Im
Juni 2010 rückte eine meiner Aktivitäten in den Fokus, in die ich bisher
schon sehr viel Arbeit steckte. Die Rede ist von meiner
Internet-Dokumentation VERMISST - Das kurze
Leben des Walter Michel. Nun interessiert sich ein Verlag dafür
und möchte die Story als Buch herausgeben.
Seit
2006 befasste ich mich mit mehr als 150 Feldpostbriefen eines nahen
Verwandten, die er über einen längeren Zeitraum aus dem Russland-Feldzug
des 2. Weltkrieges nach Hause schickte. Sie waren mir beim Umzug meiner
Eltern in die Hände gefallen. Verschnürt steckten sie zusammen mit einem
Bündel Fotos in einer uralten Aktentasche. Zu Lebzeiten der Eltern von Walter
Michel - meinem Verwandten - waren die Briefe und die Bilder wahre
Reliquien, denn sie waren die einzige Erinnerung an ihren vermissten Sohn.
Als
ich begann die Briefe zu lesen, musste ich mich erst einmal durch seine
Handschrift kämpfen, die sowohl Elemente der Sütterlin-Schrift als auch
der alten deutschen Schrift enthielt. Mit jedem Brief wuchs das Empfinden
für Walter Michel und ich begann mit meiner
Internet-Dokumentation. Schon bald verschaffte ich mir einen Überblick
über die zeitnahen Kampfhandlungen an allen Frontabschnitten, so dass ich
den Inhalt der Briefe besser zuordnen konnte. Irgendwann war dann die
Dokumentation abgeschlossen und im Internet verfügbar.
Nach
kurzer Zeit begann ein richtiger Run auf die Website, denn Interessenten
aus aller Welt griffen darauf zu. Irgendwann registrierte ich auch den
Zugriff von Universitäten, aber auch russischer Kriegsveteranen und ihrer
Nachkommen. Es entstanden Kontakte, bei denen ich neue Informationen
erhielt. Im Juni 2010 wurde ich auf Hermann Lohmann und Karl
Heinz Schmeelke (beide Jahrgang 1925) aufmerksam, die exakt
zur gleichen Zeit an dem Frontabschnitt waren, an dem sich die Spur von Walter
Michel verlor. Durch ihre Aufzeichnungen und Fotos formte sich das
Bild vom vermutlich letzten Tag im Leben des Walter Michel
aus, um das ich nun endlich meine Dokumentation komplettieren kann.
Parallel
dazu kam ein Verlag auf mich zu, der großes Interesse an der Doku zeigt
und diese als Buch herausgeben will. Es ist wohl die Mischung zwischen
menschlicher Nähe auf der einen Seite und der Apokalypse im Kessel von
Heiligenbeil, in dem die 4. Armee der Heeresgruppe Mitte restlos
unterging. Über dieses Kriegsdrama, das nur noch mit den Zuständen in
Stalingrad vergleichbar ist, war viele Jahre nur wenig in die
Öffentlichkeit gelangt. Der Untergang Ostpreußens mit seinen wertvollen
historischen Kulturschätzen sowie die Evakuierung über einer Million
Flüchtlinge über die Ostsee wurde erst in den letzten Jahrzehnten vom
Fernsehen aufgegriffen, nachdem sich die Militärarchive geöffnet hatten.
Wie
sich jetzt am Beispiel von Karl Heinz Schmeelke und Hermann
Lohmann zeigt, existieren aber auch noch viele Fotos und
Filmmaterial, die Frontsoldaten damals privat erstellten. Dieses Material
steht mir jetzt zur Verfügung und in den nächsten Wochen wird die
Dokumentation um wichtige Details komplettiert. In diesem Zusammenhang ist
interessant, dass viele ehemalige Frontabschnitte bis heute nahezu
unberührt blieben und Schatzsucher der Militaria-Händler heute dort
illegal nach altem Material graben, das unmittelbar unter der Oberfläche
liegt. Dabei werden auch Soldatengräber und Stellen geplündert, an denen
Soldaten an der Oberfläche verwesten und deren Reste lediglich
überwucherten. Da sie es auf die Erkennungsmarken abgesehen haben, wird
eine späte offizielle Identifizierung unmöglich gemacht und die
Hinterbliebenen bleiben weiterhin im Ungewissen. Ein wesentlicher Grund
für das Vergessen ist im kompletten Austausch der Bevölkerung
Ostpreußens zu sehen. Dadurch wurde weder die Erinnerung nachhaltig wach
gehalten, noch all das wieder aufgebaut, was im Krieg zerstört wurde.
Jetzt gilt es, die Erinnerung daran zu konservieren. |
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