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Was ist eigentlich Zivilcourage?

 

 

In unseren Tagen reden wir sehr oft von Zivilcourage. Wer hat sie und gegen wen richtet sie sich?

 

Der normale Gegner der Zivilcourage auf dem Feld des Alltags ist nicht mehr eine übermächtige Regierung, der man zu gehorchen habe, auch nicht der betriebliche Vorgesetzte, sondern einfach die große Mehrheit der Leute und das tatsächliche und als Norm verinnerlichte Mehrheitsverhalten, das sich sehr oft in den Auswüchsen des Zeitgeistes widerspiegelt. 

Das Grundprinzip der durchschnittlichen Erwartungen, die das Verhalten steuern, ist: so zu sein wie alle anderen, also unauffällig, konform. Es ist dies und das üblich geworden, und an das Übliche halten sich sinnvollerweise die allermeisten Menschen, weil das Leben auf diese Weise enorm entlastet wird. Das Übliche zu tun bedarf keiner besonderen moralischen Anstrengung, und das ist so lange in Ordnung, wie die Üblichkeiten oder Konventionen nicht der Moral widersprechen.

 

Zivilcourage und Hilfeleistung gehen Hand in Hand und müssen nicht nur auf extremen Notlagen fußen. So gibt es im Strafgesetzbuch der Bundesrepublik den § 323 c, der die Pflicht zur Hilfeleistung regelt:

 

"Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten ist, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe belangt."

 

Moral ist gefordert. Die Banalität des Guten ist nicht mehr ausreichend gegeben, weil die ihr zugrunde liegende substantielle Sittlichkeit geschwunden ist. Gefordert ist die Verwirklichung moralischer Existenz, die Vorbereitung auf den Ernstfall. Moralische Existenz fängt damit an, unabhängig von Anmutungen und Zumutungen handeln zu können. Entscheidend ist heute die Unabhängigkeit von Zumutungen, sprich: schlechten Üblichkeiten. Auf dem Hintergrund des beschriebenen Gesellschaftszustandes ist Zivilcourage eine der Grundqualifikationen für moralisches Verhalten. 

Nachdem das moralische Vertrauen in die Welt durch die Erfahrungen unseres Jahrhunderts erschüttert worden ist, fängt Moralität mit Skepsis an und schreitet fort zum Sich-Abstoßen vom Üblichen und zum Aufbruch ins Selbstsein. Auch heute verlangt eine moralische Existenz, anders zu sein, besser zu sein als die Vielen, auszubrechen aus dem, was geschieht. Moralität beginnt mit dem Widerstand.

 

Die Charaktertugenden bestimmt Aristoteles als durch Gewöhnung erworbene Haltungen, aufgrund derer man sich zu den Affekten (Gefühlen) gut verhält. Es kommt nämlich darauf an, zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig der Affekte die richtige Mitte zu finden. So ist die Feigheit die Haltung des Zuviel bezüglich des Affekts der Furcht: Wer feige ist, lässt sich von der Furcht überwältigen und läuft vor jeder Gefahr davon. Die Haltung des Zuwenig ist die Tollkühnheit, die gar nichts fürchtet und sich in jede Gefahr stürzt. 

In der Mitte liegt die Tapferkeit, die der Furcht den ihr zukommenden Einfluss auf die Handlungswahl gewährt. Nur die Tapferkeit ist Tugend, nicht Feigheit und Tollkühnheit. 

Regulativ ist die Vernunft: Richtig ist, was die Vernunft als richtig erkennt, was der Kluge, der, der die Verstandestugend der Klugheit besitzt, als das Richtige bestimmt.

 

Damit haben wir die Zivilcourage der überkommenen Tugendlehre zugeordnet: als die moderne Erscheinungsform der richtig verstandenen Kardinaltugend Tapferkeit, die im Reich des Moralischen und Sittlichen beheimatet ist. Sie ist nicht einfach Mut, der eine vorsittliche, naturale Fähigkeit ist. 

Wer im Sinne der Zivilcourage handeln will, braucht jedoch Mut, Selbstvertrauen und Hoffnung auf Gelingen, er braucht seelische Gesundheit und Widerstandskraft, also ein gutes Nervenkostüm, und nicht zuletzt die Bereitschaft zum Angriff, wobei eine Portion Zorn sehr hilfreich sein kann.

 

Wer etwas mehr über das Thema ergründen will, dem empfehle ich den nachfolgenden Link auf ein Vortragsmanuskript von Helmut Jaskolski, dem obige Passagen entnommen worden sind.

 

Zivilcourage - was ist das?  Helmut Jaskolski