssen immer wieder feindliche Stellungen erkunden und Truppenpräsenz vortäuschen. Vor einigen Einheiten haben die Russen gewaltigen Respekt. Seit dem 20. März wurden auf beiden Seiten die Gefangenen wieder laufen gelassen. Das geht natürlich nur, wenn keine Offiziere in der Nähe sind. Die einfachen Soldaten haben nämlich die Nase vom Krieg genauso voll wie wir und man weiß inzwischen nicht mehr, für was der Wahnsinn noch gut sein soll. Das willkürliche Morden ist so sinnlos.

 

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Am 21. März wurden wir nach Groß Hoppenbruch verlegt, weil dort mit einem massiven Angriff gerechnet wurde. Die HKL befand sich am Ortsrand südwestlich von Groß Hoppenbruch. Vor uns lag Romansgut, das bereits in russischer Hand war. 

 

Flg. Ing. Kirchner hatte sich in den letzten Tagen total verändert. War er früher eher besonnen und vorsichtig, so war er jetzt genau das Gegenteil. Er war mit seinen Nerven am Ende. Am 22. März wurde ein Gegenangriff befohlen und er führte unseren Zug. Plötzlich verließ er alleine die Deckung und rannte mit einer Maschinenpistole und Handgrananten in Richtung Frontlinie. Dabei nutzte er einen zerschossenen Panzerspähwagen als Deckung. Als er erneut aufsprang, um einen weiteren Geländegewinn zu erzielen, erfassten ihn Maschinengewehrgarben. Er schrie fürchterlich auf und brach zusammen. Wir waren sehr erschrocken und hörten seine Hilferufe. Doch keiner von uns kam ihm zu Hilfe, weil wir wie gelähmt waren. Ich schäme mich dafür so sehr! Zwei Tage mussten wir bei heftigem Beschuss in unserer Stellung ausgehalten, bis wir uns nachts absetzen konnten. Kirchners Rufe waren schon nach wenigen Stunden verstummt. Keine Ahnung, was aus ihm wurde.

 

Wir bezogen dann Stellung am Ortsausgang von Groß Hoppenbruch. Hinter uns lag an der Küste Follendorf. Immer noch strömten die Flüchtlingstransporte zum Haff, dessen Eisdecke inzwischen wegen des Tauwetters nicht mehr trug. Sie ziehen in Richtung Balga. Die Russen decken nun auch Balga mit ihren Feuerwalzen ein, wo sich Einheiten und Flüchtlinge zusammendrängen. Unsere Aufgabe war, soviel Widerstand zu leisten, dass noch möglichst viele Menschen dem Terror entkommen können. 

 

Am Horizont sah ich das brennende Heiligenbeil. Nun wurde auch Groß Hoppenbruch zusammengeschossen. Die dortigen Einheiten verschanzten sich in den Ruinen und lauerten mit panzerbrechenden Waffen. Noch immer werden tagtäglich russische Panzer abgeschossen. Die Besatzungen verbrennen meistens jämmerlich in ihrem Stahlsarg, während die Panzergranaten im Inneren explodieren. Aber auch unsere Panzer und Geschütze sind nur noch Schrott. Im Keller der Schule von Groß Hoppenbruch befand sich ein Verbandsplatz, der geräumt werden sollte. Als die Verwundeten auf Wagen verladen wurden, wurden sie von Tieffliegern zusammengeschossen. 

 

Nirgendwo ist man mehr sicher. Verwundete werden von den Russen nicht mehr gefangen genommen, sondern sofort erschossen oder mit dem Flammenwerfer umgebracht. Wir nennen das "Erlösen", weil nur der Tod ein gnädiges Ende bringt.

 

Seit einigen Tagen werden wir nachts von den Russen mit Lautsprechern angesprochen, dass das Kämpfen keinen Sinn mehr habe und wir uns ergeben sollen. Man würde uns sonst in den nächsten Tag ins Meer zurückdrängen. Dahinter steht angeblich ein "Nationalkomitee Freies Deutschland", ein Bund deutscher Offiziere, die in Stalingrad gefangen genommen wurden. Anschließend spielen sie immer das Lied "Guten Abend, gute Nacht..." Das macht einem völlig fertig.

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Heute setzten sich einige Einheiten in Richtung Follendorf ab, um über das Haff entkommen zu können. Eine HKL gibt es nicht mehr. In einem Graben nahe den russischen Stellungen sollten wir Bewegungen der Russen beobachten. Im Graben steht jetzt ein halber Meter Wasser und die Kälte ist nicht auszuhalten. Eine seltsame Ruhe lag über dem Land. Die brennenden Ortschaften sahen am Horizont gespenstig aus. 

 

Plötzlich brach ein höllisches Inferno los und die Russen griffen wieder an. Man sah sie durch die Gräben huschen, ehe sie mit einem tierischen "Urääääh" nach vorne gingen.. So nahe waren mir die Russen noch nie gekommen und ich sehe noch die weit aufgerissenen Augen des Russen, der plötzlich aus dem Nichts auftauchte und wie wild auf mich schoss. Ein brennender Schmerz durchfuhr zuerst meine Brust und dann das Bein. Getroffen fiel ich ins Wasser des Grabens. Jetzt nur ruhig verhalten, dachte ich. Als ich mich wieder aufrichtete, war der Russe verschwunden. Ich habe mich in ein zerschossenes Fahrzeug geschleppt und warte auf Rettung, die wahrscheinlich nie kommen wird. 

 

Die Blutungen kann ich nicht stoppen. Mit was auch? Nun fließt das Leben Tropfen für Tropfen aus meinem Körper! Komischerweise habe ich gar keine Schmerzen.

 

Da ich ein Stück Papier gefunden habe, versuche ich, Euch diese Zeilen zu schreiben. Ihr müsst doch wissen, was passierte! Ich bin doch Euer Sohn! 

 

Wie gern wäre ich jetzt bei Euch und wüsste Euch bei guter Gesundheit. 

 

Behaltet mich in guter Erinnerung und seid versichert, dass ich alles getan habe, um gesund nach Hause zu kommen. Es sollte aber nicht sein! Lebt wohl!

 

In Liebe 

Euer Walter

 

 

 

Briefe und Schriftwechsel

 

Nach Ende des Krieges herrschte in vielen Familien große Ungewissheit über den Verbleib ihrer Angehörigen. In den ausgebombten Städten fehlte den Heimkehrern jeder Anhaltspunkt über den Verbleib der Familienmitglieder. Diese befanden sich teilweise auf dem Land oder in Unterkünften, die sie sich mit vielen Anderen teilen mussten. Kinder ohne Familie kamen in Heime oder in Pflegestellen. Das Rote Kreuz baute systematisch seinen Suchdienst auf. Es galt, versprengte Menschen wieder zusammenzuführen. 

 

Wilhelm Michel (Bild rechts) schaltete natürlich ebenfalls die Suchdienste ein, die jeden Heimkehrer befragten und mit Bildmaterial konfrontierten. Parallel dazu schrieb er alle Kameraden von Walter Michel an. Hier nun die Schriftwechsel, die etwas Licht in die dunkle Phase der Ereignisse bringen. Infolge der schwierigen Nachkriegsverhältnisse kamen die Briefwechsel erst sehr verspätet zustande.

 

 

 

 

11.11.1945

Alfred Gottschlich, 21 Herne, Roonstraße 19

 

Liebe Familie Michel!

 

Die besten Grüße aus Herne sendet Ihnen Alfred Gottschlich, sowie Eltern und Schwester. Ja, lange Zeit war es uns nicht möglich, Ihnen einige Zeilen zukommen zu lassen. Meine Schwester hat einmal versucht, einen Brief an Sie durch einen Bekannten in Ihre Zone mitzunehmen.

 

Ja wie gerne möchte man doch wissen, wie es Ihnen eigentlich geht und wie es um Walter steht, ob er überhaupt schon zuhause ist. Am Liebsten würde ich Sie ja mal besuchen.

 

Ich befinde mich schon seit einigen Monaten wieder bei meinen Eltern. Ich war zuletzt in Österreich und bin dort auch aus einem amerikanischen Lager entlassen worden. Nun arbeite ich wieder an meinem alten Arbeitsplatz und stehe dort, wo ich vor vier Jahren aufgehört habe - nur um einige Jahre älter.

 

In der Hoffnung, dass Sie diese Zeilen erhalten und es Ihnen soweit noch gut geht und Walter auch unter Ihnen weilt, grüßen Sie und Walter recht herzlich

 

Alfred Gottschlich, Eltern und Schwester

 

 

 

18.11.1945

Alfred Schuhmann, 15 Gotha (Thüringen), Menbachstraße 61

 

Sehr geehrter Herr Michel und Frau!

 

Ihr wertes Schreiben vom 30.10.45 dankend erhalten, muss Ihnen leider mitteilen, dass wir keine genaue Auskunft geben können. Unser Sohn Fritz wurde am 19.1.45 in Ostpreußen schwer verwundet und liegt seit dem 2. Februar 45 im Lazarett Lübeck. Er wurde am 20. Februar operiert und dann der Arm abgenommen, Bis heute liegt er noch in Lübeck. Am 15.11.45 haben wir die letzte Post von ihm bekommen und sein Befinden ist wieder der Zeit angemessen ganz gut.

 

Wir erhielten am 6.3.45 einen Brief von Ihrem Sohn betreffs um Auskunft über Verwundung und Lazarett über unseren Sohn Fritz. Wir haben sofort alles an Ihren Sohn mitgeteilt und haben keine Nachricht wieder erhalten. Sollten Sie aber von ihrem Sohn noch Nachricht erhalten, so bitten wir doch um Bescheid. Wenn unser Sohn erst wieder in unserer Mitte ist, so werden wir Ihnen nochmals etwas mitteilen.

 

Inzwischen senden wir herzlichst Grüße

Alfred Schuhmann

 

 

 

18.11.1945

Gerhard Rohloff, 3 Rossin Post Ducherow, Vorpommern

 

Lieber Herr Michel!

 

Da ich vor zwo Tagen nach Hause gekommen bin, so kann ich Ihren Brief, den Sie an meine Mutter geschrieben haben, selbst beantworten.

 

Ich war in der englischen Gefangenschaft, habe mich dann über die Grenze nach Hause geschmuggelt. Nun komme ich auf Ihren Brief zurück.

 

Leider kann ich Ihnen über Ihren Sohn und meine Kameraden nichts genaues mitteilen. Ich werde Ihnen so ungefähr die Verhältnisse schreiben, wie sie in Ostpreußen waren.

 

Wir hatten bis zum März alles gut überstanden und waren in Pillau gelandet. Hier haben wir unsere Arbeit wieder aufgenommen. Da begann dann der Russe seine Angriffe. Der Kessel wurde immer kleiner. Da kam zu uns der Befehl, dass wir die jüngsten Jahrgänge abgeben müssten. Darunter befand sich auch Ihr Sohn. Es war am 17. März. Allerdings musste unsere Einheit am 19. März geschlossen zum Erdeinsatz nach Heiligenbeil. Leider haben wir unsere anderen Kameraden nicht getroffen. Somit kann ich Ihnen auch nichts genaues über Ihren Sohn mitteilen.

 

Ich habe nach dem meinen Kameraden Hans Schult befragt. Der erzählte mir, dass er mit Ihrem Sohn zusammen war. Nach dessen Erzählen muss ich Ihnen dann die traurige Mitteilungen machen, dass Ihr Sohn Walter am 27. März gefallen ist. (nehmen Sie die Herzlichsten)

 

Ich teile Ihnen die Adresse von dem Kameraden mit: Herrn Hans Schult, Harrisleefeld/ Flensburg, Süderstraße 63.

 

Ich selbst glaube es nicht, denn Ihr Sohn war auch ruhig und besonnen, somit glaube ich, dass Ihr Sohn raus gekommen ist. Flg. Ing. Kirschner ist am 23. März bei dem Gute Stuschen gefallen. Wir machten einen Angriff, da bekam der Flg. Ing. Kirschner mehrere Kopf- und Bauchschüsse. Der Flg. Ing. war auf der Stelle tot. Aus dem Einsatz sind wir mit zwei Mann rausgekommen. Es sind von den lieben Kameraden etliche gefallen.

 

Nun möchte ich Ihnen und Ihrer Frau unsere aufrichtige Anteilnahme an dem Verlust Ihres Sohnes aussprechen.

 

Es grüßt Sie vielmals Ihr

Gerhard Rohloff

 

 

21.11.1945 

"Steckbrief" für die Vermisstensuche

 

Wilhelm Michel schöpfte auf die vagen Zeilen des letztgenannten Briefes neue Hoffnung und wandte sich mit der folgenden Beschreibung an den Suchdienst des Roten Kreuzes:

 

 

Der Kriegsgefangene 

Obergefreiter Walter Michel 

Geb. 11.5.1922 zu Frankfurt a.M. 

 

war Motorenwart einer Flieger-Feldwarte in Pillau/ Ostpreußen. 

Letzte Post vom 10.03.1945 aus Pillau. 

Die Einheit gehörte zum Feldluftgau XXVII. 

Feldpost-Nummer L.15987(A)

 

Wilhelm Michel und Frau 

Frankfurt a.M.-Fechenheim 

Willmann-Straße 14

 

 

 

27.11.1945 

Brief an Hans Schult, Harrisleefeld bei Flensburg

 

Lieber Herr Schult,

 

mein Sohn, der Obergefr. Walter Michel, hatte zuhause die Adresse Eures Kameraden Gerhard Rohloff aus Rossin, Post Ducherow hinterlegt. Am 26. Oktober hatte ich bei der Mutter von Rohloff angefragt, ob ihr Sohn bereits zuhause ist, oder ob sie etwas über den Verbleib ihres und meines Sohnes bekannt sei. 

 

Heute, am 27. November erhielt ich ein Schreiben von Gerhard Rohloff, datiert vom 18. November, das besagte, dass er vor ein paar Tagen aus englischer Gefangenschaft zurückgekehrt sei. In dem Schreiben teilt er weiter mit, dass nach Ihren Angaben mein Sohn Walter am 27. März gefallen sei? Meine Frau und ich befinden uns in einer begreiflichen Aufregung und können dies noch nicht fassen. Selbst Rohloff hält es nicht für möglich, dass Walter nicht mehr leben soll.

 

Lieber Herr Schult! 

Ich bitte Sie inständig, uns doch eingehend nur wahrheitsgetreu mitzuteilen, was Sie über unseren Sohn Walter wissen. Ist er erschossen worden oder verwundet worden, oder ist er gefallen? Oder nur wo und wann haben sie ihn zuletzt gesehen? Ist Ihnen gegebenenfalls bekannt, wo er beerdigt liegt, weil wir ihn so bald als möglich heim holen und beerdigen lassen wollen.

 

Wenn Ihnen noch eine Adresse eines Kameraden bekannt ist, der mit Walter zusammen war, geben Sie mir diese bitte an.

 

Dass Sie und Rohloff diesen langen Krieg gut überstanden haben, wird Ihre Angehörigen freuen und auch wir beglückwünschen Sie zu Ihrer Heimkehr.

 

Wenn Ihnen Einzelheiten bekannt sind, wie Flg. Ing. Kirschner umgekommen ist, geben Sie mir dies bitte an, damit ich das seiner Frau mitteilen kann.

 

Einer recht baldigen Nachricht sehe ich höflichst entgegen.

Hochachtend und mit Gruß 

Wilhelm Michel

 

 

 

17.12.1945 Brief von Hans Schult, Harrisleefeld bei Flensburg 

Todesbeschreibung

 

Sehr geehrte Familie Michel!

 

Heute erhielt ich Ihren Brief, der mich wieder an die Tage erinnerte, an denen ich mit Walter, Ihrem Sohn und seinen anderen Kameraden zusammen war. Viele davon sind nicht mehr am Leben.

 

Walter fiel am 25.3. abends bei einem Angriff russischer Verbände auf Groß Hoppenbruch. Walter war auf einem vorgeschobenen Posten, als der Angriff begann. Als unser Kampfführer erkannte, dass wir wenige, es waren nur noch ein Dutzend Männer, den Mengen der Russen nicht gewachsen waren, schickte er den Unteroffizier Gottlob Burckhard aus Neidlingen im Graben nach vorne, die vorgeschobenen Posten zurück zu holen. Gerade als der Unteroffizier Walter erreichte, kroch aus einem Loch, welches einige Meter von Walter seinem entfernt war, ein Russe, der das Magazin seiner Maschinenpistole auf Walter leer schoss. Ich konnte es in der Dämmerung gerade noch erkennen, wie Walter zusammenbrach. Der Unteroffizier entkam mit knapper Not dem Tode oder der Gefangenschaft. Er meldete dem Kampfführer, dass Walter mehrfach und höchstwahrscheinlich tödlich getroffen liegen bleiben musste. Ein Suchen nach ihm ging nicht an, da wir in der selben Nacht eingeschlossen wurden.

 

Wir haben uns dann im Morgengrauen einzeln aus der Umklammerung durchgeschlagen, leider waren wir dann alle verstreut und wir haben uns nicht mehr zusammengefunden bis zum Tag meiner Verwundung am 27. März an der Küste in der Nähe von Balga, wo ich einen Kameraden, der auch mit Walter zusammen war, wiedertraf. Er fuhr mit mir nach Winnemünde. Der Name ist Kurt Afle aus Dresden.

 

Das ist alles, was ich von Eurem Sohn Walter weiß und ich bedauere es tief, dass ich Ihnen nicht eine andere Mitteilung machen kann. Ich spreche ihnen hiermit mein herzlichstes Beileid aus, denn Walter war für mich - und ist es immer noch - ein guter Kamerad. Mein Bruder ist auch auf diese Weise gefallen, aber wir haben noch keinen Kameraden gefunden, der über den Tod irgend etwas hat schreiben können.

 

Über den Tod von Herrn Kirschner kann ich Ihnen nur das mitteilen, was ich von den Kameraden weiß, die bei seinem Tode dabei waren. Es war bei einem Gegenangriff auf eine feindliche Stellung. Weit vor den Anderen stürmte Flg. Ing. Kirschner den feindlichen Stellungen entgegen. Er wollte einen stark zerschossenen LKW als Deckung benutzen, als bei ihm eine feindliche MG-Garbe entgegenschlug. Ing. Kirschner brach getroffen zusammen. Im Augenblick brach der Angriff zusammen, unsere Leute mussten in die eigenen Stellungen zurück, die dann auch 2 Tage unter dem großen feindlichen Druck aufgegeben werden musste. Flg. Ing Kirschner blieb im Niemandsland dicht unter der feindlichen Stellung liegen. Er konnte nicht geborgen werden, da auf beiden Stellungen schweres Feuer lag. Es war in der Nähe von Romansgut bei Hoppenbruch.

 

Weiter weiß ich nun von alledem nicht zu berichten und es tut mir leid, dass ich Ihnen dieses zum Weihnachtsfest mitteilen muss.

 

Hans Schult

 

 

 

 

18.12.1945 Gesuch an Oberst Memenko, Berlin, zuständig für Kriegsgefangene in der SBZ

 

Am 18. Dezember 1945 wandte sich Wilhelm Michel an den Leiter der Abteilung für Kriegsgefangene beim Amt der Etappe der Sowjetischen Besatzungsbehörde in Berlin - Oberst Memenko. Wie man neben-stehendem Stempel entnehmen kann, durchlief das Schreiben zunächst die ZENSUR in Offenbach, von wo aus es erst am 28. Dezember weitergeleitet wurde. In Berlin wurde dann offensichtlich die Annahme verweigert.

 

Aus unerfindlichen Gründen kam der Brief aber erst am 22. August 1946 zurück.

 

 

 

In diesem Schreiben, das sowohl in Russisch als auch in Deutsch abgefasst war, wurde um Aufklärung zum Verbleib ihres Sohnes nachgesucht und Angaben zum letzten belegbaren Aufenthaltsort gemacht. Absolut ungeöffnet kam dieser Brief zurück. Ein Beweis für die harte und kompromisslose Haltung der Sowjets auch nach dem Ende des Krieges.

 

 

 

 

17.02.1946

Brief von Fritz Schuhmann, Gotha/Thüringen, Utenbacher Straße 61

 

Liebe Familie Michel!

 

Da ich nun auch zuhause angekommen bin, möchte ich Ihnen auch einige Zeilen schreiben. Sie hatten ja schon bei meinen Eltern wegen Ihres Sohnes Walter angefragt, aber sie konnten Ihnen keine Nachricht geben.

 

Ich wurde ja im Januar verwundet und weiß nicht, was dann aus der Einheit geworden ist. Ich habe ja kurz vor Schluss den rechten Arm verloren und ich hoffe, dass Sie meine Schrift lesen können. An mich haben schon 2 Kameraden geschrieben und die habe ich auch gefragt, ob sie etwas von Ihrem Sohn wüssten.

 

Nun möchte ich für heute schließen und verbleibe mit den besten Grüßen

Ihr Fritz Schuhmann

 

Viele Grüße auch von meinen Eltern!

 

 

 

27.08.1947

Brief von Fritz Schuhmann, Gotha/Thüringen, Utenbacher Straße 61

 

Werte Familie Michel!

 

Eine lange Zeit ist wieder vergangen, dass wir nichts voneinander gehört haben. Ich möchte doch gern noch einmal anfragen, ob sie zur Zeit irgend eine Nachricht von Walter erhalten haben. Da ich mit Ihrem Sohn Walter über 3 Jahre zusammen war, so ist es hoffentlich nicht unangenehm, dass ich anfrage, sondern möchte auch ich gern Gewissheit über das Schicksal von Walter haben.

 

Lieber Herr und Frau Michel,

ich möchte mir hiermit erlauben einmal anzufragen, wie es Ihnen persönlich geht. Ich hoffe, dass es nicht zuviel verlangt ist, wenn ich Sie bitte, mir ein paar Zeilen zukommen zu lassen.

 

Es grüßt Sie rech herzlichst

Ihr Fritz Schuhmann

 

 

 

15.09.1947

Brief an Fritz Schuhmann, Gotha/Thüringen

 

Lieber Herr Schuhmann,

Für Ihr Schreiben recht herzlichen Dank. Über Ihre Nachfragen nach Walter haben wir uns sehr gefreut. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir noch keinste Lebenszeichen von Walter erhalten haben. Ich weiß nicht mehr, ob ich Ihnen in dem Schreiben an Sie folgendes mitgeteilt hatte:

 

Laut Aussage von Gustav Rohloff, (3) Rossin, Post Ducherow, Vorpommern teilte uns dieser mit, dass er in englischer Gefangenschaft war und auf der Heimreise bei Hans Schult (24) Harrisleefeld bei Flensburg war. Schult hat Rohloff erzählt, dass Walter am 25.3.45 bei Heiligbeil in Ostpreußen gefallen sei. Rohloff konnte das jedoch nicht glauben.

 

Wir haben inzwischen alles versucht, über Caritas, Innere Mission, Rotes Kreuz irgendwas zu erfahren, alles vergebens. Im März d.J. bekamen wir folgende aufregende Nachricht: Ein angeblich aus einem englischen Lazarett entlassener Kriegsgefangener hat im Frankfurter Hauptbahnhof einem uns bekannten Heimkehrer Grüße an die Eltern von Walter Michel ausrichten lassen. Der betreffende Michel soll schwerstverwundet in einen engl. Lazarett liegen. Mit der Nachricht konnten wir jedoch nichts anfangen, weil der Sanitäter weder den Namen noch die Anschrift des Entlassenen wusste. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu warten.

 

n den letzten Monaten sind hier vier verschiedene plötzlich zurückgekommen, die nicht in der Lage waren, ein Lebenszeichen von sich zu geben. Wir hoffen, dass dies hier bei uns eines Tages der Fall sein wird. Sollten wir eine Nachricht bekommen, erhalten Sie selbstverständlich bescheid. Wir sollten hoffen auf bessere Zeiten, denn uns graut es vor dem Winter.

 

Bis auf Weiteres recht viele herzliche Grüße auch an Ihre Eltern von

Ihrem Wilhelm Michel und Frau

 

 

 

10.11.1947

Brief von Fritz Schuhmann, Gotha/Thüringen, Utenbacher Straße 61

 

Liebe Familie Michel!

 

Ihren lieben Brief vom 15.09.47 habe ich dankend und mit großer Freude erhalten. Dass Sie von Ihrem Sohn Walter noch nichts gehört haben, ist ja sehr bedauernswert. Ich selbst habe alles versucht, etwas näheres zu erfahren, aber es war alles vergebens. Sie wissen ja selbst, dass ich mit Walter sehr gut befreundet war und deshalb liegt mir auch sehr viel daran. Wir wollen hoffen, dass eines Tages auch Ihr Sohn zurück kommt, oder sie wenigstens eine Nachricht bekommen, dass Sie wissen, was los ist und auch dann von der Ungewissheit erlöst sind.

 

Lieber Herr Michel!

 

Ich hätte nun eine Bitte an sie und wahrscheinlich ist es Ihnen möglich, mir diesen zu erfüllen. Ich habe in Fechenheim einen Onkel wohnen, weiß aber leider nicht die Adresse. Der Name ist Otto Schuhmann, Frankfuirt/Fechenheim. Wenn es Ihnen möglich ist, die Adresse zu vervollständigen, dann wäre ich Ihnen sehr dankbar. Wenn ich einmal nach Frankfurt komme, werde ich auch Ihnen einen Besuch abstatten.

Soweit geht es mir soweit entsprechend gut, was ich auch von Ihnen allen hoffe. Es könnte aber noch etwas besser werden. Sie wissen ja selbst, wie es ist und ich glaube, im Westen ist es mit allem immer noch etwas besser als hier.

 

Könnten wir nicht ein kleines Austauschgeschäft machen mit Pullover oder Westen?

Sonst gibt es nichts neues und ich möchte nun Schluss machen und danke schon im Voraus für Ihre Bemühungen.

 

Bis auf Weiteres verbleibe ich mit den herzlichsten Grüßen

Ihr Fritz Schuhmann

 

 

 

12.12.1947

Brief an Fritz Schuhmann, Gotha/Thüringen

 

Lieber Herr Schuhmann!

 

Über Ihre liebenswürdigen Zeilen vom 10.11.47 haben wir uns sehr gefreut. Von Walter haben wir noch nichts gehört. 1940, das sind 7 Jahre her, haben wir Weihnachten das letzte mal zusammen gefeiert. Nicht einmal war Walter einmal die Feiertage zuhause. Wir hoffen weiter, dass wir eines Tages doch ein Lebenszeichen erhalten.

 

Doch zu Ihren Zeilen: Ihr Onkel Otto Schuhmann ist bereits im Dezember 1942 verstorben. Seine Frau lebt noch und wohnt hier in der Salmünsterer Straße 19. Ihre Kinder, 2 Söhne und 3 Töchter sind sämtlich verheiratet und haben Nachkommen. Frau Schuhmann und Kinder leben in gewohnten Verhältnissen. Wie Sie sich das kleine Austauschgeschenk denken, müssen sie mir näher erläutern. Wollsachen brauchen wir hier dringender, was benötigen Sie hingegen? Mit Schwarzhandel gebe ich mich nicht ab, zumal ich Städtischer Beamter bin. Bitte Sie um weitere Nachricht.

 

Wünsche Ihnen und Ihren Eltern frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr Noch viel Grüße von Wilhelm Michel und Frau

 

 

 

21.11.1947

Brief an den Suchdienst für vermisste Deutsche, Berlin

 

Wilhelm Michel                                                                                           den 21.11.1947

Architekt

(16) Frankfurt a/M-Fechenheim  

Willmannstraße 14

 

An den Suchdienst für vermisste Deutsche

in der russischen Sowjetzone und Sowjetunion

1 Berlin 8

Kannrainer Straße 35

 

Unser Sohn Walter Michel, Obergefreiter in einer Feldwerft im Osten wird seit März 1945 vermisst. Die letzte Post vom 10.3.45 kam aus Pillau / Ostpreußen von dem dortigen Flugplatz. Nach Angaben von Kameraden wurde die Einheit am 17.3.45 als Erdtruppe bei Heiligenbeil / Ostpreußen eingesetzt. Gesehen wurde unser Sohn zuletzt am 25.3.45.

 

Personalangaben:

Walter Michel, Obergefreiter Geboren am 11.5.1922 zu Frankfurt a/M

Truppenteil: Flieger-Feldwerft im Osten Feldluftgau XXVII

Feldpost Nr. 15987 (A) Luftgau Postamt Berlin

 

Zuletzt eingesetzt südlich von Königsberg bei Heiligenbeil bei Infanterie

 

Zivilberuf:

Praktikant im Maschinenbau

 

Ständiger und letzter Wohnort:

Frankfurt a/M-Fechenheim, Willmannstraße 14

 

Anschrift der Eltern:

Wilhelm Michel und Frau Frankfurt a/M-Fechenheim Willmannstraße 14

 

Für eine Nachricht gleich welcher Art bin ich sehr dankbar. Mit gleicher Post habe ich auf das Postscheckkonto Hamburger Straße 22244 RM 5,-- eingezahlt.

 

Mit vorzüglicher Hochachtung

Wilhelm Michel

 

 

 

28.01.1948

Brief von Alfred Gottschlich, Herne , Roonstraße 19

 

Liebe Familie Michel!

Vor einiger Zeit erhielt ich Ihren Brief, wofür ich Ihnen auf das Herzlichste danken möchte.

Gewiss werden Sie schon lange auf einen Brief von mir gewartet haben. Ja, ich hatte schon mehr als einmal einen Brief angefangen, es soll keine Entschuldigung sein. Ich schrieb den Brief nie zuende, weil mir immer der Gedanke aufkam, ich würde in Ihnen nur unnötige schmerzliche Erinnerungen aufkommen lassen.

 

Bis zur Zeit Ihres Briefes vom 20.11.47 glaubte ich auch immer, dass man jegliche Spur von Walter nur auf Seiten der russischen Front suchen müsse. Aber nun stellt sich ein neues Problem vor einem auf. Die Nachricht des Sanitäters vom Hauptbahnhof kann ja auch nicht aus der Luft gegriffen sein. Nun hatte ich vor einigen Tagen Gelegenheit, mit einem Heimkehrer zu sprechen, der als Kriegsgefangener in englischen Lazaretten und Krankenhäusern als Sanitätsgehilfe gearbeitet hat. Er erklärte mir, dass sämtliche Schwerverwundete schon 1946 von England nach Deutschland gebracht worden wären. Ich glaube nun schon, dass die Nachricht des Heimkehrers aus der Gegend von Würzburg auf Wahrheit beruht.

 

Ist es nicht möglich, dass der Soldat nicht den Mut aufringt, Ihnen zu berichten, dass Walter an einer schweren Verwundung in einem englischen Lazarett gestorben ist? Ja, es ist nicht leicht, diese Ungewissheit zu ertragen, aber mögen wir doch Gott darum bitten, dass er uns auch hierin volle Klarheit schenken möge. Ich werde auch weiterhin jede Gelegenheit ausnutzen, irgend etwas zu erfahren.

 

Meine Eltern und Schwester lassen Sie für die Grüße danken. Es geht einem hier in Herne so einigermaßen. Ja, man ist doch schon sehr bescheiden geworden, wenn ich so an all die Pläne denke, die man hatte, wenn man einmal wider zuhause sein wird. Von all dem ist noch nichts erfüllt. Man kann nur sagen, man ist eher zurück als vorwärts gegangen. Zu kaufen gibt es hier nur Sachen gegen Bergmannspunkte. Für uns, die wir nichts mit dem Bergbau zu tun haben, gibt es nicht das Geringste. Wir leben eben in einer Zeit, wie wir sie uns wohl nicht vorgestellt haben.

 

Im stetigen Gedenken an Ihren lieben Sohn Walter grüßt Sie recht herzlich

Alfred Gottschlich

 

 

 

27.07.1949

Brief an das Schwedische Rote kreuz, Stockholm

 

An das Schwedische Rote Kreuz

Stockholm / Schweden

Artillerie Gatan 6

 

Betrifft:

Suche nach dem vermissten Obergefreiten Walter Michel, geb. am 11.5.1922 aus Frankfurt a/M, Willmannstraße 14, Feldpostnummer L 15987 (A)

 

Unser Sohn, der Obergefreite Walter Michel wird seit März 1945 vermisst. Die Einheit - Feldwerft Luftwaffe - wurde Mitte März 45 bei Heiligenbeil in Ostpreußen im Erdkampf eingesetzt. Die letzte Post vom 10.3.45 kam aus Pillau in Ostpreußen.

 

Wir sind seit 1945 in großer Sorge um unseren einzigen Sohn. Sollten Sie über dessen Schicksal irgend etwas mitteilen können, sind wir Ihnen äußerst dankbar. Für entstehende Unkosten - allerdings in DM - kommen wir gern auf.

 

Mit vorzüglicher Hochachtung

Walter Michel

 

 

 

Schmerzliche Gewissheit nach der amtlichen Benachrichtigung

 

Nach diesen Briefkontakten riss wahrscheinlich der gesamte Kontakt zu Personen aus dem näheren Umfeld von Walter Michel ab. Auch die angeschriebenen Behörden antworteten nicht auf die verzweifelten Hilfegesuche der Eltern, die inzwischen sehr zurückgezogen lebten. Als naher Verwandter im Kindesalter begriff ich damals nicht, warum meine Großtante Margarethe Michel so seltsam war und man in ihrer Nähe keine Herzlichkeit spürte. Mein Vater hatte stets das Gefühl, dass sie sich immer wieder fragte, warum er wohl nach Hause kam, jedoch ihr Sohn nicht.

 

Wilhelm Michel war lange Jahre wegen seines Lungenleidens in einer sehr schlechten gesundheitlichen Verfassung. Ich erinnere mich noch gut an die Apfelernten, bei denen mein Vater - als spät nach Hause gekommener Kriegsgefangener Jahrgang 1920 - helfen durfte. Es waren die Apfelernten, die Walter Michel immer nach seiner Heimkehr erleben wollte. Auch den Birnbaum, der in den Briefen eine Rolle spielte, erlebte ich noch und durfte die saftigen Birnen essen, die Walter nicht mehr genießen konnte. Zu meinem Vater fühlte sich Wilhelm Michel hingezogen, weil er ihn sehr an seinen Sohn erinnerte. Auch mich behandelte er im Gegensatz zu seiner Frau sehr liebevoll. 

 

Beide Elternteile warteten bis zu ihrem Tod auf ein Lebenszeichen ihres Sohnes und sprachen immer davon, wie es wäre, wenn er plötzlich wieder vor der Tür stünde.

 

Wilhelm Michel verstarb im Jahr 1956, ohne auch nur einen verlässlichen Hinweis über das Schicksal seines Sohnes zu erhalten.

 

Am 21.10.1978 erhielt Margarethe Michel - 33 Jahre nach Kriegsende - Post vom Deutschen Roten Kreuz und eine Vorladung, ein Gutachten persönlich abzuholen. Dieses Gutachten, das am Ende der Dokumentation angefügt ist, galt zwar als offizielles Dokument, mit dessen Hilfe man den Angehörigen ermöglichte, den Vermissten für tot erklären zu lassen, eine zuverlässige Aussage über den Verbleib von Walter Michel gibt es jedoch bis heute nicht.

 

Als Margarethe Michel 1991 erblindet im Alter von 99 Jahren verstarb, erhielt der Familiengrabstein auch eine Inschrift für Walter Michel.

 

Es wird Menschen geben, die diesen sinnlosen Tod und den Raub der Jugend einer ganzen Generation mit "Schicksal" erklären wollen. Dies war es nur im Sinne der Ohnmacht, die Bürger aller Nationen ertragen müssen, wenn deren Regierende immer wieder Menschen für Macht und Reichtum der Kriegsgewinnler hinmorden lassen. Man hätte annehmen können, dass die Menschheit seit dem 2. Weltkrieg dazugelernt hätte. Dagegen sprechen in der Folgezeit jedoch der Koreakrieg, der Vietnamkrieg, der erste und der zweite Golfkrieg, der Krieg auf dem Balkan, in Afghanistan und andere Konflikte.

 

Nie wieder Krieg - nie wieder Militär?

 

Die Menschheit hat nichts dazu gelernt und es sind schon wieder neue Walter Michels im Einsatz, die erneut für die Macht der Politiker, für Wirtschaft und Reichtum geopfert werden.

 

Angesichts der weltweit zirka 55 Millionen Kriegsopfer, der unzähligen Kriegsversehrten, der Opfer des Holocaust, der vielen Vertriebenen, der Witwen und Waisen, des verlorenen Hab und Gutes unzähliger Menschen baute unser Volk Deutschland wieder auf und gab dem Land eine demokratische Verfassung. Darin bekannten sich alle Politiker, die am Grundgesetz mitwirkten, zur Abkehr vom Nationalsozialismus und seinen totalitären Formen der Macht. Es bestand Konsens darin, dass Deutschland nie mehr Militär aufstellt. Die aufgeladene Schuld erforderte diese Konsequenz.

 

Am 5. Mai 1955 - zehn Jahre nach Kriegsende - waren diese Schwüre auf einmal vergessen, als die westlichen Alliierten im Rahmen des kalten Krieges Interesse an der Wiederbewaffnung unseres Volkes zeigten. Die Bundeswehr wurde gegründet!

Zu diesem Zeitpunkt befanden sich sogar noch deutsche Kriegsgefangene in russischen Lagern. Die Aufstellung der Bundeswehr war aus gutem Grund äußerst umstritten. 1958 stammten 12.900 Offiziere der Bundeswehr aus der ehemaligen Wehrmacht. Die Bundeswehr sah sich angeblich jedoch nicht in der Tradition der Wehrmacht. Man hatte sich zuvor davon distanziert.  Am 16. März 1951 war bereits der paramilitärisch organisierte Bundesgrenzschutz gebildet worden, nachdem der damalige Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte Dwigth D. Eisenhower am 23. Januar 1951 eine Ehrenerklärung  für die Soldaten der Wehrmacht abgegeben hatte.

Parallel dazu stellte die damalige DDR die nationale Volksarmee auf, von der 1990 zirka 20.000 Soldaten in die Bundeswehr integriert wurden.

 

Heute stehen unsere Soldaten wieder im Kosovo, in Afghanistan, am Horn von Afrika und in anderen Krisengebieten - allerdings im Auftrag der NATO. Die Kriegsgewinnler sind die gleichen Unternehmen wie in den Kriegen davor. Und wieder sind deutsche Soldaten traumatisiert oder werden in Leichensäcken zuhause abgeliefert. Es konnte kein Gras über die Wunden des Krieges wachsen. Zu groß sind die wirtschaftlichen Interessen an Kriegen.

 

Im Namen der Freiheit

 

Der Schlussgedanke dieser Dokumentation soll der Freiheit jedes einzelnen Menschen gelten, der in die Maschinerie des Krieges und die Willkür der Gewalt geriet. Neben den Berufssoldaten, die sich freiwillig dem Dienst mit der Waffe verschrieben, muss man die große Menge der Einberufenen sehen, die quasi zum Dienst mit der Waffe gezwungen wurden. Beide Gruppen gaben mit dem Eintritt in die Wehrmacht, die Luftwaffe oder die Marine ihre Eigenständigkeit, ihre Freiheit auf. Als Soldaten wurden sie nahezu entmündigt und man verfügte über sie nach Belieben. Kriegsgerät, Munition, Verpflegung und Ausrüstung spülten Milliarden in die Kassen der Lieferanten des Militärs. Ohne Menschen gäbe es allerdings keinen Verbrauch dieser Materialien. Man braucht  Soldaten und Gegner zum Verbrauch, ja sogar die schutzlose Bevölkerung des Feindes, um die Fracht des Todes abzuladen. Das perfekte Mittel für diese Art von "Konsum" sind Kriege. Und weil die Kriege wie geschmiert liefen, wurden immer neue Ziele ausgewählt - Länder, die man nach der Eroberung auch noch ausbeuten konnte. Partner für die Ausbeutung waren wiederum Unternehmen, denen man fremde Ausrüstungen und Zwangsarbeiter zur Verfügung stellte, um kriegswichtiges Material zu produzieren. Das Schmiermittel dieses Kreislaufs ist und war der Mensch, der gnadenlos als Soldat, als Gefangener und als Opfer verbraucht wurde.

Militärische Planungen waren stets mit kalkulierten Verlusten verbunden. Militärs schätzten ab, wie viel Menschen zu opfern seien, um eine Höhe XY, eine Flussüberquerung oder ein anderes strategisches Ziel zu erreichen. Der Soldat war nur eine Nummer, ein Nichts, der zu funktionieren hatte. Wer sich seiner unsinnigen Opferung eigenmächtig entzog, bezahlte das ebenfalls mit seinem Leben. Viele Soldaten gerieten in Situationen, in denen sie keine Wahl mehr hatten und sich die Frage stellten: "Warum gerade ich, warum gerade hier und für wen oder was muss ich jetzt sterben?" Sie waren sämtlicher Grundrechte beraubt und starben verraten, vergessen und verkauft. Diejenigen, denen sie ihr Schicksal zu verdanken hatten, beriefen sich auf angeblich zwangsläufige Abläufe, weil sie selbst Handlanger der Mächtigen waren.

Die Feder des Krieges führen die, die daran verdienen und die Politik bereitet ihnen den Weg. Damit opfert man die Freiheit des Einzelnen - paradoxer Weise sogar im Namen der Freiheit!